Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 08, 1900, Image 12

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    ein j!l:r SiycreiüMbcr.
Hi,uis!e von (;uri Julius üoll
Wachtmeister Schnurrbusch von der
ersten Schivabron war ein Brüchiger
aller Knabe und in unser Garnison
eine hervorragende populäre Figur.
Jedermann kannte den ftraffen Grau
köpf mit seinen fortwährend zmickern
den Augen im gesund rothen, wohlge
näbrtcn Gesicht, dem riesigen Schnurr-
bart und seiner hübschen blauen immer
sauberen usarenunisorm. Ein Men
schenfeind, der ihn sah. wenn er in
dienstfreien Stunden durch die Stadt
ging. Hütte sich mundern können über
die Menge der Gruke. die er ,n auen
Strafen zu erwidern hatte. An den
bürgerlichen Stammtischen war er stets
willkommen, und pflegte stch auch
nicht lange nöthigen zu lassen, wenn
man ihn um eine seiner Kriegs- oder
Manövergeschichtcn bat, die gewöhnlich
alle mit dem kernigen Humor des Sol
datenlcbens gewürzt waren. Dabei
war er im Dienste die zuverlässigste
Stütze der Offiziere, und den Mann
schaften ein schneidiger Vorgesetzter.
Seinen rasselnden Soldatenbafz hörte
man weit hinaus über die Grenzpsähle
der Reitbahn, und wen er auf einer
reglemcntwidrigen Handlung ertappte,
der wurde unnachsichtlich hcrunterge
macht, daß er's so leicht nicht wieder
vergaß.
Eine schwache Seite hatte freilich
auch dieses prächtM Reiterherz: dem
schönen Geschlecht gegenüber war r
nämlich butterweich. Das können mir
alle hübschen Dienst' und Kindermäd
chen der Stadt bezeugen, alle diese
munteren Haus- und Küchenfeen, die
in Hamburger Häubchen und mit der
weißen Schürze Morgens immer so
bildsauber zum Markte gehen oder
Nachmittags die Kinder der Herrschaft
anmuthig spazieren führen. Ihnen
freni.dlich zuzunicken oder sie, wo es
ging, in ein scherzhaftes Gespräch zu
ziehen, das unterließ der alte Schnurr
busch selten, dieser polternde Haudegen
mit dem zärtlichen Herzen, der verhei
rathet war und selbst mehrere erwach
sene Kinder besaß. .
Einmal eS war im Winter ging
er wie alle Tage, früh Morgens um
sieben zu seinem Rittmeister, um ihm
Rapport zu erstatten.
Der Rittmeister war ein ganzes Jahr
beurlaubt gewesen, hatte in der Resi
den; gehcirathet und war vor acht
Tagen mit der jungen Frau in die
Garnison zurückgekehrt. '
Schnurrbusch also betrat im Mor
gengrau des Wintermorgens die Woh
nun seines Chefs. Jedes Schnurrest
chen klopfte er sorgfältig von den spie
gelblanken Stiefeln, strich sich auch die
Schnurrbartspitzen noch einmal gerade,
ehe er klingelte. Die vorhergehenden
Tage hatte ihm stets der Bursche ge
öffnet, heute aber stand im matten Licht
der Gasflamme ein schlankes, blondes,
weibliches Wesen vor ihm, was ihm
natürlich viel lieber war.
Morjn. mein Herzchen," schmunzelte
er in der allerliebsten Laune, noch gar
nicht gesehen, und so ein schmuckes
Tüubchen! Freut mich freut mich
sehr. Na, die Herrschaft schon zu
sprechen?"
Nähertretend kniff er der hübschen
Blondine in die Backe. Erschreckt trat
sie zurück, bedeckte die gekniffene Wange
mit einer weißen Hand und musterte
ihn staunend, von oben bis unten. Er
stand selbstgefällig vor ihr aufgerichtet
und liebkoste seinen Schnurrbart mit
den Fingerspitzen.
Da glitt ein schelmisches Lächeln über
ihr zartes Gesicht, sie nickte Ja! und
ließ den galanten Wachtmeister mit
einem netten Knix in's Herrenzimmer
treten. v
' Auf hübsche Zimmerkätzchen hält
der Herr von Eickstedt, das merkt man
schon," dachte Schnurrbusch vergnügt,
während er sich im leeren Zimmer in
Positur stellte.
Die Blondine war in's Nebenzim
mer getreten. Er hörte sie in anschei
nend sehr belustigter Weise, ohne frei
lich die Worte zu verstehen, etwas er
zählen, worauf ein herzliches Gelächter
folgte. Gleich darauf trat der Ritt
meister zu dem verwundeten Schnurr
bart in's Zimmer, mit abgewandtem
Gesicht als suche er seine Heiterkeit zu
verbergen.
Er nickte nur ein wenig mit dem
Kopse.
.Worin, Herr Rittmeister. Melde
gehorsamst: Der Braune Sultan".
Stall 1, Stand Nr. 15. hat sich heut
Nacht losgerissen und den Fuchs
Viper" geschlagen. Wunde unbedeu-
teud, auch bereits verbunden. Sonst
Alles in Ordnung."
Es ist gut. Schnurrbusch Sie
alter Schwerenöthcr!"
.Zu Befehl. Herr Rittmeister."
Sie können gehen."
.Morjn. Herr Rittmeister."
WaS sollte das heißen alter
Schwerenöthcr? dachte Schnurrbach hin
austretend. Und diese Heiterkeit, das
Gelächter im Nebenzimmer? Hatte er
eine Dummheit gemacht? Oder hatte
das Kammerkätzchen geklatscht? Wie
kam sie dazu, so ungenirt mit der Herr
schaft zu plaudern?
Im Stiegenhaun putzte Franz, der
Bursche, die Stiefel des Herrn.
Hast Du gesehen, wer mir vorhin
aufgemacht hat?"
Jawohl, Herr Wachtmeister, die
gnädige Frau!
Rindvieh!" knurrte '?chnurrbufch,
ganz mechanisch, ohne wirklich über den
Burlchen erbost zu ein.
War das möglich? Er hatte der
anadigen Frau in die Wange gekuit
fen? Schwerenoth! Das konnte gut
werden.
An diesem Morgen wunderten, sich
die Unteroffiziere ganz erheblich über
eine Unruhe und Zerstreutheit, die sie
im Tlenft an ihrem strengen Wacht
meist noch nicht wahrgenommen
hatten.
Er saß wie eine trübe Wolke auf sei
nem Braunen, trabte zwecklos hier und
dorthin und schien an einer schweren.
scheren Kopfarbeit zu deichseln.
Mehr als einmal schielte er nach
seinem Chef und glaubte sich überall
von seinem ironischen Lächeln verfolgt.
daö ihn immer mehr in Bestürzung
versetzte. Kein Zweifel, es war die
Frau Rittmeister gewesen, und der
Chef wußte das. Er gab eS sogar
schon den beiden Offizieren zum Besten;
denn sie brachen in ein schauenoes Ge
lächter aus und warfen ihm beim Ab
reiten spöttische Seitenblicke zu.
Völlig rathlos verließ er die Reit
bahn. Alle Freunde, die ihm auf der
Straße begegneten, waren erstaunt
darüber, daß er sie nur flüchtig oder
gar nicht grüßte. Er schien blind für
die Uebertretungen seiner Leute, sein
so scharfes Auge bemerkte diesmal so
gar den Rekruten nicht, der mit einem
Commißbrod unter dem linken Arm
über die Straße ging und in der rech
ten Hand eine große Leberwurst trug.
von der er dann und wann große
Stücke abbiß.
Innerlich auf daS Heftigste erregt,
kam er zum Mittagessen nach Haufe.
Die Mütze flog auf s Sopha. der Sa
bel in die Ecke, und er selbst ließ sich
schwer auf einen stuhl fallen.
Die Frau Wachtmeister ging lautlos
ab und zu, sie kannte ihren Mann und
wartete schwelgend aus den Zornesaus
bruch, mit dem er sich daheim stets Er
leichterung verschaffte, wenn er dienst
lich stark verärgert war. Ein gutes
Mittagessen würde ihn nachher schon
wieder besänftigen. ' Deshalb sorgte
sie dafür, daß heute ein Stück Butter
mehr m die Pfanne kam.
Aber zu ihrem größten Erstaunen
gab er nach wie vor keinen Ton von
stch. Er amq nur mehrere Male hes
tig klirrend in der Stube auf und ab
und setzte sich dann vor den gefüllten
Teller, den Kopf theilnahmslos in die
Hände stützend.
Das war doch sonderbar.
Schnurrbusch," begann sie, vor ihn
hintretend und die Arme in die Seite
stemmend. Schnurrbusch, was ist das
mit Dir? Hast Du Bauchkneipen?"
Dummes Zeug!" knurrte er, laß
mich in Ruhe."
Na, dann nicht, alter Brummbär."
. Sich mit größter Seelenruhe ihm
gegenüber niederlassend, begann sie
wohlgefällig zu essen. Nur manchmal
schnalzte sie mit den Lippen, um anzu
deuten, daß die Speise besonders wohl
gerathen.
Das wirkte. Zögernd nahm Schnurr
busch die ersten Bissen und legte dann
wirklich Messer und Gabel nicht eher
nieder, biSdie Teller leer waren.
' Das Essen hatte ihn freundlicher,
mltthellsamer gestimmt.
Hör' 'mal, Rieke," so hub er an
und sah seiner Iran zum ersten Mal
in's Gesicht, ich bin der Wachtmeister
Schnurrbusch und Du bist meine Frau
bon! Wenn nun eines schönen
Tages ein Süßholzraspler in's Haus
kommt, sagen wir ein Gefreiter, der
Charge nach, und ich bin nicht da; der
Kerl aber will Dir schön thun "
Mir? Bei Dir piept's wohl?"
Ausreden lassen! Also schließlich
kneift Dich der Kerl in die Backe
was machst Du da?"
Nun, dem haue ich Eine 'runter,
daß er's zum zweiten Mal bleiben
läßt."
So so na, ja, in diesem Falle.
Wenn Du aber nun die Frau RiU
meister wärst?"
Na nu? Was soll das heißen?
Ist Dir nicht wohl. Schnurrbusch?"
Im Ernst, Rieke, Du bist die Frau
Rittmeister, und ich, der Wachtmeister
Schnurrbusch, z. B., kneife Dich, die
Frau Rlttmelsterin, in die Backe."
Ja so Du! Dich wollt' ich.Mores
lehren. Du müßtest vor mir auf die
Kniee nieder, müßte t Abbitte thun.
die ganzen Dienstboten müßten dabei
sein, dann sagte ich: Seht, der alte
Narr, sagte ich, verheirathete Fami
lienvater, schämt sich nicht "
Ach was. lauter dummes Zeug.
Auf die Knie? Was nicht gar! Den
Gefallen thäte ich Dir schon lange
nicht."
Ja, was fragst' Du mich denn
dann?"
Der ganz vcrsinsterte Schnurrbusch
nahm nun in der Sopha-Ecke Platz,
um sich feinem Mittagsschläfchen hinzu
geben. Aber zur Ruhe sollte er heute
nicht kommen.
Herein!" brummte er ahnungs
bang, sich straff emporrichtend und die
Thür sixirend.
Franz kam, des Rittmeisters Bur
sche, mit der Aufforderung, sich unver
züglich bei seinem Chef zu melden.
Schockschwerenoth!"
Was? Um diese Zeit? Ja. wie
ist mir denn? Schnurrbusch, Johann
Lcderecht Schnurrbusch, hast Du wirk
lich die Frau Rittmeister gekniffen?
Ach du meine Güte, was man noch er
leben muß auf seine alten Tage! Ge
schieht Dir recht, alter Narr!"
.Papperlapapp! Stille bifte! Ich
komme sofort!"
Mit krampfhaft behaupteter Fassung
klingelte Schnurrbusch zehn Minuten
später an jener verhängnißoollcn Entree
thür. Wieder öffnete ein weibliches
Wesen, aber mit einem ganz anderen
Gesicht. Er wurde wieder in's Herren-
zimmer geführt und wartete hier ein
paar Augenblicke, die dielleicht die Pein
lichsten in seinem ganzen Leben waren.
Feine Augen hielt er starr auf die
Thür des Nebenzimmers gerichtet.
Endlich ging sie auf. Der Chef trat
em und mit ihm, schalkhaft lächelnd.
feine schöne junge Frau dieselbe
Blondine, die er am Morgen für das
Stubenmädchen gehalten.
Der arme Schnurrbusch klappte fv
fort vorschriftsmäniq. wie vom Blitz at
troffen, die Hacken zusammen, warf den
Kopf auf und stand so, den Säbelgriff
in der Linken, die Rechte an den Hosen
naht, kerzengerade an der Thür in
jener Erstarrung des blinden Gehör
sams. der keinen eigenen Willen duldet
uud die Lippen versiegelt, bis man ge
fragt worden ist. Nur wer näher hin
sah. bemerkte in diesem unbeweglichen
Gesicht das Zittern der Nasenflügel und
der Schnurrbartspitzen.
Also dies, liebe Ada. ist Schnurr
busch. mein Wachtmeister.
Wir sahen uns bereits heute Mor
gen "
Ein tüchtiger Soldat in jeder Hin
sicht, dem Emig-Weiblichen sehr zuge
than "
eine Probe davon hat er eben
falls bereits abgelegt "
Ich bitte tausend Mal um Ver
zeihung. Herr Rittmeister, gnädige
Frau; aber ich wußte wirklich nicht"
Daß meine Frau die Kundgebung
Ihrer Neigung für Stubenmädchen
mit angesehen hat. Nehmen Sie sich
daher in Zukunft etwas mehr in Acht,
lieber Wachtmeister und greifen Sie
nicht so schnell zu. Stubenmädchen
sind manchmal das nicht, was sie
scheinen."
Zu Besehl, Herr Rittmeister!"
Schönsten Dank, gnädige Frau!"
Abtreten!"
Ganz verwirrt, aber aufathmend und
mit erleichtertem Herzen verließ Schnurr
busch das Zimmer.
Im Flur kramte Jette, das Stuben
Mädchen, und lächette ihm schelmisch
entgegen.
Eine noble eine großmüthige
Herrschaft weiß Gott! Das wäre ja
noch gut abgelaufen. Mir ist ein Stein
vom Herzen, mein Schatz."
Und in seiner großen Freude kniff er
völlig unbewußt dem Stubenmädchen
in die linke Backe. Aber diesmal war
es ja das richtige.
Alter Schwerenöther!
Vreihundertvierundsechzig
eine Nacht.
Bon P. Rosegge r.
und
Mein Vater hatte vier große Ziegen
im Stalle stehen, so wie er vier Kinder
hatte, welche zu den ersteren stets in
engerer Beziehung standen. Jede der
Ziegen hatte ihren kleinen Futterbar
ren, aus dem sie Heu oder Klee fraß,
während wir sie molken. Keine einzige
gab die Milch am leeren Barren. Die
Ziegen hießen Zitzerl, Zutzerl, Zeitzerl
und Heitzerl und waren, einer schönen
Schenkung zufolge, das Eigenthum von
uns Kindern. Das Zitzerl und das
Zutzerl gehörten meiner zwei Schwester-
chen, das Zeitzerl meinem achtjährigen
Bruder Jakoberle, das Heitzerl war
mein!
Jedes von uns pflegte und hütete sein
ihm zugetheiltes Gespons in Treue; die
Milch aber thaten wir zusammen in
einen Topf, die Mutter kochte sie, der
Vater schenkte uns dazu die Brotschnit-
ten und Gott der Herr hat uns den
Lössei Suppe besegnet.
Und wenn wir so mit den breiten
Holzlöffeln, die unser Oheim geschnitzt
hatte, und die ihrer Ausdehnung wegen
für's erste kaum in den Mund hinein,
für's zweite kaum aus demselben her
auszubringen waren, unser Nachtmahl
ausgeschaufelt hatten, so nahmen wir
jedes unseren Rotzhaarkotzen und legten
uns, ein? wies andere, in den Futter
barren der Ziegen. Das waren eine
Zeitlang unsere Betten, und die lieben
Thiere befächelten uns mit ihren weichen
Bärten die Wangen und beleckten uns
die Näschen.
Aber, wie wir Kindlein auch in der
Krippe lagen, so kam das Einschlafen
auch nicht just immer nach dem ersten
Lecken. $ch habe von unserer Ahne
eine Menge wundersamer Geschichten
und Märchen im Kopfe. Die erzählte
ich nun in solchen Abendstunden, und
meine Geschwister waren darüber glück
selig, und die Ziegen hörten auch nicht
ungern zu, nur daß diese dann und
mann, wenn ihnen das Ding gar zu
unglaublich vorkam, so ein wenig vor
sich hinmeckcrten oder mit den Hörnern
ungeduldig an den Barren pufften.
Einmal, als ich von der Haberaais er-
zählte, die, wenn sie um Mitternacht
aus oem tfeioe schreit, den Haber
(Hafer) schwarz -macht, und die nichts
frißt als die grauen Bärte alter Koh
lenbrenner, da begann mein Heikerl
dermaßen zu meckern, daß die anderen
drei auch mit einstimmten, bis meine
Geschwister schließlich in ein fürchter
liches Gelächter ausbrachen, und ich wie
ein überwicsener Aufschneider erbärm
ich Ichmelgen mußte.
Von derselben Zeit an erzählte ick
meinen Schlafgenossen lange leine Ge-1
schichten, und ich nahm mir vor. mit
dem Heitzerl mein Lcdtaa kein Wprt
mehr zu reden.
Da kam der Sonnwendtag. An die
fern Tage kochte uns die Mutter den
üblichen Eierkuchen, mein liebstes Essen
auf der Welt. In diesem Jahre aber
hatte uns der Geier die' beste Leghenne
geholt, so wollte sich daS Eierlördlein
nicht mehr füllen, nnd als am Sonn
wendtag der Kuchen kam. war er ein
gar kleinwinzig Laibchen. Wehmüthig
luchte ich hin auf den Holzteller.
Mein fünfjährig Schwesterchen guckte
mich an, und wie wenn es meine Sehn
sucht wahrgenommen hätte, ries eS
plötzlich: .Du. Peterl. Du! wenn Tu
uns ein ganze? Jahr in jeder Nacht
eine Geschichte erzählen wagst, so schenk
ich Dir meinen Theil von dem Kuchen!
Dieser hochherzigen Entäußerung der
Keinen stimmten seltsamerweise auch
die anderen bei, und sie patschten in die
Hündchen, und ich ging die Bedingung
ein. So stand ich denn plötzlich am
Ziele meiner Wunsche.
Ich nahm meinen Kuchen unter die
Jacke hinein und ging damit in die
Milchkammer, wo mich niemand sehen
und stören konnte. Tort verriegelte
ich die Thür, setzte mich auf einen um
gestülpten Zuber und ließ meine zehn
Finger und das wohlgeordnete Heer
meiner Zähne über den armen Kuchen
los.
Aber nun kamen die Sorgen; daß
meine Geschwister - streng auf ihrer
Forderung bestehen würden, daran
konnte kein Ziveisel obivaltcn. Ich
ging auf meinen Hirtenzügen jeden
Pecher. Kohlenbrenner. Halter und
jedes wohlerfahrene Weidlein, wie ich's
im Wald und auf der Heide traf, um
eine Geschichte an. Es waren ergiebige
Quellen, und ich war jeden Abend i
der Lage, meiner Schuldigkeit nachzu
kommen. Mitunter allerdings war ein
Elend, bis ich was neues auftrieb. und
nach einer Zeit geschah es nicht selten,
daß das Schwcsterlein mich unter
brechend von seinem Barren herüber-
rief: Du! die wissen wir. die hast uns
erzählt!"
Ich sah wohl, daß ich auf neue.Wege
sinnen mußte, und war daher bemüht,
das Lesen besser zu lernen, um aus
manchen Geschichtenbüchern, wie sie in
den Waldhütten nutzlos auf den rußigen
Wandstellen herumlagen. Schätze zu
ziehen. Nun hatte ich neue Quellen:
die Geschichte von der Pfalzgräfin (das
Jakoberle sagte immer Schmalzgräfin)
Genovcfa; die vier Hcimonskinder; die
schöne Melusina; Wcndelin von Höllen
stein ganz wunderbare Dinge zu
Dutzenden. Da sagte mein Bruder
wohl oft aus seiner Krippe heraus:
Mein Kuchen reut mich garnicht! das
ist wohl so viel unmöglich schön. Gelt,
Zeitzerl?"
Nun wurden die Abende zu kurz, und
ich mußte eine solche Geschichte in
Fortsetzungen geben, womit aber klein
Schwesterchen schier nicht einverstanden
sein wollte, denn es behauptete, in jeder
Nacht eine ganze Geschichte! so sei es
ausgemacht.
So verging das Jahr. Ich erwarb
mir nach und nach eine gewisse Fertig
keit im Erzählen und that es sogar hoch
deutsch, wie es in den Büchern stand!
Oft geschah es auch, daß sich während
des Erzählens meine Zuhörer tief in die
Kotzen vergruben und vor Schauer über
die Räuber und Geistergeschichten zu
stöhnen anhuben; aber aufhören durfte
ich doch nicht.
Es war schon wieder der Sonnwend
tag nahe, und mit ihm die Lösung mei
nes Vertrages. Doch ein eigen Ge
schick! noch vor dem letzten Abend
ging mir gänzlich der Faden aus. Alle
meine Erinnerungen, alle Bücher,, deren
ich habhaft werden konnte, alle Männ
lein und Weiblein, denen ich begegnete,
waren erschöpft alles ausgepumpt
alles hoffnungslose Dürre. Bat
ich meine Geschwister: Morgen ist der
letzte Abend schenkt ihn mir!"
War ein Geschrei: Nein, nein, nichts
schenken! Du hast Deinen Sonnen
wendkuchen kriegt!" Gar die Ziegen
meckerten mit.
Am- nächsten Tage ging ich herum,
wie ein verlorenes Schaf. Da kam
mir plötzlich der Gedanke: Betrüge sie!
dichte was zusammen! Aber allfogleich
schrie das Gewissen drein: Was du er
zählst, daS muß wahrhaftig lein! du
hast den Kuchen wahrhaftig bekom
men!
Doch geschah im Laufe dieses Tages
ein Ereigniß, von dem ich hoffte, daß es
m Dränge der Ausregung mich meiner
Pflicht entbinden würde.
Mein Bruder Jakoberle verlor sein
Zeitzerl. Er ging in kreuz und krumm
über die Heide, er ging in den Wald
und suchte weinend und rufend die
Ziege. Aber endlich spät im Abend
brachte er sie heim. Ruhig aßen wir
unsere Suppe, gingen in unsere Krip
pen und von mir wurde die Geschichte
verlangt.
Es war. still. Die Zuhörer harrten
in Erwartung. Die Ziegen scharrten
in Wiederkäuen mit den Zähnen.
Nun denn so sollen sie die Geschichte
haben.
Ich sann ich begann:
Es war einmal ein großer, großer
Wald gewesen. Und in dem Wald war
es allweg finster gewesen. Keine Vög
lein haben gesungen: nur der Todten
vogel hat geschrieen. Wenn aber doch
die anderen Vögel auch gesungen, da
haben auf den Bäumen alle Acste und
alle Blätter viertausend Thränen ae-j
weint. Mitten in diesem Walde ist eine
Heide, wie der Todtenacker so still, und,
wer über dieselbe hingeht und nicht um
kehrt, der kommt nicht mehr zurück.
Ueber dieie Heide f.no einmal zwei
duttige Kniee gegangen.
Jcffas Ma !" rief mein älteres
Scuiveftcrlein aus, und alle drei krochen
unter die Kotzen.
Ja. zwei blutige Kniee." fuhr ich
fort, und die .sind über die Heide
dahin geschwebt gegen den finstern
Wald, wie eine verlorene Seele. Aber
auf einmal sind die zwei blutigen
niee
Ich schenk Dir mein blaues Hosen
band, wenn Tu still bist!" wimmerte
mein Bruder angstvoll und verbarg sich
noch tiefer in die Decke.
.. sind die zwei blutigen Kniee
stillgestanden," fuhr ich fort, und auf
dem Boden ist ein Stein gelegen, so
weiß, wie ein Leichentuch. Dann sind
zwei funkelnde Lichtlein gewesen zw,
schcn den Bäumen, und darauf sind
vier andere blutige Kniee daher ge
schwebt."
Mein neues Paar Schuhe schenk ich
Dir. wenn Tu aufhörst!" hauchte das
Jakoberle in feinem Trog und zog aus
lauter Furcht daS Zeitzerl am Barte
zu sich. .
Und so sind alle sechs zusammen
gegangen durch den finstern Wald und
heraus auf die Heide und über das
Hafcrfeld herab zu unserem Hause
und herein in den Stall "
Jetzt kreischten alle drei auf. und sie
wimmerten und wußten ihrer Angst
kein' Ende, und klein Schwcsterlein
versprach nur mit Jagen seinen Theil
von dein auch heuer wieder zu war
tcnden, morgigen Sonnenwendkuchen.
wenn ich aufhöre. Ich aber fuhr fort:
Jetzt na. jetzt hab ich zum Anfang
zu sagen vergcffen, daß die zwei ersten
blutigen Kniee unserem Jakoberle und
die vier letzteren seinem Zeitzerl gehört
haben wie sie heut im Wald herum
gegangen sind."
Brach auf einmal das Gelächter los
Jeder Mensch hat zwei blutige Kniee!"
rief Schwesterlein, und die Ziegen
meckerten, daß es em Jubel war.
Ich hatte meine Rolle ausgespielt.
Dreihundertvierundsechzig Nächte lang
hatte ich geglänzt als weiser, wahrhas
tigcr Gcschichtenmann; die dreihundert
fünfundsechzigste hatte mich entlarvt als
argen Schwatzer.
s Versprechen in betreff des zwei-
ten Sonnweiidkuchens wurde rückqän
gig gemacht; Schwestcrlein erklärte, die
Zusage sei nichts als Nothwehr ge
wcscn.
Und die Gläubigkeit meines Publi-
kums hatte ich mir verdorben ganz und
gar, und wenn es in Zukunft a
irgend einem Erzählten seinen Zweifel
ausdrücken wollte, so rief es einstim
mig: Aha, das ist wieder ein blutiges
Knie!"
Bon einem raffinirten Gauner-Trick
erzählt der Pesti Hirlap". Der Schau
Platz ist ein Coupee erster Klasse des
Wien-Pester Schnellzuges. Da saßen
mehrere Herren, darunter ein junger
Mann, der, das Haupt auf der Lehne,
fest schlief. Zuweilen, wenn der Zug
hielt, erwachte er für einige Augen
blicke, schlief aber gleich wieder ein.
Ein älterer Herr im Coupce wendet sich
zu den übrigen Mitreisenden und sagt.
aus den schlafenden jungen Mann deu
tend: Sie können sich nicht denken.
was für ein Kreuz ich mit dem Jungen
da. mit meinem Sohne habe. Ich
war schon bei allen Professoren, allein
es nutzt nichts, sobald er sich irgendwo
niedersetzt, schläft er ein. Und dabei
hat er noch die Gewohnheit, viel Geld
mit sich zu führen. Gegenwärtig hat
er auch 6000 Gulden bei sich. Wie
leicht kann ihm die ein Gauner aus der
Tasche nehmen! Doch diesmal will ich
ihm einen heilsamen Schrecken ein
flößen; warten Sie nur!" Damit nahm
der alte Herr seinem Sohne die Brief-
tafche behutsam aus der Seitentasche.
bo", sagte er, nun wird er seine
Lehre huben. Ich gehe einstweilen in
den Speise-Waggon. Wenn er er
wacht, sagen Sie ihm nicht gleich, daß
ich das Geld bei mir habe und im
Speisewagen bin; er soll nur zappeln."
Und nun ging er in den Speisewagen
hinüber. Nach einer halben Stunde
kam man in einer Station an, der
junge Mann erwachte für einige Augen-
blicke, schlief aber sofort wieder ein.
Dann kam die Station Neuhänfel;
hier machten die Zigeuner mit ihrer
obligaten Musik einen solchen Lärm,
daß der junge Mann völlig erwachte.
Er ließ sich ein Glas Bier geben, trank
es aus und erbleichte plötzlich. Er
hatte in die Seitentasche gegriffen:
seine Brieftasche war verschwunden.
Schreckensbleich wendete er sich an seine
Mitreisenden, die aber lächelten blos
und meinten, er werde sein Geld schon
finden. Da er aber ganz aus dem
Häuschen gerieth, erzählten sie ihm,
sein Papa habe einen Scherz gemacht.
er habe das Geld genommen und be-
finde sich im Speisewagen. Mein
Papa?" rief der junge Mann, .der ist
bereits vor 15 Jahren gestorben."
Wie. der ältere Herr war nicht Ihr
Papa?" Um Gotteswillen!" rief der
junge Mann, jetzt erinnere ich mich,
diesen Menschen in Bahnhof-Restau-rant
neben mir gesehen zu haben, als
ich einem Freunde erzählte, daß ich mit
6000 Gulden nach Pest fahre. Er hat
mir die Brieftasche mit deni Gelde ge-
stöhlen." Darauf lief er wie mahn-
sinnig in den Speisewagen, durchsuchte
den ganzen Zug keine Spur von
dem älteren Herrn: .der war bereits in
der Station vor Neuhänfel ausgestie
gen und spurlos mit dem Gelde ver
schwundcn. Der junge Mann erstat
tete in Ncuhünsel sofort die Anzeige bei
der Polizei und die Polizei die sucht
nun den Gemüthlichen Herrn Papa,
der mit seinem Sohne solch kleine
Scherze ausführt.
Wie die Römer applaudlrte.
Daß bei den Besucher,, de altröh
mischen Theaters Beifallskundgebungen
schon üblich waren, ist bekannt. Neu
erdingS ist man bei den Ausgrabungen
in Pompeji Papyrusrollen aufgefun
den. die neben anderen interessanten
Ausschlüssen über das römische Theater
auch Einiges über die Art und Weise
mittheilten, in der man damals seinen
Beifall zu äußern pflegte. Bcmerlciis
werth ist. daß das Theaterpublikain
jener Zeit sich beim Applaudiren an
eine gewisse Methode hielt und nach ge
wissen Abstufungen seine größere oder
geringere Zufriedenheit zu erkennen
gab. War man angenehm berührt
von der Darbietung eines Darstellers,
dann schnalzte man mit dem mittel
fingcr und dem Daumen;, wollte man
den Schauspieler etwas mehr auszcich
nen. dann schlug man mit den ausge
streckten Fingern der linken Hand auf
die der rechten, wodurch etwa ein Ton
wie von an einander gestoßenen irdenen
Geschirren hervorgebracht wurde. Diese
Art des Beifalls führte deshalb auch
den Namen Testae". Eine größere
Gunstbezeigung war es schon, die Hände
flach, nnd eine noch bedeutendere, sie
gewölbt auf einander z schlagen. Die
höchste Auszeichnung aber bestund darin,
daß die Zuschauer einen Zipfel ihrer
Toga gegen den Darsteller schwenkten.
Interessant dabei ist, daß zu diesem
Zweck der Kaiser Aurelian an die nie
dere Klasse des Publikums, die keine
Toga tragen durfte, kleine Stückchen
Tuch austheilen ließ.
Wie daö Bolk spricht.
Diese Unterhaltung gefällt mir!"
lachte Pannecke, da hielt er dem Budiker
sein Glas unter den Bierhahn, und
dieser ließ es volllaufcn.
Det hab' ick dicke!" sagt der Buch
binder, da hatte er so viele Stärke in
den Kleister gerührt, daß sein Quirl
darin feststand.
Du kennst mein Herz noch lange
nicht!" flüsterte der verhungerte Lyriker,
da hatte ein junger Arzt seinen Zustand
auf Herzklappeulähmung diagnostizirt.
Du kannst mir gestohlen werden!"
grinste der dicke Rentier Wudicke, da
nahm er, die fette Gans herein, die
seine Frau der Küble Kälber vor das
Küchenfenster gehängt hatte.
Det stimmt!" meinte Ede zu Lude
im Tbeatcr. da knivtistrn und hebten
die Musikanten ihre Violinsaiten auf
den Grundton hoch.
Im Cirkus.
Hänschen (angesichts eines auf Hän,
den gehenden Akrobaten): Gelt,
Mama, der Mensch führt ein verkehrtes
Dasein?"
widerlegt.
Kaufmann: Halten Sie mich nicht
auf. Zeit ist Geld."
Bettler: Nun. Mn Sie'S 'mal in
die Sparkasse, wenn Sie's können!"
Altmodisch.
Erna: Denke Dir. Laura, für so
altmodisch hätte ich unsere Freundin
Bertha, die Jungvermahlte, nicht ge
halten! Hat sie doch beim Verlassen des
Vaterhaufes Abschiedsthränen geweint."
Im GeschLftseifer.
.... Wird denn das Gift von den
Mäusen auch gern gefressen?"
Na, ich sage Ihnen, mem Junge
hat 'n paar weiße Mäuse die fressen
überhaupt nichts Anderes!"
Kann sein.
A: .Wir wollen in haä R?ftarnt
hier gehen und eine Kleinigkeit essen."
: Aver ich bin gar nicht hungrig."
A: .Das tbut nickt: the ? fii.r
etwas kriegst, wirst Du schon hungrig."
Deutliche Antwort.
Besuch .(arrogant): Sie waren
früher doch 'mal Hausknecht vermis
sen Sie da jetzt nicht manchmal Ihre
alte Beschäftigung?"
Emporkömmling: O nein, es finden
sich nämlich ab und zu Leute bei mir
ein, die ich hinauswerfen kann!"
Ein famoses Zuchthaus.
Gast (aufhorchend, als in der Nähe
die Melodie Weh', daß wir scheiden
müssen" gesungen wird): Was 'ist
denn das für ein Gesangverein?"
Wirth: Ach. das ist der Männer
chor drüben im Zuchthaus da wird
jedenfalls wieder Einer entlassen!" '
Ahnungsvoll.
Förster: Was haben Sie geschossen.
Herr Doktor?"
Sonntagsiäger: Weiß ichs? Er
wird sich schon melden!"
ine vezirfrage.
Wissen Sie, was das Höchste bei
diesem Künstler ist?"
WaS denn?"
Nun. sein Kopfhaar!"
Lcht weiblich.
Warum ist Ihre Frau Gemablin
heute so übler Laune?"
Well ich ihr noch kein einziges Mal
widersprochen habe."
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