Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 08, 1900, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    V
Per Kabufcbiffcr.
5on ? a n V o f f m a n n.
.So-ss-so-!" sagte Tante Fris
chen, unangenehm überrascht und or
dkntlich aufgeregt, ,.-ie also wellen
SZkld habkn? Sie. Petri. Sie? Wien
Sie, daß mir daZ sonderbar vorkommt?
Bon manchem andern ist man so etwas
gewohnt. Sie aber waren bisher ein
sehr ordentlicher Mensch und Ihr Aus
kommen haben Sie auch; gerade im
letzten Jahre haben Sie ein paar schöne
Frachten gehabt; und wenn Sie den
Kahn noch fünf Jahre so weiter suh
ren, waren Sie ein gemachter Mann
und konnten sich durch eine achtbare
Heirath noch lxsier in'Z Fett setzen.
Aber ti scheint ja nun, als wollten Sie
umschlagen und liederlich werden. TaZ
sollte mir leid thun; grade aus Sie
hab' ich ktmaS gehalten. Aber jetzt
machen Sie wenigstens den Mund auf
und sagen Sie offen und ehrlich, wo
Sie Ihr Geld gelassen haben und wozu
Sie borgen wollen? Nicht wahr. Sie
haben 'mal ein bischen über die Stränge
geschlagen?"
.Wie man'S nehmen will. Frau
Kapitän." antwortete der Kahnschiffer
mit niedergeschlagenen Augen und stand
in seiner Baumlange wirklich wie ein
armer Sünder vor der alten Kapitäns
wittwe. die ihm jetzt im Sitzen kaum
biZ an die unteren Westcnknöpse reichte.
Er bemühte sich, möglichst gebückt zu
stehen und sich recht klein zu machen,
k aber eS wollte schlecht gehen. Tie kleine
Y Greisin aber war offenbar gewohnt,
ihre Augen mit besonderer Kraft von
unten nach oben funkeln zu lasten und
damit ihre schneidigsten Wirkungen zu
erzielen.
.Wie man'S nehmen will," sagte
Petri demüthig, ..es muß wohl schon
richtig sein, denn ich hab' mehr Geld
gebraucht, als ich hatte, und brauch'
noch mehr; und daS hab' ich mein Tag
immer liederlich genannt, wenn' an
dere thaten. Aber es ist so gekommen,
so sehen Sie. Frau Kapitän, ich
konnt' wirklich nicht mehr anders."
.So?" sprach Tante Frtzichen streng,
.und das soll wohl eine Entschuldigung
sein? Wenn ich nun auch sage, ich kann
nicht anders, als daS Geld Ihnen der.
weigern? Also erst heraus mit der
Sprache! Welcher Teufel hat Sie gerit
ten! Spiel. Trunk, Frauenzimmer?"
.Wie man's nehmen will," meinte
Petri zerknirscht, .mit 'nein kleinen
Frauenzimmer wird eS wohl was zu
thun gehabt haben."
.Dacht' ich'S doch." rief die alte
Dame ärgerlich, nüchtern und besonnen
waren Sie immer, dafür kenne ich Sie
doch. Aber der Teufel kennt seine Leute
auch und weiß, wo er seinen Haken ein
schlagen kann. Es ist schon nicht an
derS. ein bischen dumm sind Sie in
allem, was nicht Schifffahrt und Ge
schüft ist; und da ist's kein Wunder,
wenn die Weiber Sie auszuziehen wis
sen. In welchem Hafen war eS denn,
Petri? Aber daß Sie sich überhaupt in
solche Spelunken verschleppen lassen,
hätte ich Ihnen kaum zugetraut."
V 'ne Spelunke ist's eigentlich auch
nicht gewesen. Frau Kapitän," sagte
der Schiffer bescheiden, sondern eher,
wie man's nehmen will, ein feines,
schönes HauS. und das gehörte einem
Herrn Konsul in Swinemünde; und
das kleine Frauenzimmer war da im
Dienst bei den Kindern. Und sie machte
mir die Thür auf. als ich mich da mel
dck wollte: und ich wurde sehr roth,
weil sie so sehr hübsch war und so schöne,
blanke Augen und oben auf dem Kopfe
so 'nen schönen weißen Tüll hatte; 'ne
Haube nicht, aber doch so ähnlich: in
Hamburg ist das Mode und sieht immer
so vornehm aus; und sie lachte darüber,
nämlich über mich, aber nur ganz leise,
müssen Sie wissen, und das stand ihr
wieder so nett; und sie fing an. mit
mir zu reden, als wenn wir alte Be
kannte wären und Sie wissen ja, wie
ich so bin. Frau Kapitän, nämlich, wie
Sie selbst zugestehen, ein bischen dumm
in allerlei Dingen. Aber sie nahm das
nicht Übel, sondern hielt es mit mir aus
und brachte mich mit der Zeit sogar
ganz ordentlich zum Reden. Und so
sind wir zusammen bekannt geworden,
vor fünf Jahren war eS."
.Und da haben Sie sich in das Mäd
chen in aller Geschwindigleit gründlich
verplempert?" unterbrach Tante Fritz,
chen seine mühsame Darstellung mit
eben so viel Ungeduld als ernster Miß
billigung, und dann natürlich das
Geld für sie sortgeschmissen mit vollen
Händen, so richtig, wie man sagt, zum
Fenster hinaus "
Wie man'S nehmen will," sagte der
i Schiffer, .und richtig ist, daß ich sie
' gern heirathen wollt' und sie mich auch.
Aber eS gin'g noch nicht; sie war noch
zu jung und hatte noch nichts gespart,
und ich auch noch nicht genug und da
' mußten wir warten. Aber eS war sehr
-schön zu warten, weil ich doch öfter nach
Swinemünde kam und dann mal mit
ihr ausgehen konnte."
So." rief Tante Fritzchen ärger.
lich. .also da draußen scharwenzeln Sie
jahrelang herum und verthun ihr sauer
erworbenes Geld; und hier glaubt man.
Sie wollten die Wittwe Mohnike heira
then, die doch eine stattliche Person ist
und gesetzt und ehrbar und ein bischen
was hinter sich hat. nicht blos daS schöne
HauS in der Marktstraße, sondern auch
sonst ordentlich was Blankes. Das war
-ine für Sie und nicht solche hergclau
fene Dirn', oder nicht mal hergelaufen,
sondern zu der Sie erst hinlaufen müs.
sen. Und die ist Ihnen natürlich auch
Der SNmjllg5gil.
Jahrgang 20.
nicht treu geblieben: so sind ja solche
Ausland Ichen. und Ihr wu nno cte
los zusammr dem Frauenzimmer. Das
haben Sie davon. Sie sind wirtlich
ein bischen dumm. Petri. Ob die Mol)
niken Sie jetzt noch nimmt, ist doch sehr
die Frage. Sie haben sich richtig zwi
schen zwei Stühle gesetzt."
.Wie man's nehmen will." sagte der
Kahnschiffer, das mit der Mohniken
ist Geklatfch von den Leuten, ich weiß
nichts davon. Ich hab' ja nichts gegen
sie; und daß sie ein bischen was hat.
könnt' mir ganz recht sein. Und es
hätt' ja am End auch waS werden kön
nen. wenn die. andere nicht gewesen
wär'. Aber die war nun mal da, und
Riekchen heißt sie, und das ist doch der
schönste Name in der Welt. Und treu
ist sie mir geblieben all die fünf Jahre,
und gespart hat sie auch und ich erst
recht. Und heut' vor vier Wochen hab'
ich sie geheirathet. Ich konnt' nun doch
nicht länger warten, ich hielt's nicht
mehr auS."
Ei der Tausend!" rief Tante Fritz,
chen in höchster Ueberraschung. Ader
Mensch, und das sagen Sie erst jetzt?
Das ist ia aan, waS anders. Und mir
reden Sie hier vor, Sie wären lüder
lich geworden!"
Wie man's nehmen will," Frau
Kapitän." sagte Petri ruhig, ich hab'
nur gemeint, weil wir's doch eigentlich
noch nicht so ganz dazu hatten. So zur
Noth ging's ja; wir konnten uns das
Nöthigste beschaffen. waS wir so brauch
ten und zum Leben tonnt' ja wohl mein
Einkommen reichen."
Nun da seien Sie zufrieden." sprach
Tante Fritzchen, wenn ihr beide
ordentlich bleibt, wird Gott schon weiter
helfen. Aber vorher anzeigen konnten
Sie mir Ihre Heirath doch wohl; ein
kleines Hochzeitsgeschenk bin ich meinen
Leuten am Ende schuldig."
..Man maa nicht so gerade betteln,"
erklärte der Schiffer einfach.
Darin denken die reichen eure
anders." meinte sie lächelnd. Aber
eines merken Sie sich. Petri; ich hoffe
zwar, Sie werden sich durchschlagen;
doch sollte Ihnen je ein Unglück da.
,miscken kommen, so Wissen Sie wohl:
ich bin noch da. Ihnen beizuspringen.
Blos wegen richtiger leverticyieil ryai
ick's nickt oerne. ?!edt aber heraus mit
der Sprache: wozu wollen Sie heut'
das Geld? Sie müßten doch auskom.
men. die erste Zeit am leicyienen, wo
noch keine Kinder da find. Oder wollen
Sie jetzt anfangen, liederlich zu werden?
Unnöthige Ausgaben zu machen? Wohl
einen hübschen Schmuck kaufen für die
Frau Eheliebste?" s
Wie man's nehmen will," sagte
Netri aarn rubia. nur mit einem son.
derbar müden Ton seiner eben noch so
festen und gleichmäßigen Stimme,
viel Schmuck vrauchls ja nicht zu ,em,
aber ein paar Blumen und Kränze und
Nalmenzweioe. und so was soll sie doch
haben.. Aber das könnt' ich Alles noch
zahlen, so weil mngi es oequem; 0103
die Särge machen es so theuer und die
Plätze auf dem Kirchhof und dann auch
der Pastor. Aber seyen sie. tfrau
Kapitän, ohne Pastor möcht' ich sie nicht
unter die Erde brinaen lassen. Lieber
will ich borgen zum erstenmal in mei
nem Leben. '
Unter die Erde?" rief Tante Fritz
chen entsetzt und riß die Augen weit auf:
Mensch, was reden Sie da? Um des
Himmels willen, Ihre junge Frau ist
doch nicht todt? Das ist ja ganz im-
denkbar." .
Wie man's nehmen will." sprach
Petri langsam, ich hab' erst auch
nickt daran alauben wollen, aber der
Doktor sagt's, und den Todtenschein
hab' ich. Da wird's wohl so sein
müssen."
Aber das ist ja ganz entsetzlich!"
rief sie. tief ergriffen, das ist ja tröst
Ins. So nach vier Wochen! Nicht aus.
zudenken ist es! Und Sie sagen da so
ruh'." , ... .
Wie man s nehmen null, sagte der
Schiffer, es ist nichts dagegen zu machen.
Was todt ist. ist todt."
Und wie ist das Unglück geschehen?"
sraate sie theilnahmsvoll. eine plötz
liche Krankheit?"
Er schüttelte den Kopf. Sie war
so gesund, wie ein Fisch im Wasser.
Und ko krisch und veranüat den camen
Tag und hat immerfort gesungen. Es
ist kein krankes Haar an ihr gewesen.
Aber das Leben auf dem Kahn war sie
ja nicht so von Jugend auf gewöhnt; sie
konnte noch nicht so fest darauf gehen.
Und weg war sie. Ich war nlchi oa
bei; und die Leute, die eS von weitem
aeseben haften, sind nicht schnell aenua
mit der Hilfe zur Hand gewesen. Sie
war nicht wieder zum even zu vnn
gen." '
Schrecklich! Schrecklich!" rief Tante
Fritzchen, und die Thränen liefen ihr
über die Backen, eS ist ein Glück und
Segen, daß Sie ein fo ruhiger Mensch
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
sind. Ein anderer würde einfach ver
zweifeln."
.Wie man'S nehmen will," sagte der
Schiffer.
Daß ich Jbnen das Geld gebe für
den Sarg und das andere, ist selbstver
stündlich," fuhr sie eifrig fort, aber
Sie sprechen da von Särgen: ist denn
noch jemand verunglückt?"
Nein." sagte er still, .so viel ich
weiß, nicht. Aber sehen Sie, Frau
Kapitän, wenn ich gleich zwei Särge
nehm', krieg' ich sie ein bischen billiger;
und das möcht' ich gern, weil es doch
für Ihr Geld ist. Und brauchen thue
ich ihn ja doch dann bald."
Um Gntteswillen. für wen?" fragte
sie leise erschaudernd.
Na. für mich," sagte er gleich
müthig. sehen Sie, und der muß ein
bischen groß sein, das macht ihn wieder
theurer.
Petri! Petri!" rief Tante Fritzchen
erschrocken und etwas entrüstet. Sie
werden doch nicht böse Gedanken haben k
Sie werden sich doch nicht etwa ein
Leids anthun wollen? solche Schlech'
tigkeit kann ich von Ihnen kaum glau
den! Aber wie können Sie auch blos so
etwa? reden?"
Wie man's nehmen will." sagte der
Kahnschiffer, aber, ich red' ja so was
gar nicht. DaS wär ja rein sündhaft.
Ich mein' daS nur so: der liebe Gott
wird schon selbst dafür sorgen, daß ich
bald zu meinem Riekchen unter die
Erde komme. Aushalten kann ja so
waS der Mensch nicht; da muß er dran
sterben. Manches kann er aushalten,
aber dies nicht. Wenn Sie mein Riek
chen gekannt hätten, so würden Sie's
selbst sagen, Frau Kapitän."
Tante Fritzchen bemühte sich der
gebens, ihre Thränen zu unterdrücken
oder auch nur ein wenig einzudämmen.
Aber daS gelang ihr doch, ganz ruhig
zu ihm zu reden:
Ich will Ihnen etwas sagen, Petri.
Ich möcht hier wirklich auch mal sagen:
Wie man's nehmen will. Natürlich,
wenn Sie sich jetzt hinsetzen und die
Tage Über nichts thun als auf Ihrem
Unglück herumhocken, dann kann es
wohl fein, daß Sie daran eingehen.
Aber, lieber Freund, ich sag' Ihnen,
das giebt's nicht. Das dulde ich nicht!
Ich will Ihnen hier keine Trostsprüche
herbeten und kein Kopf hoch" zu
rufen; daS nützt doch zu gar" nichts.
Aber jetzt hören Sie! Es soll ein sehr
anstündiges Begräbniß werden, dafür
will ich sorgen. Auf dem Fleck geb' ich
Ihnen das Geld aber nicht geschenkt!
Davon ist keine Rede. Und Sie wüt
den auch nicht mal wollen. Aber
wenn Sie jetzt in der Kürze sterben,
wer soll mir nachher denn mein Geld
zurückzahlen? Ich käm einfach drum;
Sie würden mich darum betrügen mit
Ihrem Sterben. Erst heißt es, Ihre
Schuld abbezahlen oder abarbeiten.
Wenn daZ geschehen ist ein Jahr
wird's ja dauern, vielleicht noch ein
bischen länger dann können Sie
sterben, so viel Sie wollen. Nein, aber
dann auch noch nicht. Dann müssen
Sie erst daS Geld für Ihren eigenen
Sarg und alle Zubehör verdienen.
Denn das wissen Sie doch ganz gut; ich
lasse meine Schiffer nicht in einen
Armensarg legen, wenn sie ohne Geld
sterben, und ich lasse sie nicht ohne
Sang und Klang wegtragen. Also
darum würden Sie mich wieder be
trügen. Und das thun Sie nicht, da
für kenn' ich Sie doch. So lange also
bleiben Sie erst mal hübsch leben; haben
Sie mich verstanden?"
Tante Fritzchen sah wieder gewaltig
streng, ja wahrhaft grimmig aus unter
diesen ihren Worten.
Pctri wischte sich jetzt zum erstenmal
eine Thräne aus den Augen.
Nehmen Sie's man nicht übel.
Frau Kapitän, daß ich daran nicht
gleich gedacht habe." sagte er zerknirscht,
und Recht haben Sie ja damit: so
lange mutz ich leben. Es wird ein
sauer Stück Arbeit, weil es so lang
dauern wird. Aber daran ist nichts zu
ändern. Ich halt' es mir so schön ge
dacht, bald mit meinem Riekchen wieder
zusammen zu fein. Aber das geht ja
nun nicht. Wir müssen beide noch mal
wieder warten lernen. Aber wir sind
darin nun schon geübt. Fünf Jahre
hat's gedauert, ehe wir zusammen
kamen, und so lange wird es wohl
auch jetzt wieder dauern, wenn ich Alles
richtig zusammennehme und mich nicht
lumpen lassen will. Aber zuletzt hat
Alles ein Ende, oder wie man's nehmen
will."
Tante Fritzchen ging jetzt zu ihrem
Geldschrank und murmelte leise vor sich
hin:
Auch die Trauer und die Sehnsucht
haben eiu Ende, oder wie man's neh.
men will. Ich hab' es damals auch
nicht geglaubt, daß es sein könnte,
aber es ist doch so. Man lernt wieder
leben."
Der Mann hörte nichts davon; er
schluchzte jetzt so laut, daß er für nichts
mehr ein Ohr hatte.
Der neue AUetlx'r.
Erzählung von Wilhelm Thal.
Ein Gentleman mit unabhängigem
Vermögen wünscht bei kleiner Familie
einzumiethen. 'Miethe Nebensache.
Adressen unter 0006.
Frau Eilert und ihre Tochter Rosa
saßen eines Morgens beim Frühstück,
als die letztere, die die Zeitung vor sich
liegen hatte, vorstehende Annonce vor
las.
WaS meinst Tu dazu Mutter?"
rief sie. Das wäre etwas für uns,
und wir können uns bequem damit
einen Nebenverdienst verschaffen. Wir
wollen nur gleich antworten. Was
muß der Mann für eine Menge Geld
haben, wenn er schreibt, Miethe Neben
sache." Der Brief dauerte einige Zeit, doch
schließlich lautete er zu Rosas Zufrie
denheit und die beiden Damen warteten
nun gespannt, ob auch eine Antwort
erfolgen würde; statt dessen erschien der
Inserat selbst am nächsten Morgen.
Die Wohnung schien ihm sehr gut zu
gefallen, denn er meinte, so eine hätte
er schon seit Jahren gewünscht, auch
wäre der Preis niedriger, als er ermar
tet hatte. Er sagte Frau Eilert, sein
Name wäre Eduard Tobias Trenkler,
er hätte sich einiges Vermögen in In
dien erworben, wäre Junggeselle, Hütte
das Hotelleben und die möblirten Zim
mer satt und wollte nun in Familie
leben. Er nannte sein Bankhaus, gab
eine Anzahlung und erklärte, er würde
am nächsten Abend gegen sieben Uhr
erscheinen und gleich am Abendessen
theilnehmen.
In der That erschien er in einer
Droschke, doch fein ganzes Gepäck be.
stand in einer Violine und einer Gui
tarre. Frau Eilert fühlte sich etwas
enttäuscht, als hinter der Droschke ein
Omnibus auftauchte, der buchstäblich
vollgepfropft war; doch der Fremde er
klärte, er hätte nicht die Absicht. Alles
bei sich zu behalten; da viele der Koffer
und Kisten werthvolle Gegenstände aus
fremden Ländern enthielten, so hatte er
die Absicht, sie bei einem großen Bank
hause zu deponiren.
Nach dem Essen, bei dem sich der
neue Miether als ein vortrefflicher Ge
sellschafter zeigte, begab sich das Trio
in den Salon. Frau Eilert forderte
Rosa auf, etwas zu singen. Herr
Trenkler war hochentzückt, er holte feine
Geige vor und bat Rosa, ihn auf dem
Klavier zu begleiten: dann erklärte er,
er wäre ein leidenschaftlicher Anhänger
der Musik, und seine Geige hätte ihn
auf allen feinen Zügen durch Indien
begleitet.
Nun brachte Frau Eilert ein Album
mit Ansichteil zum Vorschein, während
Herr Trenkler Anekdoten aus seinem
Wanderleben erzählte und Frau Eilert
um die Erlaubniß bat, ihr einen seiner
Koffer zeigen zu dürfen. Er wartete,
bis das Dienstmädchen das Zimmer
verlassen hatte und nahm dann die
Schlösser von dem Koffer. Mutter und
Tochter geriethen über die Schätze, die
er ihnen zeigte, in Verzückung; da lagen
reizende Ringe, niedliche kleine Ele
phanten; blitzende Gemmen, häßliche
Götzenbilder mit Rubinen als äugen;
seltsame Pfeile und andere exotische
Kuriositäten mehr. Der neue Miether
war sehr erregt, als er in den Gegen
ständen wühlte, und schließlich bat er
Frau Eilert einen Fächer und Rosa ein
Armband von ihm anzunehmen; er
quälte so lange, bis sie feinen Wunsch
erfüllen mußten.
Der erste Abend war sehr angenehm
verstrichen, und als die Damen sich zu
rückzogen, gratulirten sie sich, auf das
Inserat geantwortet zu haben, obwohl
Frau Eilert ihre Tochter auf die seit
fame Erregung hinwies, in der sich der
neue Miether befunden hatte.
Frau Eilert und Rosa waren am
nächsten Tage schon frühzeitig auf dem
Posten, um ein schmackhaftes Mahl für
den neuen Miether zurecht zu machen;
um das Frühstück brauchten sie sich keine
besondere Sorge zu machen, da er ihnen
gesagt hatte, er nehme nur Thee und
Brödchen. '
Herr Trenkler kam gegen zehn Uhr
herunter und erklärte, nachdem er die
Zeitungen durchgelesen, er würde nun
mehr seine Schätze fortschaffen lassen.
Schnell wurde eine Droschke besorgt und
fünf der großen ledernen Koffer hinein
gesetzt. Herr Trenkler sagte dem Kut
scher, er solle zunächst zu einem Koffer
fabrikanten fahren, da er sich noch einen
weiteren Koffer anschaffen wollte.
Ungefähr zwei Stunden später er
schien ein Herr, der Herrn Trenkler zu
sprechen wünschte; als er hörte, man er
warte ihn zum Abendessen zurück, sagte
er, sein Geschäft wäre von Wichtigkeit
No. 42.
und er hätte mit der FrailzdeS Haufcs
zu sprechen.
Frau Eilert gerieth in große Auf
regung. als das Mädchen 'ihr diesen
Auftrag ausrichtete und ihre Befürch
tungen waren durchaus berechtigt, als
der im Salon wartende Besucher seine
Karte hervorzog und ihr mittheilte, er
wäre ein Mitglied der Kriminalpolizci
von Scotland Jard.
Er sagte ihr, es wäre wohl sehr zwei
felhaft. ob ihr neuer Miether zum
Abendessen nach Hause kommen würde,
und bat sie. ihn in die Zimmer des
Herrn Trenkler zu führen. Frau Eilert
war zu aufgeregt, um auch nur daS
Geringste zu unternehmen, sie war zit
ternd in ihren Stuhl gesunken. Rosa
dagegen erklärte. Trenkler wäre sofort
nach dem Frühstück mit einem Theil
feiner Sachen nach der Bank gefahren,
um sein Eigenthum dort zu deponiren,
und sie wolle ihm den Rest gern zeigen.
Der Kriminalbeamte schlenkerte ärger
lich mit den Fingern und erwiderte:
Gut ! Zeigen Sie mir die Sachen:
aber ich merke schon, das, was ich suche,
ist fortgeschafft worden. Der Bursche
ist uns doch erwischt, wenigstens für's
erste."
Nach diesen Worten gab er einem
unten wartenden Geführten ein Zei
chen. Sie begaben sich in die Zimmer
des Fremden und wühlten dort Alles
durch: dann erklärten sie Frau Eilert,
der Mann wäre ein berüchtigter Dieb,
der sich früher in Kalkutta als Violin
virtuos produzirt hatte. Durch die
Opiumleidenschaft war er von Stufe
zu Stufe gesunken und in die Gesell-
schaft von Verbrechern gekommen; sein
letztes Opfer war ein reicher Kaufmann,
der sich entschlossen hatte, mit einer
reichen Sammlung indischer Kostbar
leiten nach England zurückzukehren.
Trenkler war von seinen Gefährten
auserschen worden, ihm nach England
zu folgen und sich bei der ersten passen
den Gelegenheit in Besitz seiner Kost
barkeiten zu setzen.
Er verstand eS, das Vertrauen seiner
Genossen zu rechtfertigen, fein Plan ge
lang auf'S Beste. Herr Sandheim, der
Kaufmann aus Ostindien, hatte daS
Unglück, seinen Diener während der
Ueberfahrt am gelben Fieber zu ver
lieren. Trenkler bot seine Dienste an
und wußte sich so unentbehrlich zu
machen, daß Herr Sandheim ihn bat.
bei ihm zu bleiben. , -
Als sie in London ankamen, betraute
der Kaufmann den angeblich treuen
Diener mit der Aufsicht über sein Ge
päck und stattete einer Schwester, die er
feit Jahren nicht gesehen, einen Besuch
ab.
Trenkler verlor keine Zeit; anstatt
die Briefe, die er auf das Inserat. daS
Herr Sandmann wirklich erlas en hatte.
seinem Herrn zu übergeben, miethete er
die Zimmer bei Frau Eilert und ließ
das Gepäck fortschaffen, wozu er in den
Augen des Hotelpersonals durchaus be
rechtigt war, da dieses von der von
Herrn Sandmann erlassenen Annonce
Kenntniß hatte und auch wußte, welches
hohe Vertrauen der Kaufmann in fei
nen Diener setzte.
Frau Eilert war in Verzweiflung
und wurde in Folge der ausgestandenen
Aufregung krank; der Detektiv, erschien
mehrere Male und ebenso Herr Sand
mann und eines Tages erzählten sie
ihr, der Spitzbube wäre in Wapping in
einer Opiumkneipe gefaßt worden, wo
hin ihn die alte Leidenschaft wieder ge
führt hatte. Auch die Koffer mit den
Kostbarkeiten wurden wieder zur Stelle
geschafft, bis auf zwei, die nicht aufzu
finden wären; doch Herr Sandmann
trug diesen Verlust leicht und wollte
nicht einmal von der Rückgabe der Ge
schenke etwas wissen; im Gegentheil,
am Tage nach der Entdeckung des
Diebes schickte er Frau Eilert als kleine
Entschädigung für die ausgestandene
Angst ein prachtvolles Theeservice.
Rosa und ihre Mutter haben sich zu
geschworen, ihre Wohnung nie wieder
zu vermiethen; sie haben von ihrem
feinen Miether" vollständig genug.
Eine Zeitgenossin eethoven'ö.
Von einer Begegnung mit einer
Zeitgenossin Beethoven's erzählt Felix
Weingartner in der .Allg. Musikztg."
Er traf die jetzt 91jährige noch rüstige
Frau Grebner, eine Wienerin, im von
gen Jahre, als er in Brüssel dirigirte.
Sie hatte als junges Mädchen bei der
ersten Aufführung der Neunten Sym
phonie im Sopran mitgesungen und
schilderte anschaulich den tragischen Ein
druck, den der schwerhörige Komponist
auf die Mitwirkenden machte. Beethoven
stand wenige Schritte von ihr entfernt,
mitten unter den Ausführenden, um
wenigstens, so gut es sein Leiden er
laubte, hören zu können. Meist las er
sinnend in seiner Partitur, aber man
merkte, daß er nicht im Stande war.
der Musik zu folgen. Trotzdem es den
Anschein hatte, als lese er mit, blätterte
er weiter, wenn die einzelnen Sätze
schon zu E::dc gespielt waren. Ein
Herr trat zu ihm. klopfte ihm auf die
Schulter und to'ui ihn auf das Publi
kum. Er sah die Bewegungen der
applzudircnden Hände, das Winken der
Tücher und verneigte sich; jedesmal ent
fesselte er dann einen stürmischen Jubel.
Der Eindruck deZ Werke war bei feiner
ersten 'Ausführung gewaltig, mitunter
brach der Beifall wahrend deZ Spiels
los. Wie ein Blitz wirkie besonders der
unvermnlhete Eindruck der Pauke im
Scherzo; diese Verwendung wurde im
Augenblick als eine geniale Eingebung
erfaßt und entfesselte eine spontane
Aeußerung des Enthusiasmus. Weiter
erzählt Frau Grebner. sie sei Beethoven
einmal begegnet, als sie mit einer
Schaar von Freundinnen Über dem
Graben ging. Plötzlich rief die eine
Da kommt der Beethoven!" (so, mi
Betonung der zweiten Silbe, sprechen
die Wiener noch heute den Namen aus)
und sie blieben Alle stehen und starrten
den Meister ehrfurchtsvoll an. Dieser
bemerkte die Schaar jugendlicher Be
wunderinnen, blieb ebenfalls stehen,
betrachtete sie mit der Lorgnette und
setzte hierauf seinen Weg fort. -Ja.
den Beethoven hat man nicht viel auf
der Straße g'seh'n". setzte sie hinzu,
aber den Schubert, den hab'n mer oft
begegnet, auf den GlaciS. in den Gär
ten, im Theater, da war er überall z'
finden. Der hat allelvcil gar so lieb
drein g'schaut!" Nach der c-moll-Sym
phonie im Brüsseler Konzert war die
alte Dame in Heller Begeisterung und
rief wiederholt: Der Beethoven ist halt
mein Alles!" Sie wunderte sich darüber,
daß Weingartner auswendig dirigire.
und als dieser ihr erwiderte, daß dies
wohl jeder gute Dirigent heute könnte,
da die Symphonien Beethoven's das
Evangelium des Musikers seien,, lachte
sie auf und meinte: Ja, wer daS sei
ner Zeit denkt hätt', wo so Viele
Über'n Beethoven g'fagt haben, er sei
verrückt! Er iS aber auch gar so eigen
g'wesen. Im Wirthshaus soll er a'
Mal auf'n Tisch Noten g'schrieben
haben. Und wie der Wirth kommen
is un g'fagt hat, sein Tisch sei zum
Essen da, aber nit für die Schmierage,
da is er grob g'worden. So ähnliche
Stückeln hat er halt öfter g macht, und
da haben die Lcut' g'meint, er sei
närrisch. Aber bei sein'm Leichenbe
gängniß," schloß sie feierlich, haben
doch die ersten Musiker 's Bahrtuch
tragen!
Das Banner der Buren.
Auf der in Chicago von den SchleS
wig-Holsteinern veranstalteten 400jäh
rigen Gedenkfeier der Schlacht, bei Hem
ming stedt, wurde folgendes von Herrn
Jens L. Christensen gedichtetes und dem
alten Haudegen der Dithmarscher
Buren, Emil Geister von Dapenport,
Ja., gewidmetes Lied nach der Melodie
deS "Star Spangled Banner" ge
fungen.
Seht, wie stolz auf der Schanze inr
Morgenroth steht.
Was wir freudig begrüßt, als der
Abend sich neigte:
Das Banner der Buren. daZ hoch stets
geweht.
Wo immer ein Feind uns'rer Freiheit
sich zeigte.
Durch Kanonengeschall, durch Kartät-
schengeknall
Zog daS Banner voran, und wir folg
ten ihm all'.
Und soll es auch bleiben in jedem Ge-
fecht!
Auf, Buren, zum Kampfe für Heimath
und Recht !
.
Der Brite, voll Geiz und voll Goldes
begier, Er plant, uns das Erbt'heil der Väter
zu stehlen:
D'rum steh'n in geschloss'ner Phalanx
wir nun hier,
Und der Sieg, der gerechte, kann nim
mer uns fehlen.
Mög' er uns nur bedroh'n! Er ein-
pfängt seinen Lohn,
Der Söldling von England's gold-
gierigem Thron.
Trotz ihm werden siegen im blut'gen
Gefecht
Die Buren im Kampfe für Freiheit
und Recht !
Amerika's Volk steht euch bei, Mann
an Mann.
Es hat ja schon selbst mit den Briten
gerungen.
Besiegt sie. wie ihr's einst bei Majuba
gethan
Und wie wir sie auch schon einst bei
Borltown bezwungen.
In der dröhnenden Schlacht schlagt
drauf los voller Macht,
Daß bis London und noch etwas
weiter es kracht !
Dann zeigt euer Banner dem Menschen-
geschlecht
Den Weg durch die Knechtschaft zur
Freiheit, zum Recht !
Feiner k?und.
Ei sehen Sie doch, Ihr Hund will
den Kork nicht apportiren."
Mein Karo apportirt nur Sekt
korke!"
l? erschnappt.
Nun. acstcbn Sie dock endlich ein.
daß Sie den Einbruch begangen haben!"
?lck bin's wirklich nickt iewelen.
Herr Vorsitzender, denn ick habe den
Abend doch jrade wo ganz andersch ein-jebrochen!"