Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 09, 1900, Image 10

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    V
Eine deklamatorisch musikalische
2lbendunterlaltuna.
j"u moicitc on
hun.
Zwei Musensöhne der Uttivcrntüt zu
"Königsberg Anton Bock und Heinrich
Kruvak welche zu den Forschten"
deS Korps der ?!asuren zühlten. faßen
mißvergnügt auf ihrer Bude; sie fchau.
en nach dem Gelddrieftrager auS, der
ihnen den sehnsüchtig erwarteten Wech
sei zur Reise nach der Heimath über
dringen sollte.
Tie großen Ferien haben begonnen,
sie konnten jedoch nicht fort, denn leer
war der Beutel und versiegt die Cuel
len deS PumpeS. den sie aller Orten
während deS letzten SemefterS in An.
fpruch genommen hatten. Tie Rauch,
wölken, die sie auZ den langen Pfeifen
pafften und die sie fonft in so hübsch ge
formte Ringe zu bringen wußten,
kamen formlos auS ihrem Munde
der beste Beweis daß ihre Gedanken
trübe, sehr tübe gestimmt waren.
.WaS meinem Alten nur einfällt."
meinte Anton, glaubt er etwa, wir
würden mit dem Ränzel auf dem
Rücken, gleich walzenden Hanwerksbur
fchen per pedes apostolorum nach
Hause einrücken?"
.Für daS Vergnügen müßte ich ge
hvrsamft danken." grollte Heinrich, eine
mächtige Rauchwolke hervorstoßend,
.wenn ich nicht im beschnürten Rock,
mit dem albertusgeschmückten Cerevis
auf dem Kopfe in einer vierspännigen
Extrapost "
.Tu träumst wohl." unterbrach An
ton seinen Freund, der Wechsel, wenn
wirklich einer lomnuty sollte, wird durch
seine Magerkeit Teine kühnen Phan
tafien gründlich zerstören, Tu weißt
doch, daß unsere "
Ein kräftiges Klopfen an der &tu
benthüre unterbrach Anton in seiner
Rede. Wie elektrisirt sprangen Beide
auf Beide riefen wie aus einem
Munde Herein!"
ES war der Briefträger, welcher ein
trat und dem StudiosuS Anton Bock
mit schmunzelnder Miene einen fünffach
gesiegelten Brief überreichte, zugleich
bemerkend, daß derselbe unfrankirt sei.
und daß das Porto fünfzehn Groschen
hrirnnt.
.Ter Alte muß denken, er hat einen
Krösus ,um Sohne " brummte Anwn
eilU 113 JUUl Vlfiiv, ,
aus seinen Taschen die verlangten
otrnMim und sin kleines Touceur in
sammensuchend. Ter Postbote empfahl
sich, mit einem Kratzfüße für daS Trink
geld dankend.
.Wieviel?" fragte Heinrich.
.wicuiu u" vl'"WU'
.Lumpige fünfundzwanzig Thaler
und eine ellenlange Epistel,"
Anton.
"TOi wn tAreifit n henn?
erwiderte
"ftflr.? Anton entfaltete den Brief
steckte der Fünfundzwanzigthalerfchein
n die Westentasche, und las wie loigi
fliehet s-nlin! Anbei sende ich Tir
fünfundzwanzig Thaler Reisegeld für
Tich und Krullak. Geht mit dem Gelde
sparsam um. Ihr wißt, wie sauer es
Euren Bötern wird, eine 10 gro
(Summe in AirfMI. bl kÜNNt. sl
meint auch KrullakS Vater, einen Theil
des WegeS zu Fuße zurücklegen. eS wird
Eurer Gesundheit nach dem' Sitzen in
den KolleaiiS nur zuträglich sein. Für
das auf diese Weise ersparte Geld bitte
.ich Dich, mir folgendes milvringen zu
wollen:
1. Drei Ellen schwarzes Tuch für
Rock und Hose.
2. qwlf Ellen geblümten Wollen
stoff zu einem Hauskleide für Dein
Mutter.
"3. Für Sophie ein karrirtes Um
schlagktuch.
4. 5Zebn Vkund Kanafter meine
&nrit ist TAr ia bekannt.
Veraik nickt, lieber Sohn, kleine
Anlh.n die Du etwa baben solltest.
vor Deiner Herreise zu bezahlen und
d,?smt nickt, die Bücker beüuvacken.
welche Ihr zu Euerem Studium braucht
auch Deine wie Krullals iqmutzlge
Wüsche. Wir erwarten Euch mit großer
Sehnsucht.
Mit Grüßen von Allen
Tin Vater.
ftaum iatte der iunae Student die
letzten Worte des väterlichen Schreibens
gelesen, als er. wie lern greuno. in em
bomerisches Gelächter ausbrach, das
ihnen die Thränen aus den Augen
trrbit.
.Drei Ellen Tuch zu Rock und Hose,"
rief tr.
Zwölf Ellen Wollenftoff." echote
Win sVriinh.
.Dazu ein karrirteS Umschlagetuch,"
eraümte Anton
.Kanafter feinste Sorte," fuhr
Krullak fort, .und" er wollte vor
Lachen fast ersticken dazu die kleinen
Schulden, die Du, mein lieber Sohn,
etwa haben .solltest
.Na. ich habe mir die Sache schon
zureckt aeleat. Weißt Du. wie wir
alles aufs Beste arrangieen?"
D mnifift mick neuaierio!"
"Die BekleidungSftoffe pumpen wir
Kanaster dito Schulden vlelven
in der Kreide stehen, und mit den fünf
und,man,ia Thalern feiern wir eine
Kneiperei, von der unser Corps noch
nach Jahrzehnten erzählen soll. Wie,
was meinst Du zu dem Vorschlage?"
.Daß ich ihn Dir gemacht, wärest
Tu mir nicht zuvorgekommen!" rief
Krullak begeistert.
.Also abgemacht ! Du. Heinrich, be
sorgst den Pump, ich werde in der
Kneipe daS Nöthige besorgen." .
.Ade? nvtx Reisegeld! lenke
daran!"
.Wird re'ervirt düS stecke ich in die
rechte Tasche das andere in die linke.
Nun komm, wir haben keine Zeit zu
verlieren."
Tie beiden würdigen Freunde trenn
ten sich, um jeder keine Mission zu er.
füllen.
Ter nächste Morgen fand die Beiden
auf dem Pofthofe stehen. Von den
fünfundzwanzig Thalern war kaum so
ni,l fibria geblieben, das Fahrgeld bis
zu dem Städtchen R.. welches auf ihrer
Tour lag, zu bezahlen.
Anton Lock hatte aus Versehen, fo
bebauvtete er wenigstens, zu oft in die
rechte Westentasche gegriffen.
Das Städtchen R. war vamais uno
ist ti vielleickt noch beute, ein kleines
Nest, wohin nur selten Fremde verschla
gen wurden. Kein Wunder also, daß
die Ankunft der beiden Studenten eine
aewiffe Aufreauna im Gafthofe Zur
Post" hervorrief. Tie Elite der Ein
wohnerschaft deS Städtchens, welche oa
selbst verkehrte, zerbrach sich die Köpfe.
aet und aS die fremden sein könnten
und welche Veranlaffung sie gerade nach
R. geführt. Ter Wtril), varuoer oe
sraat. konnte Gleichfalls keine Auskunft
ertheilen, versprach jedoch, baldigst zu
rapportiren. Tie beiden U'kuien?oyne
saßen während dessen im separaten
Fremdenzimmer und berathschlagten,
waS nun werden solle, und in welcher
Weise sie ihre Reise fortsetzen könnten.
34 alavbe. wir sind sehr leicht.
finnig gewesen," meinte Krullak trüb
selig-.. ... .
Dieser Glaube hilft uns nicht roei
itr " verseilte Bock. ..laß uns bei kiNkk
oder bester zwei Flaschen Rothspohn
nebst Imbiß die Sache reistich uver
legen."
.Tie Ueberleauna wird unS dahin
führen, daß wir uns hier feftkneipen
und turnn r
Tann?" lachte Bock. daS muß uns
der Geist des hoffentlich guten Roth,
spohn verrathen."
Tie Klingel rief den Wirth herbei:
Er nahm den Auftrag, einen guten
Imbiß und zwei Flaschen besten Roth
meines aufzutragen, erfreut entgegen
und besetzte damit in kürzester Frist den
sauber aedeaten Tl a.
Bei der zweiten Flasche leuchtete
Bocks Antlitz plötzlich freudig auf
Utl'tiy fIVpMf V MV)
Lies," rief er. schob Krullak eine
' - . ' ' - . ...
Zeitung zu und wies auf eine fettge
druckte Anttioe.
Krullak las: ..Teklamatoriick'Musik
liscker Vortraa von den berühmten ita
lienischen Künstlern Signor Rocco und
Slgnor l'ncolim u. . w." lr tat) Bock
l E 7
verftändmßlos an.
Begreifst Tu denn nicht, waS ich
meine?"
Keine Ahnung, was in Tcinem
Konke finikt." entoeuncte Krullak.
..Na. böre 'mal ! Tu bist doch sonst
niAt (ins den ffnhf Off allen! 3eiat Dir
die Anzeige jener Italiener nicht den
Wea. der uns is unserer Verleaenbeit
-7 " ' - - - .-t-i n 1 vf"ö-
yerausyelten mro k Was zene rönnen
können wir auch vielleicht nickt fi
- t n nrr k
herfcff das will ick ia zuaeben. aber
für dieses Nest wird unser Können schon
ausreichen. Ich verwandele mich
einen Slgnor Antonio Tu in einen
Sionor Krullascki. Tie fremdklinaen
den Namen sind die Hauptsache. Tu
fingst ich bellamire, oder umgckeyrt
Kntree nack Belieben aber nickt un
ter fünf Groschen nachher Tanz
dann nelverel uno moraen unter
Tücherschwenken der Reingefallenen per
rtravoit tu den ociml cven uzenaken."
Krullak hatte den Worten seines er
findungsreichen Freundes anfänglich
kaum Gehör geschenkt, allmählich steckte
ibn aber die Lumakeit an. die 3enem
aus den Augen leuchtete und als An
ton zum Schlüsse gar die Extrapost in
Aussicht stellte, schien ibm die-verrückte
Idee gar nicht mehr verrückt, sondern so
brillant, da er vor cyiug. vei einer
Flasche Champagner alles weitere fest
zustellen.
Ter Wirtv nslünt den darauf oeiua
lichen Auftrag mit zwiefacher Freude
ntaeaen und ver vrack. den vam
pagner sofort kalt zu stellen. Er eilte
triumphirend durcy oas Gastzimmer, in
welchem noch immer die Einheimischen
k?i ibm Glase Bier saßen. Die neu
gierigen Fragen derselben vermochte er
nur mit dem Auftrage, oen er eryanen,
zu beantworten,
cmkik mit Rotbwein. Cbamvaaner.
das war den Einheimischen doch zu viel.
,t mukten ne wtnen. wer die ttrem
tnürm. Bestürmend wandten sich
die Gäste an den Wirth, der eben mit
der Bestellten" durq iyre Hiitn tute
Ktebe alelck ju Diensten. " rief er
den Wißbegierigen zu und verschwand.
Wohl eme yalve siunoe verging,
bevor er zurtmkehrte. Die Mltthet
lunaen. die er erhalten, hatten ihn
Mhft rnif SnbMt überrasckt: er ver
mochte deshalb nur zusammenhanglos
über das Gehörte zu vericyren. soviel
knkn die Neuaierioen aber dock, daß
die Fremden Italiener seien und ihnen
am Abend denelven Ä.ages einen unfl.
genuß eigenster Art bereiten würden.
Auch hätten sich die Herren Künstler be
reit gefunden, den Abend mit emem
Balle zu beschließen.
Dieser Panus ves Bericyies mniie
entscheidend; namemllcy oer anme,enoe
Steuererheber, der über fünf Heiraths.
und tanzlustige Töchter verfügte, er.
nurh hslfc wer nur eimaermaken An
svruck aus Bildung machen wolle, solch in
eine Gelegenheit. ,e,nen unpsinn zu
befriedigen, nicht undenutzl voruver
gehen lacn eurie.
Ta ti aobl nur selten aeschiebt. daß
Jemand öffentlich erklärt, keinen An
wruck auf Bllduna 111 macken. 0
die Tkeilnabme natürlick eine allae
meine. Alle eilten schnell nach Hause.
den devorne Senden enu zu veriun
den. WaS flügge war. befand sich
fieberischer Aufregung. Italiener
bören und dann noch iu tanzen.
so
elwaS war ia mR. noch niedagewesen
Tie ältesten Chroniken der Stadt ent
dielten nicktS deraleiaien. Ter Nack
mittag verging der Abend kam und
mit ihm. lange vor der festgesetzten
Stunde, die Jüngsten der Jungen
sie hatten die wichtige Mission erhalten
Stühle zu belegen. Tann kamen
die minder Vornehmen, dann die Vor
nehmen und zuletzt erschien der gro
ß
Troß der Allervorneymnen.
Das Sckükensaal war gefüllt.
zum
.Brechen" voll, wie eS hieß. TaS halbe
Dutzend Talglichte, von denen acht aufs
Pfund ainaen. beleuchtete nur spärlich
den weiten Raum: weit von einander
entkernt Sibende vermochten kaum
Grüße an knarre Bekannte mit Kopf
und Handbeweaunaen zu senden. TaS
An,iink,n ,in,i rVHrtrnn, hi mebr,
malS korngirt werden mußte, bevor fte
,u blaken autbörte. mackte dem berr
sckenden ZZwielickte ein Ende und da
man wußte, dak diee Beleuchtung kurz
vor der Zeit des Anfanges einzurreien
vileate. io wandten kick aller Auaen
voller Svannuna nach dem Kattunvor
hange, der das an der jchmalen seile
deS SaaleS errichtete Podium von dem
Jujchauerraum trennte.
..Klina-lina! Klina-lina!"
Ter Kattunvorbana sioa auseinan
der. Einem allgemeinen Ah" folgte
tiefe Stille.
Aut dem Podium stand des Sicküken
Wirthes schwarzer mit blanken Knöpfen
bescklaaener Krokvaterstubl. ?kn der
geräumigen Tiefe deffelben ruhte der
Italiener Antonio, die Gestalt einge
hüllt in den wohlbekannten rothblau
und grüngeblümten Schlafrock
Schüdenwirtbes haltend. Tann
mann loa der Italiener mäcktiae Rauck
wölken aus der Pfeife und formte aus
denselben sich weit hinziehende Ringe.
waS, da eS gut gelang, den Beifall der
Kundigen hervorrief.
..Klina.lina!" Turch die Thür, die
zum Podium führte, trat Enrico Krul
laschl, verbeugte sich, die rechte Hand
I 1 TW O I "
auf der Stelle legend, wo er sein Herz
vermuthete, wandte sich halb rechts zu
dem Tavakrauchenden uno ?pracy zu
ihm:
Gott grüß' Euch, Alter! Schmeckt d:
P sei schein
Weist der! ein Blumentopf
Von rothem Thon, mit goldnem Reif
chen!
Was wollt ihr für den Kopf?".
ianor Antonio tbat einen aewal
tigen Zug aus der Pfeife und antwor
tete mit den Worten des Sichlers:
0 Herr, den Kopf kann ich nicht
laffen.
Kr kämmt kam bravsten Mann.
Der ihn, Gott weiß es, welchem Baffen
Bei Belgrad aogewannr
Das selbst in R. allgemein bekannte
Pfeffelsche Gedicht wurde mühsam zu
Ende gebracht. Ein auf Ferien anwe
sender Quartaner half bereitmilliast.
wenn daS Gedächtniß den beiden Ita
liencrn zuweilen versaate und Kunst
pausen verursachte, die an andern Stel
len verhängnißvoll geworden wären.
Der Steuereinnehmer' fand die Dekla
mation wabrbast' überwältigend, des
gleichen die ihm 'gehörigen fünf Hei
rathsluftigen, von denen die älteste das
ltai Uwe. emt romlicvk uoni oer oeioen
Italiener in beredten Worten hervor
hob.
Der bilssbereite Quartaner meinte
zu seinen oleickfalls anwesenden Sckwe
steril, wenn er das Gedicht jemals in
ähnlicher Weise vor seinem Lehrer ae-
snrocken bätte. wäre ein zweistündiaes
Nachsitzen ihm sicher gewesen. Natüv
IT' 7 " 1 , " " .... o - .1
1IUI UtVIVIt tu VI UJIVtUtLll U(llt
HjiV. ! rtf av. XtA ihi.H.vM Xam
Quartaner solch ungehörige und vor
laute Kritik.
,Klinalma!" Der Vorbana aina
zum zweiten Male auseinander.
Signor Antonio erschien und bat um
gütigste Nach icht, wenn wegen plötz
Iich eingetretener Heiserkeit Slgnor
Krullaschi nicht singen, sondern pfeifen
würde.
Diese Umwandlung des Programms
- r ' r ri . ll n t. w
nmirn naii nmirn aan ven 2in.
wesenden daS stille Rewuktsein, einen
Relnsau m opnma iorma zu erleven.
ES schien dem Signor Antonio, als ob
er hörbare Zeichen des Unmuthes ver
nehme, und deshalb verhieß er eine
Vergrößerung deS deklamatorischen
TheueS. Resignirt unterdrückte das
Publikum seinen Unwillen.
Sianor Enrico kam und vnff vfiff
natürlich die Melodie von der Türken
pfeife; als er abtrat, psiss das Publi
um. icdoch nicht gerade m sehr melo
bischer Weise, wie später der Kantor
und Organist vielfach versicherte. Die
nächste Nummer mußte einen Um
chwung der den Italienern ungün
ftigen Stimmung hervorrufen, oder
alles war verloren; das fühlte und sagte
ein jeder.
. Klina-lino!" Wieder sckob kick der
Kattunvorhang auseinander.
Wiederum sahen die Zuschauer den
Großvaterstuhl vor sich wiederum saß
in der Tiefe desselben ein Mensch in
dem rothblau, und grüngeblümten
cklafrocke des Schllbenwirtbes. dessen
Meerschaumpfeise in der Hand haltend
und mächtige Rauchwrlken aus der
selben ziehend.
ES war aber dieses Mal nicht signor
Antonio, sondern Signor Enrico, der
da saß und durch die Thür, die zum
Podium führte, trat Signcr Antonio
uno sprach:
.Gott grüß' Euch Alter! Schmeckt das
Pfeifchen?
Weist her! Ein Bluchentopf
Von rothem Thon, mit gold'nem Reif
chen.
Was wollt Ihr für den Kopf?"
Und Signor Enrico antwortete:
.C Herr, den Kopf kann ich nicht
lassen.
Er kommt vom bravsten Mann.
Der ihn. Gott weiß eS. welchem Bässen
Bei Belgrad abgewann!"
Mit Hilfe deS Quartaners, der im
Gefühle seiner Wichtigkeit sogar an das
Podium trat, kam auch dieses Mal daS
gereimte Zwiegespräch zu Ende
Tie Kaltblütigkeit, mit der das
Ganze in Scene gesetzt war. übte ihren
Einfluß auch auf die Heißblütigsten.
Tie ganze Gesellschaft war paff! Sollte
daS ein Hohn oder ein Scherz fein?
Zum Glück für die PseudoJtaliener
entschied man sich für die letztere Aus
faflung und gab durch stürmische Heiter
keit seinen Beifall zu erkennen. Man
lachte, wie man noch nie gelacht hatte,
und als Signor Antonio nochmals her
vortrat und in. wohlzesetztcn Worten
die jungen Tamen und jungen Herren
zum Tanze und die älteren Herren zu
einer Bowle einlud, wurde er mit wah.
ren Applaussalven überschüttet. Wäre
ein Lorbeerkran; zur Stelle gewesen, so
hätte das enthufiasmirte Publikum ihn
damit belohnt.
Ter Erlös der deklamatorisch-mufika
lischen Adendunterhaltung floß für
Zeche und Bowle in die Tasche des
SchützcnwirtheS.
Am nächsten Morgen verließen Sig
nor Antonio und Signor Enrico nicht
in einer Extrapost, sondern per pelle
aptlonim den Ort ihres Trium
phes. Jeder hatte aus dem Rücken
einen Theil des Gepäckes und seiner
eigenen schmutzigen Wäsche.
Vater Bock und Vater krullak em
psingen die ermüdeten Fußgänger mit
Freude und Rührung.
Mag Euch der Weg auch sauer ge
worden 'ein," sagte Vater Bock, so
habt Ihr doch bewiesen, daß in Euch
ein, gesunder Sinn für Solidität und
Sparsamkeit liegt. Fahrt nur so fort,
dann wird eS Euch im Leben nie
fehlen!"
Späte Sühne.
iin Urania von Marie stahl.
Alte Geschichten, Kind, alte Ge.
schichten! Latz ruh'n. laß ruh'n die
Todten!"
Sag' mir doch. Großvater, wer
liegt hier begraben? Hier so einsam im
Walde von Tebreschin? Haft Tu ihn
gekannt?"
Tas junge Mädchen schmiegte sich
mit leisem Grauen an den alten Mann,
der das verwitterte Steinkreuz unter
der metterqetroffenen Eiche, im- Hoch
wald von Tebreschin. von Unkraut und
von wuchernden Ranken säuberte.
lorgfältig hing er den mitgebrachten
Jmmortellenkranz über daS Kreuz und
sprach mit entblößtem Haupte ein stilles
Gebet.
Alte Geschichten," murmelte der
GreiS noch einmal, aber ich will Tir er
zählen. Du bist ja schon ein großes
Mädchen und wenn ich einmal nicht
mehr bin, dann wirft Tu zu meinem
Andenken herkommen und ein paar Blu
men bringen zum Todtenfeft. Du
weißt, ich war in meinen jungen Iah-
ren Diener beim Grafen Lubin, drun
ten in Tebreschin.
Damals gab es nur eine lunge
Comteß auf dem Schloß, die Ana
ftasia. und sie war so lieb und schön.
daß wir Alle, Jung und Alt. Männer
und Weider, durch Feuer und. Waffer
ür sie gegangen wären.
ES find nun wohl an fünfzig Jahre
her, da kam der Waffili Natusch von
den Soldaten, wo er sein Jahr abge
dient, und wurde Oberförster.
TaS war ein flotter Bursche und er
ging umher, als wenn er der Graf sel
berwüre.
Der Wossili Natusch war viel um die
Comteß, aber eS fiel Niemandem auf.
denn sie war eine große Jügerin und
der Graf selber hatte es seinem Ober
örster zur Bedingung gemacht, daß sie
nur unter seinem Schutze in den mei
lenweiten Debreschiner Forsten jagen
durfte.
Im Herbst, mit den JagdgSsten. die
immer zahlreich einnasen in $tti;
in, kam der junge russische Fürst
Basaroff.
Er war kaum vierundzwanzig Stun
den im Schloß, da waren wir alle
einig, daS fei der rechte für unsere
Comteß.
Comteß Anscha war vom ersten Blick.
von dem ersten feurigen Handkuß wie
eine angeschossene Taube.
Es gab große Jagden und gefte auf
dem Schloß und in der Nachbarschaft,
und ein glänzender Ball sollte bei unS
den Schluß der Herbftjagden bilden.
Der Herbst war unterdessen weit vor
gerückt, an dem Morgen des Balles
hing ein schwerer, grauer Frühnebel in
der Luft, der einen kaum zwanzig
chritt weit sehen ließ.
Der Zufall wollte es, deß mich ein
Auftrag der Grünn an den Gärtner zu I
früher Morgenstunde durch den P'
führte.
Wie ich den Partner in den zungen
Obstanlagen suchte, ohne ihn rinden zu
können, hörte ich plötzlich einen Schuß
im Walde. Ich wunderte mich im
Stillen, wer denn da schießen könne bei
solcher Witterung
Ein junger Apsclbaum mit seinen
Früchten hielt mich eine Weile aus und
wie ich so hinter dem Baum ftehe, tritt
plötzlich aus dem Nebel heraus eine Ge
ftalt und geht vorüber, von der ich nicht
wußte, war sie eine Erscheinung, eine
Einbildung oder Wirklichkeit.
ES war Comteß Anscha und sie war
eS doch wieder auch nicht.
DaS war ihr Mantel und ihre Ge
ftalt. schlank wie eine Weidengerte; daS
war ihr goldene? Haar unter dem um
gewundenen Schleiertuch, aber was
waren daS für Augen ? WaS war das
für ein Gesicht?
So seltsam fremd, so unheimlich
eS stand etwas Furchtbares in dem
Gesicht ei kaltes Grauen packte
mich. -
- Tie Erscheinung kam auS der Rich
tung. wo ich den Schuß gehört hatte
das machte die Sache noch unheimlicher,
aber ich beschloß zu schweigen, um die
Feftftimmunq im Schloß nicht
i"
stören, aber eine beklemmende Ang
legte sich mir auf die Brust
Am Abend war Pracht und Glanz
auf dem Schloß. Unsere Comteß und
Fürst Bafaroff hatten sich verlobt
Nie habe ich ein schöneres Paar ge
sehen! Wie er in seiner prächtigen Bo
jarentracht fporenklirrend durch den
Saal flog und wie er sie in seinem
Arme hielt das war ein Bild!
Sie traten gerade zu einer großen
Polonaise an. an der sich auch die alten
Herrschaften betheiligten und unser
Graf mit der alten Excellenz Lobenstein
führte den Tanz. Ta entstand ein
Flüstern im Saal, man sah bleiche, be
stürzte Gesichter, und gerade als der
Graf das Zeichen zum Beginn deS
Tanzes giebt, drang die Kunde bis zu
ihm: man hat den Wassili Natusch er
schössen im Walde gefunden, unter der
Wetterelche, an der Parkgrenze.
In dem Augenblick, als ich daS
hörte, war mir, als ob der Blitz vor
mir einschlüge.
' Der Schuß, den ich am Morgen ge
hört, kam gerade aus der Richtung und
von dort kam die Erscheinung in Ge
statt unserer Comteß ! !
Zufällig stand ich mit einem Tadlet
voll Champagnergläsern in nächster
Nähe deS Brautpaares und während
Alles sich um den Grafen und den
Unglücksboten drängte, sah ich nur au
unsere Comteß
Und wie ich ihr in's Gesicht blickte
wußte ich, daß ich sie selbst und keine
Geistererscheinung am Morgen gesehen
hatte. Es war dasselbe versteinerte
Gesicht, derselbe Blick, der faft nichts
Menschliches mehr hatte
Doch in der nächsten bekunde siel es
wie eine Maske von ihr ab. sie hob die
wunderschönen brennenden Augen zu
ihrem Verlobten und in diesen Augen
war nichts als Liebe und Glück.
In meinem innern oegann ein
fürchterlicher Kampf. Mußte ich sagen
was ich gesehen und gehört hatte?
Man fahndete auf den Mörder und
hatte einen Heger verhastet, den Wassili
kürzlich geschlagen und aus dem Dienst
gejagt.
Tage lang lag ich im Widerstreit
mit meinem Gewissen. Es war mir
zur fürchterlichen Wahrheit, daß Comteß
Anscha den Wassili erschossen hatte
Jetzt wurde mir Manches klar. Da!
prahlerische Wesen des Oberförsters.
die Sicherheit, mit der er sich auf den
Herrn von Tebreschin gespielt hatte.
Und nun war Fürst Basaroff e
kommen und Comteß Anscha hatte die
Liebe, die echte Liebe kennen gelernt.
Ich siel in ein schweres Nervenfieber.
und angesichts des Todes beichtete ich
alles unserem hochwürdigen Herrn, der
mir die Sakramente reichte, aber er
tröstete mich und nannte meinen furcht.
baren verdacht leoerdelirium.
Als ich nach langer Krankheit genas.
war unsere Comteß schon Fürstin
Basaroff und mit dem Gemahl auf der
Hochzeitsreise
Wassili Natusch's Mörder war nicht
gesunden. Dem Heger hatte man nichts
oeweisen tonnen.
viaa) zwei Jayren trat vie junge
Fürstin eines Tages allein und uner
wartet bei unS auf dem Schloß ein
Sie kam wie ein todtwundes Wild,
das die Einsamkeit sucht, um zu sterben.
Man flüsterte, daß ihr Gemahl einer
schönen Tänzerm in Petersburg zu viel
Aufmerksamkeit geschenkt, und daS
konnte sie nicht ertragen.
ES geschah alleS, sie wieder mit dem
Fürsten zu versöhnen, aber ihr Herz
war an der zugefügten Wunde unheilbar
krank und sie verfiel in Tiefstnn. Kein
Arzt konnte ihr helfen! Ach, ich wußte
warum:
Ter Winter ging hin und an einem
wunderschönen Frühlingstage erwartete
man den Fürsten. Man hatte sie
gezwungen, in ein Wiedersehen zu
willigen.
Kurz vor dem Eintreffen deS Fürsten
vermißte man sie plötzlich im Schloß
und konnte sie nirgends finden.
Eine furchtbare Ahnung packte mich
und heimlich lief ich. fo schnell mich
meine Füße tragen konnten, hierher, in
den Wald zur Wettereiche.
Ich hatte mich nicht geirrt. Tort
an der Stelle, wo jetzt das Kreu, stebt
fand ich sie sterbend, sie hatte Gift
genommen.
Und ali ich weinend neben ihr kniete
und sie mit meinen Armen stützte, that
sich ihr brechender Blick groß aus und
sie ,agte mit klarer Stimme:
Gott hat mich gerichtet, daß ich hier
sterben muß. Hier habe ich den Wassili
Natusch erschossen. Um dieses Briefe
willen, den er mir nicht zurückgeben,
sondern an den Fürsten verrathen
wollte. Gieb diesen Brief meinen
Vater. Er erkläkt Alles."
Tann hauchte sie in meinen Armen
den letzten Seufzer auf. Gott verzeih
mir die Sünde, ich habe den Brief nie
einer lebenden Seele gezeigt, sondern
ihn verbrannt. ES war der LiedcSbries
eineS harmlosen Kindes, das nicht
wußte, was eS mit Herz und Hand
versprach. Eine bethörte Kinderseele.
Ich wußte jetzt, daß ich meine kleine
Comteß immer mehr geliebt hatte, als
mein Leben. Auf meinen Armen trug
ich die Todte in daS Schloß zurück.
Sie schlummert nun schon lange in
der Gruft unter der Schloßkapelle. Die
LubinS find auSgestorben, die Herr,
fchaft Tebreschin ging an eine andere
Linie über.
Heute weiß kaum noch einer Mßi?
mir, waS das Kreuzlein hier bedeutet.
Niemand betet für die arme Seele, die
hier ihre Schuld gebüßt und dh
braucht sie viel Gebet zur Vergcbu?,g
ihrer Sünde. lenke daran, licbiS
Kind, wenn ich nicht mehr bin."
Xcr cttittcf zu Haus.
Ter Chinese ist einer der größten
Frühaufsteher. ES ift nichts seltenes,
daß hohe Würdenträger im Reich der
Mitte schon um zwei Uhr Morgens
Audienzen ertheilen. Bis nach Tages
anbruch pflegt überhaupt kein Chinese
zu schlafen. Tie Morgentoilette nimmt
wenig Zeit in Anspruch; von sorgfülti
gem Waschen oder gar Baden ift der
Chinamann kein Freund. Gesicht und
Nacken mit einem zuvor in heißeS Was
ser getauchten Tuch abzureiben, scheint
ihm zur Reinigung genügend. Hin
und wieder wird diese Prozedur aus den
ganzen Körper ausgedehnt. Sehr viel
Sorgfalt dagegen verwendet der Chinese
auf die Pflege der Zähne. Mit einem
Gebet, das dem Andenken seiner Vor
fahren gewidmet ift, beginnt er dann
den Tag. Tann kommt das Frühstück
heran; natürlich Thee, der zuweilen
auch kalt getrunken wird. Ter Chinese
ift ein überaus mäßiger Esser und be
vorzugt besonders Pflanzenkofl. WoS
man von den chinesischen Speziallecker
bissen, den eigentlichen Gerichten der
chinesischen Kochkunst, den Fröschen
und den gebratenen Mäusen" :c. er.
zählt, ift vielfach übertrieben. So sagt
man den Chinesen unter anderem eine
große Vorliebe für Rattenbraten nach.
In Wirklichkeit kommen aber diese
Nagethiere nur in Zeiten der Noth auf
den Tisch der Armen, und wenn man
in ganz China den Ratten so eifrigj
nachstellt und sie vielfach in scheußlich,
fter Weise malträtirt, so liegt das drr
allen Dingen daran, daß der Chine'
die Ratte als seinen ürgften Feind an
sieht, weil sie seinem Hauptnahrungs
Mittel, dem Reis, sehr nackaebt.
Schwarze Hunde und Katzen find da
gegen sehr beliebt, namentlich bei den
wohlhabenden Klassen im südlichen
China. Sie sind oft nur zu sehr bobem
Preise zu haben, besonders zur Som
meriayreswende, wo ne auf der Tafü
jeder Familie, die sich das leisten kann,
ais regelmökiger Braten erlckcinen.
r Leibesübungen bat der Cbinc''e
nicht viel übrig. Sein natürlichis
Phlegma, sein ftetes Bestreben. Ruh?
und Würde zu wahren, und nicht zum
mindesten seine sehr behindernde. un
praktische Kleidung lassen ihn den
Port in jeder Gestalt wenia Gefallen
abgewinnen. Höchstens die jüngeren
Leute üben sich einmal in einem Svikl.
das Kraft und Geschicklichkeit erfordert;
meist aber begnügt man sich mit
Trachensteigenlassen. Schießen nach dcr
Scheibe oder Vögeln. Bootfahrten
Sehr in Anspruch aber nimmt dri
Chinesen das Glücksspiel. Es giclt
wohl kaum ein anderes Volk, das dcn
pielkeu el m aleickem Make bulkit.
Oeffentliche Spielhöllen aiebt es in
jeder Stadt eine Menge; sogar auf den
Straßen wird gespielt, und das Klar
Pern der Würfel kann man an ieher
Ecke hören. Kartenspiele kennt dir
Chinese auch. Die chinesischen Karten
find kleiner und zahlreicher ak
europäischen und im Charakter natut
lich ganz von diesen abweichend. Tr
find, nach der Romanwelt". in mue
rer Zeit in den größeren Hafenftädic-i
auch europäische Kartenspiele ,hs h
Aufnahme gekommen.
hinefisch. Paff,.
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Menschen trotz ähnlicher Grundzüge in
Einzelnen durchaus ungleich. Wenn
nun in China ein Reifender frubk?
einen Nnb k. , ..
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Handteller mit feiner Oelfarbe leicht
beftrichen und davon auf dünnem,
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nommen. Dieses behördlich abgeftkni
pelte Blatt, das noch mit dem Namcn
des Inhabers versehen wurde, bilde'k
dann seinen Paß.
Eine neue Art Kleptomanie.
Rickter: Mie s is::. v.... v..
.; . . " ni iic vuzu, v:
Klägerin einen Kuß zu rauben?"
Angeklagter' f;x N'.,..
. v? lUC UIl itUVi.3
manu und da konnte ich den hUbkch.' ?
Mund der Klägerin, der mir so ro'
verlockend entei,ki,s,.
. -w iitHit, niLi,
geküßt liegen lassen."