Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 05, 1900, Image 10

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    Unrersöhnlich.
Lkizze ui dem Wiener Leben von S r
Jt u 9 t n.
Wort der Erklärung, ouS welcher Hand
die großmüthigk spende kam!
.Haft Tu denn keine Idee, von wem
das Geld sein kann?" erkundigten sich
die Madchen abwechsend. aber Frau
Venesch schüttelte immer wieder den
Kopf, denn sie mochte bin und her
Wie lange Frau Vencsch so regungs
lai dagestanden und in'S Leere
schaut hatte, sie wußte ti wahrscheinlich rathen, so viel sie wollte, sie fand nicht
selbst nicht. Unausgesetzt waren ihre deS Räthsels Lösung. Ter Reihe nach
Gedanken einer bestimmten Richtung ging sie aüe sogenannten Freunde und
gefolgt und hatten aus das sruygeauerie Bekannten durch, endlich die näheren
Kekickt einen Ausdruck von Sorge und und weitläufigeren Verwandten, dock
Kummer gebreitet, der zu fragen schien: Niemand von all' den Leuten hätte der
die Antwort darauf
WaS nun?
Wenn sie nur
aewukt hätte!
Noch waren keine vier Wochen seit
dem Tode ihreS ManneS vergangen
und nicht nur. daß der Schmerz um
den Vielgeliebten eine gähnende Leere
- in ihrem Herzen hinterlassen hatte, fo
pocht auch schon die Noth mit knöcherner
Hand an die Thüre des kleinen Haus
schwer geprüften Wittwe mehr als wohl
feile Rathschläge gegeben, sie mit mehr,
als leeren Redensarten vertröstet um
ihr dann desto sicherer aus dem Wege
gehen zu können.
TaS wußte Frau Benesch. daS hatte
ihr Herz mit doppelter Bitterkeit erfüllt,
und eine unabweisliche Empfindung
sagte ihr deshalb auch jetzt, daß der
anonyme Spender nicht auf dieser Fährte
hälts. Bald kamen unbeglichene alte ,u suchen sei.
Rechnungen, bald neue Auslagen, ganz So beaann sie ihr ganzes Leben zu
. i nrt k. ! e rr w.nl . , . - , .
zu schwelgen von den MvursNlnen oes relapltulnen, gnn immer Wetter zu
täglichen Lebens, und der geringe
Baarvorrcth schmolz erschreckend rasch
dahin und waS dann, wenn der letzte
Gulden aewechselt sein würde? Wie
lanae konnte daS noch währen ?
WaS sollte sie mit ihren beiden Töch
tern beainnen. drei Hülflose Frauen.
die nie an'S Verdienen gedacht hatten
und mit einem Schlage auf sich selbst
angewiesen waren? Um des Himmels
willen, was fange ich nur ans" lag
ihr Tag und Nacht die bange
ffraae in den Obren, und sie konnte
den fürchterlichen Gedanken an die un
gewisse nächste Zukunft nicht los wer
den.
, .Mama, was thust Du denn?
erkundigte sich jetzt eine jugendliche
Stimme im Nebenzimmer, und da
Frau Benesch nicht gleich antwortete,
kam Emma m ihrem dürftigen Trauer
kleide herein, um nachzusehen, was es
denn gäbe.
.Ach, immer dasselbe sorgenvolleGe
ficht!
.Mama, schau', sorg' Dich nicht so
ab,- bat Emma schmeichelnd, wir
werden ja nicht verhungern vielleicht
kommt die Lotti schon jetzt mit einer
guten Nachricht zurück, sie soll ja die
Anstellung bekommen!"
.Ja, ja, wenn's nur wahr ist!" ant
ortete die bekümmerte Frau
Und ich werde auch verdienen.
luhr Emma fort, .ich gebe früher keine
Ruhe, weißt Du, und menn ich mich
auf den Kopf stellen muß und Du
wirst unseren kleinen Haushalt füh-
ren!"
.Ta3 schon." nickte die Mutter, ..ich
will ja gern alle Arbeit thun, aber
woher das Geld nehmen für's Leben ?
, Siehst Du, Emma, ich kann jetzt oft
mals gar nicht einschlafen, so quälen
mich die Sorgen in der Nacht noch
mehr "
In diesem Augenblicke klingelte es,
Emma lies zur Thüre. Es war
Lotti. die man erwartet hatte, aber ihr
niedergeschlagenes Gesicht sagte deutlich.
daß sie um eine Hoffnung ärmer heim
gekehrt war.
.Nichts?" fragte Emma.
Vorläufig nichts." antwortete die
Schwester, ich soll in zwei bis drei
Wochen wieder kommen, vielleicht findet
sich dann etwas."
Auch die Mutter war hinzu gekom
men, und ein schmerzliches Zucken in
ihrem Antlitze besagte, daß sie die letzten
Worte keineswegs überhört halte
Eine Weile wechselten sie kein Wort,
aber plötzlich überkam die Mutter das
Bedürfniß, ihrer innerlichen Verzweig
lung Luft zu machen, und sie sagte mit
gepreßter Stimme: Kinder, wenn das
nicht bald anders wird, halte ich es
nicht mehr lange aus!"
Und jetzt schluchzte sie laut auf.
.Geh', Mama, verlier' doch nicht den
Muth!" suchten die Mädchen sie zu trö
ften, obschon auch ihnen das Weinen
verzweifelt nahe war. Es gelang ih
neu auch, die erregte Mutter zu U
schwichtigen, aber die gedrückte Stirn
mung blieb zurück und lastete auf allen
Dreien gleich schwer. Jene Stirn
mung, wetqe na? m geoampner, ein
silbiger Rede gefällt und jeden Wohn
räum mit Gewitterschwüle erfüllt, wo
die Menschen das Herz so voll haben
und schweigen.
Da klingelte es plötzlich wieder.
Emma flog zur Thüre und rief als-
bald:
Der Briefträger hat einen recom
mandirten Brief für die Mama!"
.Für mich?" meinte Frau Benesch
kopfschüttelnd und unterschrieb hastig
das Recipiffe während ihr Blick unver-
wandt auf die Adresse des Briefes at-
richtet blieb. Diese Handschrift war ihr
jedoch vollkommen fremd.
, .Bon wem denn?" fragte Lotti 6e
gierig, und auch Emma drängte sich
gleichfalls heran.
.Ich weiß selbst nicht," sagte die
Mutter in sichtbarer Aufregung und
bemühte sich, mit einer Haarnadel das
Couvcrt aufzuschlitzen. Ihre Hände
zitterten vor Ungeduld, aber jetzt war
eS offen und sie enlnaym das schrei
den nein, es war kein Blies, son
dern bloS ein zusammengefaltetes Stück
Papier und daraus stand: .Der Be
dürftigen." Sie breitete das Papier auseinander
und es lag ein blanker Hunderter
darin.
.Ja, von wem ist das?" riefen alle
Drei fast gleichzeitig.
Frau Benesch durchsuchte nochmals
das Couvert. riß es schließlich ganz auf.
aber es war und blieb leer. Kein
rück, bis sie beim Elternhaus angelangt
war und da tauchte plötzlich eine Ge
ftalt auf, deren Umrisse arg verblaßt
waren im Laufe der langen Jahre, aber
dennoch '
Er hieß Wleser. Friedrich Wieser,
ein junger Eomptoirift bei ihrem Bater,
und der war fo närrisch verliebt in das
Töchterchen feines Prinzipals, daß er
schließlich entlassen wurde ein armer
Teufel, wie er war, lachte ihm der
Herr Chef in'S Gesicht, als er seinen
Herzenswunsch vorbrachte umsonst
berief er sich darauf, daß ihm auch das
gnädige Fräulein gewogen sei mein
lieber Freund," hatte der Prinzipal die
Unterredung beendet, schlagen Sie sich
meine Tochter ein für allemal aus dem
Kopfe, denn für die möchte ich doch eine
bessere Partie suchen."
Frau Benesch rief sich alle diese Te
tails in's Gedächtniß zurück, bis sie ih
ren seligen Vater förmlich reden hörte,
wie er sie in's Gebet nahm und ihr we
gen der verweinten Augen eine ordent
liehe Strafpredigt hielt.
.In sechs Wochen denkst Du nicht
mehr an ihn!" hatte er damals ausge
rufen, und feine Lebenserfahrung hatte
ja Recht behalten.
Sie hatte bald darauf geheirathet.
und der verschmähte Comptoirist siel
immer mehr der Vergessenheit anheim.
obschon er in seinem Abschiedsbrief ge
beten hatte: Vergessen Sie mich nicht
ganz, ich für meinen Theil werde Sie
nie vergesse.
euher hatte sie nur ab und zu ge
hört, daß es ihm recht gut gehen sollte.
daß er ein wohlhabender Sonderling
geworden sei. aber eigentlich, ging es
Frau Benesch plötzlich durch den Kopf.
mußte sie ja diesen letzten Brief noch
irgend wo unter ihren alten Ennnerun
gen aufbewahren der mußte ja sofort
Ausschluß geben.
Frau Benesch faß auch schon vor der
onenen Schreibtischlade und durch
stöberte haftig all' die Sächelchen. welch,
zierlich geordnet neben einander lagen
und in ihren persönlichen Beziehungen
em ganzes Leben darstellten. 58aH
Trophäen, kleine Geschenke, unterschied
liche Andenken, die Taufmünzen ihrer
Kinder, endlich stieß sie auf ein Packe
mit vergilbten Briefen und entknüpfte
das seidene Band, welches sie zusammen
hielt. Es waren zumeist Briefe ihres
ManneS aus der ersten Zeit ihrer Ehe
und sie durchlätterte wehmüthig die
Zeugen eines begrabenen Glückes, bis
sie plötzlich auf eine andere Handschrift
fließ, e? war der gesuchte Brief und
oben stand von ihrer eigenen Hand ge-
schrieben: Meinem guten Mannerl at-
zeigt, er war gar nicht bös, sondern hat
mich gelükt!"
Frau Benesch traten Thränen in die
Augen und ihr Blick trübte sich, aber
dann prüfte sie diese verblaßten Schrift-
zuge eme Wette und wußte genug.
Kinder, kommt her!" rief sie.
Die beiden Mädchen, die nur darauf
gewartet zu haben schienen, standen
auch schon da.
Kennt Ihr die e Schrift?" fragte
die Mutter und zeigte ihnen das ver
gilbte Blatt.
DaS ist ia dieselbe Schrift wie bei
den hundert Gulden!" meinten Emma
und Lotn gleichzeitig.
In dem kleinen Haushalte der Frau
Benesch stand jetzt daS Thema Wiefer
auf der Tagesordnung und wurde nach
allen Richtungen breit getreten. Kein
Wunder! Das unerwartete Geschenk
hatte die gröbsten Sorgen für eine
Weile hinaus geschoben, und wenn die
Mädchen auch nach wie vor an's Vev
dienen dachten, fo brauchten sie noch
nicht vor etlichen Wochen des Zuwar
tens zurück zu schrecken. Frau Benesch
besaß ein dankbares Gemüth und konnte
es nicht überwinden, daß sie die groß
müthige Hülfe nicht einmal mit einem
schlichten Dankesworte auittiren sollte.
Nein, bedanken mußte sie sich unter
allen Umständen! Also zog sie hier und
dort Erkundigungen ein, und erfuhr,
daß Herr Wieser als steinreicher Son
derling galt, daß er keinerlei Umgang
pflegte, sondern allein mit einem alten
Diener in seiner Stadtwohnung hause
und dieselbe alltäglich blos für zwei
oder drei Stunden verlasse. So weit
waren die Nachforschungen gediehen,
als Frau, Benesch mit ihren beiden
Töchtern Familienrath hielt und zu dem
Entschlüsse gelangte, es fei der Dank
an Herrn Wiefer vorerst brieflich abzu
statten.
DaS Schriftstück wurde denn auch
nach mannigfaltigen Correkturen und
größeren Opfern an Briefpapier abge '
schickt, aber es verstrich e,n Tag um
den anderen, ohne daß irgend welche
Antwort eintraf.
TaS verdroß Frau Benesch nicht tct
nig. Etwas wie verletzte Eigenliebe
flüsterte ihr zu, daß der Brief irnbe
dingt verloren gegangen sein müsse.
weil er sonst sicherlich geantwortet haben
würde. Groll konnte er ja doch nach so
vielen Jahren, nachdem sie beide alt
und grau geworden waren, nicht mehr
hegen. Gewiß, der Brief war verloren
gegangen, oder nicht m seine Hände ge
langt! Frau Benesch entschloß sich des
halb, den einstigen Comptoiriften ihres
BaterS in seiner Wohnung aufzusuchen,
um ihm zu sagen, wie sehr dankbar sie
ihm für die zartfinnige Unterstützung
sei. TaS war sie nch selbst schuldig
und je eher', desto besser. Also kleidete
sie sich ' an. betraute Emma mit der
Küche und schlug den Weg nach der in
nenn Stadt ein, wo Herr Wleser woh
nen sollte,
Im vierten Stock, die letzte Thüre,
sagte man ihr, als sie mit einigem
Zögern die Treppe hinauf stieg. Stufe
um Stufe umschlich sie mehr und mehr
eine gewisse Befangenheit, ob der
Frage, wie er sie empfangen würde
StadtmufikuS mit der Ausführung des
musikalischen Theils ihreS Programms.
Sein Jetting aber faß in ihrem alt
modischen schweren Seidcnkleide in der
ersten Reihe neben der .Frau Bürger
Meisterin, der Frau Advotatin und der
Frau Amtshauptmännin". Tie Ta
men hatten natürlich Freikarten.
Jeden Morgen kam einer der m,t
wirkenden Künstler,. der zugleich Zet
telträger war. in daS HauS deS Stadt
musikuS mit dem vielversprechenden
TageS Programm. ES entspann sich
dann immer eine große Unterhaltung
zu JettingZ, Aerger.
,Jch weiß, wo daS hinaus will. Geld
leihen will er. daß Tu ihm nicht einen
Schilling giebst. daS sage ich Dir. Von
solchen Umherziehenden ist nichts wieder
zu kriegen
sinn! Weshalb schrieb auch der Mensch
einen solchen Bnes!
.Schicke eS ihm bald. Tu weißt
doch, daß sie morgen weiter ziehen,"
drängte sie.
Er war in heller Verzweiflung. TaS
ginge ja nicht, er konnte doch nicht zum
Narren werden.
Tu schreibst ihm?"
Gebrochen wankte er zum Tisch,
Wat fall ick schriben? Ne. ich thu's
nicht!" rief er und schlug mit der ge,
ballten Faust auf den Tisch. Sie schie
nen die Rollen vertauscht zu haben,
Jetting kannte den sonst so sanften
gutmüthigen Mann gar nicht wieder.
Und er schrieb, weil sie eS so wollte.
folgenden Bnes:
Lieber Freund!
Ihre Ehrlichkeit rührt mich. Keiner
.Nun. denn, wie wär'S, wenn ich
Tir..:."
.Wenn Tu mir Teine Liebe erklär
teft?" und sie lachte spöttisch auf. .Ach.
liebster Kurt, da wäre auch schauder
haft langweilig. Ein Abenteuer aber
wäre eS sicherlich nicht."
.ZSiefo?" fragte er ganz erstaunt.
.Weil das jeder schon seit Jahren
erwartet, daß Tu endlich einmal redest
und wir unS verloben und heirathen
und...."
.So?" meinte er gedehnt. .TaS also
erwartet jeder und Tu erwartest
eS auch?"
.Ich? leider ja. Aber ich freute mich
regelmäßig, wenn eS nicht kam. wenn
eS ohne diese Liebeserklärung abging,
die mir abgeschmackt vorkam: htnn
siehst Tu. Kurt, wir geben vielleicht ein
fühlt, daß ich eS gut mit ihm meine.
daß ich menschlich bin, der will kein
Geld."
Na. na! Er ist der erste nicht, der
sich durch solche Faxen hier eingeführt
hätte.
Tann stellte sie sich kampfbereit vor
ihm hin, sah ihn mit scharfen durch
dringenden Augen an und sagte: Tu
Oben angelangt, steigerte sich noch daS hast eS schon gethan, Tu haft ihm Geld
Ach waS," meinte er. der, Mann von allen, denen ich je gefällig war, hat ganz gutcS Ehepaar ab. fo ein Ehepaar.
1 i w A& :x M:i I v n : . zi s. w .n . I i...s...v . x. li r
Gesliyl der unvehagllchlett. denn an
der Thüre war ein Schild angebracht,
auf dem eS hieß: Betteln und Haust.
ren, sowie jede Art von Belästigung ist
streng verboten!"
Frau Benesch trat unwillkürlich einen
Schritt zurück. Aber nein! Jetzt war
sie einmal hier und wollte ihn sprechen.
Also zog sie die Glocke. Eine ge
räume Zeit verstrich, dann wurde der
Judas geöffnet und eine barsche Stimme
rief:
Was wollen Sie denn?"
Ich möchte Herrn Wieser sprechen.'
erwiderte Frau Benesch.
Er ist nicht zu Hause!"
Wann könnte ich ihn also sprechen?"
Weiß ich nicht," brummte die
umme orinnen, uno nuqs war oas
Guckloch zugeschoben.
Frau Benesch trat verblüfft den Rück-
weg an, und um nicht ganz unver
richtete? Tinge fort zu gehen, , pochte sie
bei'm Haushälter besorgt an und trug
ihm ihr Anliegen vor.
Ja. meinte dieser würdevoll, der
gnü' Herr ist, was man so sagt, ein
Sonderling zu dem kommt über-
Haupt Niemand hinein, höchstens daß
die Wäscherin alle Samstag die Wäsche
abholen darf!"
Wenn ich ihn aber sprechen muß?"
Wissen's, gnä' Frau," entgegnete
ver Hausmeister proteglrend, das Ein
gegeben, ich sehe eS an Deinem Ge
stcht.
Er schwieg. Nun ergoß sich aber ein
Wortschwall über ihn. der' schier kein
Ende nehmen wollte. Er griff zu einem
sonderbaren Mittel, ein Mittel, daS sie
beruhigen mußte. Unfehlbar! Eiligst
hieß er feine musikkundigen Ritter und
Knappen sich in Sonntagskleider wer
fen, die vorsündfluthlichen .hohen
Hüte" aufsetzen und kommandirte sie
vorS Haus mit ihren Instrumenten,
mir das gedankt, feie sind der erste.
und Sie können das Geld am besten
brauchen. Nehmen Sie es denn wie
der, vielleicht als Zchrpfennig auf
Ihre Reife. Auch meine Frau wünscht
das.
io hatte der fremde Seiltänzer statt
sunszig, hundert Thaler erhalten.
Hundert Thaler.
Jetting aber war glücklich über ihre
edle That. Nur er ging sinnend, trübe
umher. Ter Verlust des Geldes, mehr
aber noch die Demüthigung, die er vor
seinem Jetting erlitten, nagten an sei-
nem ebensmark. Und dann quälte
ihn auch das Gewissen, er hatte sie be
logen und sich selber betrogen!
Nun war das alles nicht mehr gut zu
macyen. Tas ganze eben war ein
anderes geworden, sein Jettina schimpfte
nicyk mcyr. ad plötzlich alle Men.
schen mit anderen Augen an, und von
wie eö taufende auch giebt. Ein Paar.
wo die beiden nebeneinandergehen und
sich nichts zu sagen haben, aber auch aar
nichts. Sie sind einmal verheirathet
und damit bafta. Mir aber, siehst Tu.
mir würde eine solche Ehe nicht ge
nügen. ich müßte den Mann lieben kön
nen, dem ich angehöre und "
Und mich liebst Tu nickt? Mick
könntest Tu gar nicht lieben?"
Ach Gott, wie närrisch das klinat.
Tu bist ja ein ganz netter, ein ganz
prächtiger Kerl. Kurt, mit dem ein
Mädchen wie ich gewiß ganz glücklich
fein könnte, aber aber lieben siehst
Tu. nein, lieben könnte ich Tick nickt.
dazu kennen wir uns viel zu gut."
Wir icnnen uns. .
Ja, wir kennen uns viel u aut.
Tu könntest nichts NeueS in mein Leben
tragen. Kein neues Gefühl, keine neue
Erfindung. Sage doch selbst. Seit
Tann nahm er den Tirigentenstab zur ihm hatte der Schalk sich abgewandt, wie lange kenne ich Dich? Seit fünficbn
..v v t I ..(. ...X w ... i ... r I cv :jti . .. .. i.. ' ' 7
!ni,l nrtrtnn im
Y ...
Letzte Rose, wie so
Hand und das
Adagio pianifsimo
einsam "
Das war JettingS Lieblingslied.
Und ihr Zorn verrauchte, Thränen
liefen über ihre Wangen. Tie Poesie
der längst eingesargten Jugend und
Liebe hatte an das alte Herz gepocht
Er schlich unbemerkt zu dem Seil
tänzer.
Ick bring' di fö ftig Tahler." Ter
Mann fah ihn verständnißlos an
Ja, ia. es hat seine Richtigkeit.
Tu schickst mir das Geld morgen früh;
ich weiß ja. Du kannst mir das erste
nicht wiedergeben, wenn Tu's auch so
oft betheuerst, aber ich will Frieden und
Eintracht im Hause. Mein Jetting
hat gemerkt, daß ich Dir Geld geliehen
habe, sie behauptet steif und fest. Du
wärest ein schlechter Mensch, der nie
er nahm auch nie mehr den Brummbaß Jahren, nicht wahr? Seit fünfzehn
vor die Thür hinaus und hatte nicht Jahren ist mir alles bekannt, was Tu
nöthig, die Zornausbrüche feiner Frau denkst, was Du thust, alles. Nur die
mit Des Sommers lebte Rose" ,u Zwei Jahre, die Tu in Amerika warst.
dämpfen. Ter Reiz und die Pikanterie die kenne ich nicht. Aber auch die zwei
des Lebens waren dahin. Sein Muth Jahre gewinnen mir keinen Reiz ab. . .
zige, daß Sie ihn jetzt derwischen, wenn daran denken würde, es zurückzuzahlen.
er z Haus kommt sehen s. dort
kommt er g'rad herauf, der Herr mit'm
Cylinder "
Frau Benesch musterte eine kleine
Weile die sich nähernde Gestalt. Den
breitkrämipen Cylinder tief in die
Stirne gedrückt, in stark vorgebeugter
Haltung, schritt er langsam und schwer
sällig voran.
DaS also war er!
Frau. Benesch fühlte sich etwas be
klommen, aber sie überwand es, faßte
sich ein Herz und trat ihm entschlossen
in den Weg. indem sie sagte: Herr
Wieser, entschuldigen Sie, daß ich Sie
aus der Straße anrede "
Er heftete einen halb unwilligen.
halb erstaunten Blick auf sie
Ich bin die Frau Bene ch " fügte
sie erklärend hinzu.
e mcyl oie ore. agle er
unfreundlich.
Aber Sie haben mir ja Geld
geschickt, ich weiß es. Ich wollte Ihnen
vios danken."
.Muß ein Irrthum sein, guten
Tag!" brummte Herr Wieser noch
unfreundlicher, und ohne sie eines Blickes
zu würdigen, ging er weiter.
rau Benesch blieb wie anaewunelt Ausdruck an.
peoen uno chaute bekrönen dem seit- orua, oen er
amen Kauz nach aber den nächsten
Monat, am selben Tag. zur selben
Stunde, brachte der Briefträger wieder
einen recommandirten Brief für Frau
ene,ch, uno mieoer lag darin em
blanker Hunderter.
Ich aber nehme immer Teine Partei;
ich sage. Tu bringst es doch. Nun thu
mir den Gefallen, bringe oder schicke
mir dieses Geld. Lassen wir das andere
ruhn."
Ter Seiltänzer schien den Sinn der
etwas konfusen Rede schwer zu fassen.
er fragte wiederholt nach diesem und
war gebrochen
An einem sonnigen Frühlingsmor
gen ward er zu Grabe getragen, von
oer ganzen kleinen Stadt ausrichtig be
irsueri
So'n ollen gauden Kirl
lautete sein Nachruf im Volksmunde
Und sie. sein Jetting! Sie entschwand
meinem Ge ichts- und Gedankenkreise
Was mich heute an sie erinnert bat?
Eine Notiz, die ich dieser Tage in einer
norooem chen Zeitung las
Vorgestern ward die Wittwe des be
relts vor dreißig Jahren verstorbenen
stadtmustkus Stein in aller Stille be
erdlgt. Sie hat ihre Zeit überlebt,
Von den Jungen kannte sie Niemand
mehr, und die Alten sind ihr alle längst
vorangegangen. Sie hat ein Alter
von neunundneunzig Jahren erreicht,
Von den bescheidenen Blumenspenden,
die den Sarg schmückten, hob .sich ein
prachtvoller Kranz von weißen Rosen
wirksam ab; aus
den breiten Seiden
jenem, schließlich ward ibm die Sacke schürpen. die ihn umwanden, las man fahren könnte
klar. Lächelnd nickte er Erfüllung die die Worte: Letzten Gruß" und den verheirathet bin
ser Bitte. Namen eines bekannten Zirkus
Jettlng's poetische Anwandlung war direktors. In welchem Verhältniß der
bald wieder verflogen. Sie lieb ihm Mann zu der Greisin gestanden, wissen
wir nicht."
Aber ich weiß es. Tas Schwert
des amolles, das einlt" über seinem
Haupte schwebte, hatte Jetting's hartes
yerz erweicht
also.
Also würdest Du meine 5and .
schlagen, wenn ich sie Dir anböte."
Ja.
iGo'tt sei Tank." sagte er.
Wieso?" fragte sie.
Ich sage Gott sei Dank. w?ik irf
fürchtete, auch Du könnte Dir tmhU
den, daß ich Dich jemals zur Frau be
zehren könnte."
S,e sah ihn sprachlos an.
Nein, nein." sagte er lackend.
ist keine Gefahr. Und daß ick's nit
thue, daran sind eben jene zwei Jahre
schuld, die Du nicht kennst."
Sie war bleich geworden.
Tie die Jabre.... in Am,.
rika?"
Jawohl," nickte er. ..die ?tahre In
Amerika. Wisse also. dak.... hn
Du versprichst mir es niemand,, ,
sagen, nicht wabr.. .. wisse als...
und er sah sich vorsichtig um, ob auch
niemand nahe, der sein Geheimniß er-
wiffe also, daß ich
keine Ruhe und verstieg sich in ihrem
blinden Zorn zu der etwas drastischen
Bemerkung: Wenn bei wedderkimmt.
so smiet ick em ut de Tör!"
Jetting. was bat Dir denn eiaent-
llch der Mann gethan, Dir und mir?
gar nichts."
Tas nennst Tu nichts! Erst borgt
der wildfremde Mensch Dir daS Geld
ab und nachher "
Giebt er's zurück " sagt er trium
phirend. Siehst Du, hier sind fünf
zig Thaler, hier ist der Brief. Lies
selbst !"
Ihre Augen wurden immer gröber.
ihr Gesicht nahm einen ganz anderen
einen ängstlichen Aus
nie zuvor vei ivr ge-
wahrte.
Er hat das Geld wieder-
gegeben?" Die Frage kam zitternd von
ihren Lippen.
Ja. Jetting..
Zeig' den Brief." Sie las:
Geehrter Gönner und Freund. Sie
haben mich vor Tagen aus einer großen
Verlegenheit gerettet, aus einer Gefahr.
darf ich wohl sagen. Noch ist sie nicht
vorüber, noch schwebt daS Schwert des
Eine Todtenblässe übersiel ihr ffi
icQi, ne prang va d auf:
qai ichon ein Weid , ,
Du .
Du,
aber was ist Dir.
. nichts.. ... nichts,
so plötzlich.... o..
mit einem Mal in Thränen
barg, in den Stubl zurück.
weinend ihr Gesicht in beide
aber
und
Die Frau in Amerika.
Von Heinrich Tornberg.
Sie hatte das Leben satt. Tas
Leben. Vierundzwanzig Jahre. Ja,
ja, gerade yeuie vierundzwanzig Jahre
und nichts hatte noch in ihr Leben ein
gegriffen. Nicht einmal verliebt war
sie noch gewesen und andere Mädels,
die sind doch schon
Ja
O. .
das kam
sie brach
aus und
sinkend,
Hände.
Aber, Jane. Jane, was ist Dir?"
Nichts nichts . . lasse rni .
der Schlag kam zu unerwartet....
zu.. ,."
Aber Tu liebst mich doch nicht."
Ich liebe Tick nickt ick .kk.
Dich immer, immer geliebt !" und wi,.
der verschlug ihr das Schluchzen förm
iich oie summe.
Er aber
Er lachte und lackte ' und
mit vierzehn, mit
fünfzehn und fechszehn Jahren verliebt, lachend vor ihr hin und zog sie an sich
I fiA ,t i A f " h.A. I I
UUH UIIUI. KJ, 9 iUUl ClUC
ie
Schande. Und die Thränen traten ihr
beinahe in die Augen.
Den Kurt, o mein Gott, den konnte
sie haben, wenn sie wollte. Sie brauchte
ihm nur die Fingerspitzen zu reichen.
Ja, es schien sogar so gut wie ausge
macht, daß er sie heirathen würde
Man nahm es wenigstens allgemein an.
Nur sie wußte nichts davon, gar nichts,
5ein Zetting.
Erzählung von Hedmig Wigger.
, VV(UW4, IIVV UflVVVI VUV WltUlil M.M H lllMfW, V..rX T fr ,V ' -..WflWl
So lange ich denken kann, kannte ich Damokles über meinem Haupte; aber sie wollte nichts davon wissen. Denn rv groe Entbehrungen, die er sich
!l,ttl. f.: it. .c. .n iSr: ,Y. ,; v v CV.. Cj.-- I f . iUr nn ihrom Mt4 R,..i9 wavrend seines nniu(n fia ,,k
Ein Harpagon.
Aus Belgrad wird berickt,t-
Ab hier der 80jährige, pensionirte
Oberleutnant Mll e Nikolir. (fr fiint.r.
lleß ein Vermögen von 150,000 Frcs..
welches er testamentarisch dem Belgrader
Waisenhaus? vermachte. Der Ver
ftorbene hatte sich oieses VermNa,n
ein Jetting als eine kleine, äußer leb
sie Hrau Mll eisgrauen Haaren,
iieqenoen grauen Augen und einer
pitzen Stimme. Sie war in der Ikl
nen Stadt wenig beliebt, umsomchr
aber gefürchtet. Jeder scheute sich vor
hrer scharfen Zunge und ihrem reckt,
yaverijchen Wesen. Anders ging eS
yrem Gallen, dem verrn Stadt
musikus. Mit ihm wollte jeder gern zu
dun oaoen, er war eine gute Saut.
gab das letzte hin. wenn er damit einem
yeisen ivnnie, oer armer war als er
elbst, und glaubte stets das beste von
emen Nächsten. In seinen freund-
lichen alten Augen lachte der Schalk.
Er nahm die Redseligkeit und die häu
ngen Zornausbrüche fernes Jetting
auch gar nicht ernst. Mitunter aller-
dings, wenn es ihm mit ihren zänki
chen Verträgen gar zu bunt ward.
brachte er ihr ein Ständchen. Er nahm
den Brummbaß, ging auf die Straße
hinaus und fidelte so lange, bis eS im
Haufe stille ward. Das war allemal
ein Fest für daS junge Geschlecht.
Da trat etwas Außerordentliches in
das Leben der Ehegatten.
Eine Seiltänzer und Kunstreiter
truppe schlug ihre Arena auf dem Lust
gartenplatz auf und betraute den Herrn
Sie. edler Freund und Ihre bochge was lag ihr an ihrem Vetter Kurt? '"uno ,eines ganzen Lebens auf-
schätzte Gattin, sollen sich nicht in mir Nichts, garnichts. nicht o viel. Das ane' Wammengespart. Seine
getäuscht haben, ich will mich Ihres wäre gerade ein Liebhaber gewesen, wie Z"" uno Wüsche flickte er sich selbst.
Vertrauens würdia erweisen und sende sie sich ihn gewünscht hätte. Und dann V.? vw Zwanzig Jahre hindurch
. ' I . . " ' . . .. ntatA h i r. w w I '
Geld mit beibem batte er ihr auch noch nie von iebe ge r tuu'e -l,n0 v'eiekve Militär
' . c - . I miina , ui . . i . l . rj l .
s prochen. Von ,ei Ä)ank nicht, denn r"B:x ,c -v'vue oenano IN kolge
sie hätte ihn ja doch abblitzen lassen, sie c Wunflm Flickens nur noch aus
brauchte so 'ne ruhige, gelassene Liebe )?relchen Stückchen. Der alte Sonder
nicht. Was sie wollte, war etwas.. .. "'UUK leinem A.eilamente den
etwas, was sie aus dem ruhigen Geleise unW aus. m seinem alten Korporal
Ihnen daS geliehene
Dank zurück
Das Bnefblatt knisterte in ihrer
Hand, sie las noch den Namen und
das Datum, dann murmelte sie ein
paar Zeilen aus dem Briefe: Tas
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Sckwert des Damokles" ..bm bm. brachte, einen Schmerz, einen Kummer. und einem einfachen Holzsarae
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irgend ein Ereigniß, oas in ihr Leben "V""" wuen; als aonuch sollte
eingriff. I?? J?ro6eS Kommißleintuch,
Was für 'ne Leichenbittermiene mle durch das häufige Flicken
machst denn?" fragte Kurt, der zu lauter Fragmenten zusammen
ihr hintrat, das ist doch keine Geburts pt war. benützt werden. Die lebt
tagsftimmung. wie?" willigen Verfügungen deS Sonderlings
Ich weiß nicht, 's ist 'ne Stimmung ?"e befolgt, nur seine Wünsche
wie jede andere?" ? Gattung wurden nicht
Ader keine rosige, wie ich sehe." ,eine eiche wurde in
Rosig? rosig? ich möchte wissen, wo schönen Metallsarg gebettet und
na, na, das soll nicht sein: Leute, die
ihr gutes Auskommen haben, gehen
stolz bei uns vorbei und denken nicht
daran, ihre Schulden zu bezahlen, und
dieser arme Komödiant knappt sich das
Geld ab! O, das muß belohnt werden!
Schenke eS ihm, ia. Du schickst ihm die
fünfzig Thaler zurück, er soll sie dehal
ten, der brave Mensch!"
Jetting!" rief er bleich mit zucken-
den Lippen, Jetting. das geht nicht,
nein, nimmermehr!"
Ja. es wird gehen er hat Ehrge
fühl gehabt, wir wollen ihm beweisen.
daß wir'S auch haben. Er kriegt das
Geld wieder, auf jeden Fall. Für uns
ruht doch kein Segen drauf."
Noch zögerte er. Was W tyr denn
ein? Er konnte doch die fünfzig Thaler
nicht zurückschicken, daS wäre ja Wahn 1
her eine rosige Stimmung koinmen
sollte, wenn man nichts erlebt, wenn
das ganze Leben so ruhig dahinfließt,
immer gleichförmig. Ach, das ist zum
terben langweilig."
Hm. Tu möchtest also etwas er-
leben, Jane. Aber waS? Ein Liebes
abenteuer vielleicht?"
Weshalb nicht?" entgegnete sie und
zuckte mit den Achseln.
oie,er mit einem
tuch bedeckt.
goldgestickten Bahr
Durcdsckaut
Commis: tfvrr inlkk., .. .k
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Chef: Drücken Sie ihm sofort unser
de?Bi?sber ftilisiren U
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