Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 15, 1900, Image 9

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    Der Sä'wur.
JtiiBÜnaljlijit von faul icS.
Der Untersuchungsrichter schob seine
Brille zurecht und drückte auf den Knopf
der elektrischen Glocke. iit Schuh
mann trat in daZ Zimmer. .Führen
Cie den Gefangenen herein !" sagte der
' Richter, indem er ein starkes Aklenheft
vor sich niederlegte.
Ein paar Minuten später öffnete sich
die Thür, und der Gefangene trat mit
langsamen, schleppenden Schritten her
ein; er ging bis dicht an die Barriere
vor, legte die Hünde auf daZ Gitter und
artete.
Hinter ihm. auf einen Stuhl an der
Wand nahm der Schutzmann Platz.
Ter Gefangene war ein junger
Mensch: er trug in seinem bartlosen
Gesicht tief eingegraben die Spuren deZ
LafterS und konischer Gemeinheit.
.Sie leugnen noch immer?" fragte
der Untersuchungsrichter.
Ich habe nichts zu gestehen," ant.
ortete der Bursche heiser. .Man soll
mich doch endlich laufen lassen; eZ ist
doch eine Gemeinheit, einen Menschen,
der nichts gethan hat. so lange festzu.
kriegen."
Untersuchungsrichter liefe ihn
ruhig reden; er spielte dabei mit seinem
Taschentuch und warf nur zuweilen
einen ruhigen, prüfenden Blick auf den
Mann vor der Barriere.
Wie heißen Sie?" fragte er dann
plötzlich.
V Der blasse Bursche lachte gurgelnd
,uf.
.DaS sag' ich nun schon das vierte
Mal! Oskar Walther. Geboren ir
gendwo zwischen Chemnitz und Leipzig.
Mein Bater war Kesselflicker. Ich bin
nicht gemeldet, weiß nicht, ob ich getauft
bin. Ich zog immer so herum, bald
allein, bald mit Anderen. Zuletzt war
ich zwei Jahre in Belgien. Jawohl,
das war ich. Ich spreche auch franzö
fisch. Ich kann das beweisen. Weiter
weiß ich von nichts. Herr Rath, nicht
einmal, weshalb ich noch immer hier
festgehalten werde." '
Der Untersuchungsrichter neb seine
Nägel mit dem Tacheittucy.
.Ich will Ihnen mal was sagen
Okkar Maltber ! Das ist alles Schmin
del. was Sie da erzählen. Sie sind in
der Nacht zum 18. Juli in der Nähe
des Hauses Mühlftraße 37 ausgegrissen,
ainei 'Saat, nachdem die alte Frau
Behling in diesem Hause mit einem
Messer ermordet wurde. sie wuroen
, abgefaßt, als Sie auf einen Prellstein
gestiegen waren und versuchten, in die
Wohnung deS Küsters Jacobi. die in
demselben Hause liegt, und wo die
Fenster offen' waren, hinein zu sehen.
WaS wollten Sie dort? Sie sagen.
Sie waren neugierig, weil Licht in den
Fenstern war. Ich sage Ihnen. Sie
wollten hören, ob die Leute von dem
Mörder sprachen. Denn Allen, die jene
alte ermordete Frau gekannt haben, war
eS von vornherein ziemlich klar, daß der
Thäter kein Anderer fein könne, als
Hans Jacobi. der Sohn des Küsters
von St. Marien, der feit fünf Jahren
verschollen ist."
Der Gefangene schüttelte den Kopf,
wie ein Mensch, der sich vor Staunen
gar nicht fassen kann.
.Dann müßte mich doch Einer von
den .Allen" erkannt haben." sagte er
mit unverkennbarem Spott.
Der Untersuchungsrichter zuckte die
Achseln.'
Jeder hat Ihre Ähnlichkeit mit dem
Jacobi festgestellt. Mehr kann man
nicht verlangen. Ein Junge von fünf
zehn Jahren und ein Mensch von zwan
zia sind eben verschieden, namentlich
wenn fünf Jahre JhreS Lebens da
zwischen liegen. Aber das brauche ich
ja Ihnen nicht zu sagen: Sie sind
raffinirt genug, um das selbst zu wif
fen."
Der Gefangene machte ein Gesicht,
- das den Ausdruck vollkommener Blöd.
, heit 'trug. Er weinte beinahe.
Ich bin nicht so'." stöhnte er. Ich
habe doch nichts gethan! Ich kann
nicht einmal ein Huhn abmurksen.
Das ist wahr. Das kann ich beschwö-
- ' Er schnüffelte mit der Nase und drückte
die Augen zusammen, als wenn er die
Thränen zurückdrängen wolle
Der kleine dicke Richter sah lhn gleich
iltig. mit dem Ausdruck einer beinahe
humoristischen Spannung an. Lassen
Sie nur. Jacobi!" sagte er dann.
. Oder wollen Sie lieber Walter? Es
lohnt nicht; ich glaube Ihnen doch n.cht.
daß Sie weinen können. Und ich werde
Sie schon kriegen, seien Sie überzeugt
ÖÄOH 1"
' Der hagere Bursche änderte sein Ge
sicht sofort; er wurde wieder frech und
conisch. .Rauskriegen kann Keiner
as denn es giebt nichts. Lassen Sie
mich in Ruh' mit Ihrem Jacobi! Was
' j ;. horrMte alte Jungfer
i JCVl lliuj . -
an!" - .Woher wissen Sie denn daß
.die alte Frau Behttng o gicp .
. der Nachbarschaft allgemein eine alte
ma9
ClUlUlil vufc .
Der Gefangene zog den Kopf zwl,chen
; die Schultern. Acy Gouegou: u,
. die Art! Das hab' ich man so gesagt!
,Gar nichts weiß ich von dem alten
. Weib!"
,,. hslfe Sie vor fünf Iah-
.UUF . ' " f .
ren gerade als Sie durchgingen, schon
w lten Krau einbrachen
, und sie um zweihundert Mark bestohlen
haben? Deshalb gingen Sie doch weg,
. denke ich. trotzdem die Behlmg Ihrem
braven Vater versprochen hatte, keine
Anzeige zu machen.
Jahrgang 20.
T'u Barriere klavverte und knarrte.
so rifc der Mensch an ihr herum.
.Ich welk von alledem nichts'. schrie
er. .Sie müi en wohl feinen yaven.
sonst würden Sie mich hier nicht so
auälen! DaS ist 'ne Unaerechtiakeit.
unaereckt ist'S! Und ich laß mir daS
nicht gefallen! Brauch ich nicht! Nein
Er Hatte ich 0 in Wuly aereoer.
daß der Schutzmann ausstand und
einen Schritt vortrat; aber der Richter
winkte ad. .ES ist gut. Hofer.
wird kick kckon geben!" und er drückte
noch einmal auf den elektrischen Knopf.
.Führen Sie den Mann aus oem
Zcugenzimmer herein!" sagte er zu dem
eintretenden Boten.
Der Gefangene wandte den Blick
schielend nach der Thür. Gleich darauf
wurde er. nur einen Augenblick, asch
fahl.
Ein kleiner, älterer mann trn cymar
im Rock trat in'S Zimmer. Auf der
linken Brust funkelten ein, paar Kriegs
denkmünzen, in der Hand trug er einen
abgegriffenen EyUnder. Auq er yane
den Gefangenen beim Eintreten ange
keben. aber er wandte sofort den Blick
wieder ab und schritt militärisch bis an
die Brültuna vor.
.Sie find der Küster Jacovl k" nag
der Richter.
.Zu Befehl! Otto Friedrich Jacovli'
Sie konnten bisher in der Beblina'l
schen Mordsache nicht vernommen wer
den. Sie hatten um Aufschub gebeten,
MeSbalb?"
Er tbat. als ob er in den Akten
blättere. Der Zeuge sah ihn betrof
sen an.
-Mh hatte es angegeben!" sagte
er
dann rauh. .Ich mußte meine Frau
begraben"
Der Blick des Untertuchungsricyrers
kloa ,u dem Gefangenen bin. aber der
rührte sich nicht; er war nur noch etwas
bleicher geworden. Richtig, oa neyt
eS ja! Ihre arme Frau ist gestorben.
Die Aufregung über das entsetzliche
Ereigniß hat ihr wohl den Rest gcge
den. Mein Beileid. Herr Jakobi! Und
nun, bitte, seien Sie mir nicht döse,
wenn ich Ihren Schmerz noch verstärken
muß. Aber Sie haben ja Kriege mit
gemacht und wissen, daß es da kein
Erbarmen oiebt. ?!ck bin immer im
Kriege, lieber Herr Jakobi! Sehen Sie
sich mal den Gefangenen an, rennen
Sie ihn? Drehen Sie sich um, Sie!"
Die lebten Worte galten dem Burschen
vor der Barriere, der eine halbe Wen
dung', in s Dunkel gemacht hatte,
Küster Otto Friedrich Jakobi richtete
fick stuf und sab den Gefangenen an:
in seinem Gesicht zuckte kein Muskel.
nur seine Augen traten etwas yervor.
als sie den Blick des Mannes suchten.
in dem er seinen Sohn erkennen sollte
Der stand erst mit gesenktem Kopf da.
aber bald sah er frech dem Zeugen in'S
Antlitz. .Na?" fragte er cynisch.
Der Küster schüttelte den Kopf. .Ich
habe den Menschen niemals gesehen!"
erklärte er dann ruhig. m
Der Gefangene lachte hell aus uno
Riefe dann rob bervor: DaS ist Ihnen
mal vorbei gelungen!"
.Schweigen feter veiaqi ocr avisier
ärgerlich. Er wandte sich zu dem
' m rf- '11 v v - C
eugen und ay um vlireno uno nuy
nend an. '
wr knbi! faate er. .Sie sind
ein'achtbarer. braver Mann. Sie haben
auf dem , Schlaqyelve yre
lkn nd der Jdrer Bekannten
weiß, daß Sie immer ein musterhafter
M I-l
Bürger waren, eoeuuu
handelt es sich um die Sühne eines
furchtbaren Bervrecoen. oie vur,r
keir falsches Mitleid yaven mir
Einem, der Ihnen doch verloren in, ,o
oder so! Sehen feie lich oea ivcann noa
einmal an." ., r. . . ,
Der kleine Zeuge reckte nca in oen
Schultern. .
m?,lk" sk.te er verächtlich. .Mit
einem solchen Kerl? Und wenn's zehn-
, . i I OtflA rt ?AMHH
iNfll mem von rouic; vr iiy iiik
den Mann nicht!"
Diesmal ah er den Gegangenen
nicht an. : .
Der Richter saneie oie vaum uuu
schüttelte den Kopf; er überlegte einen
Augenblick. . ,
Erzayken le mir vvuj um, wk
Ihr Sohn fortging!" sagte er dann.
Der Küster Jacobi rieb an seinem
Wrnn. Kr sau aus oen tjcaei.
VI MV" - ' .
. . m f ..ri.U:L.
als stände die Geicyicyie ou hhcuch,.
n r - C . 1 s ! aKaaTivmAa.
und tpracy yanig. ,ei,rr,, w uugvu,
nen Sätzen: rr ia
.Ist nicht viel zu erzavien. r ,,i
durchgegangen. Er war unser' Ein
ziger. Als er geboren wurde, da hätte
es meiner Frau beinahne das Leben ge
kostet, und die Hevamme ,agie: .u
wird ein Grenadier. Herr Jacobi!"
mirh PIN Grenadier, bat ne gesagt.
aber er ist was Anderes geworden!
BiS zum elften Jayre ging e; er oai
einen hellen Kopf gehabt und war im
mer der Erste. Dann kam er mit em
paar älteren Lümmeln zusammen, na,
St i'i
0ltltW$fl(lL
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
und dann dann ging's immer fo
weiter. Er hat gestohlen, daS ist wahr.
Ich hätte ihn auch angezeigt, so wahr
Gott im Himmel.... aber die alte
Frau Behling wollte es nicht. .Lassen
Sie man, Jacobi," sagte sie, .ich
kann'S verschmerzen! Gott wird schon
helfen!" hat sie gesagt. Und dann war
er fort. Ich hab' ihr daS Geld all
mälig bezahlt. Von ihm hab' ich nichts
mehr gehört. Gehohlen hat er. daS ist
wahr. Aber to lo ein Mo Mörd
er stockte und nickte vor sich hin, fuhr
aber gleich wieder fester fort. Nie
hätt' er's gethan, denn er war gut
müthig im Grunde. Und wenn er's
doch gethan hätte"
Herr Jacobi wandte sich ein wenig
und sah den Gefangenen schweigend
an; dann richtete er den Blick wieder
auf den Zullnderdeckcl.
.Dann hätt' er's nicht überlebt,"
vollendete er dann heiser. .Aufgehängt
am Hemd oder so das hätt er..
ganz gewiß.. . gemacht."
Der Untersuchungsrichter stand auf,
seine Augen musterten hinter der Brille
hervor die beiden Männer mit einem
kalten, ernsten Blick. Dem Küster stand
der Schweiß auf der Stirn; der freche
Gefangene war ganz still.
Der Schutzmann im Hintergrunde
erhob sich von seinem Stuhl und trat
neugierig einen Schritt näher. Er sah
mit einem Ausdruck gutmüthigen Mit
leid? auf den kleinen Herrn Jacobi, als
ob er bei sich dächte: Wie schwer muß es
dem Manne sein, hier so vor den
Schranken zu stehen!
.Der Mann ist also nicht Ihr Sohn,
Herr Jacobii" fragte der Richter.
Nein!" entgegnete der Zeuge.
Sie wollen es beschwören V
..Ja!" ' '
Dann werde ich Sie vereidigen.
Heben Sie die rechte Hand auf. und
sprechen Sie mir nach!"
Der Gefangene richtete sich ein wenig
auf und sah den Küster an. Otto Fried
rich Jacobi erhob ruhig die Hand.
.Ich schwöre bei Gott, dem Allmäch
tigen und Allwiss-nden," sagte der
Richter die Eidesformel vor. Ich
schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und
Allwissenden," wiederholte der Küster
Jacobi die reine Wahrheit zu sagen,"
die reine Wahrheit zu sagen,
.nichts zu verschweigen," nichts zu
verschwei "
Da fiel der Gefangene n die nie.
.Schwöre nicht, Vater!" schrie er heiser,
ich war's, Herr Rath, ich habe die
Frau ermordet."
fahrendes Volk.
Plauderei von P. G. H e i m s.
Es hat immer noch einen gewissen
romantischen Klang, das Wort sah
rendes Volk," wenn auch in Wirklich
keit den dreimalhunderttaufend Stro
mern, die täglich durch Deutschland
hindurchstrolchen sollen, meist verzwei
felt wenig Romantik anhaftet; denn
viele sind heruntergekommene und ver
dorbene Gesellen. Und doch giebt eS
unter ihnen einzelne, die uns gefallen
können, Kerle mit einem gewissen un
verwüftlichen Humor, die nicht todt
zu kriegen sind," und denen das Leben
hell aus den Augen blitzt. Ueber ihren
sonstigen sittlichen Werth soll damit
nichts gesagt sein.
So schwebt mir Einer vor, der in
den siebziger Jahren durch die Meck-
lenburgsche Schweiz" strolchte. Er hatte
auf dem Gutshofe gegessen, mit den
Mägden einige derbe Scherze gemacht
und zog nun, den Eichenftock durch die
Liift wirbelnd, seiner Straßen weiter;
ein stämmiger, rothbackiger Geselle mit
krausem Haar, der seine Sach' auf
nichts gestellt hatte.
Da hört er hinter sich das Schlagen
von Hufen und sieht sich um. Es ist
der .Landreiter," der seinen Patrouil
lendienst macht. Unbekümmert geht der
Bruder Strabinger weiter und pfeift
sich ein Liedchen. Nun hat ihn der
Gensdarm eingeholt, und während das
Pferd in Schritt fällt, sieht er sich den
vergnügten Wandersmann scharf an.
Der sieht ihn wieder an. zieht feinen
höchst mangelhaften Filz und grüßt
höflich: Mahlzeit. Herr Gensdarm !"
Streng schaut der ihm in's Gesicht:
Hat Er Papiere?" tönt die Frage.
Jawohl Herr Wachtmeister!" Und
er greift in fein zerrissenes Wams und
bietet einige traurig aussehende Pa
pierfetze dar.
Viel, aber in Ehren jebraucht, Herr
Wachtmeister!" sagt er vergnügt. Nach
kurzer Musterung erhält er seinen Do
kumentenschatz zurück mit einem geftren
gen: Hm!"
Hat er Subsidienmittel ?" fragt der
Landreiter ernst und gewichtig.
Nu. freilich, Herr Wachtmeister.
Det klimpert ordentlich!"
Er hält in der Hand zwei kupferne
Dreier dar.
Hm! Wo will Er denn damit hin?"
.Nach Berlin. Herr Wachtmeister.
Sie glooben dat nich? Bitte, gucken Se
mir 'mal an! Ick bin doch 'n hübscher
und vertrauenerweckender Kerl, was?
Un sehen Se, wenn ick so zu 'ner Herr
schaft komme und sage: .Ach. bitte,
pumpen Se mich doch 'n Dahler uff
mein ehrlichet Jestchte" was wollen
Se wetten. Herr Wachtmeister sie
thut et gleich! Und pumpen darf ick
mir wat; nich wahr? Aber betteln
Jott bewahre! Dat thut meiner Mutter
Sohn nich!"
.So, Nu komme Er man 'mal mit
nach Besedow zum Herrn Gcrichtsschrei
der, daS ist mir doch nicht recht sicher
mit ihm!" bricht der Landreiter das
Verhör ad.
.Mit 'n jrößten Vergnügen!" sagt
der Bursche, dat kann mich blos 'ne
Ehre sind, in Ihrer Begleitung zu je
hen. Denn man los!"
Der Gendarm murmelt etwas in den
Bart, und eine Zeit lang herrscht
Schweigen. Der Bursche pfeift leise
und vergnügt vor sich hin.
Mit einem Male hebt der Gesell den
Blick und schaut dem Landreiter auf-
merksam ln s Gesicht.
Herr Wachtmeister ' sängt er an.
Sie jefallen mir! Aber leid thun Se
mir ooch. Sie haben so 'ne geele, un
gesunde Jesichtsfarbe. Sehen Se, dat
kommt blos von det Ute Leben. Un
sehen Se mir 'mal ar: 'n Kerl, wie 'n
Eiche, wat? Sehen Se, vet kommt
davo, dat ick meine tägliche Bewegung
habe; Se sollten man ooch zu Fuß zu
jehen! Un nachts na, da kriechen
Se natürlich in die Federbelten. dat se
Ihnen man so über'n Kopp zusammen
schlagen, un alle Fenster dichte zu! Nee.
ick mache det anders! Ich lege mir int
irüne Gras in 'n Chauffeegraben rn
decke mir den Magen mit Gras zu, und
dann schlafe ich Ihnen wie so 'n Bär.
und wenn ick aufwache, dann bin ick
sidel wie 'ne Lerche; fo sollten Se 't
man ooch machen "
Maul halten!" unterbricht ihn un-
hold der Gensdarm.
..3. wen nich zu rathen ,, oen is
nich zu helfen!" murmelte der Wanden
. r v . . ' . d . : . - crn.:r
DrCD. und mieoer iviro es eine
still, bis sie zur Gerichtsstätte gekom-
nun sind. Der Gensdarm stellt feinen
Begleiter vor und der Sekretär nimmt
ihn in'S Verhör.
.Nichts zu machen! ausen lauen r
sagt er lächelnd.
Na. ick wußte es ,a'." ,agt vertan-
derbursch vergnügt; aber nu habe id
noch 'ne Bitte an so 'n charmanten jun
gen Herrn, wie Sie 'sind; sehen Se
'mal." und dabei streckt er den Fuß
vor. an dem ein merkwürdig desolater
Stiefel schlottert, viere gucken durch 't
Leder; haben Sie nich 'n paar olle
Stiefel vor mir "
..Halt!" schreit da der Gensdarm,
nu hat er gebettelt, nu anetire ich
ihn!"
..err!" ruft der Stromer uno ricyiei
sich zu seiner ganzen Höhe auf, ick
denke nich daran, ich bettle nie! Ab
koofen wollte ick dem Herrn die Stie
beln!"
.Was? Mit Ihren zwei kupfernen
Dreiern?" fährt der ihn an
..Wenn Sie ?!bre olle knebeln da
für nich verkoofen wollen, dann behalt
ten Sie se man alleene!" .sagt er mit!
Würde und wendet stch zum Gehen.
Verdutzt sehen sich die beiden Ande
ren an.
Da kehrt er noch einmal um und tritt
zum Gensdarmeu.
.Ick will bi? übrigens nocy war ia-
gen, i beginnt er yocymmylg uno nuzr
sich rückwärts an seinen ktock; n an-
der Mal, wenn Se mit 'n anständigen
Menschen sprechen, dann steigen Se
jefälligft von 't Pferd; dat jehört sich
so! Aber dat wissen Sie wohl nich. Sie
sind woll ans kleener Familie!"
Sprach s und verschwand mit langen
Sätzen.
Der Gensdarm wollte hinterher.
Lassen Sie den nur," fagte der
Sekretär lachend, der Hallunke iftJhnen
über! Schnäpschen gefällig?" '
Brummend und fluchend steigt der
Gensdarm vom Pferd, und der Bru
derStromer zieht pfeifend seinerWege.
Ganz unfreiwilliger Weise zum sah-
renden Volk" in des Wortes eigenster
Bedeutung wurde ein armer Schorn
fteinfegergeselle in Hamburg zur Zeit
der Cholera. Der ging in seinem
schwarzen Habit ruhig seiner Straßen
auf irgend ein Dorf hinaus, da hörte
auch er sich Pferdegetrappel, und wie er
genau hinsah, erkannte er eines jener
Hülfsfuhrwerke, die damals mit zum
Transport der Choleraleichen benutzt
wurden. Diesmal war es ein alter
Bäckerwagen aus Eisenblech, vor den
sie vier Pferde gelegt hatten, die vom
Sattel aus gefahren wurden. Beim
Näherkommendes ungemüthlichen Fuhr
Werks erkennt er in dem Kutscher einen
Bekannten. ,
Ro. 31).
Du. Krischan." beginnt er. lat mi
doch 'n bet n mitfahren: ick hem noch fo
n grasig langen Weg!"
Nee. min Jung " sagt der Rossen
lenker. dat geiht nit an; ick hew dor
Choleralikcn in. un denn warft Du dod!
Adiüs! Hüh!"
Und im Trab geht es weiter. Da sicht
der Schornsteinfeger, daß die Thür deS
Wagens auf und zuklappt, schnell
benutzt er die Gelegenheit und schwingt
sich rücklings auf den Wagen und läßt
die Beine hängen. Aber die scharfe
Eisenkante des WagenS schneidet ihm in
die Kniekehlen, und behutsam zieht er
die Beine nach. Da faßt ein Windstoß
die Thür und wirft sie zu, und die tfe
der schnappt ein. Da sitzt der Unglück
liche plötzlich in dunkler Nacht und lehnt
entsetzt gegen eine Anzahl von Särgen,
Nun faßt ihn aber doch die Angst, und
er fangt an wüsten Lärm zu machen.
Dumps hört der Kutscher das Schreien
hinter ihm im Wagen und da packt auch
ibn das Grausen. Er baut auf die
Pferde, im Galopp geht eS dem Kirch
Hof zu und schon von Weitem winkt er
den Grabarbeitern. Ter Wagen hält
vor dem Thor die Tbür wird aufge
rissen, die schwarze Gestalt deS Schorn
steinfegers. der durch die entsetzten Ar
beiter bricht und querfeldein rennt, fort
von der Stätte deS Grausens, wie von
Furien gejagt. Aber da ruft der Kut
scher vom Sattel herunter:
Nee. holt min Jung! so geiht dat
n,ch! Dörtein (13) heww ick kreegen,
un dörtem mutt ick afliesern'."
Aber der Verkannte lief wie ahn
sinnig weiter, und stumm schauten die
Leute einander an. Dann gingen sie
kopfschüttelnd und gleichmüthig an die
Arbeit.
So stirbt der Humor des Volke? auch
in den trübsten Zeiten nicht.
Wie Schiller sprach -
Diese Frage wird mancher Leser sehr
leicht beantworten zu können glauben:
Schiller sprach eben, wie er schrieb, das
ist doch selbstverständlich. Das ist nun
freilich keineswegs selbstverständlich,
und eS trifft auch bei Schiller gar nicht
zu, ebensowenig wie bei irgend einem
anderen Dichter. Zu Schillers und
Goethes Zeit war der Schauspieler
Anton Gnaft Regisseur am Weimari
schen Hoftheater. Sein Sohn Eduard
Gnast, gleichfalls Schauspieler. - berich
tet in seinen Memoiren auch über die
Thätigkeit seines Vaters in dieser Stel
lung. AlS in Weimar, erzählt er, am
14. Mai 1800 zum ersten Male Shake
fpeareS 'Macbeth" in Schillers Bear
beitung gegeben wurde, steigerte sich der
Beifall von Akt zu Akt, und namentlich
war e? der Darsteller der Titelrolle, der
Schauspieler Voß. der das Publikum
begeisterte. Nach dem zweiten Akt eilte
Schiller auf d,e Bühne. Wo lscht der
Voß?" fragte er, und dann, als dieser
ihm entgegen kam. umarmte er ihn
und sagte: .Nein, Voß! Ich mutz Jhne
sage, meischterhaft, meischterhaft! Aber
nun ziehe Sie sich zum dritten Akte
um!" Voß dankte dem Dichter, worauf
dieser sich an den Regisseur Gnaft
wandte: .Sehe Sie, Gnascht, wirhabbe
Recht gehabt! Er hat zwar ganz andere
Versch gesproche, als ich sie geschriebe
hab, aber er ischt trefflich." Ein an
dermal, als ein Schauspieler Heide, der
trotz mehrfacher Mahnungen Goethes
immer wieder in den höchsten Tönen
feines Organs deklamirte und heftig
mit den Armen geftikulirte, Schiller bei
einer Probe seine Gründe dafür aus
einandersetzen wollte, rief dieser zornig:
El was! Mache Sies wie ichs Jhne
sage und wies der Goethe habbe will!
Und er hat Recht. eS ischt ä Graus, das
ewige Vagire mit dene Händ und daS
Hinauspeife bei Rezitation." '
Schwäbische Gemüthlichkeit.
Aus Leilbronn wird der Kti-nkk.
Post" geschrieben: Wäre die Geschichte
nicht aktenmäßig festgestellt, und würs
nickt mein leikbnstiner Weiter VinS
pasfirte. man sollte dieses Meisterstück
icomaviicaer Gemmylicyieit kaum für
möalick ballen. Die Sacke ist nttmlick
die: Sendet besagter Vetter an einem
Samstag. Mittags 52 Uhr, von feinem
Wobnilk in E. aus einen Ervrekkrips
nach dem Städtchen A. bei L. Indem
rief, oer regelrechl gegen 4 llhr in
den Händen des Empfängers sein mußte,
bittet er diesen, ihm sofort Antwort zu
kommen zu ian,en, die in diesem Falle
anderen Moraen 8 UKr dann in hinen
Händen sein müsse. Der Morgen
kommt, aber kein Brief. Es wird 10
Ubr. endlich aeaen 10J- llfir summt di
ersehnte Antwort als Telegramm. Und
oas mar ,o gegangen: Ver Brief war
oronungsgemag um 4 Uhr in A. ange
kommen. Gerade an diesem Abend aber
regnete es ziemlich stark, und der Herr
Postmeister konnte im ganzen Gebäude
keinen Regenschirm für den Postboten
. . . S. I7 ! ' f. v i. en - r
uu,,,vr. lieg er oenn oen Bnes
ruhig liegen und gcSachte ihn am an
deren Morgen mit den gewöhnlichen
Briefen austragen zu lassen. Unglück
lichenoeise aber verschlief sich auch noch
der Pcstbote an diesem Soi'.ntag Mor
gen, und so Izn eS, daß ein Erpreß
dries von E. nach A.. der sonst drei
Stunden zur Expedition braucht, dieses
Mal just einen Tag hierzu in Anspruch
nahm. Ter barmherzige Herr Post
meister hat die Sache selbst zu Protokoll
gegeben und daür von unserer Gene
raldirektion al Zeichen besonderer An
erkennung ein Weihnachtsgeschenk er
halten, da? er nicht unter den Ehrifl
bäum legte.
?tZeitdilche.
Unser Schnellzug hat in Station W.
einige Minuten Aufenthalt. Zwei Mit
reisende steigen aus und belegen, da sie
wiederkommen wollen, ihre Plätze. In
zwischen steigt aber in daS vollgesetzte
Coup zum nicht geringen Erstaunen
aller übrigen Mitreisenden, welche den
Eindringling höflich darauf aufmerk
sam machen, die Plätze seien befetzt,"
sehr gemächlich ein englisch aussehender
Herr ein, und laßt sich breitspurig nie
der. Mr. .B. scheint deutlich verstanden
zu haben, als der erste AuSgcftiegene
seinen Platz wieder einnimmt; mit ge
heimer Freude aber warten Alle auf
den Augenblick, wo der Zweite, ein die
derer Deutscher, der nicht so aussieht,
als ob er sich etwas gefallen lassen
würde, eintreten soll. Er kommt und
erklärt Mr. B., er habe diesen Platz
belegt gehabt."
Mr. B. radebrecht einige unverständ
liche Worte und bleibt sitzen.
Verwundert sieht sich unser Mit
reisende um, und den seltsamen Fahr
gast der Länge nach an und Ach,
Sie sind Engländer!" entfährt es ihm
wie in plötzlicher Erleuchtung.
Verhaltene Fröhlichkeit auf Seiten
der Anderen. Zornesgluth auf der deS
Einen!
Dessen Zunge aber hatte sich gelöst:
Oh, feie vollen mir uohl Höflichkeit
lehren?"
Oh nein! Die wird Ihnen jetzt in
Transvaal beigebracht!"
Schallende Heiterkeit und herzlicher
Beifall war die Folge. Mr. B. aber
hatte genug. Der britische Löwe schlich
von bannen.
Alte belgische Urkunden.
Seit undenklichen Zeiten existirt auf
dem Rathhause in Brüssel eine große
Menge alter Urkunden, die auf dem
Speicher ungeordnet durcheinander la
gen. Erst jüngst fand eine vorläufige
Sichtung des reichen Materials statt.
Neben Gerichtsakten aus dem ganzen
1. Jahrhundert verdienen verschiedene
Sammlungen hervorgehoben zu wer
den, die auf die Finanz, Wirthschafts
und Krugsge chichte Bezug haben. Das
Militärarchiv enthält Urkunden Über
die Feldzüge Ludwigs XIV. und XV.
in Belgien und über die Belagerung
von Brüssel 1695 und 1703 und gibt
interessante Aufschlüsse über die Ver
proviantirung und den Transport der
Truppen. Die Brüder Z)vens, zwei
große Brüsseler Bankiers, standen an
der Spitze der Militärintendanz, die da
mals "L&s equipaees du lirabant
hieß. Ihre Rechnungen und Eorre
fpondenzen geben ein anschauliches Bild
von der damaligen Organisation des
militärischen Proviantwesens, nament-
lich während der Belagerung von 1761.
verner gewahren die Archive des Schatz
amtes und die vollständig vorhandenen
Quittungen über die Pensionen seit 1619
klaren Einblick in das städtische Finanz
Wesen. Hohes Interesse bietet die Cor
respondenz der damaligen großen Han-
delsftrmen; sie enthält über 20,000
Briefe mit werthvollen Angaben über
Einfuhr und Ausfuhr, die Preislifte
der Waaren und eine Menge Tuch-,
Spitzen und Stoffmuster, die als Bei-
läge zu den Bestellungen der Kaufleute
dienten.
emüthliche Kriegführung.
Die Buren vor Mafeking scheinen den
Mangel an Alkohol gerade so zu fühlen,
wie ich. schreibt ein Berichterstatter der
deutschen Sückafrikanischen Zeitung in
Johannesburg: Neulich sandte der'Bu
renkommandant einen Parlamentär in
die Stadt und dat um eine Flasche
Cognac, da ihr Feldkornct erkrankt sei.
Baden-Powell hatte Mitleid mit der
armen Seele und sandte eine Kiste
Whisky mit dem guten Rathe, sich des
selben zu bedienen. Die Buren waren
sehr erfreut und wollten sich gerne für
die gute That der Engländer erkenntlich
zeigen. Anfangs konnte man sich auf
nichts besinnen, was dem Werthe einer
Kiste Whisky gleichkäme, aber man ent
schied sich zuletzt, daß ein gefangener
Engländer wohl ungefähr denselben
Werth besäße. So wurde denn ein
englischer Soldat aus der Gefangen
schaft entlassen und mit bestem Dank
nach Mafeking zurückgesandt. Baden
Powell soll sofort die nöthige Anzahl
Kisten in London bestellt habm, um
auch die übrigen Gefangenen zu be
freien. Aber damit dürfte er wenig
Glück haben, da ja nicht jeden Tag die
Feldkornets krank werden.
Bündig.
Schau' Dir die Dame dort an!
Das ist die Wittwe, die unser Freund
Müller h:irathen will!"
Ist wohl Geld da?"
Wie Heu!"
Und Verstand?"
.Auch so!"