Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 18, 1900, Image 10

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in
In trogloser, winterlicher Einsam
Kit lag die große Heide auf der Hoch
fläche be? Gebirges da. leblos, ein
groben Pinselftrichen aus Braun und
Weiß gemaltes Stlmmungsblld todt
traurigen Empfindens. In stumpf
brauner Farbe zeugte sich der kahle,
harte Leid der Fläche; weiß dagegen
waren die Fetzen deS winterlichen Klei
des. daS ihr ein eisiger Wind gleich
einem zerrissenen Bettlergewande über
geworfen hatte. Nur die Falten und
Risse der kümmerlichen Gedirgshöh
verhüllte der Schneefturm. In diesen
Vertiefungen waren die weißen Massen
zusammengetrieben und im-bltterlalten
Jrofthauche zu kandisharten Krusten
verhärtet. Hartherzig strich der Wind
weiter über die Blößen deS erstarrten
ErdenleibeS. Als freue er sich der aän
lichen Wehrlosigkeit deS bescheidenen
pflanzlichen LebenS. daS hier in kurzer
Sommerzeit mühsam gegen seine ftete
Tyrannei ankämpft, fuhr er zischend
durch daS dürre Heidekraut. Er zauste
höhnisch an den emgekru steten starren
Riedhalmen und Grasbüscheln, die wie
todte Fasern einer Bürste hier und da
aufragten, sodatz sie winselnd die sah
len Reiser zusammendrückten. Zwischen
grauen Wolkenballen leuchteten Stück.
chen eines winterblauen Himmels auf.
und für kurze Weile warf der glühende
Sonnenball einen rothen Schimmer
hernieder, der das arme, gequälte Stück
Erdenland, aufleuchten ließ .gleich dem
Antlitz deS Verlassenen, dem unerwav
tet Mitleidige yeiinayme aus einem
Menschenauge entgegenblinkt. Tann
verschwand der Heide das liebevolle,
glänzende Antlitz der Sonnen All
mutter. Ueber ihre rothe Scheibe wuchs
eine schieferblaue, dunkle Wolkenwand
empor, aus deren Spalten an einzelnen
Stellen noch der sinkende Feuerball
hindurchleuchtete wie schwindende Gluth
aus verkühlender Schlackenmasse. Bald
verlosch der rothe Schimmer gänzlich
in blauschwarzer Finsterniß. Wie
Polypenarme schössen, von Sturmwind
getrieben, lange, dunkle Streifen von
der frisch am Horizonte zu Bergeshöhe
auswachsenden Wolkenwand über die
Heide daher. Als der Rand der düstern
Mauer die Höhe erreichte, wirbelte schon
ein unzähliges Heer dichter Schnee
flocken über die Flüche.
Dem alten Wegweiser, der als ein
ziges Zeichen vom Dasein eines Men
fchengefchlechtes in dieser Oede auf
ragte, war solcher urplötzlicher Witte
rungsumschlag nichts Neues, und er
gab deshalb auch kein Zeichen der Sei
wunderung von sich ob der in wüthen
dem Geisterheer die Luft erfüllenden
Flocken, ob der weißen Waffen, die sich
an seinem Fuße aufthürmten, im
Windstöße zerstoben, um sich abermals
aufzuthürmen und die hier kreuzenden
spärlichen Wegspuren zu verwischen.
Ein wunderlicher Wegweiser war es,
der sonderbarste wohl unter den Ein
siedlern seines Geschlechtes. Drei Arme
streckte er aus vierkantigem Eichen
rümpfe von sich, aber auf keinem der
selben war eine Ortsbezeichnung zu,
entdecken. Worllos reckte er den einen'
Flügel nach Nordwesten, den andern
nach Südwesten und den dritten nach
Osten, dahin, wo ein liebliches und bt
votiertes Thal, tief einqe cynillen in
die Höben des Gebirges, dahinzieht
Vielleicht hatten die Aufsteller des eitv
samen WciserS eine Ortsbezeichnung
für überflüssig gehalten und hielten
dessen Pflichten im Andeuten der Him
melsrichtungen genügend erfüllt.
Uebrigens war es dem alten, hölzernen
Eremiten dieser Wüste feiten vorgckom
men, baß ein Meti cyennno vei einem
Schneetreiben, wie heute, seiner It
scheidenen Dienste bedürfte, und fo er
staunte er auch nicht wenig, als er im
scheidenden Lichte des Tages von Nord
osten her aus den, brandenden Meere
wirbelnder Flocken eine menschliche Ge
ftalt auftauchen und auf sich zuschreiten
sah. Es war ein kleiner, untersetzter.
älterer Mann mit winterrothem, hart
losem Gesicht, das ein über der vev
schossenen Kappe zusammengebundenes
noch rötheres Tuch umrahmte. Ein
verschlossener Ueberzieher. augenfchew
lich zu eng. um durch Zuknöpfen um
den rundlichen Leib zu einer allseitig
umschließenden Winterhülle geschloffen
werden zu können, umflatterte ihn mit
heftig schlagenden Flügeln. Die kurzen
Beine, welche wacker durch die stiebende
Schneeschicht stampften, steckten in
Hosen, die Bindfäden über den Schuhen
znsammenschnürten. Am linken Arme
des Mannes hing ein von zerknittertem
Wachstuch überdeckter flacher Korb
Warf der Wind einen Zipfel des
Tuches auf, so konnte man unschwer
einige Apfelsinen und ein Päckchen
Bücklinge als Inhalt des Behälters ev
kennen.
Der Mann rastete einen Augenblick
am Wegweiser und blickte mit dein m
sichtsausdruck eines Menschen, der er
freut ist, seine Muthmaßungen erfüllt
zu sehen, rückwärts; dann schritt er ,n
der Richtung des ostwärts zeigenden
Armes rüstig und eilfertig in den wil
den Flockenreigen hinein.
Kaum hatte er zwanzig Schritte zu
riickgelegt, als er hinter sich einen Ruf
vernahm. Angenehm überrascht blieb
er stehen und sah von Südosten her
aus dem weißen Gewoge einen andern
Wanderer herankommen. Auch der
Wegweiser freute sich ob des unter die
sen Umständen und an dieser Stätte
seltsamen Zusammentreffens zweier!
demselben Ziele zustrebender Menschen.
denn Mitgefühl und freundliche Theile
nähme waren ihm in langjährigem.
hartem Dienste für daS Wohl einsamer
Wanderer zur zweiten Natur geworden
Ader eine unglaubliche Enttäuschung
sollte er an diesem wüsten Wintertage
erleben. Kaum hatte der erste Wan
derer den zweiten recht erblickt, die ihm
selb täuschend ähnliche Geftnlt deS
Herannahenden, feine alte Lodenjoppe.
die Mütze mit den Ohrenlappen, die ein
ebenfalls rundliches, rothes Gesicht um
schloß, so deutlich wahrgenommen, datz
kein Zweifel an dieser Persönlichkeit
für ihn mehr möglich war, als er haftig
seitwärts vom bisherigen Wege abbog,
um auf einem eben noch erkennbaren
Nebenpfade mit verdoppelten Schritten
weiter durch den Schnee zu stampfen.
Auch auf dem Gesichte deS zweiten
Winterreisenden malten sich Verdruß
und ärgerliche Enttäuschung bei diesem
Zusammentreffen. Wie der andere
linkS so bog er weiterschreitend rechts
ab, augenscheinlich bestrebt, einen mög
lichst großen Zwischenraum zwischen sich
und dem unliebsamen Wandergenoffen
zu schaffen.
In starrem Staunen und irr an sei
ner bisherigen Welterfahrung sah der
alte Eremit die beiden Männer m
strahlenförmig auseinander laufenden.
vom Sturme rasch verwehten Spuren
durch den Schnee treten nnd deS einen
hellen Korb, des andern aus einem
Rucksack aufragendes Pfeifenbündel im
weißen Geschiebe verschwinden. Die
beiden Hausirer waren Brüder. Zivil
linge sogar, aber bittere, langjährige
Feinde. So bekannt und populär ihre
Perönlichkeiten im weitesten Umkreise
waren wegen ihrer vergnüglichen,
originellen Lebensaußerungen, so tra
ditionell und bekannt war auch die
Thatsache ihrer unversöhnlichen Feind
chaft. Wenige Leute konnten sich ent
sinnen, Fritz und Wilhelm, wie man
die alten Junggesellen kurzweg nannte
anders denn als Gegner gekannt zu
haben, und wer es konnte, vergaß dies
gern, denn es war gar zu erheiternd.
den Zorn Wilhelms zu sehen, wenn
man ihn bei Gelegenheit eines kleinen
Handels um Kohlköpfe gegen Fritz auf
hetzte, um dann bei nächster Gelegen
heit, wenn Fritz mit seinem ambulan
ten Pfeifenkram erschien, deffen e
chimpfe gegen den Bruder zu verneh
men. Warum beide naz o gram waren.
wußte kaum jemand zu sagen, und das
Forschen nach dem Grunde erschien auch
jedermann überflüssig angesichts der
angenehmen Zerstreuung, welche die
Feindschaft des Bruderspaares jähr
aus. jahrein der Gegend bot. Schade
war es, daß an jenem Tage der Schnee
urm dem alten Wegmei er die ge
wohnte Weitsicht verdarb, er hätte
onst ein lustiges Schauspiel genießen
önnen. wie es ihm in feiner sonst leg
licher angenehmen Zerstreuung baren
Existenz von Herzen zu gönnen gewesen
wäre.
An einer Gruppe dunkler Wacholder
büsche, die unter ihrer Schneelast gleich
den Steinen eines vergessenen Fried'
Hofes aufragten, trafen Fritz und Wil
Helm zum zweiten Mal aufeinander.
Jeden von beiden hatten die Er
wägung, daß der Nebenpfad nur un
sichere Gewähr für glückliche Erreichung
des im Thale liegenden Heimathsortes
biete, und die Hoffnung, den verhaßten
Doppelgänger abseits zu sehen, wieder
auf den Hauptpfad getrieben, deffen
Spur in einem Rahmen niedriger
Böschungen unter den anwachsenden
Schneewehen noch am besten erkennbar
blieb.
Mit einem Grunzlaut unterdrückten
Aergers begrüßten sich beide und
stampften dann wortlos hintereinander
weiter in die in der Luft hin und her
wogenden und auf dem Boden über
einander fluthenden Schneemassen hin
ein.
. Wohl eine Viertelstunde lang
herrschte in beider Köpfen neben dem
Grimm über den hämischen Zufall und
die Noth der Stunde, die sie zusam
menzwangeik, dieselbe Meinung über
die einzuschlagende Wegrichtung, und
sie folgten den immer undeutlicher wer
denden Spuren des Pfades mit der
Sicherheit alter Heide und Landläu
fer. Da, wo verkrüppeltes Kieferge
büfch links und rechts auftauchte, ent
stand in deS vorauffchreitenden Wil
Helm Seele eine falsche Idee über den
Weitergang deS Pfades. Ein besonders
hoher Busch führte ihn irre und ließ
ihn abermals links abweichen.-
Anfangs verursachte dem nachfolgen
den Fritz die falsche Wegrichtung' des
Bruders ungemischte Freude, dann
aber, als er sah, wie der andere immer
weiter abirrte, mischte sich ein Gefühl
der Unruhe in diese. Wilhelm durfte
nicht so weiterschreiten, sonst lief er Ge
fahr, jede Orientirung zu verlieren und
vielleicht elend umzukommen. Eine
Weile kämpfte es heftig in seiner
Brust; als er aber die Gestalt des
Bruders ganz im Schneewirbel seit
wärts verschwinden sah. fuhr ein heise
rer Zuruf aus seiner Kehle.
Du gehst falsch, rief er, rechts ist der
Weg!
Der andere stutzte, denn ihm war seine
Richtung mittlerweile auch verdächtig
erschienen. Erschreckt, verwirrt über
den Ton der lange nicht mehr der-
nommenen (stimme, yieit er einen
Augenblick an. Tann bog er langsam
nach rechts ad. Wieder stampften ge
räume Zeit die Brüder schweigend hin
tereinander durch die auflaufenden
Schneewehen. Ihr Athem ging müh
sam, Schweißtropfen rannten von ihrer !
Stirn, und der im pfeifenden Sturm
antreibende Flockenwirbel blendete ihre
Augen, sodaß sie kaum aufzuschauen
vermochten. Mit gesenktem Kopfe lug
ten sie abwärts nach den nur noch ver
emzelt an tiefen Radgeleifen erkenn
baren Weafpuren. 13 nach emer
weitern Viertelstunde der voraufschreil
tende Wilhelm, vom jagenden Blut in
seinen Schläfen gezwungen, für einen
Augenblick hinter einer schützenden
Kiefer rastete und einen scheuen Blick
hinter sich warf, war Bruder, Fritz btx-
schwunden. spurlos und lautlos, als sei
er zugedeckt worden von einer heimtückl
schen Schneewehe.
Eisiger Schrecken rann durch des
HausirerS Gebein. Angst zunächst um
sich, dem der Tod deS im Schnee ver
irrten Wanderers, den, wie halbver
sunkene Kreuze verriethen, schon man
cher auf dieser Heide gestorben war, vor
die schaudernde Seele trat, dann aber
auch Angst um den Bruder, für welchen
sich nach ienem Ruf em nicht nieder
kümpfbares. brüderliches Empfinden
regte. Aufgeregt stand er einige Mmu
ten angewurzelt am selben Flecke.
Dann rief er: Fritz. Fritz:
Kein Laut, als das Geheul deS Win
deS und der leise singende Ton aus
laufender Schneemaffen antwortete. Er
rief abermals und stampfte zurück, neue
Spuren aufwühlend, wo der Sturm
die vorherigen soeben zu blendender
Fläche geglättet hatte.
Vielleicht war Fritz vom rechten Wege
abgewichen, irregeführt von den hier
in regellosen Gruppen zerstreuten Bäu
men. Eilfertig bahnte er wieder nach
vorne einen Weg, athemlos, taufend
und fallend. Die dürftige Waare fei
nes Korde? verminderte sich bei jedem
nenen Sturze. Die Apelsinen glänzten
einen Augenblick orangefarbig auf
weißem Grunde, um im nächsten unter
dem wüthenden Gleichmacher Schnee zu
verschwinden. Er achtete ihrer nicht, er
stürmte weiter, bis er eine kleine Atv
höhe erreichte, die sanft gegen den Rand
der Heide aufstieg. Hier stemmte er
den Rücken gegen die Sturmrichtung
und Fritz, Fritz! erscholl abermals sein
leidenschaftliches Rufen.
Gespannt, zitternd vor Aufregung
und Erschöpfung lauschte er. Da, war
es nicht, als trage der stürm, welcher
abwechselnd die niedergebeugten Baum
zweige mit Schnee oeiud und sie mit
zischendem Laut abkehrte, den Ton
einer menschlichen Stimme von links
herzu?
Fritz! Fritz! Wilhelm! erscholl es
vernehmlich, wenn auch gedänipft vom
Schneeflaum von der Seite her.
Wilhelm warf den Korb zu Boden
und stürzte durch die Baumgruppe.
Unten, in tiefer schneemulde steckte
der Verlorene. Gott sei Dank! kam es
von seinen bleichen Lippen. Ich hatte
den Weg verloren und wäre in der Irre
umgekommen, wenn du nicht gerufen
hättest. Mühsam, von Wilhelm unter
stützt, kletterte er aus der Masse hervor,
die er, nach verzweifeltem Unterlaufen
zu Tode erlchöpft. on giauore aiä
sein Grab betrachten zu müssen.
So. sprach Wilhelm, als sie den
Korb wieder erreicht hatten, jetzt sind
wir nahezu geborgen. Nach kurzer Frist
erreichen wir. wenn wir den Weg an
den Kiefern vorbei richtig einhalten
den Fichtenwald, der zu unserm Torfe
hmabzieht.
In der Seele des geretteten Fritz
wogten und wirbelten die Gedanken
wie vor seinen umflorten Blicken die
Flocken. Er mußte und wollte dem
Bruder danken, das stand bei ihm fest.
Aber er war der Bedächtigere, der Lang
samere von beiden. Es war ihm noch,
als müffe er sich freundlicher Worte nach
fo langem Zwange schämen. So schritt
er befangen, verwirrt, mit wankenden
Knieen weiter in den Spuren, die Wil
Helms Fuß aufwühlte.
Endlich war der Wald erreicht; ein
fast schneefreier, steiler Pfad fiel hier
zwischen den schützenden Wänden hoher
Fichten abwärts. Mit einem Seufzer
der Erleichterung begannen die er
schöpften Männer hinunterzusteigen.
Aus dem halben Wege, da wo 'der
Schneefturm nur noch die Wipfel der
Tannen bewegte, und die Flocken ruhig
und kraftlos herniedersanken, blieb Fritz
entschlo len stehen. Wilhelm, sagte er,
weißt du. wann wir diesen Weg zum
letzten Mal zusammengingen k
Des anderen Gericht verdüsterte sich.
Ich weiß es. sprach er rauh, es war vor
nahezu dreißig Jahren, damals als wir
zur Werkerscheider Kirmetz zogen, wo
du mir mein Mädchen abspenstig mach
teft und mit ihr später über die Heide
nach Hause gingst. An diesem Tage
nel auch Schnee, der erste im Herbst
Das stimmt, sprach Fritz, nur bin ich
nicht, sondern du bist mit Anna nach
Hau e gegangen.
Ich? Du warst es. habe ich doch euch
beide gesehen vom 'cedenpsad aus, den
ich einschlug.
Bei Gott im Himmel, sprach Fritz
feierlich, ich bade wohl mit dem Mäd
chen gescherzt, aber ich dachte nicht da
ran, sie dir abspenstig zu machen, und
habe sie auch nicht nach Hause begleitet.
Eine Pause wortlosen Erstaunens
folgte.
Tann überkam es Wilhelm wie
plötzliche Erleuchtung. So war es nie-
mand anders als Heckenkarl, der sie ja
auch heirathete, schrie er. Der Tauge
nichts hat uns beide im falschen Elau
den bestärkt, und er ist's gewesen, den
wir im ungewiffen Licht des Schnee
Wetters mit Anna über die Heide gehen
sahen. Er hat fo ungefähr unsere
Statur.
So sind wir beide damals zum Nar
ren gehalten worden und auch Narren
geblieben dreißig Jahre lang, sagte
nritz langsam und beschämt.
Wahrhaftig, rief aufgeregt Wilhelm.
all un ere Fctnd chaft ist Narrercl ge
Wesen. Wie ehedem von dem Schlingel
dem Hcckenkarl haben wir uns später
von jedem alten Weib und jedem hümi
schen Witzbold aufstacheln und gegen
einander Hetzen lassen. Unser schönes
Häuschen haben wir sammt Aeckern und
Wiesen verpachtet und sind auf erdärm
lichem Handel einsam über die Dörfer
geschlendert.
Thränen der Scham und des AcrgerS
standen in seinen alten Augen. Auch
in FritzenS Augcn Zlänzte es; er wollte
etwas sprechen, aber die Worte würgten
seine Kehle. Der lebhafte Wilhelm
überhob ihn der Mühe, stürmisch siel er
ihm um den Hals.
Wenn daS unsere Mutter sähe, sagte
Friß leise.
:ie sieht es. zubelte Wilhelm. Tann
bückte er sich und warf übermüthig den
Rest der Apfelsinen und Bücklinge den
hohen Tannen als seltsame Früchte zu
Der Handel hört letzt auf und auch
dieser!
Er riß die langen Pfeifen aus seinem
Ruckfack, um sie am nächsten Stamm
entzwei zu schlagen.
Nein, thue es nicht, sie sind zu theuer.
wehrte der besonnenere Fritz. Ich habe
einmal von Indianern gelesen, die
rauchen Friedenspfeifen. DaS thun wir
auch heute Abend. Wir zünden uns
jeder eine von den Langen an und gehen
zusammen in die Post zum Bier. Die
Gesichter!
Hahaha! lachte Wilhelm, ia. das
thun wir. Komm, Bruder, rasch nach
Hause:
Er hing nch an Fritzens Arm und so
durchbrachen sie singend und laufend
die letzte Schneewehe, die vor dem Wal
desrand aufgeschichtet lag. wo man aus
dem Thale einen spitzen Kirchthurm
aufragen und helle Lichter glänzen sah
Hengel, als Schnitzler und schienen sich
ganz dem Genuffe deS Glimmstengels
hinzugeben. Minna räumte den Tisch
ab und tackelte fcrnn Sckmikler freund
lich zu. Und das mußte man ihr laffen.
sie war ein niedliches hübsche? Ding,
frisch und rosig.
Auch da? Tilchavraumen nahm ein
Ende und nun waren die Herren ganz
allein.
Wie aber Herr Hengel noch nach einer
paffenden Einleitung suchte, begann
Beniamin plötzlich:
.Herr Hengel, ich kenne Sie a erst
kurze Zeit und Sie mich auch nicht lau
ger. Da ist eS eigentlich unbescheiden
von mir, wenn ich Sie heute schon um
etwas bitte."
TaS ist ja günstig. Der Mann
kommt ihm ja auf halbem Wege ent
gegen. Und Papa Hengel schmunzelte
Es war die Andere.
Humoristische Skizze von Fr. Kurz Elsheim.
Der Tisch stand fertig gedeckt. Minna
in der Küche fürchtete schon, das Essen
wurde verderben, da. kam endlich der
lang Ersehnte, heiteren und lächelnden
Angesichtes, küßte der alten Dame des
Hauses und deren Tochter galant die
Hand und tauschte mit dem Herrn ei-
nen warmen Händedruck.
Und wie er es sich schmecken ließ
Lauter Leibgerichte für ihn kamen auf
die Tafel, und immer fröhlicher und
aufgeräumter wurde er. machte der
Tochter die schönsten Komplimente und
bemerkte gar nicht, wie die Mutter die
scr aufmunternd zunickte
Ach so. Der Gast ist Herr Benjamin
Schnitzler. der die angenehme Proses
ston hat. Rentier zu sein, trotzdem er
erst ausgangs der Tremiger steht,
Trotzdem und gerade deshalb galt er
lebenslustig war er, niemals ein Sprn
verderbcr als gute Parthie und man
ches Mägdlein in dem Städtchen, das
die Ehre hatte. Herrn Schnitzler zu be
Herbergen, hätte ihn gerne genommen,
ihn sammt seinen Tausenden. Aber
Beniamin war wählerisch anscheinend.
denn bisher hatte er jeden Sturm au
seine Junggesellenschaft abgewiesen.
Auch die hxan Ratbsfchreiber der
Kurze halber ließ sie sich immer Frau
Rath tituliren hatte sich ihm gegen
über gar zu gern in die Rolle der
Schwiegermutter hinein versetzt. Denn
Frau Hengel hatte eine Tochter. Seit-
chen, die schon stark auf die 25 zuging,
immerhin aber als hübsch gelten konnte
Und wenn man auch gerade nicht auf
den Pfennig sehen mußte, ein Rentier
als Schwiegersohn ist doch jedenfalls
angenehmer als ein armer Teufel, der
von derHand in denMund hinein leben
muß.
sencyen yaire eoenfaus an errn
Schnißler nichts auszusetzen und da
man ihn auf einem Ball kennen gelernt,
lud man ihn zum Besuche ein, dann
zum Mittagellen und abermals zum
Mliragenen und o fort, m ist ja
manchmal eine sehr beliebte Methode
sich einen Bräutigam heranzufüttern,
die auch schon leicht zum Ziele führt.
wenn der kommende Ehcherr ein Gour-
mand ist.
Und das war Beniamin . .
Man hatte sich vor dem
von ihm unterhalten und
Mama Hengel gemeint, er
doch schon so oft bei ihnen gespeist, hatte
schon so oft in die dunklen Augen Seit
chens geschaut und unbedingt merken
müssen, daß sie gerne Frau Schnißler
würde, daß er unbedingt nun die Ein
ladunqen ausschlagcn oder als anstän
diqcr Mensch sich erklaren müsse.
Na, ich will ihm heut mal ein wenig
auf den Zahn fühlen. Wir müssen
chon mal einen schwereren Wein her
anholcn, hatte Papa Hengel gesagt.
Wenn er nicht locker wird, dann soll
er zu Hause bleiben, denn solche Menüs
rulniren schließlich meine m))t."
Und nun war man bei dem schwere-
ren Wem angekommen, schnitzier
hatte die Kochkunst des gnädigen Frau
leins denn sie gab sich als die Ver
sertigcrin des Menüs aus in jeglicher
Weise in den Himmel gehoben. Die
errcn zündeten sich eine Eigarre an
und die Damen zogen sich unauffällig
zurück.
Das Zahnfuhlen konnte jetzt los-
gehen.
Vorerst aber schwiegen beide, sowohl
Aber bin ich denn so ein Unmensch.
Herr Schnitzler?"
O. im Gegentheil beeilte der sich
zu versichern.
Na also. Frisch von der Leber
weg, wie eS deutschen Männern ge
ziemt."
Nun, unbescheiden bleibt es doch
immerhin. Ich habe schon so oft Ihre
Gastfreundschaft genossen und das trägt
ja eigentlich die Schuld daran. ' Für
ein gutes Essen schwärme ich nun ein
mal. Es ist nun mal eine Passton von
mir.
Garnicht so schlimm." unterbrach
ihn Hengel. Lieber gut essen als zu
viel trinken.
Sehen Sie. da haben Sie Recht.
Ich glaube, wir verstehen uns schon.
Und wenn man sich dann vergegenwär
tigt, waS man oft in den Restaurants
speist, wenn man bei Ihnen solch glück
liches Familienleben sieht, dann wird's
mir oft so wehmüthig umS Herz. Gute
Beispiele ziehen an. Und Sie wissen.
ich kann eine Frau ernähren, ich bin
auch immer noch ein ganz passabler
Mensch, hab noch nicht mal nen An
flug zur Glatze. Kurzum, ich möchte
mir ein eigenes Heim gründen, möchte
auch mein liebes Weidchen haben, das
mir ein kleines Paradies schafft und
dann: Meine Wahl habe ich ctroffcn.
Und Sie sollen mir nur ein wenig be
hülflich sein."
Da hatte er ja endlich um die Hand
seiner Einzigen angehalten. Zwar ein
wenig umschweiflich. Aber das machte
nichts. Das Vaterherz schlug höber.
Er sprang sogar auf und rief freudig:
I. das versteht ich. Wir kennen
Sie als Ehrenmann; Sie sollen sie ha
den."
Aber ich hab doch noch aar keinen
Namen genannt," warf Benjamin ver
dutzt ein.
Als ob das nöthig ist. da ich doch
nur eine Tochter habe."
Ja, aber, um Ihre Tochter handelt
es sich ja gar nicht. Ich wollte Sie
nur gebeten haben. Ihre Köchin sofort
zu entlassen. Das Kind ist zwar arm,
aber hübsch und adrett und kochen kann
sie, das hab' ich ja oft genug bei Ihnen
gemerkt, und eben, bevor ich eintrat.
habe ich mich mit ihr verlobt."
sie mit meiner Köchin?"
Papa Hengel glaubte ihn rührte der
Schlag. Tann aber faßte er sich so
fort wieder und grawlirte mit sülz
saurer Miene.
Und draußen vor der Tbür war
Fräulein Settchen in Ohnmacht ge
fallen- und ihre Mutter hatte Mühe,
vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt
zu bleiben.
Herr Benjamin schnidler ist von ihr
nie mehr eingeladen worden.
Rekruten der A. B. .-5chützen.
Beobachlungen eincs Lehrers. Von K. V.
Zssen noch
da hatte
hätte jetzt
Die Herbstferien hatten ihr Ende er-
reicht. Tie Straßen zeigten gegen 7t
Uhr Morgens wieder das alte Bild.
Tie liebe Schuljugend eilte zur Arbeit
stätte.
Als Lehrer der Kleinen interessirten
mich besonders diejenigen Kinder,
welche !mit dem neuen Schulranzen auf
dem Rücken an der führenden Hand der
Mutter oder geleitet von Bruder oder
Schwester dem rothen Hause zuwander
ten. Im untersten Korridor desselben
warteten schon viele meiner Ankunft.
Meinen guten Morgen" erwiderten
nur die erwachsenen Begleiter, die Neu
linge sahen mich meistens fragend an
Tie kleinen Trabanten erhielten bald
ihre Plätze. Ich mußte sie fast einzeln
an der Hand nehmen und auf die Bank
setzen. Ick will neben Nitschkes Fritzen
sitzen," ruft ein drolliger Knirps
Gut. das sollst Tu haben!" Hier
nennt mich einer Onkel", dort Herr
Lehrer", dort bildet wieder das vertrau
liche Tu" die kurze Anrede.
Tie Eltern und die sonstigen Be-
gleitcr wurden mit der Bitte entlassen.
die Kleinen nach zwei Stunden wieder
abholen zu wollen. Mutter, laß Tir
nicb überfahren." schreit ein kleiner
dicker Bcngcl, besorgt um das Wohl
seiner Mutter, durch die Klasse; dem
blassen, schwächlichen Nachbar rollen
dicke Thränen über die Wangen, als er
seine erwachsene Schwester zur Thür
hinausgehen sieht. Er ist nicht allein
so wehmüthig gestimmt. Mein Auge
erblickt hier und da manchen Leidcnsge-
fährten von ihm. Ein ermunterndes
Wort und das Versprechen, daß wir
Alle bald wieder nach Hause gehen wer
den, läßt die trüben Mienen in kurzer
Frist verändert erscheinen.
c-i.CA ri fc.xin 7j . .
cuyi uuj: C0i viuiy; cgfu i
zchn bis zwölf Mal ist es von der gan
zen Klasse geübt worden, und wenn
beim Aufstehen 02. mal 2 kleine Füß.
chen die Dielen stampfen, daß c? nur fo
kracht", so lacht die ganze Gesellschaft.
Sie freut sich aber auch, wenn sie der
Aufforderung, das Aufstehen und Setzen
recht leise vorzunehmen, nachkommen
kann. Plötzlich bleibt der eine Junge
beim Kommando aufstehen" sitzen.
Nach dem Grunde seines Verhaltens ge
fragt, erwidert er in ernstem Tone:
Ick derf nich fo ribbeln, die Mutter
hat jefacht: Ich habe de neien Hosen
an." Ich belehrte ihn, daß die neuen
Hosen nicht gleich zerreißen würden;
aber für heute schien er der Mutter
Wort mehr zu respcktircn. als das des
LehrerS; er behielt fein gesetzte? Wesen"
bei.
Während dieses Dialogs hatte ich die
Anderen etwas auS dem Auge gelassen.
Tie kurze spanne Zeit genügte, daß
ein Schwarzkopf feinen Vordermann
bei den Haaren faßte und sie gehörig
zerzauste. Der schüchterne Lockenkopf
ließ es sich ruhig gefallen, wehrte sich
nicht, sondern behielt die kleinen Händ
chen gefaltet. Tet iS Etammnitzen'S
Paul, der macht'S immer fo, Herr
Lehrer, mir hat er ooch schon 'mal ver
wichst." schreit da Einer dazwischen.
Ter kleine Uebclthäter ließ sein Opfer
los und sah mich an. als ob er noch
eine Belohnung für seinen Streich er
warte.
Ick wer man immer anfangen.
meine Stulle zu essen," ruft eS dicht
vor mir. zwee jroße Scheiben Wurst
hab ick druff." An wen die Worte ae
richtet fein sollten, weiß ich nichts ES
war ein Monolog. Dabei entrollt der
drollige Stift, der kaum über den Tisch
sehen kann, einem Zcitunasvavicre eine
ziemlich große Stulle, klappt sie auf
uno jieai zuern eine Wurstscheibe in den
Mund. Tie fettigen Finger wischt er
an seiner Jacke ab. Nachher essen wir
alle unser Frühstück, lieber Junge, leg'
es nur jetzt fort." Willig entsprach
der 'Kleine meiner Bitte, nachdem er
noch schnell die zweite Wurstscheibe dem
Ministerium des Innern" einverleibt
hatte.
Im Laufe der Unterhaltung fragte
ich meine Schutzbefohlenen, was sie wohl
einmal werden möchten. Einer meinte:
Ick wer', was mein Vater is!" WaS
ist denn Dein Vater?" Tet wceß ick
noch nich!"
Als die Kinder zur Pause nach dein
Schulhofc geführt werden sollten und
die Jungen ermahnt wurden, auf der
Treppe leise zu gehen und auf den Kor
ridoren nicht zu sprechen, fragte, durch
meine Worte eingeschüchtert, ein kleiner
Page: Herr Lehrer, husten derken
wir woll denn ooch nich?"
Nach der Pause wurde aesunaen. Alle
machten lange Hälse, als ich den Geigen
kästen auf den Tisch stellte und die
Violine herausholte. Eene Zeige!"
Zwei Stunden waren bald vergan
gen und durch's Fenster hindurch er
blickte ich schon einige Mütter, die auf
Empfangnahme ihrer Lieblinae war
teten. Morgen kommt br um acht
Uhr wieder!" Ein einstimmiges Ja!"
hallt durch die Klasse, zeugnitzgebend
von dem guten Willen der Jungen.
Schularbecten ham wir woll noch nich
uff!" Nein, das kommt später!" Mit
Handschlag nimmt die kleine Garde
Abschied.
in altes amerikanisches Haus
thier.
Nachrichten von einem geheimnißvol
len großen Thiere liefen vor einiger
Zeit durch die Tagesblätter. In Pata
gonien sollte es unterirdisch leben, und
man sei ihm bereits auf der Spur.
Etwas ist an dieser Geschichte nun doch
wahr. Ter deutsche Geoeloge R. Hau
thal in La Plata. Chef-Geoloae des
dortigen Museums, bringt jetzt einen
darauf bezüglichen, hochwichtigen Be
richt, welcher im Globus" erschienen
ist. Er hat Stücke deS Felles eincs
bisher ganz unbekannten Tbieres ae-
funden, das zu den Zahnlosen gehörte,
so groß wie ein Ochse war und von den
Indianern PatazonienS als Hausthier
gehalten wurde. Die Funde stammen
aus einer arokcn Söble bei Ultimo
Esperanza in Südwest-Patagouien, die
von Hauthal ausgegraben wurde. Er
fand dort nicht nur Fcllstücke, Haare,
Schädel u. f. w. des Thieres, sondern
auch menschliche Geräthe, Knochenpfrie
men u. f. w., die in seiner Abhandlung
abgebildet werden. Das Thier hat
von dem Paläontologen S. Roth in
La Plata den Namen grypotlierium
domesticum erhalten. Er dürfte schon
vor 300 oder 400 Jahren gänzlich aus
gestorben sein. Um fo wichtiger sind
Hauthals Forschungen, da sie uns mit
einem neuen, nun ' untergegegangenen
Hausthiere Amerikas bekannt mächen.-
Der Tod des Todten Meeres.
Nach den neuesten Nachrichten soll
das Wasser im Todten Meere stärk im
Schwinden begriffen sein. Der See.
der schon ohnedies bereits den stärksten
Salzgehalt besaß, der irgendwo auf der
Erde beobachtet worden ist, erhält das
süße Waffer vom Jordan und einigen
anderen kleineren Flüffen. Da nun
das Waffer dieser Flüffe für Bewässe
rmigszwecke stark in Anspruch genom
men wird, so nimmt der Wasserzufluß
zum Todten Meere natürlich ent
sprechend ab, und bei der starken Ver
dunstung, die in jenen Gegenden -herrscht,
ist das Wasser bereits so weit
vermindert, daß der See schon jetzt wie
ein Lager von trockenem Salz aussieht.