Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 22, 1900, Image 9

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    CSV' M
Cin romanisches Abenteuer.
i
AuS dcm Tpanisn von Karl Nebcha?
AIS sich ese Geschichte ereignete,
war ich ein Mdche.i von 17 Jahren.
das, romaisch, voll lebhafter Phan
iahe und Witulounq. leine andere tir
fahrung im, als die. welche ich aus
einem baven Tugend geleitn o
mane gechSvft hatte, die ich mir aus
der Billlotbek meines Vaters unve
merkt 4 verschaffen gewußt. Zu jener
Zeit kwohnten wir ein hübsches Land
hauSferne der Stadt gelegen. Unsere
nächftn Nachbarn waren Die amiiie
deö rasen TejaS. dessen Schloß von
uvJ 11 Kilometer entfernt war.
Die TeiaS wollten das ffest der hei
lhen drei Könige mit Musik und Tanz
eiern: auch ich hatte eme Einladung
iu dem fast erhalten. Ich war wie
närrisch vor Freude. Handelte eS sich
doch um nichts weniger, als um meinen
ersten Ball! AIS ich die für den o.
Januar lautende, aus zierlichem ya
vier gedruckte, mit der Grafenkrone at
schmückte Einladung in Händen hielt.
süblte ich wobl die größte Freude
meines Lebens. ES fehlten nur mehr
blos ,wei Tage bis zu dem mtt
Mein Kleid war bereits fertig: es war
ein kleines Wunderwerk ' aus weißem
Tüll, mit Blumen geschmückt, und ich
konnte mich im Spiegel nicht tat
seben. Da vlöblich. am nächsten Mor
gen. hatte mein Papa eine Halsent.
zündung. meine Mama eine leichte
Influenza! Bis morgen konnte weder
der Eine noch die Andere hergestellt
sein. Meine Verzweiflung hatte keine
Grenzen. Ade Freude, voffnung,
Illusionen!
Die Vorsehung der jungen Mädchen
kam mir auch diesmal in Gestalt eines
lieben Onkels und einer noch lieberen
Tante zu Hilfe. Dieselben wohnten
in der Richtung jenseits des gräflichen
Schlosses und übernahmen die Ver
vtlicktuna. mich am Portat des f&rnioi.
seS zn erwarten, mich einzuführen und
wieder dann biS zum Wagen zu vrm
sien. Unter dem Schutz von Onkel und
Tante l ek m also die tz-ache veraw
stalten. Der einzige wunde Punkt war
d e e warne Fabrt in der dünkten naqr
nach dem weit entfernten Schloß, aber
was war das Alles gegen eine eyniucy
tige Hoffnung, den Ball mitmachen zu
dürfen! Ich hatte endlich meinen lieben
Eltern die Erlaubniß abgebettelt und
abgeschmeichelt. Wilhelm, unser alter
Kutscher, der mich als lno rannn.
wird mim in unserer Arche Noar, tay
ren. WaS hatte ich unter dem Schutz
dieses alten, treuen Dieners zu Mrch
ten. der mich wie ein Kind lieb hatte
und mehr fast als meine eigenen Eltern
bütete? Freilich konnte ich nicht ieug
nen, daß er fast taub war. allein dies
schien mir kein Hinderniß zu sein, daß
er mich fuhr.
Endlich war meine lange gehegte
Hoffnung erfüllt, ich hätte nur noch
gewünscht, daß dieser Ball eine Woae
lang gedauert hätte, doch so wie Alles
endet, nahm auch diele unleryailung
ibr Ende. Onkel und Tante verab
schiedeten sich von mir beim Portal des
SchloffeS. setzten mich, emgewiclett wie
in Baby, in unsere alte Kalesche und
mvfahlen mich dringend der Obhut
unseres alten Kutschers. Ich war lldev
alücklick. doch schrecklich müde. Bald
verschwamm die Gestalt Wilhelms in
einem Nebel, ich wurde von süßen
Träumen umfangen und schlief fest ein.
Wie lange ich geschlafen hatte, weiß
ich nicht mehr. AIS ich erwachte, tchien
der Mond hell, und in seinem Lichte
tonnte ich die, Gestalt eines Mannes
nennen, oer mir gegenuoer ,ug uno
dessen Blicke mich durchbohrten. Der
Schreck fuhr mir in die Glieder, schnürte
mir die Kehle zusammen und hinderte
mich, um Hilfe zu rufen. Mit einer
raschen Bewegung suchte ich die Wagen
fhür zu öffnen, aber ein fester Arm
binderte mich daran und eine gedämpfte
Stimme sprach:
Wenn du schreist oder dich rührst,
bist du verloren.".
Zu gleicher Zeit sah ich vor meinen
Augen einen Revolver blinken. Was
nun thun? Der Kutscher saß ahnungs
los auf dem Bocke und fuhr gemüthlich
feinen Weg weiter. So befand ich mich
denn ohne Hilfe, ohne Vertheidigung.
Ich drückte mich verzweifelt in die
äußerste Ecke des Wagens, bedeckte mit
beiden Händen mein Gesicht und fing
bitterlich zu weinen an. Die Hufschläge
der Pferde ertönten scharf auf dem ge
frorenen Weg; mein Herz zitterte, mein
Gehirn brannte, als plötzlich eine sanfte
Stimme flüsterte: Arme Kleine, wie
habe ich dich geängstigt!"
Ich erhob rasch meinen Kopf und
betrachtete erschreckt mein Gegenüber.
Der Mond beleuchtete voll sein Antlitz,
und ich gewahrte einen schönen, cle
ganten Mann, wie ich ihn im Leben
nie erschaut hatte. Er war jung, höch
stens 25 Jahre alt, schwarz, mit einem
Paar schwarzglänzender Augen, die
mich mit einer Mischung von Traurig'
keit und Bewunderung anblickten.
Durch seine elegante Kleidung und die
schön gepflegten Hände machte er in
seiner Erscheinung den Eindruck eines
Kavaliers. Der Revolver war ver
schwunden.
Haben Sie sich stark geängstigt?"
frug er weiter mit angenehmer Stimme.
Weiteres Schweigen meinerseits, mäh
rend meine Hand mein bescheidenes
Perlen-Collier zu verdecken suchte.
Haben Sie keine Angst. Fräulein,
und verbergen Sie nicht Ihr Collier,"
sprach er, ich bin kein Räuber!"
4l
Jahrgang 20.
.Nun. was sind Sie denn?" stieß
ich endlich hervor, wenn Sie es wagen.
in meinen Wagen zu dringen, mich zu
bedrohen und zu insultirenk"
.Warum ich dies that? Weil ich
meine Freiheit suche. Ich bin ein
Mensch, welchen einige Elende verfol
gen. Diese Nacht bin ich aus dem
Irrenhause entflohen. Erschrecken Sie
nicht, Fräulein, ich bin nicht verrückt,
ich versichere es Ihnen bestimmt ! Be
trachten Sie mich einmal ruhig und
sagen Sie, ob ich wie ein Narr aussehe
oder den Eindruck eines solchen auf Sie
mache! Ich bin nicht verrückt," fuhr er
fort, sondern einzig das Opfer einer
infamen Verschwörung. Meine Ver
wandten haben beschaffen, mich, den
Erben eines immensen Vermögens, für
einen Narren zu erklären, , um sich in
den Besitz meines Vermögen? zu setzen.
Auf diese Welse kam ich in das Jrren
haus, und jene streiften mein Hub und
Gut ein. Eingesperrt in eine furcht
bare Zelle, leder Verbindung imt me.
nen Freunden beraubt, blieb mir nur
e,ne schwache Hoffnung: die Flucht
Verschiedene Male habe ich sie versucht.
doch immer ohne Erfolg. Heute ist sie
mir endlich gelungen, und von Ihnen
hängt eS ekt allein ab. ob ich mich met
ner Freiheit und meines Lebens weiter
erfreuen darf, oder ob sich d,e Pforten
meines schrecklichen Gefängnisses hinter
mir für immer schließen sollen'.
ES war für mein Gegenüber entschie
fien ein günstiger Umstand, daß sich
unt-r den Romanen, die ich gelegen
hatte, eine ähnliche Geschichte abspielte,
die mich bis inS Innerste erschaudern
machte. Jetzt kam sie mir neuerdings
klar inS Gedächtniß. Also ich sollte die
Retterin eineS unschuldigen Opfers
spielen! Von mir allein hing seine
Freiheit, sein Leben ab! Ich zweifelte
keinen Augenblick an der Wahrheit et
ner Erzählung, nur ließ ich mich von
meinem' tiefen Mitleid und von der
wachgerufenen Phantasie nicht ganz
allein führen, sondern nahm auch mei
nen Verstand zu Hilfe. Ich nahm all
meine Ruhe und Beherrschung zusam
men und antwortete ihm: Bevor ich
Ihnen irgend ein Versprechen gebe,
verlange ich von Ihnen einen Beweis,
daß das, waS Sie sagen, auch wahr
sei!"
Er blickte mich einige Augenblicke be
fremdet an, beruhigte sich aber sofort,
griff in seine Börse und entnahm der
selben einen herrlichen Ring mit einem
großen Stein, in den ein Wappen und
eine Inschrift eingravirt' waren. Den
Ring gab er mir in die Hand und
sagte: Ich besitze nichts anderes. Diese
Schurken haben mir bis auf dieses
Kleinod, welches ich sorgfältig verbarg,
alles genommen. Der Ring trägt das
Wappeen meines Hauses."
Ich betrachtete den Reisen aufmerk
sam; die Inschrift konnte ich zwar nicht
lesen, allein das Wappen, welches einen
Adler mit ausgebreiteten Flügeln dar
stellte, erregte in mir den Eindruck, als
ob ich es schon im Leben einmal gesehen
hatte. Ich weiß nicht, ob mich dieser
herrliche Ring schließlich beeinflußte, der
Erzählung dieses Mannes vollen Glau
den zu schenken, oder ob mich sein Wesen
chon früher überzeugt hatte, kurz ich
sagte ihm: Ich glaube Ihnen das Ge
sagte und werde Ihnen nach Möglichkeit
beistehen !"
Da wars er sich vor mir auf die
Kniee, nahm meine Hände in die seini
gen, bedeckte sie mit Küssen und rief:
Meine Wohlthäterin, meine Retterin,
wie soll ich es Ihnen je danken!" ,
Dieses Benehmen schmeichelte mir, es
machte mich verwirrt und ich sagte:
Erheben Sie sich und berathen wir,
was zu thun fei."
Ich entfloh um Mitternacht und
wartete auf Ihren Wagen. Die Lich
ter der Wagen, die beim Schlosse ftan
den, erregten meine Aufmerksamkeit,
und als ich hinging, erfuhr ich aus den
Gesprächen der Kutscher und Bedienten,
daß ein junges Fräulein allein in ihrem
Wagen nach heimkehre, via ch war
mein Plan gefaßt und glücklich ausge
ührt."
..Aber was werden Sie jetzt begin
nen?" fragte ich ihn. Ich kann Sie
in unserem Hause nicht verbergen;
meine Eltern sind krank, und die Die
ner würden Sie sehen!"
Ich kenne sehr genau den Weg."
erwiderte er; bevor wir zu Ihrem
Hause kommen, passiren wir die Eisen
bahnstation B. Ich werde dort abstei
gen und den Morgenzug benutzen, der
nach N fährt. , Dort habe ich
Freunde und bin in Sicherheit. Doch
bevor ich von Ihnen scheide, habe ich
noch eine letzte .Bitte. Versprechen Sie
mir unter Ehrenwort, in den nächsten
vierzehn Tagen über das Vorgefallene
gegen Niemanden zu sprechen. Der
Grund dieser Bitte ist wohl sehr ein
leuchtend. Würden meine Verfolger
meine Spur entdecken, so wäre ich neuer
dings verloren, da man mir Alles neh-
0
si
e .
JJUl
Beilage zum Nebraska Staats Anzeiger.
men würde und eine neue Flucht gewiß
zu verhindern wüßte. Kann ich also
uf Ihre Verschwiegenheit rechnen?
Keine Seele wird von mir ein Wort
erfahren!" sagte ich lebhaft erregt.
, EdleS und großmüthiges Wesen
mit welcher Güte behandeln Sie mich
Welch große Seele! Wie kann ich Ihnen
in meinem Leben das bezahlen? Ader
ich werde es bis zu meinem letzten Au
genblick nicht vergessen!"
Diese Gemüthsausbrüche bewegten
mich mächtig, und ich hatte ein Gefuh
großer Freude in dem lebhasten Ein
psinden. Gutes getban zu haben.
Ich schwöre Ihnen." fuhr er fort,
daß. sobald meine Angelegenheiten
geebnet, ich zu Ihnen eile, um Ihnen
meine tiefempfundene Dankbarkeit kund
zugeben.
O!" rief ich. kommen Sie bald
besuchen Sie uns, meine Eltern werden
sich gewiß freuen, sie kennen zu ler
nen. und ich verspreche Ihnen, Sie nie
mals zu vergessen!"
Er schmieg einen Augenblick, wäh
rend in meinem Innern ein Vulcan
arbeitete. Seine Blicke sagten mir
deutlich, was er für mich empfand
und meine Augen, meine fieberhafte
Aufregung, verriethen ihm, was mein
Herz bewegte.
Plötzlich näherte er sich mir und sagte
Mit zitternder aufgeregte Stimme
Nie werde ich Ihnen Ihre Güte ver
gessen. Sie haben auf mich einen so
tiefen Eindruck gemacht, daß mich Ihr
zauberhaftes Wesen gefangen hält.
Wenn ich als Herr meiner Titel und
meines Vermögens wiederkehre, darf ich
da leise Hoffnung hegen, daß Sie mein
Herz und meine Hand annehmen? Ich
sehe wohl ein. daß ich in dieser Spanne
Zeit nicht Ihre Liebe erwerben kann,
doch nehmen Sie mir nicht die Hoff
nung, sie erringen zu dürfen!"
Ich konnte nicht antworten, mein
Herz schlug zum Zerspringen, ich fühlte
die brennende Röthe aus meinen Wan
gen. Er ergriff meine Hand und
drängte: Nur ein einziges Wort!
Sogen Sie mir, bin ich Ihnen nicht
glelchglltlg ?"
Möge sich btt Kttx erinnern, daß
ich siebzehn Jahre zählte und die
Romane mir den Kopf verdreht hatten.
Ich sprach das Wort nicht aus, aber ich
lehnte mein Haupt an seine Schultern
und fing an, krampfhaft zu schluchzen
Da umarmte er mich stürmisch, küßte
mich mit toller Freude und gab mir
einen Kosenamen um den andern
Nachher saßen wir beisammen, voll des
Glücks, bis plötzlich die rothen Lichter
der Station winkten.
Herzensliebste, nun muß ich Dich
verlassen," sprach er; kannst Du mir
nicht ein kleines Andenken geben, tod
ches mir diese bittere Trennung er
leichtert?"
Ich wollte erst meinem Collier eine
Perle entnehmen, doch da? konnte aus
fallen, und so gab ich ihm eine kleine
Nadel mit einem Brillanten. Ich gab
sie ihm mit zitternden Händen. Er
küßte sie leidenschaftlich und verwahrte
sie bestens. Darauf, zog er den dewuß
ten Ring aus der Tasche, ergriff meine
linke Hand, steckte mir den Rmq an und
sagte: Das ist Alle, Liebchen, was
ich Dir augenblicklich zu geben vermag:
verwahre ihn gut und zeige ihn Nie
mandem!"
Wir kamen zur Station, er nahm
ein kleines Päckchen zu sich, umarmte
und küßte mich und rief im Aus
springen: Lebe wohl, Geliebteste, ver
geß mich nicht, ich komme bald wie
der!"
Ich blieb wie träumend zurück und
dachte wirklich jetzt erst nach, ob es ein
Traum oder Wirklichkeit gewesen. Als
der Wagen über das Pflaster unseres
HofeS rollte, kam ich wieder zu mir.
Ich versteckte das theure Andenken und
bewahrte selbstverständlich über das
Vorgefallene tiefstes Stillschweigen.
Einige Tage schwelgte ich im höchsten
Glück. Meine junge Liebe wuchs leiden
schaftlich, und Nachts zog ich den Ring
hervor, dessen Anblick mich stets in eine
selige Stimmung versetzte. Am dritten
Tag blickte ich mit einem ängstlichen
Gefühl in die Zeitung, denn ich furch
tcte. daß außer der Beschreibung des
Balles auch eine Nachricht über einen
entflohenen Narren zu lesen sein könnte.
Das Erste, was mir in die Augen fiel,
war die nachstehende, mit fetten Lettern
auf der Hauptseite des Blattes gedruckte
Meldung:
Frecher Raub im Schloß des Grafen
von Tejas!
Er hat sich in der Ballnacht ereignet.
Während sich die Gräfin mit ihren
Gästen befaßte, drang der kühne RäU'
der in ihre Gemächer und stahl ihren
sämmtlich? Schmuck, dessen Wertb ein
bedeutendes Vermögen repräsentirt.
Noch hat man keine Ahnung, wer der
Thäter ist. allein die Polizei' ist auf der
Suche und glaubt, daß der Dieb den
4y 4Af
UllöU
j y
W
Zug nach erreicht hat. obgleich es
unfaßbar ist. diesen weiten Weg in der
kurzen Zeit zurückzulegen."
Nun folgte die genaue Schilderung
der geraubten Juwelen und u. A. die
Beschreibung eines prächtigen Ringes
aus Gold mit dem Wahlsp'-uch uni
dem Wappen des gräflich Tejasschen
Hauses.
Ich flog in mein Zimmer, schloß
mich ein. nahm den Ring und die Ein
ladung zum Ball, verglich und sah auf
dem ersten Blick, daß es stimmte; es
war ein furchtbares Erwachen aus mei
nem ersten Liebestraum!
Line Handvoll Patronen.
, Wir gingen am 2. Dezetrber 1870
gegen Champigny vor, so erzählt im
Veteran" ein biederer Pommer seine
Erlebnisse in dieser Schlacht, ich kam in
einen kleinen Graben und feuerte ge
lassen auf den Feind. Da läßt der
Oberst das Zeichen zum Zurückgehen
geben. Ich denke aber, erst verschießt du
deine Patronen, dann haft du immer
noch Zeit zum Zurückgehen. Wie ich im
besten Schießen bin, kommt ein Adju
tant angesprengt und schreit aus vollem
Halse: .Zurück!"
Ach. was," antwortete ich, ich will
erst noch die Handvoll Patronen da
verschießen!"
Als ich nun die letzte Patrone im
Lauf habe, waren die Franzosen keine
zwanzig Schritt mehr von mir entfernt,
Jetzt springe ich auf, und laufe immer
hinter meinem Regiment her. Die
Kugeln ,ausen wie Hagelwetter über
meinen Kopf, aber treffen thut mich
keine. Als ich endlich eingetreten war.
kommt der Oberst auf mich herangerit
ten, lacht und sagt:
Kerl, sind denn wirklich deine Kno
chen noch heil?"
Zu Befehl. Herr Oberst," sage ich,
Am nächsten Tage werde ich zu Sr.
Majestät befohlen. Man führt mich
vor sein Haus und ich komme zuerst in
einen Saal, wo eine große Tafel gedeckt
stand. Jetzt kommt der König auf mich
los, sieht mich freundlich an und sagt zu
mir:
Mein Sohn, wie war die Geschichte
gestern nun mit deinen Patronen? Er
zähle mir einmal alles ganz genau, was
du davon weißt !"
Ich agte: Ew. Maie lät. zum
Komplimentemachen war keine Zeit,
und man konnte auch vor dem Geknalle
sein eigenes Wort nicht hören; da habe
ich mich blos umgedreht und gerufen
Ach was, ich verschieße erst noch meine
Patronen hier! Das ist das Ganze ge
wesen. Ew. Majestät, weiter habe ich
nichts verbrochen!"
Da lachte der König uder s ganze
Gesicht und hat mich auf die Schulter
geklopft und gesagt: Das hast du brav
gemacht, mein Sohn ! Hast du schon zu
Mittag gegefsen?"
Nein. Majestät, ich bin noch mund
nüchtern."
Und hast wohl tüchtigen Hunger?'
..Zu Befehl." sage ich. aber der
Durst ist auch nicht schlecht."
Da lachte der König wieder und
sagte, dann solle ich bei ihm mitessen
Ich mußte mich an die Tafel setzen und
ehe ich mich versehe, habe ich einen
großen Teller Erbssuppe vor mir. Na.
denke ich. die ist nicht von Berliner
Erbswurst gemacht. Sie schmeckt mir
heute noch gut. Als ich fertig war,
ruft der König über den Tisch: Möch
test wohl noch etwas Suppe haben,
mein Sohn?"
Zu Befehl, Majestät, wenn noch ein
Bischen da ist '."
Da lachten die Herrschasten alle, und
ich bekam einen neuen Teller mit
Suppe. Wie ich ins besten Essen bin.
geht die Thür auf. und ein mächtiger
Braten wird auf einen neben mir
stehenden Tisch gesetzt. Ein Herr tritt
an die Schüssel und säbelt Stück auf
Stück von dem Braten herunter. Bald
darauf reicht mir so ein Kammerdiener
eine Schüssel hin, die der Herr am Ne
benilsche eben wieder bis an den Rand
voll von dem großen Braten herunter
gesäbelt hatte. Ich nehme die Schüssel
in meine beiden Hände und setze sie vor
mich hin.
Sieh, denke ich, der hat s mir bequem
gemacht! Ich fange also an, tüchtig
drauf los zu essen und nehme auch dem
Feldjäger so ein Schälchen mit Kartof
feln ab und stelle es neben meine Schüs
el. Da sehen mich Alle am ganzen
Tische mit großen Augen an. der König
aber lachte und sagte: Brav, mein
Sohn, laß es dir gut schmecken und
vergiß das Trinken nicht." Wie ich
nun die Schüssel rein abgeputzt habe,
ragte der König wieder: Mem Sohn,
möchtest wohl noch ein Stückchen Braten
haben?"
Ich lachte Se. Maiestät an. und es
fuhr mir so beraus: Zu Befehl, Ew.
Majestät, wenn noch ein Bischen da
st."
i
44.
Da platzte die ganze Gesellschaft laut
los vor Lachen, und unser lieber König
lachte auch, daß er sich die Seiten hielt
und zagte: Aem. nem! laß gut fem.
mein !-ohn. für beute ist es aenua
Ich bin mit dir zufrieden, jetzt kommt
em anderes Gericht zum Nächtlich.'
Dabei winkte er einem Herrn, der
neben ibm saß. Ter stand aus. kam aus
mich zu und hing mir das Kreuz an
die Brust. So habe ich mir mein
Kreuz durch ehrliches Einhauen ver
dient.
Zwei indisch, Landplag,.
Kein Land der Erde." so berichtet
ein Reisender, der eben aus Indien zu
rückaekehrt war, ist zugleich mit Iblt
rem Reichthum der Natur gesegnet und
von empfindlicheren Plagen aus dem
Reiche der Thierwelt heimgesucht, als
Indien. Ich will nur zwei der Harm
losesten und doch der lästigsten dieser
Plagegeister nennen: die Moskitos und
die Moichusratten.
Nie werde ich die Qualen vergessen.
welche ich tu der ersten Nacht meines
Aufenthaltes in Indien erduldete. Wie
allbekannt, überfallen die Moskitos mit
Vorliebe den Neuangekommenen Frem-
den, dessen Körperdeschaffenheit ihnen
größere Genusfe bieten mag, als die
weiche Haut des Hindu. Als ich mich
in mein Schlasgemach begeben hatte,
konnte ich sie ring? um mich summen
hören, als wenn sie einander zu der
köstlichen Mahlzeit Glück wünschten, die
man ihnen bereite. Wie man Geier
um einen verendenden Büffel kreisen
sehen kann, wartend aus den letzten
Herzfchlag des Thieres um zu melden,
daß die Mahlzeit aufgetragen fei. so
nahmen diese räuberischen kleinen Teu
fel, die zu Tausenden über meinem
Kopfe schwärmten, jeden Versuch mei
nerseits. schlafen zu gehen, als ein Zei
chen eines Anfalles.. auf mich. Vor
hänge hatte ich nicht, und die wenige
Kleidung, soweit die furchtbare Hitze
solche zu tragen mir erlaubte, war ge
gen ihre fcharfrandigen Stechinstru
mente kein größerer Schutz, als die
Wolle des Schafes gegen das Messer
des Metzgers.
Bei Tagesanbruch des nächsten Mor
gens stand ich, der ich mich mit einer
Haut so weiß und glatt wie Elfenbein
niedergelegt hatte, auf wie ein gekochter
Krebs. Meine eigene Mutter würde
mich nicht wieder erkannt haben. Die
körperliche Aufregung, welche einer bei
Moskitos zugebrachten Nacht folgt, geht
über alle Beschreibung, und der un
widerstehliche Wunsch, mit den Fingern
sich Linderung zu verschaffen, wird
auch dadurch nicht geschwächt, daß man
weiß, dies werde die Entzündung nur
verlängern. In meinem Falle wurde
mein Leiden erschwert vurch die reichliche
Anwendung einer Kalkbrühe, welche
mir als Balsam für meinen Jammer
von einem Dummkopf empfohlen wurde.
Da die hinterlistige Säure in meine
bereits entzündeten Gewebe eindrang,
so entströmten die bittersten Thränen
meinen Augen; ich wand mich vor
Schmerz, heulte und zuweilen legte ich
mich wieder auf die Matte und Äälzte
mich vor Qual. Als man mir darauf
etwas Oel in meine Wunden goß, em
Pfand ich bald einige Linderung.
Wenn ,ch die Moskitos aesätt at
haben, dann erst verlassen sie ihr Opfer.
Allmählich nimmt die Haut eines sol
ujen oeoauernsiveriyen . menschen eme
pergamentartige Farbe und Härte an
und er hat von nun an eine ziemliche
Gleichgiltigkeit gegen die Plage des
Moskits erlangt.
. tf. V - . . . - . iv rwt r t
Ein anderes höchst widerwärtiges
Thier in einem indischen Hause ist die
'co musraile. Alles, was sie berübrt.
wird von ihrem Geruch geschwängert,
von dem sie ihren Namen hat. In
einem Weinkeller ist sie schlimmer als
ein unehrlicher Kellner; in einer Speise
kammer richtet sie Verbeerunaen und
unersetzbaren Schaden an. Aus reinem
Muthwillen befleckt sie alles, was in
ihren Bereich kommt, und macht es un
genießbar. Ihr Parfüm ist so stark
und gleichzeitig so durchdringend, daß
ganze Dutzende Flaschen Bier schon
dadurch, daß sie nur darüber hinläuft,
zu Grunde gerichtet werden. Daß man
für solche schlimme Gesellen kein Er
barmen fühlt, wenn man sie fängt, ist
r - tt . ri i . . ' ' O'M
eioiioeriianoiiq. ,
in, ,dl, Handlung.
Der Präsident der schwedischen Kan,.
lei unter Karl dem Achten, Baron
Ehrenheim in Stockholm, war als
Menschenfreund und wegen seines vor
trefflichen Charakters hochgeachtet. No
Abschließung eines Vertrages zwischen
Schweden und England sollte das in
olchen Fällen dem Cbef des CabinM
bestimmte Ehrengeschenk, wie aewkkn.
lich. in einer Tabaksdose von 1000
Pfund Sterling an Werth bestehen.
Baron Ehrenheim aber bat den fchwedi.
schcn Gesandten in London, cs so ein
leiten zu wollen, daß man ihm statt
dikscr Brillanidofe den Werth derselben
an Geld überwache, und füzte dem
B:icf. der die Bitte enthielt, noch hinzu:
.Wofern da' britische Kadinet über
einen so ungewöhnlichen Schritt er
staunt sein sollte, ermachtigk ich Sie.
mein Geheimniß zu verrathen, indem
2t Herrn Canning (Sekretär deS Aus
wärtigen) sagen, daß die Provinz
Lohus einen großen Eelreidemangel
verspürt, und daß ich wünsche, diese
Summe zur Linderung deS Elends in
jenem Lande anzuwenden."
Canning fand daS Verlangen Ehren
Heim'S seltsam; als er aber den Grund
erfuhr, fragte er: Herr von Ehren
heim ist wohl sehr reich, daß er sich ein
solches Geschenk erlauben kann?"
.Nichts weniger als das." erwiderte
der schwedische Gesandte, .er besitzt kein
Vermögen!"
.Vortrefflich!" rief Canning auS,
auf mein Wort, sein Wunsch soll er
füllt werden; allein auch ich erwarte
von Ihnen dieselbe Gunst, und ersuche
Sie. den Werth der Tose, die ich wahr
scheinlich von Ihrer Regierung erhalten
werde, ebenfalls zu der Summe zu
legen, welche Herr von Ehrenheim der
Landschaft LohuS bestimmt hat."
Ttt Rapol,onFsühr,r.
In dem Törschen St. Pierre in dem
Schweizer Kanton Wallis lebte ein
Mann, welcher weit und breit unter
dem Namen Der Napoleonführer" be
kannt war. Er hieß Dorsaz und war
der 'zu Anfang dieses Jahrhunderts
überall in Europa vielgenannte Alpen
führer, welcher Napoleon des Ersten bei
dessen Uebergang über den St. Bern
hard durch einen geschickten Handgriff
das Leben rettete. Das Maulthier,
auf welchem Napoleon saß, strauchelte
nämlich, als es sich dicht an dem
äußersten Rande eines Abgrundes be
fand, und der Herabfturz wäre unver
weidlich gewesen, wenn nicht der da
neben einhergehende Führer da? Thier
durch einen festen Ruck zurückgerissen
hätte!
Dorsaz. welcher damals nicht wußte.
wer der Reiter des Thieres war, dem er
das Leben gerettet, war kurz darauf
verschwunden, um nicht, wie er besorgte,
dem französischen Heere noch eine lange
treae welter als Führer dienen zu
müssen. Erst sechs Monate nach der
Schlacht von Marengo gelang es Napo
leon, seinen Namen und Aufenthaltsort
auszukundschaften und ihm eine bedeu
tende Summe als Belohnung zustellen
zu lassen. Lange Jahre nachher wur
den noch leichtgläubige Reifende, be
onoerS Engländer, von pfiffigen Fllh
rern durch das Vorgeben ausgesogen,
daß das Maulthier, worauf sie soeben
faßen, dasselbe sei, welches seiner Zeit
mit Napoleon gestolpert war.
Besagtes Maulthier war aber von
Napoleon gleich, nachdem er seinen Le
bensretter ausgemittelt, angekauft und
nach Paris geschickt worden.
Wi, Mart arbkitett.
Der unsterbliche Meister berichtet
darüber selbst in folgenden Worten:
Wenn ich recht für mich bin und guter
Dinge, etwa auf Reisen, oder im Wa
gen, oder beim Spazieren und in der
Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, da
ommen mir die Gedanken stromweis
und am besten. Woher und wie? Das
weiß ich nicht, und kann auch nichts da
zu. Die mir nun einfallen, die behalte
ich im Kopf und sumse sie wohl auch
vor mich hin, wie mir Andere wenig
stens gesagt haben. Halte ich nun fest,
so kommt mir Eins nach dem Andern
bei, wozu so ein Brocken zu gebrauchen
wäre, um die Pastete daraus zu machen,
nach Kontrapunkt, nach Klang der ver
chiedenen Instrumente u. f. w. DaZ
erhitzt mir nun die Seele, wenn ich
nämlich nicht gestört werde. Da wird
es mir immer größer, und ich breite es
immer weiter und heller aus, und das
Ding wird im Kopfe wahrlich fast fer
tig, wenn es auch lang ist, sodaß ich's
hernach wie ein schönes Bild oder einen
hübschen Menschen im Geiste übersehe
und es auch gar nicht nacheinander,
wie es nachher kommen muß. in der
Einbildung höre, sondern wie gleich
Alles zusammen. Das ist nun ein
Schmaus! Alles das Finden und
Machen geht in mir nur wie in einem
schönen, starken Traume vor. Aber
das Ueberhören so Alles zusammen, das
ist doch das Beste!"
Dr, Generation, i virr Jahr
hudrt,n.
Auf einen Artikel des Matin",
worin ausgeführt wird, daß man
durchschnittlich vier Generatio
nen auf ein Jahrhundert rechnen
müsse, hat der Graf E. de Keratry
folgendes Schreiben eingesandt: Wol
len Sie einem alten Bretonen erlauben,
in Ihren Berechnungen bezüglich der
Dauer der Generationen einige Verwir
rung anzurichten ? Mein G r ö ß v a t e r,
der im Jahre 1774 Präsident der Ge
neralstaaten der Bretagne war, wurde
1698 geboren. Mein Vater erblickte
1769 das Licht der Welt und starb
lsö9. Ich selbst bin 1832 geboren.
Hier haben Sie also drei Generativ
nen. die sich auf vier Jahrhunderte
erstrecken. Von 1267 bis zu mir zählen
wir in direkter Linie von Vater zu Sohn
nur zwölf Generationen.
Drutffelllcr.
Tie Torsschcnke war so elegant ein
gerichtet, daß es sogar einen eigenen
Raus)salon gab.
i