Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 11, 1900, Image 14

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    3n der svMe des iHwcn.
HumoikSke von . t rn 0 n n i e 0 ff t r i.
Eines fifc5::cn Morgens blieb das (5i
garrengcschäft von Fr. Willibald flu
kakl aeiäilonen. Ter einzige treue
Kunde der irma, ein aller Mann.
wartete vergeblich auf Oeffnung und
mußte schlieblich seinen Tagesbedarf
an Zcknuvftabak auS einem anderen
Geschäft holen. Tie Firma Fr. Willi
bald Kusahl war Pleite. TaS paf,
sirte dem guten Manne nun Ichon zum
vierten Male. Ursprünglich chneider.
hängte er alsbald die Röcke an den
Nagel weil er so ehrlich war und jeden
Flicken herausgab ward dann tu
ner, konnte aber von keinem Menschen
Trinkgeld annehmen, weshalb er eben
faUS bald .aufräumen" mußte, um
nunmehr Buchhändler zu werden. Auch
in dieser Branche kam er nicht recht in
den Text und versuchte eS deshalb ein
mal mit dem Cigarrenhandcl, indem
er wohl meinte, Tabakfchmöker feien
gewiß gesuchter alZ gedruckte Schmöker.
Indessen auch alZ Rauch"waarenhänd.
ler war er schief gewickelt es glückte
ihm nichts.
.Eine reiche Heirath ist noch das
Einzige, waS mich retten könnte !"
fpelulir teer am BorabendfeinerPleite.
.aber aber, ob sie" Geld hat??-
Er liebte nämlich mit aufrichtigem
Herzen ein junges, hübsches Mädchen.
Wie sie hieß, wer und was sie war
daS wußte er nicht er kannte nur ihre
Erscheinung, die ihn vollständig gcfan
gen genommen hatte. Wenn doch
dieses Mädchen Geld hätte mich lieben
und heirathen möchte, wie ich sie ja
da wär' ich 'mal fein 'raus die
ganze Konkurrenz machte ich todt !!"
Aber daS war ja eben die große Frage:
Hat sie Geld? Er glaubte stark ver
muthen zu dürfen, daß sie eine tüchtige
Mitgift zu erwarten habe, denn eines
TageS hatte sie bei ihm ein Dutzend
Cigarren zu 20 Pfennig das Stück ent
nommen, .für ihren Papa, der heute
nicht selbst kommen könne. Die 2.40
Mark würde er bei feinem nächsten Ein
kauf schon bezahlen."
Eines Abends die Tageslosung
betrug 65 Pfennig, in Buchstaben:
fünfundsechzig Pfennig ließ Fr. Wil
libald Kufahl die Rollläden herab mit
dem festen Entschluß, sie am nächsten
Morgen in diesem Zustande zu Mas
sen. Kaltblütig steckte der Pleitemacher
sich eine von seinen schon recht abge
lagerten Sechspfennigern an und eine
- süchtige Handvoll in feine Rocktasche.
-Tann schmückte er sich mit der goldenen
Ubr und Kette und erwartete vor der
Thür die heimlich geliebte Maid. Bald
erschien sie auch. Er grüßte ganz be
sonders höflich, und sie dankte ihin
ganz besonders freundlich. Erröthend
ging sie weiter, und erröthend folgte er
ihren Spuren. ES dauerte nicht lange,
und er befand sich an ihrer Seite.
Mein gnädiges Fräulein, darf ich
Sie begleiten?"
O. sehr liebenwürdig!"
Wollen gnädiges Fräulein nur ei-
nen kleinen Spaziergang unternehmen
oder "
Nein ich will nur ein wenig pro
meniren "
0, das trifft sich ja ganz herrlich
auch ich wollte ein bischen bummeln "
Sie haben es auch gewiß nöthig
so den ganzen Tag im Geschäft thätig
zu sein "
Allerdings mein gnädigstes Fräu
lein ich ich bin des Abends immer
ganz koppfuse von dem vielen Tru
bei!"
Kann ich mir lebhaft vorstellen.
Aber heute haben Sie wohl besonders
tüchtige Einnahme gehabt? Wie ich be
merke ist Ihr Geschäft schon ge
schloffen "
Ja, ausnahmsweise! Ausnahms
weise, mein gnädigstes Fräulein
daS heißt ich glaube, auch morgen
und übermorgen. Doch lasten wir
das Geschäft reden wir von etwas
Anderm."
Und nun redeten sie merkwürdiger
weise auch gleich vom Heirathen und
Nichtheirathen.
.Sie sind doch gewiß noch nicht der
lobt, mein Fräulein?"
O nein wie würde ich sonst "
.Na eben!"
Sie waren an einen Steg gekom
men, der über ein kleines Wässerchen
führte. Unwillkürlich blieben sie stehen
und lauschten dem poetischen Geplät
scher. Und als der Mond hinter einer
Wolke hervortrat und mit seinem hellen
Schein die heimlichen Gedanken und
Wünsche verrieth, die aus den Augen
der beiden verliebten hervorblitzien
da legte Willibald seinen Arm um ihre
Schultern und küßte sie. Und sie?
Sie ließ sich küssen, als sei das ganz
selbstverständlich. Eine geraume Weile
standen sie auf dem Steg und tauschten
Zärtlichkeiten, ohne ein Wort zu spre
chen. Da Willibald wollte gerade
nach ihrem Namen und anderen wis
senswerthen Dingen fragen, schlug die
Thurmuhr der nahen Kirche.
Ach Tu meine Güte schon Neun!"
rief in diesem Augenblick das Mäd
chen und befreite sich aus seinem Arm
was wird Papa sagen ich sollte
um Acht schon wieder zu Haufe sein!"
Es ist erst dreiviertel durch " sagte
Willibald und zog großspurig seinen
goldenen Chronometer. Unwillkürlich
staunte sie einige Sekunden das kostbare
Gehäuse an, dann reichte sie ihm die
Hand und enteilte. Willibald schaute
ihr mit getheilten Empfindungen nach.
Was sollte er von dieser jungen Dame '
halten? -ie htte sich von ihm um
armen und sogar küssen lasten. war
sie nun eigentlich seine Braut oder
nicht ?
.Diese
-ache
muß noch heute klar
werden! " dachte er, und kurz ent
schloffen schwang er sich auf einen gerade
vorüberfahrenden Pferdedahnmagen.
mit dem er die junge, unbekannte Dame
alsbald wieder einholte. Und als er
sah. wie das blaue Kleid des von ihm
geküßten MüdchenS in einer Entreethür
des ersten Stock verschwand, zögerte er
nur wenige bange Minuten und dann
zog auch er die Glocke, wiewohl der
Name auf dem daneben befindlichen
Porzellanschilve: August Biefterling".
nicht sehr einladend war.
Sie wünschen?". fragte jetzt eine
rauhe Stimme hinter der geöffneten
Thür.
Ich - ich -"
Bitte, beeilen Sie sich habe keine
Zeit!"
.Ach so also ich lch möchte sie
um eine Unterredung bitten!"
Um was handelt eS sich?"
DaS kann ich Ihnen unmöglich
zwischen Thür nnd Angel sagen, Herr
Herr Biefterling."
ES ist neun Uyr vorbei und das
Bureau bereits geschlossen. Sie sind
wohl der p. p. Sauerbicr?"
Mein Name ist Kufahl Fr. Wil
libald Kufahl "
So. so! Kufahl! Aha! Weiß schon
Dann kommen Sie mal rein!"
Na?" sagte dann Herr Biefterling
und heftete seine Augen mit besonderem
Interesse auf Willibalds pompöse Pan
zerkette. die nach seiner Tare winde,
stens einen Werth von fünfzig Thalern
repräsentirte. Willibald bemerkte dies
mit wohlgefälliger Genugthuung.
Ich mache auf ihn den Eindruck
eines wohlhabenden Mannes!" dachte
er und wollte, ganz und gar ermuthigt,
gleich auf sein Ziel losschießen. Bie
sterling aber kam ihm zuvor.
Wollen Sie noch vor Thorschluß
AlleS bezahlen, hm?" fragte er halb
vertraulich, halb aber noch mißtrauend
Bezahlen?" wiederholte Willibald
gedehnt und verwundert, was denn
bezahlen?" Und im Stillen sagte
sich, daß dieser Mann ihm ja noch 2,40
Mark schuldig sei
Ach so Sie können nicht und wol
len noch zuguterlctzt Aufschub der Pfän
dung vet mir nach umen k jiqut mir
leid das gibt's nicht geht Alles fei
nen Gang."
Pfändung?" flüsterte Willibald
ganz entgeistert vor sich hin und wußte
gar nicht, wie ihm geschah.
Biefterling kramte einige Zeit in sei
nen Akten. Morgen früh zehn Uhr
werden die Sachen abgeholt von Ihnen
hier ist der Vollstreckungstitel."
Allmächtiger Hilnmel !" dachte
Willibald, dieser Mann, bei dem ich
um die Hand feiner Tochter anhalten
wollte, ist ineln Gerichtsvollzieher."
Sie können also nicht zahlen?"
Willibald schüttelte stumm sein gesenkt
teS Haupt.
Dann lassen Sie wenigstens das
gleich hier." sagte Biefterling und griff
rücksichtslos nach der goldenen Kette.
Mein Herr !" rief Willibald und
wehrte ihm.
Wollen Sie sich Widerstand gegen
die Staatsgewalt erlauben?"
Das arme Opfer ließ sich nun auch
die goldene Uhr aus der Tasche ziehen
und mußte froh fein, daß ihm nicht
auch noch die letzten paar Pfennige ab
genommen wurden.
So, der Tarwerth wird von der
Forderungssumme abgezogen. Adieu!"
Im nächsten Augenblick befand sich
Willibald wieder vor der Entreethür.
Jetzt erschieße ich mich, oder ich hänge
mich auch auf!" kalkukirte er da kam
ihm noch ein glücklicher Gedanke.
Vielleicht rettet mich das noch!"
Und nun rief er so laut um Hilfe, daß
man gleich aus allen Ecken zusammen-
lief, um zu sehen, was es gäbe. Mit
gut gespielter Verstellung hatte er sich
zu Boden geworfen und gewährte das
Bild eines in Kräinpfen sich Winden
den. Die Tochter des Gerichtsvoll
ziehers war die Erste, die zu Hilfe kam.
Mir fehlt gar Nichts !" raunte er
ihr ins Ohr höchstens Geld! Wenn
Du mich wirklich liebst so hilf mir.
Deinen Vater auf diese Weise zu rüh
ren er will inorgen bei mir pfänden!"
Sie nickte verständnlßlnnig.
Nun waren sie auch schon umringt
von Hausbewohnern.
Schnell zu Hilfe. Papa I" rief
Emma (so hieß Biesterlings einzige
Tochter), der junge Mann hat die
Ohnmacht Wasser, Milch ! !"
Was fallt Dir ein, Mädchen
mach', daß Du doch was sehe ich, das
ist ja der p. p. Kufahl, der soeben
bei mir war. Stellen Sie sich nur
nicht so. als ob sie sterben müßten
deswegen werden Sie doch gepfändet!
Nehmen Sie sofort Ihre Knochen zu
sammen und scheren Sie sich zum Hause
hinaus!"
Papa, das ist unmenschlich von
Dir!"
Die Umstehenden nahmen sofort für
die Tochter gegen deren Vater Partei.
So ein unglücklicher Mensch!"
rief eine alte Matrone und fing an zu
jammern.
Ach. was !' rief Biesterlcng
rührselige Komödie! Mir macht man
nichts vor rraus!!"
Die Situation war auf den Höhe
Punkt gelangt, da erklärte Emma:
Papa Du wirst doch Deinen
Schwiegersohn nicht so dchaudeln '
.WaS sagtest Du. mein Töch'erchen.
ich habe wohl nicht recht gehört?"
.Doch. doch. Papa. Willibald ist
mein Bräutigam, und er beabsichtigte
mit seinem Besuch, otn und ehrlich bei
Dir um meine Hand zu werden."
.Nach Neune? Das ist ein netter
Freier! Eine Altcnnummcr von mir.
ein Pfandobjekt kommt Abends nach
Neune zu mir, ui die Höhle des Löwen
und will um meine Tochter anhallea?
Das ist ja zum Platzen!! Hahaha !!'
.Papa !" bat Emma flehentlich
und richtete ihre veilchenblauen Augen
auf den Gestrengen.
Was denn, Kind, Tu und der
da? Tu haft wohl "
.Papa Tu bist recht herzlos !"
Höre mal. Mädchen, wenn Tu noch
einmal so etwas sagst, klebe ich Dir
gleich ein blaueS Siegel auf Deinen
losen Mund! Marsch hinein und Sie.
Musjö Kufahl. ktennummer 3741 d,
erheben Sie sich gefälligst aus Ihren
Krämpfen und folgen Sie mir "
Willibald raffte sich mühsam empor.
Glauben Sie mir. Herr Biester
ling. mir ist wirklich sehr schlecht."
Bitte kommen Sie so, nun
s'tzcn Sie sich 'mal dahin aber fallen
Sie nicht um, wenn ich bitten darf.
Also nun beichten Sie 'mal. Wie kom
men Sie eigentlich dazu, um die Hand
meiner Tochter zu bitten?"
Ich liebe Ihre Fräulein Tochter.
Herr Biefterling."
So sehr liebenswürdig von Jh
nen. Und meine Tochter?"
Liebt mich wieder."
So. so. Und wo haben Sie das
festgestellt?"
DaS. Herr Biefterling. bleibt unde
dingtes Geheimniß."
Aha! Vielleicht wollen Sie mir auch
Nicht verrathen, wie Sie zu der llnver-
srorenhkit kommen, noch am Abend
nach Neun bei mir, Ihrem Gerichtsvoll,
zieher, den Segen zu dem naiven Sie
besdunde zu erbitten ?"
Herr Biefterling. ich wußte nicht,
vag &te die Vollmacht über mich be
sitzen, und was meinen späten Besuch
betrifft, so bitte ich zu bedenken, daß
mein Gelchäft keinen früheren ge
stattet "
Ach ja, Sie haben ja einen Cigar
renladen, den ich Ihnen morgen aus,
iramen iou unv ete wagen es, an
ständigen Bürgerstöchtern nachzulau
fen ?"
Nur Ihrer. Herr Biefterling!"
Danke!"
Und auch Ihrer Fräulein Tochter
bin ich nicht zuerst nachgelaufen im
Gegentheil sie ist zu m i r gekom-
men !"
Wie ?!"
Sie kaufte eines Tages ein Dutzend,
Cigarren bei mir, das Stück zu zwan-
zig Pfennig. Papa würde schon bczab-
len!"
Was. der Kuckuck, also von Ihnen
war die brave Sorte? Na, da bin ich
Ihnen ja zu ganz besonderem Tank
verpflichtet "
Entschuldigen Sie nur. Herr Bie-
sterling. ich hatte wirklich keine besseren,
und das Geld "
Nein.iich bin Ihnen thatsächlich der-
bunden! Ich hatte an jenem Tage einen
Besuch, der mir sehr lästig war. mit
Ihren Cichorien habe ich ihn alsbald
rausgegrault! Die Dinger waren mir
wirklich 2 Pfennige werth. Sagen
Sie mal, Herr Kufahl. was für ein
Handwerk haben Sie eigentlich vor dem
Cigarrenhandel betrieben?"
Ich bin gelernter Schneider. Herr
Biefterling." erklärte Willibald einfach
und ehrlich.
Was? (sine der? a aiiA!"
tief der Gerichtsvollzieher. Aber ich
begreife meinen Vater heute noch nicht.
wie er einen so hünenhaften Benael
wie mich auf den Schneidertisch klettern
lasen konnte. Sehen sie mal. mit
den Fingern kann ich doch keine Näh
nadel halten. Na. aber Sie?"
Ich war zu reell."
Das ist kein Fehler, aber er tauat
nichts. Verstehe schon! Na. und dann
machten Sie die Eiftnudelbude
auf t" rzm
Nein, dann spielte ich erst eine
Zeitlang Kellner."
Was Sie sagen! Sind Sie vielleicht
auch schon einmal Buchhandlungsgehilfe
gewesen ?"
Allerdings "
Aber Menschenkind, so haben wir
ja ganz genau dieselbe Carriere ge
macht, ich war ja auch Kellner und
Buchhändler, bis ich schließlich Exekutor
wurde, oder, wie man heute sehr rück
sichtslos sagt: Gerichtsvollzieher! Am
Ende wollen Sie das auch noch wer
den?"
Bin stark dabei, Ihnen Konkurrenz
zu machen. Herr Biefterling!"
Wieso ?"
Ihre Fräulein Tochter hat mir ihr
Herz verpfändet. Die Aktennummer,
unter der es bei mir verwahrt liegt, ist
so unendlich, daß ich sie Ihnen nicht zu
nennen vermag. Ucbrigens habe ich
vor einer Stunde schon daS Mcistgebot
abgegeben, und es befindet sich in mei
nem rechten Besitz."
Oho! Ich als Vater werde inter
veniren!" Zu spät!"
So. Nun. dann muß ich schon
einen Rückkauf versuchen. Emma!!"
Emma, die wohl, draußen vor der
Stubenthür gelauscht haben mochte, er
schien klopfenden Herzens.
Geh' doch mal in mein Bureau und
hole mir hierher, was auf meinem
Tische liegt" . j
Was ist es denn. Papa?"
ES liegt gleich od?n aus. etwas
Zusammenhangendes. ES fällt Dir
sofort in die Augen. Wenn Tu eS mir
richtig bringst. Emma, dann "
WaS ist dann. Papa?"
.Geh', sah' ich Dir und dring's!"
TaS kpld; Töchtcrlein verschwend,
um so'ort wieder zu elscheincn.
.Ast eS das?" rief sie, Willibalds
goldene Uhr und Kette emporhaltend,
.Ja. natürlich!" bestätigte lachend
der Vater. .Ihr Mädel seid Wetter,
yexcn: '.'cun gieb die Klemodien nur
Teincm Bräutigam wieder!"
Tiefe Worte waren daS Signal z:i
einem jubelnden Aufschrei und zu au
gemeinen Umarmungen, denen sich der
alte weichgewordene Bärbeiß nur un
gern entzog.
.Na," sagte er schließlich, .nun noch
elnWörtchen zur ache, wieviel beträgt
Ihr Tenzlt?"
Ungefähr fünfzehnhundert Mark
Herr Biefterling."
Mehr nicht?"
.Nein."
Ich werde daS decken, wenn Sie bei
mir als Bureauchcf eintreten wollen
vimi letziger verändert ich in einen.
halben Jahre, und ich ich denke, wäh
rend dieser Zeit können Tie die Ge
schichte zehnmal erlernen. Wollen
ie?"
Mit tausend Freuden, Herr Biester
ling. schon morgen "
Nein, morgen wollen wir erst Ihre
Mcvsetlachen erledigen "
Tann übermorgen "
Auch dann noch nicht. Uebermor
gen werden wir erst eine andere Lokali,
tät suchen."
Tu willst hier ausziehen. Papa?'
TaS Bureau wird natürlich verlegt.
mein Kind. Dachtest Du vielleicht, ich
wurde Dein Schäßchcn hier hereinfctzen,
damit, wenn ich nach Haufe komme,
meoer oie sazrelverelen noch die Koche
reien fertig sind?"
Hold Emma erröthete.
Aber Papa, wie kannst Du nur so
etwas denken r
Na," wandte der gestrenge Herr
Biefterling ein, jener Musjö da hat
mir einen viel zu guten Beweis gelic-
sert, wie man Gc chäfts und Herzens,
fachen vereinigen kann! Kinder, aber
heute wollen wir nun noch gehörig bei
sammen bleiben solange nach
Neune", wie Ihr wollt, mir soll's recht
sein!"
Sein N?eib.
Dranwlett von Heinrich von Ploen
Er hatte den Arzt hinausgelcitct und
kehrte in die dunstige Atmosphäre des
Krankenzimmers zurück.
Hüten Sie diesen chlar Ihrer
Frau gut, Sie hüten ihr Leben.
In diesem Schlafe wird sie die Krise
Überstehen; schreckt sie aber irgend
etwas auf. so ist das Schlimmste ae
miß."
Das klang ihm noch in den Ohren
und, ans den Fußspitzen gehend, schlich
er geräuschlos an den Tisch, drehte die
Lampe herab und trat dann an einen
Stuhl, der abseits vom Bette stand,
von dem aus er die Kranke beobachten
konnte.
Ihr gelblich blasses, eingefallene
Gesicht, von den wirren schwarzen
oaen umraymk. chaute wie das einer
Wachsfigur aus den Kissen heraus;
nur das zeitweise Vlbriren der Nasen-
flügel verrieth ein schwaches Leben.
Schreckt sie aber irgend etwas auf,
so ist das Schlimmste gewiß!"
DaS Schlimmste! Wäre es denn
etwas gar so Schlimmes, wenn sie
ja wenn sie stürbe?! Seine Lippen
sprachen das Wort nicht aus. aber
durch seine Gedanken zog es, ohne ihn
schaudern zu machen, jetzt vielleicht gar
mit einem Gefühl des Bedauerns.
sett Wochen hatte er sich damit der-
traut gemacht, daß sein junges Weib,
welches er einst so heiß geliebt, sterben
wurde, und obgleich fein GcwiNen ihm
rohen Egoismus vorwarf, hatte er sich
doch gesägt, daß es so am besten, daß
es ein Gluck für ihn fei
Als eine kaum aufgeblühte Knospe
war sie ihm begegnet und er hatte sie
frisch vom Strauche gepflückt. Sie
hatte ihn wiederholt auf der Bühne ge
sehen und schwärmte für ihn, wie nur
ein Backfisch schwärmen kann, aber daß
sie fein eigen werden, sönne daran hatte
sie niemals zu denken gewagt. Da kam
er in ihres Vaters Haus, er faß neben
ihr, plauderte mit ihr, nahm ihre Hand
in die feine, flüsterte ihr hier und da
ein Wörtchen zu, das ihr Herz höher
schlagen machte.
Ihn selbst hatte ihre Schönheit, ihr
frisches, naives Wesen gefangen gc
nommen, ihre beinahe an Anbetung
grenzende Schwärmerei geschmeichelt
er hielt um ihre Hand an, aber so
leichten Kaufes erhielt er sie nicht.
Ihr Vater war ein hausbackener Bür
gersmann, der in dem Schauspieler
beruf durchaus keine Garantie für das
Glück seines Kindes sah. Er sagte
nein!
Acht Tage nach dieser Abweisung
waren die beiden jungen Leute der
schwunden und erst von London aus
gaben sie durch ihre Vermählungsan
zeige ein Lebenszeichen.
DaS waren herrliche Wochen die
Beiden gingen ineinander auf, wie
zwei Flaminen auf einem Herde
aber die Reue kam!
Er war leichtlebig, sie nicht Wirth-
schaftlich, ihre Verhältnisse wollten trotz
schaftlichc Sorgen ein. raubten ihm
die timmung. und die Triüinphc.
die er zu feiern gewohnt war, blieben
ai:S. c:c sah in jcdcin Weibe, mit
dem ihr Gatte ein freundkicheZ Wort
wechselte, eine Nebenbuhlerin, und oft
machte sie ihm AdendS. nachdem sie
ihn spielen gesehen, eine Szene, wo
er ein anerkennende; Wort für feine
Kunst aus ihrem Munde erwartet
hatte. Tie Fessel begann zu drücken.
Sein Spiel wurde matter, entbehrte
immer mehr der Innigkeit, seine Kraft
ließ nach, die Engagements wurden
schlechter m:d die Gagen somit nicdri
gcr. Sie waren kaum zwei Jahre
vcrhnrathct, da war sein Weid ihm
eine Last und er behandelte eS danach.
-ie war mit einem kindlich srohen
Herzen in die Ehe gegangen und nun
war sie ein verbittertes Weid, welches
der Gram Über fein verlorenes Glück
auf das Krankenlager warf.
Der Arzt hatte dem jungen Gatten
gleich von Ansang wenig Hoffnung
geben mögen, ihn mit größter icho
nung auf die Gefahr, in der seine
junge Frau schwebte, aufmerksam gc
macht und ihn zu trösten versucht.
Bedürfte er für diesen Fall des
Trostes?
Nun aber sollte die Jugendkraft sie,
gen: Tie Hti trat ein, die Kunst
des Arztes erzwäng einen wohlthätigen
chlas nnd dieser chlaf sollte ihr Ge
nc ung bringen wenn wenn er
ungestört blieb!
Er saß auf seinem stuble und
schaute auf die schlafende Kranke, deren
eingefallene Wangen sich sanft zu röthen
begannen, deren Brust sich in immer
tieferen Zügen hob und senkte.
Sie wird die Krisis überstehen.
wenn sie aus diesem Schlaf nicht
ausgeschreckt wird! Wenn sie
nicht aufgeschreckt !"
Ha! Wenn er nun Nein,
nem: Weg mit diesen Gedanken!
Doch. soll er sich weiterquälen
mit ihr, immer immer? Bis an'S
Ende?! Soll er nie wieder der freie,
glückliche Mann werden, der er ge
mefen? Soll er ewig die Kette tragen?
soll et mit einem ganzen Leben die
Leidenschaft weniger Tage büßen?!
Sein Herz pocht in lauten Schlägen.
seine Augen quellen hervor und ihm
ist. als sähe er durch einen blutigen
Schleier. An seiner Kehle drückt und
würgt es, der Athem quält sich pfei,
send hindurch, eine unsichtbare Macht
hebt ihn, zieht ihn an das Lager seines
Weibes.
Jak Ein Stoß ein Ruck nur
ein Ruf und es i t vorbei! Vor
bei" ringt es sich heiser zwischen seinen
zusammenschlagenden Zähnen hindurch!
Aber dann bist Du la ein e,n Mör-
der!" ruft sein Gewissen. Ha! Ein
Mörder! Er schaudert und sein ausge,
recktcr Arm zieht sich langsam, rück
weise zurück.
Kann er aber weiter leben mit ihr.
kann'er's ertragen? War sie nicht die
Ur ache eines Verfalls? Hat sich d
Unglück nicht an feine Fersen geheftet,
eit er den unseligen Bund mit ihr ge
chlosten? War sie nicht an seinem
Unglück schuld?!
sie allein?! Hatte er sich gar nichts
vorzuwerfen? War er, der zehn Jahre
ältere, ihrer großen Jugend ein liebe,
voller Führer gewesen, hatte er je ver
sucht, ihre Fehler zu bessern, oder sie zu
tragen?
Und nun sollte sie allein für ihr
beiderseitig verschuldetes Unglück büßen,
sie, die ihm mit ihrem ganzen Herzen
voll Liede entgegen gekommen war,
einer Liebe, die nur nicht start genug
gewesen, um im Sturme Stand zu
halten?
Er griff sich mit den Händen an die
Schläfe, als wolle er die Gedanken, die
in feinem Hirne aufgestiegen, zurück
presten, erdrücken. Seine ganze brutale
Verwerflichkeit wurde ihm auf einmal
klar, feine Glieder bebten, er sank vor
dem Lager in die Knie und weinte
heiße, bittere, reuevolle Thränen auf
die Hand der schlafenden.
Da hörte er seinen Namen!
Tu weinst um mich? Du liebst mich
wirklich wirklich noch?" flüsterte sie
matt, aber in einem Tone, dem man
die innere Seligkeit anhört.
Ja ja, ich liebe Dich, obwohl ich
besten nicht würdig bin."
C, dann mochte ich leben: Sie
hat nur gehört, daß er sie liebe und den
Nachsatz nicht beachtet. Dann möchte
ich leben!"
ii .wir r Tu w:rn leocn, mein
Weib! Die Krisis ist überstanden
für uns Beide," setzte er leise hinzu.
.Laß ih,i rein." sagte Mister Blisn!.
.Rein?!"
Ja gcwiß. rein."
Und rein kam er. Ein Mensch
na, waS sag ich. ein Koloß.
.Sind Sie der Blunt ? schrie er.
.Sind Sie der Zlilenschmicrer von's
Dunkle der Stadt? Ja? na. so hab'
ich mir ihn auch gedacht, so 'nen elen
den Kerl. Ich bin nämlich der John,
dcr Rifflcjohn. von der Kneipe daneben.
Von der Kneipe, die Sie mit zuzählen
zum dunkelsten Lipperswick. Sie
schrieben ja doch, die Kneipe von mir
und die vom langen Tick, daZ wären
die ärgsten."
.Stimmt." sagte Blut.
.Den Henker stimmt'S, nicht aber
das," schrie der andere. .In meiner
Kneipe verkehren nur Gentlemen, ver
stehen Sie wohl. Nur (entlemen.
Bei Dick ist's was and'reS. Da gehen
die Gauner nur so auS und so ein.
DaS, ja. da haben Sie Recht, das ist
ein Nest von Verbrechern, ich aber. . . "
und er fuchtelte mit der Hand vor
Blunts Gesicht hin und her. als solle
von dem nicht mehr als ein Fettfleck zu
rückblciben. ich sehe auf Anständigkeit,
auf Ehrlichkeit, auf...."
Können Sie mir daS schriftlich
geben." fragte Blunt.
Herr, sind Sie verrückt?!"
Nein, ich meine ja nicht daZ. ich
meine die Sache mit Tick. Daß dem
feine Kneipe ein Verbrecherloch ist."
schriftlich?! Mit Stempel und
ikgel gebe ich das. Ich aber
Herr, nicht für hunderttausend Dollars
laß ich mir sagen, daß ich einen Diebs
keller hab. Nicht für fünfzigtausend:
nicht für fünfhundert. Aber wenn
ie mir dreihundert aeben. geben
Sie her dann na, dann drück ich
ein Auge zu, dann meinetwegen,
sonst aber schlag ich Sie todt wie einen
Hund."
Well," sagte Blunt. .Warten Sie
damit bis morgen, ja. Heut möcht ich
ein klein wenig noch leben. Morgen
aber, na, morgen können. Sie tdun
was Sie wollen."
Heut nicht?"
Heut nicht."
Ne Stunde später war Dick da.
Derselbe Skandal, dieselbe Drohung,
Dieselbe? Nein, ärger. Der Kerl war
nämlich besoffen. Wo ist er. der
Hund? Meine.. .. Knei.. pei ein.. .
ein.. . Ver. ..bre . .. brecberlokal.
Meine Gäs. .. ie... Wo.. . wo ist er
der Hund? Sind Sie's?" und er
fuhr den Schreiber vorne so an.
Nein ich.. . ich.. .
Na ku. er trat ein. ms her
Andere. Sie also sind. . . der mein.
Knei... meine Kneipe!! Ja, Riffle
john ja. da stecken sie alle die Gaue
ner, bet mir aber buv... bei mir
nicht.'
Geben Sie mir das schriftlich?"
Was schriftlich? Dak Riffleinsni
Kneipe..."
Ein Verbrecherlokal ist.. ."
Geb' ich.. . hol' mich der Kuckuck
. geb' ich mit Freuden, icb aber. . .
Fünfhundert Dollars verlang' ich
Schadenersatz. Ja. die verlang' ich,
oder..."
Erst unterschreiben Sie das."
Das?"
..Ja. Daß Sie wissen, dak Rittst.
johns Kneipe ein Verbrecherlokal ist."
Ist es. Ist's aan, obne QmeiM
Kenn doch genau. Nur Knpr
verkehren dort. Nur Gauner. 9Irf
ich gehe ja manchmal hin."
Well, danke."
Und mein Geld?" '
,.Ja so. die fünfhundert nslm-S
Na. das überleg' ich mir noch."
cr cr:j -r. . 5
jui; iyu iiu gunz miizirauliH an.
Heute noch nicht." saate Blunt
kommen Sie moraen." und pr Minis
ihn zur Thür raus. Dann rief er den
Schreiber:
Bitt' Sie." saate er. .Mreh
d'e zwei Wische da ab, wie sie da sind.
&e,i von Rlstleiobn und den in frirf
auch. Und schicken sie sie ab."
An wen?" fragte der Schreiber.
Na, an wen sonft. an nk
Dick. Da bestätigt ja' einer dem
andern, daß er ein Gauner ift.
das nicht genug?"
s war genug: die R?Zkn finfc..,.
sich gegenseitig so gründlich vermöbelt
daß sie für Blunt nichts mehr übrig
behielten.
2lus dem dunklen Lipperswick.
Ttx Wirklichkeit nacherzählt von Charles
Blunt.
Ihr kennt ihn ja, den Blunt? ?e,i
von der Lipperswicker Posaune? Na
also, da wißt Ihr auch, was das für
ein Kerl ist. Untersteht sich und schreibt
eine Serie. Eine Serie Artikel über
Lipperswick. Ueber das dunkle Lip
perswia. rcaz, was? 'ca, sin ihm
n im mnprnnpi nprnmnipii. .innn er
neulich da an dem großen Schleifstein Sjj111' .'Henk' ich dir die Kirschen
und chlin eme groe scheere mit der V "l einocr,ianvcn und mit
Schlechter Vx,,.
Ter kleine Vevi bat vnn i,,,,
Baume des nachbarlichen Gartens feine
Mütze voll Kirschen geraubt. Un
gesehen klettert er über den q,.
zurück, nicht ohne sich die Hosen zu zer
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" ei" imi seiner MUle wie
der Wind davon. Aber da stellt sich
ihm der Franzl entgegen. Na imn'
du hast Kirschen gestohlen! Gib mir
d'e.Halfte. sonst sag' ich's! Erschrocken
theilt Pepl seinen Raub und will sich
dann trollen. Franzl's großer Bruder
icdoch, der die Beiden beobachtet hat
hält ihn mit drohender Miene auf'
Wo habt Ihr denn die Kirschen her?
Ter Pepl hat f' aenomm?n sn?
hinterbring' ich Teknem Vater! Na
die Hieb'! Pcpi capitulirt. Wenn
er die Poaune zurechkichnciocn wollte,
da stürzte der Ossice Boy schrcckens
bleich zu ihm rein. Retten Sie sich.
Mr. Blunt, ums Himmels willen ret-
ten sle sich, 's ist ein Mensch da.
ein Kerl, mit s o großen Händen, der
schwört, er muß Sie umbringen, und
seines guten Einkommens nicht in Ord- wenn er tausend Jahre ins Zuchthaus
nung kommen; es stellten sich Wirth- käme dafür.
'vcmertiqer 'iiene gleicht sich Pcvi
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lammert er, mei' Hosen zerrissen? '
Die üain'!fjfi
Nun, meine GnükiaN, w?. ri
Ihnen die Kunstausstellung' gefallen?"
Ganz ausgezeichnet! kii
merkt worden!" ' "