Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 19, 1900, Image 9

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    V)
Das Glück im winkcl.
Novtllcilt von P r i g g e ? r o k.
Laut polternd fukzr der Postwagen
durch die holpligkn straßen deS kleinen
Dorfes, endlich hielt er vor der Poft
lzalterei. einem der letzten Häuser in
Hassenberg.
.Ist niemand da?" rief die laute
Stimme de PoftillonS durch die Nacht.
.Heda, die Poft'.'
Vom Hofe her zitterte der matte
Schein einer Laterne, eine haldver
schlafen, heisere Stimme antwortete:
Nur Geduld. Johann, ich komme
schon. WaZ störst Du un noch so spät
bei Nacht? Zwölf Uhr ist schon lange
vorüber."
.Durch den tiefen Schnee fahr Du
und der T 1," knurrte der Poftil
lon. Er hatte sich unterdeß mühsam
seiner vielen Umhüllungen entledigt,
kletterte vom Bock und machte sich
daran, die Pferre abzuschirren.
.Ist niemand drin?" fragte der Alte
neugierig.
Um Gott, der neue Oberförster, den
hätt ich um ein Haar vergessen," damit
öffnete der Postillon den Wagenschlag
und rief hinein: .Herr, hier müssen
Sie heraus, wir find da."
Ein laute Gähnen ließ sich hören,
und eine schlaftrunkene Stimme ant
wartete:
Gott sei Dank! Ich hatte schon die
Hoffnung aufgegeben, die Nacht in
einem Bette zu verbringen. Er sah
sich neugierig um. .Ist das eine aott
verlassene Gegend. Kein Mensch zu
sehen weit und breit. Wie spät ist'S
eigentlich?" .
.Mitternacht vorüber. Herr." er
widerte der Postillon. Wir haben drei
Stunden Verspätung."
.Nun zeigen Sie mir noch den Weg
zum nächsten Gasthaus, guter Freund,"
sagte der junge Herr, jetzt abermals
gähnend. .Ich muß gestehen, daß ich
ehrlich müde bin."
.Ein Gasthaus, wo man flafen
kann. giebt'S hier nich." mischte sich der
alte Jochen in das Gespräch.
Der neue Oberförster sah ihn ganz
erstaunt an. Giebt'S nicht? Aber es
muß doch irgendwo im Dorf ein Gast
hauS fein."
WaS der Krug iS, dadrin flüft man
nich." beharrte Jochen.
RathloS sah Kurt Sanden, der neu
gebacken Oberförster, um sich her.
Da war guter Rath theuer. Dem
Postillon, der inzwischen die Pferde in
den Stall geführt hatte, kam ein guter,
Einfall.
Wie wär'S mit Winkel, Herr,"
meinte er. Dahin gehören der Herr
doch, und die Herren von der Regie
rung sind auch dort immer über Nacht
geblieben, wenn da Revision oder so
was ähnliches war."
Winkel. Winkel, ich verstehe nicht."
entgegnete der Oberförster unbehaglich.
So heißt die Oberförsterei."
Ach so. Und Sie meinen, ich kann
da ohne wettere? muten m oer acyi
einkehren zu meinem schwer erkrankten
d" . H
da ohne weiteres mitten in der Nacht
kargen.
.r Herr iS bot, " bemerkte die rauhe
Stimmt des Alten, den Sprecher unter
brechend.
Kurt Satt? zuine zusammen.
?adt. seit rodttS" fragte er erregt,
Gestern früh gestorben, und
morgen graben sie ihn elta."
Ein Schauer des Unbemns über
fiel den jungen Mann. Wiv'peinlich
der Eintritt in ein TrauerhairS, das
fehlt ihm gerade noch. Als ob tttMH
schon ohnedies überall Pech gehabt, wo
lUflm uyiieuiE uuciuu -mw ""L" I
hin er sich auch wenden mochte. Schow I
die urolödlicke Berufung in diese aott
verlassene Gegend, wohin so leicht kein
anständiger Mensch sich verirrte, war
ihm als ein Unglück erschienen, nun
trat er gar noch daö Erbe eines Todten
an. ES war entsetzlich, nicht auSzu
denken. Eine weinende Wittwe, mit
der er dann späterhin um jeden Gro
schen feilschen mußte bei der unver
meidlichen Uebergabe, schreiende, unge
zogene Kinder, die ihm das Leben sauer
machen würden in der Zeit daS Gna
denvierteljahrS, daS er gezwungen war.
mit ihnen unter einem Dache zu ver
leben. Und hier im Dorfe kein Unter
kommen.
Na vorwärts denn," unterbrach er
selbst fein Sinnen. Wer von Euch
beiden führt mich an meinem Ort, in
den berühmten Winkel?"
Die Männer tuschelten leise. Dann
trat der Alte auf den jungen Herrn zu.
nahm seinen Nachtsack in die Hand und
sprach zu dem Postillon gewandt: DaS
andere kriegt er morgen, für heut iS
daS zu schwer, un nu Gu'n Nacht auch,
Johann."
Er überließ eS dem Oberförster, ihm
zu folgen und trabte vorwärts. Bald
lag das Dorf hinter ihnen. Der Alte
bog in einen Feldweg ein. der in zehn
Minuten zum Walde führte.
So, nun find wir drin." sagte der
schweigsame Eckart, hier angelangt und
sah sich zum erstenmal nach seinem
Herrn um, in dreiviertel Stunde iS
der Herr im Winkel."
, Ein tiefer Seufzer antwortete. .Der
verstorbene Herr hat wohl eine große
Familie hinterlassen?" fragte der Ober
förfter endlich.
.Wie man'S nehmen will. Die Frau
ist ihm schon lange weggestorben, und
von Kindern hat er ja wohl nur die
ine. waS daS Frdlen lS."
Kurt Sanden mußte über die ge
drechseln Ausdrucksweise seine Führer?
lachen und beschloß, ihn mehr zu fragen,
seine Antworten kürzten jedenfalls den
Weg.
VVT
W
Jahrgang 21.
Wer ist denn jetzt bei dem Fräu
lein?"
Die alte Babett' wer sonst?" war
die verwunderte Antwort.
.Aber daS Fräulein muß doch Ver
wandte haben." erkundigte sich Kurt
hartnäckig, .wer soll denn daS Begrüb
niß leiten."
.DaS macht der Schulz. Der Herr
wird doch in'S Torf begraben, und alle
Bauern und Tagelöhner geben ihm das
Geleit."
ES scheint nicht, als ob ich auf die
Art etwas erfahren könnte." meinte
der Oberförster beiseite. Genug, daß
ich weiß, nur eine Tochter ist zum
Empfang und zur späten AuSeinan
Versetzung da, daS vereinfacht die Ge
schichte."
Nach kurzer Seit sah ich der Ober
förster am Ziel. Die Hunde schlugen
an, eine Frauenstimme beschwichtigte
sie. und im Rahmen der Hausthür, eine
Lampe in der Hand, erschien eine alte
Frau.
,Wer kommt noch so spät m S causr
rief sie den Ankommenden zu. .Ist S
möglich. Jochen, Ihr. und wen habt
Ihr bei Euch?"
Den neuen Herrn, bestellte Jochen.
indem er vortrat und die Nachttafche
abiekte: dann trat er zur Seite und
ließ Sanden vorbei. Freundlich bot er
der Frau, die augenscheinlich den die
nenden Ständen angehörte, einen
Guten Abend."
Eigentlich ist eS schon Morgen
fMr r launia biniu. Sie müssen
schon verzeihen, daß ich so unangemel
det in'S HauS schneie. Meine Ordre,
die ich erhielt, lautet indessen kurz und
bündig, mich ohne Verzug aus den Weg
I machen um Kitt die Geschäfte des
Oberförsters zu übernehmen. Da machte
ich mich aus. bestieg tn y. die Pvfl uno
kam mit drei Stunden Verspätung in
Hassenfelde an."
Treten der Herr nur näher." erwi
derte die Frau freundlich. Wir hatten
Sie kcbon beute Abend erwartet. DaS
Zimmer ist bereit."
Die erste Thür führte in die Kanzlei,
dorthin forderte die Alte den Oberför
fter auf. ihr zu folgen. Indem sie
öffnete, erhob sich vom Sofa eine halb
verschlafene, zierliche Madcyengenail
und versuchte durch eine zweite offen
ftcfionh ?bür in entslieben. Es war
zu spat, verwirrt uno oeiqaml nano
Fräulein Telscher. die Herrin des Hau
r M . l..fl.)tliM tMAAAUHUM
. V r...A n v
seS. vor dem verspäteten, ungebetenen
Gast. Die alte Babette setzte die
Lampe auf den Tisch, tyr ?lrayt nei
voll auf daS goldene Haar, welches daS
ferne, zarte Mädchenge ,cyl irrn einer
Aureole umgab. Der Oberförster sah
bewundernd auf daS schöne, unmuthige
Bild und:
Fräulein Irene Tel cher?" rief er
halb fragend, halb beglückt.
Ich bin es." erwiderte Irene ieiie.
Und Sie sind?"
' neue wucivi"' 8
ftützung Ihres Herrn Vaters herge
Der neue Obersörfler. zur unter
fnnht.
Die Thränen des Mädchens flössen
relHllch über ihr verweintes Gesicht.
.Er iffdt!" schluchzte sie.
Man sagtes. mir unterwegs." ant
ortete Sanden suchte in seinem
Innern nach passendem Worten des
Trostes ihrem berechtigten schnurz ge
genüber. Er fand keine. aberVr behielt
die weiße Hand in der feinign und
streichelte sie zärtlich. v-r
Die Alte war geräuschlos verfchwu
den. Jetzt trat ne wieoer ein uno irug
ein Kaffeebrett in der Hand mit allem,
was zu einem Frühstück gehört.
Der Herr Oberförster wird Hunger
haben." meinte sie einladend, lan
gen Sie zu. nachher führe ich Sie auf
Ihr Zimmer, das Feuer brennt schon
dort."
Er dankte mit einigen freundlichen
Worten und wandte sich dann Irenen
zu, die aufgestanden war.
Sie wollen schlafen gehen?"
Ich kann nicht schlafen," klagte sie.
.so lange mein theurer Vater noch bei
mir ist. ich wollte zu ihm."
.Helfen Sie mir zunächst bei meinem
zeitigen Frühstück." bat er. ich komme
später mit Ihnen. Sie müssen mir
ohnehin viel erzählen.
Gehorsam setzte fie sich wieder und
duldete, daß Sanden eine Tasse des
heißen Trankes für sie zurechtmachte,
bevor er selbst zulangte. Sie war noch
ganz im Bann der Ueberraschung von
vorhin. Wer yane oas geoaql,
nahm der Oberförster jetzt daS Wort
und sprach damit Irene'S Gedanken
aus. Wie lange ,ft S her, seit da
malS?"
Zwei Jahre fast," erwiderte sie ton
loS.
Er wußte eS wohl. Zwei Jahre fast,
da hatte es eine Zeit gegeben, nur eine
kurze, glückliche Zeit, in welcher er, der
arme Pechvogel an Gmcr gegiauor uns
gehofft hatte, das Glück werde sich hal
ten lassen für immer. Nur drei bis
M ,
.
si . i
Hj- Vr Vn- II sfr f XV yV I '
MMMMUsi.
i
Beilage zum Nebraska Staats'Anzeiger.
vier Mal, dann war eS eines TageS
auf und davon, sein Glück hatte ihn
verlassen. Sie hatte wohl nie ersah
ren. wie lieb ich sie gehabt." dachte er
jetzt und musterte verstohlen das liebliche
Gesicht.
.Sie waren damals so schnell ver
schwunden?" fragte er weiter, vorsich
tig. wie taftend.
Sie hörten nicht weShald?" Der
Ton in ihrer Frage verwirrte und be
stürzte den jungen Mann. Lag'S nicht
wie Vormurf in ihrer Stimme?
.Kein Mensch bat mir den Grund ge
sagt." versicherte er ehrlich. Man ließ
mich glauben, eS habe Ihnen nicht lün
aer gefallen bei uns in H."
Irene war ganz bleich geworden, die
feinen LSnde hielt ne aus ihr m ge
vrekt. alS ob sie etwas zurückhalten
müssen, was da hinausdrängte, gebiete
rikck. wild. Dem Oberförster wird
seltsam u Muth unter ihrem Blick.
.Sie haben meiner noch manchmal
aedackt?" fragte er jetzt leise und
dringlich.
Ihre Antwort giebt ihm noch mehr
zu denken. Ein einfaches, kurzes .Ja'
ringt sich von ihren Lippen. Dann er
hebt Irene sich.
Gute Nackt. Serr Oberförster
saate kie kübl und zurückhaltend, als
sähe fie ihn heut zum erstenmal, träu
men Sie glücklich m Ihrem neuen
Heim, und möge sich Ihr erster Traum
erfüllen."
Dann kiebt sich Kurt Sanden allein.
bis die alte Babette erscheint, die ihm
sein Zimmer anweist.
Das arme Kind." spricht sie von
ibrer Herrin. ..so iuna und muttersee
lenallein in der Welt. WaS wird sie
alles leiden müssen."
So hat Fräulein Irene keine Ver
wandten?"
Die einzigen die sie hat, sind Bau
rath SchmedingS. in deren HauS Sie
mein Fräulein kennen gelernt haben.
Ich wüßte sonst nicht, woher Sie zu
ihrer Bekanntschaft kämen, denn außer
jenem Winter ist Fräulein Irene nie
malS von Hause fortgewesen.
SchmedingS würden daS Fräulein
nicht aufnehmen?" ; .
Eine ausdrucksvolle Handbewegung
der alten Frau antwortete genug.
ArmeS Kind." sagte fie noch einmal,
ehe fie ging.
Am anderen Tage sah Kurt San
den seine schöne HauSgenosfin erst bei
der Leiche ihreS VaterS wieder. ES
war ein tieferschütternder Anblick, die
holde Mädchengeftalt in verzweifeltem
Schmerz hingegossen über der Bahre
liegen zu sehen, die ihre Zuflucht auf
Erden umschloß.
Vater, Vater!" schluchzte fie herz
bewegend.
Kurt Sanden wandte seine Augen
ab. die hartgewohnten Bauern wisch
ten sich das Gesicht. Babette weinte
laut.
Durch tiefen Schnee zog das kleine
Gefolge dem Kirchhof zu. Am offenen
Grabe schwankte das arme Kind, fie
wäre gefallen, wenn nicht zwei starke
Arme sie gehalten und eine liebe, be
kannte Stimme tröstende Worte in ihr
Ohr gesprochen hätte. Dann gingen
die drei Bewohner der Försterei wieder
ihrem stillen Winkel zu.
Am späten Nachmittag ließ Irene
sich dem Oberförster melden. Er saß
in der Kanzlei an demselben Tisch, an
dem fie sonst den theuren Vater hatte
kken seben. Einen Augenblick raubte
die Erinnerung ihr Kraft und Sprache.
Dam?fabte fie sich und nahm in kurzen
Worten Abschied von dem ganz konster
nirten ManrM &)$ müsse fort.
Aber Sie habenvoch ein volles
Vierteljahr daS Recht. M-flvHU"
wandte er ein.
Glauben Sie, daß ich von diesem
Recht Gebrauch machen würde?"
Die Uebergabe. Fräulein Irene.
Sie können noch nicht fort, ich brauche
Sie." stammelte er. seiner selbst nicht
mächtig.
Ich muß fort," beharrte sie. Spä
ter zur Uebergabe kann ich wiederkam
men. Adieu!"
Sie wollte wirklich gehen, ein uner
tröglicheö Gefühl schnürte dem Manne
den Hals zusammen. Da kam ihm eine
rettende Idee.
Darf ich Ihnen eine kleine Ge
schichte erzählen?" bat er und wies auf
einen Stuhl. Sie nickte und nahm
Platz. Also. Ich war ein kleiner
Knabe, das Herz voll von Wünschen
und Sehnen, da nahm mich mein Vater
einst mit in die Stadt. Er war Pre
diger auf dzm Lande und ,mir waren
die Herrlichkeiten einer Stadt unbe
kannt. Wir besuchten eine Tante und
man hatte mir viel erzählt, daß ich
brav sein müsse und sie mir etwas
schenken werde. Ich that denn auch
mein Möglichstes, und als ich das
ganze Register meiner Liebenswürdig
keit erschöpft, der versprochenen Be
lohnung sicher zu sein glaubte, wurde
ich in ein SpielzeugMagazin geführt.
Alle Pracht der Erde that sich vor
meinen Blicken auf, ich sah und staunte,
dann aber sah ich nur noch ein kleines,
braunes Pferd; als ob es lebte, sah eS
mich aus klugen Augen an. Außer
mir vor Glück, lief ich auf daS Pferd
chen zu und rief: Nur dieses möcht ich
haben, sonst nichts!
Meine Tante hatte anders beschlos
sen. mit vielen schönen Worten über,
gab sie mir eine große Schachtel Sol
daten. die ich matt dankend nahm
DaS Pferd ging an mir vorüber und
doch hatte ich nur seinen Besitz ge
wünscht."
Irene lächelte verlegen. Und'
Halt, eS kommt noch mehr," unter
brach er sie. Ich wurde größer und
auch verständiger, lernte fteiftig und
machte meinem Vater Freude. Da
setzte diesen eine kleine Erbschaft in den
Stand, den Hauptwunsch seines Lebens
zu erfüllen. Er wollte reisen und ich
durfte ihn begleiten. Die Reiseroute
war bestimmt, ich schlief nicht mehr vor
Glück, alles war vorbereitet, da wurde
ich in der Nacht vor der Reife krank.
schwer krank. Mein guter Vater konnte,
wenn auch verspätet, reisen, an mir
ging abermals ein Glück oder doch eine
große Freude ungenutzt vorüber."
Irene begann zu verstehen. Un
schlüssig rückte sie auf ihrem Stuhle
bin und her.
.Noch einen Augenblick Geduld." bat
Kurt, jetzt kommt daS letzte. Die Zeit
ging hm, immer blieb ich der arme
Pechvogel, an dem das Beste vorüber
ging, da lernte ich vor zwei Jahren ein
Mädchen kennen. Sie war schön, gut
und hold wie ein Engel, wie Sie
Irene, ich gab mich ganz der Liebe für
das holde Wesen hin. Wo ich nur
konnte, suchte ich ihr zu begegnen, und
in Gedanken that ich hundertmal die
entscheidende Frage. Ich wähne mich
am Ziel, fasse Muth und gehe hin, daS
letzte Wort zu sprechen, da sagt man
mir, sie sei aogerelsl. Was lq
empfand, kann nur der ermessen, ver
meine große Liebe kennt abermals
ging ein Glück, diesmal ein Lebens
glück an mir vorüber."
Er schwieg. Irene saß da. zitternd.
keines Wortes mächtig, endlich faßte sie
Muth. Und Sie haben nie versucht.
daS Mädchen wiederzusehen?" fragte
fie fast unhörbar.
Wär' fie gegangen, wenn ne mich
geliebt?"
Vielleicht konnte sie nicht anders,
vielleicht hatte sie einen kranken Vater,
der nach ihr rief, oder "
Irene!" jauchzte Kurr und wollte
sie umfassen, ein Blick auf ihr fchwar
zeS Kleid hielt ihn zurück.
Sie wollen noch immer von mir
gehen?" fragte er ganz leise, nahe
ihrem Ohr.
Ich komme wieder," versicherte fie.
ein frohes Lächeln ,auf dem finsteren
Gesicht, ich komme, wenn'ö Zeit ist,
diesmal geht das Glück sicher nicht vor
über, es bleibt und nistet sich ein bei
uns im Winkel." '
per pedes.
Humoristische
Skizze von
Jagory.
E. H. von
Ein Vergnügen soll das sein, eine
Schinderei ist eS giebt'S denn nicht
bald etwas Trinkbares? stöhnend kamen
die Worte von den Lippen eines ziemlich
beleibten, jungen Herrn.
ffröhllches Lachen auS fünf Männer
kehlen war die Antwort darauf.
Ja ihr lacht!" wandte sich der
Dicke... FzAriich an seine'' WeffidfV;
findet ihr vielleicht Vergnügen an die
ser Fußtour bei 25 Grad im Schatten?
mir werden noch alle den Sonnen
stich kriegen, und dabei schreit ihr noch
immerzu daS fade Lied in die Berge:
Wenn Gott will rechte Gunst erwei
sen, den schickt er in die weite Welt"
ach wär' ich doch nur nicht mitge
gangen."
Die fünf anderen, schlanke, kräftige
Gestalten, lachten; und einer derselben,
ein flott aussehender Jüngling, dessen
hübsches Gesicht deutliche Spuren des
FechtbodenS trug, klopfte dem schelten
den Kameraden lächelnd auf die Schul
ter.
.Schimpf' nicht, Fritz, gleich giebt's
was zu trinken," bemerkte er.
, Na. es ist Zeit," brummte der An
geredete. .Drei Stunden laufen wir
nun schon, und immer noch kein Ende
das ist ja beinah' eine War "
.Marienbader Kur," rief ein ande
rer übermüthig; willst du wohl sagen,
Dicker."
Kameel," sagte der Dicke wüthend.
.Still doch, Kinder da kommen wir
ja schon in daS Höllenthal, nun find
mir bald am Ziel."
Höllenthal." wetterte der Fritz"
genannte los. Famoser Name, mehr
No. 9.
Durft und mehr Hitze kann man auch
in der Hölle nicht haben."
Die Gefährten hatten keine Ermide
rung auf diese Bemerkung und rüstig
schritten sie auf ihr Ziel loS.
ES waren sechs Studenten aus BreS
lau. und ihr Weg führte sie durch die
herrliche Landschaft Glatz; von Glatz
nach Reinerz zu Fuß, mit ziemlich
schmalem Geldbeutel, aber frischem,
fröhlichem Muth.
Auf einmal blieb der Ticke auf
seiner Visitenkarte stand Friedrich Hossl
mann cand. med. stehen und erklärte
energisch:
Ne, nu iS genug, ich geh' nicht mehr
weiter." Die andern wollten ihm erst
zureden, er bleib aber .bockbeinig wie
unser alteS Milchpferd." wie einer
lachend bemerkte, mitten auf der Straße
stehen, und bleib bei feiner Erklärung:
Zum Glück war eine Papiermühle in
der Nähe und die Herren beschlossen,
dem Besitzer einen Besuch zu machen.
Sie hofften von seinem schlenschen aai
freien Herzen eine Restaurirung ihres
ganzen Menschen. Gesagt gethan;
die fünf Wanderer schritten auf das
Gehöft zu und wollten gerade nach dem
Hausherrn fragen, da kam ihnen aber
schon eine alte, halb städtisch, halb
bäurisch angezogene Frau entgegen,
begrüßte fie knicksend, stellte sich ihnen
als Haushälterin vor und erzählte
ihnen, daß der Herr ihnen schon entge
gengegangen wäre. Er hätte aber ge
sagt, falls die Herren einen andern
Weg gegangen wären, und eher an
kämen wie er. so böte er fie eine Er
frischung auch ohne ihm einzunehmen,
und es sich behaglich zu machen.
Ich habe schon alles in der Veranda
zurecht gemacht, und wenn die Herren
mir freundlichst folgen wollen, so bitte
ich schön!" schloß fie ihr Rede.
Die sechs Studenten sahen fich ver
blüfft an; eS war ihnen sofort klar,
daß eS sich hier um ein Mißverftändniß
handelte, und fie wußten nicht recht.
was sie thun sollten. Der cand. med.
Fritz Hoffmann faßte fich zuerst:
Nimm das Gute, wo du es kriegst."
sagte er halblaut und folgte der alten,
freundlichen Frau; die andern zögerten
noch. . Dann folgten auch fie der Ein
ladung. -
In der Veranda war ein Tisch für
acht Personen gedeckt. Da stand eine
Schüssel Dickmilch, acht Flaschen Bier.
Brod. Butter, Eier. Käse, Schinken.
Wurst und schöner Salat.
Bitt schön! machen eS fich die Her
ren bequem, unser Herr kommt wohl
auch bald." lud die Haushälterin sie
freundlich ein, und verschwand im
Hause.
Einen Augenblick blieben die sechs
Jünglinge stehen und sahen fich fiill an,
dann ohne ein Wort zu reden, setzten sie
sich an den Tisch und tafelten wacker
drauf los. O, wie daS geschmeckt; daS
Geficht deS Dicken wurde immer freund
licher.
Aus dem Höllenthal in'S Himmel
reich," platzte er auf einmabloS. Ach
KinnerS, wie das smeckt," er rieb sich
ordentlich den Magen.
Die andern hieben auch kräftig dar
auf ein und bald war der Tisch so leer
wie ein Leutnants-Portemonnaie am
Neunundzwanzigften.
Kinder, was thun wn nun?" fragte
einer der Studenten etwas verzagt.
Der gütige Gastgeber kann jeden
Augenblick kommen, mir wird'S hier zu
heiß."
Mir auch."
Ne und mir."
Verduften wir."
So scwk? 'StiiNen unter
tt.w.Mr.
Der Dicke aber riß aus feinem Notiz
buch ein Blatt heraus und schrieb dar
auf die klassisch schönen Verse:
Sechs hungrige deutsche Studenten
magen
Verspeisten, was hier war, mit großem
Behagen,
Famos war der Trank, famos war das
Essen.
Wir wollen den Geber auch niemals
vergessen.
Der Weg war so heiß, der Weg war so
lang.
Du edler Geber hab' tausenfach Dank.
G. R. O. St. F.H. M. I.
B.W. H. S.
Darauf befestigte er die weiße Pega
ssfahne an einer Bierflasche, betrach
tete stolz sein Werk und die Seckie
zogen still von bannen.
Gestärkt schritten sie fröhlich ihre
Straße und vergnügt kamen sie am
späten Abend in Reinerz an. wo fie fich
in Morpheus' Armen Kraft für ihre
Weiterreife holten. Kaum waren die
lustigen Brüder zu einem Thore hin
aus. so trat zu dem andern Thor eine
Gesellschaft von acht Personen. Damen
und Herren, hinein. Die Gesellschaft
war aus dem nahen Badeort, und der
Hausherr hatte fie eingeladen; der Weg
ar zwar wunderbüd'ch gewksrn. aber
tdoch recht lang, besonders die Damen
waren todmüde, und die ganze Gesell
, schaft freute sich aus'S AuZrvhcn und
! einen Imbiß. Bald standen sie alle in
!oi-r Laube, aber LotS Weid war ein
!crpc'.?l,ilipp gegen die Herrschaften.
, Starr und stumm stand die ganze
esculchst und blickte verblüfft auf den
geleerten Tisch. Ter Hausherr ent
deckte zuerst die weiße Papierfahne. die
wie eine bittende Parlamentürflagge an
der Bierflasche wehte; er nahm sie und
las die klassischen Ü'erse de, Ticken laut
vor. Ein schallendes Gelächter löste die
Starrheit auf, und der Zettel wanderte
von Hand zu Hand. Tie Gesellschaft
war wie neu belebt, man besprach und
belachte vergnügt den luftigen Stuben
tcnftreich. Ter Hausherr war unter
dessen verschwunden, erschien aber bald
wieder mit seiner etwas verdutzt aus
sehenden, aber doch freundlich knicksen
den Haushälterin; die leerenden Tisch
dckorationcn verschwanden, bald stand
der Tisch wieder einladend da. und
fröhlich setzte fich die Gesellschaft zum
Schmausen nieder.
Wochen waren vergangen; der heiße
Sommer war einem milden Herbst ge
wichen, da kam eines TageS eine Ver
lobungsanzeige in die stille Papier
mühle geflogen: die einzige Tochter deS
Besitzers, die in Breslau bei einer alten
Tante in Pension war, schrieb einen
bittenden Brief an den geliebten Vater.
Sie hatte sich mit einem jungen Medi
ziner verlobt, der eben glänzend sein
Examen bestanden hatte.
Auch der liebende Medikus hatte ein
bittendes Briefchen beigefügt, und beide
baten um den Segen.
Der alte Herr war tief bewegt über
den Brief feines Lieblings; als er aber
den Brief des Doktors las. machte er
große Augen, die Handschrift kam ihm
sehr bekannt vor, er wußte nur nicht,
wo er fie schon gesehen hatte. Auf ein
mal fiel es ihm ein, er holte den über
müthigen Zettel der sechs Studenten
hervor, verglich die Handschriften mit
einander und lachte hell auf. sie glichen
sich wie zwei Eier. Der dichtende
Studio schien also mit all:r Macht sein
Swiegersohn werden zu wollen, er aber
gefiel ihm, nur wollte er erst nach BreS
lau und sich den Schlingel selbst an
sehen. Gedacht, gethan am nächsten
Tage schloß er schon sein geliebtes Kind
in feine Arme und am Abend desselben
TageS stand in der Schlefischen Zeitung
die Verlodungsanzeige von Fräulein'
Martha Thiele mit Herrn Dr. med.
Fritz Hoffmann.
Die Hochzeit folgte bald, und die
sämmtlichen Freunde des Bräutigam
waren mit dabei. Sie machten aber
doch etwas verdutzte Gesichter, als der
Bater der Braut in launiger Rede mit
theilte, wodurch er seinen Schwieaer
söhn eigentlich kennen gelernt habe:
zum allgemeinen Gelächter aber holte er
zuletzt einen Zettel hervor und las die
klassischen Verse, die sein theurer
Schwiegersohn einst verbrochen hatte.
vor.
Der glückliche Bräutigam aber saate
leise zu feiner Braut: Ich hab' schon
recht gehabt, als ich damals sagte:
Nach dem Höllenthal ins bimmel
reich."
Und seine Braut nickte ihm glückselig
zu.
Eine is,t.kdt.
Ein charakteristisches Geschichtchen von
Franz Liszt wird in der Neuen Musik
zeitung" erzählt. Liszt wurde einmal
in Rom das Opfer einer komischen In
trigue. Er war in dem Hause einer
Fürstin zu einer Feier geladen, die
ihren Gästen den Genuß sichern wollte,
den Meister zu hören. Sie wußte nur
zu gut, daß es Liszt selbst Bedürfniß
war, zu spielen, aber sie kannte auch
feine Gewohnheit, sich sehr nöthigen zu
lassen. Die geistreiche Frau wollte nun
Liszt einmal ohne ein Wort der Bitte
zum Spielen bringen; man verabredete
sich, es solle das Thema Musik im Ge
spräch überhaupt nicht berührt, ge
schweige denn zum Mufiziren aufgefor
dert werden: der lüael wurde so
,b?sen tii bet Schlüssel versteckt.
Liszt kam; seine P'"onte Siegermiene
schwand allmählich, als erD diesmal
nicht wie sonst beachtet sah. Voff-&mn
Seite ein Wort über Mufik ! ihnr-.
wurde augenscheinlich ganz sonderbar
zu Muthe. Die Zeit rückte" vor; man
sah. wie er immer aufgeregter wurde,
wie ihm bald die Finger 'brannten vor
Verlangen zu spielen, aber Niemand
bat ihn darum. Schließlich hielt er eS
nicht länger aus; sobald fich die erste
Gelegenheit bot. setzte er sich an den
Flügel und wollte den Deckel aufreißen
es giriL nicht! HelleS Lachen und
Applaus ertönte rings im Kreise. Der
Schlüssel wurde gebracht, fiifat er
kannte, welcher Intrigue er zum Opfer
gefallen war, aber sein leidenschaftlicher
Wunsch zu spielen, duldete nicht, daß er
böse Miene machte; er stürzte förmlich
über die Taften her und spielte bin.
reißender denn je der Besiegte war
sofort wieder der Sieger.
Da uati 'schäs,mann.
Bei'm BarthlWirth da geht's halt
zua.
Bei dem iS Tag und Nacht koa' Ruah.
5)R nnhi! flfit l.. ...W.- :.-
vu 91.1 iuu (JltlllUd l)in,
Bei'm Barthl, da san s' alli drin.
Und wo kimmt'S her? Ja weil der
Mann
Wia gar koa' Zwoater grob sein kann.
DSS hamm die Summafrischla gern
Da lacha s' recht, die feina Herr'n.
s
4
I