Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 21, 1899, Image 9

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    Du letzt.' FKsäv'.
V
?Iovtllklle von i'harlei .lev. .luisri
silik Ntber'ktzunq ron i:!ilb. ! hat.
ch war elf bis zwölf Jahre alt. ali
mir gegen Ende Oktober der Chevalier
von Mauville, ein OjroMiuiibbesititr,
dessen Notar mein Vater war. die Cch
enoicZ. mich aus eine Woche zu sich aus
sein Schloß zu laden. Ich reiste wider
willig ad; erstens, weil mir die Woh
nung des Chevaliers, eine duftere Burg
aus altem Granit, die von kleinen
Thürmchcn flankirt wurde, als ein recht
unheimlicher Aufenthalt erschien, dann
auch, weil der Chevalier, ein großer
Mensch mit rauher Sprache und hellen,
bösartig funkelnden Augen, mir noch
größere Furcht einflößte als das Schloß,
in dem er in scheuer Zurückgezogenheit
lebte. Ich hatte ihn in der That stets
nur bei Tisch oder auf der Jagd ge
sehen, wo er wie ein Menschenfresser aß
und trank, seine Ticner ausschimpfte,
auf die Hasen fluchte und seine Hunde
peitschte. Wenn mir das Schloß auf
den ersten Eindruck so unheimlich er
schien, wie ich eS erwartet hatte, so tuet
dagegen der Empfang von Seiten des
Herrn von Mauville weit herzlicher,
als ich zu hoffen gewagt. "
Tie ersten Tage, die mir noch etwas
eintönig vorkamen, gingen ohne den
geringsten Zwischenfall vorüber. Ter
Chevalier jagte, frühstückte dann, jagte
wieder, binirte dann, doch ohne seine
Hunde allzu sehr zu prügeln und seine
Diener allzu sehr zu beschimpfen. Es
versteht sich von selbst, daß ich ihn über
. allhin und die ganze Zeit über beglei
tete. Meine ausnehmende Klugheit in
der Handhabung der Feuerwaffen,
meine absolute Ünkcnntniß der Jagd
ausdrücke lieferten ihm hundertmal
täglich die Gelegenheit, mir eine Lei
tion zu halten uud mich durch Wissen
zu blenden. Seine geschmeichelte Eitel
teil unterstützte seine Fröhlichkeit, und
Abends, wenn die Tafel abgedeckt war,
schliefen wir beide zu gleicher Zeit ein;
wir lagen jeder in einem jener großen
Fauteuils mit alterthümlicher Tapisse.
rie, die an jeder Seite des mit Säulen
geschmückten Kamins standen.
Am Tage vor meiner Abreise sprach
der Chevalier davon, mich noch da be
halten zu wollen. Obwohl der Anseilt
halt mir weniger peinlich gewesen war,
al ich erwartet hatte, so wollte ich doch
n' hts davon hören. Ein letzter stür
v ,scher Regentag, der so kalt war. daß
i in Feuer anzünden mußte, hielt uns
)thgedrunqen in den ungeheuren und
iisamen Sälen des Schlosses zurück,
and mein Heimweg erwachte schnell
auf's Neue. Ich erklärte lebhast Herrn
Mauville, daß ich wünschte, die Meinen
wiederzusehen, und daß er mich ver
, pflichten würde, wenn er mich nicht zu
rückhielt. Es kam zwar nicht sofort in
seinen Manieren zum Borschein, aber
ich errieth doch, daß er sich verlebt fühlte.
Dieser Grobian war empfindlich. Nach
dem der Wirth all' seinen Leuten cie
Erlaubniß gegeben, sich schlafen zu le
gen, blieb er sitzen und trank mehr, als
Mhm zuträglich war. und je weniger
leicht er seine Zunge zu meistern ver
mochte, desto heftiger verrieth sich sein
Groll gegen mich in lebhaften Beiner
Zungen. Er begann mir von der Ab
geschiedenheit und Einsamkeit seines
Schlosses zu erzählen, dann sprach er
von dem Halbdunkel des großen Saa
les, in dem wir allein an der Tafel
sitzen geblieben waren. Endlich machte
er auf die späte Stunde aufmerksam
und beschrieb die tiefe Einsamkeit des
Waldes, in der eben die Stürme heul
ten und die Eulen düster krächzten.
Ich verlor augenscheinlich die schöne
Farbe ein wenig, die mir der Wein
verliehen hatte, und bald konnte ich ei-;
nen leisen Schauder nicht unterdrücken,
dem bald ein zweiter und noch zehn an
dere folgten. Und je mehr ich unwill
kürlich die Verwirrung blicken ließ, die
mir die graulichen Erzählungen meines
Wirthes verursachten, desto deutlicher
sah ich, wie. entweder aus wahrem Ver
gnügen über meine Furcht oder als
Resultat seines allzueifrigen Trinkens,
seine hellen Augen in boshafter Freude
aufleuchteten.
He, he. mein junger Freund, Sie
scheinen sich unbehaglich zu fühlen."
bemerkte der Chevalier ohne das ge
ringste Mitleid. Trinken Sie doch
noch ein bischen von diesem leichten
Burgunder; das wird Ihnen wieder
Herz und Farbe geben!"
Ich nahm an. denn ich mußte mir
wirklich etwas Muth machen. Dann
lobte ich, um ihn von seinen gräßlichen
Spukgeschichten abzubringen, seinen
Burgunder in auffälliger Weise. Doch
Ich glaube, der Chevalier, der diese
kleine List durchschaute, ließ sich dadurch
von seinem Thema nicht abbringen,
.und ob er mich nun noch tüchtiger
myftifiziren wollte, oder ob wirklich eine
tragische Erinnerung ihm durch den
Kopf schoß, jedenfalls wurde er plötzlich
düster, sah sich mißtrauisch um und
murmelte dann mit seltsamer Stimme:
.Ja. allerdings; der Wein ist nicht
schlecht; doch ich habe in meinen Kellern
in deinem nur mir allein bekannten
Versteck einen leichten kleinen Volnay,
der jetzt nach so langer Zeit herrlich,
köstlich schmecken muß."
Er schien zu zögern, dann fuhr er mit
noch leiserer Stimme fort:
Ich will Ihnen davon zu kosten ge-
den' aber ich kann ihn nicht
ganz allein holen, und der kleine Mann,
den ich mitnehmen möchte, hat jeden
falls zu große Furcht, um sich auf den
Beinen zu hallen?"
Der
Jahrgang 20.
Aufrichtig gestanden fürchtete ich weit
mehr, allein in dem großen Saale zu
bleiben, als ihn zu begleiten. Ich er
klärte also, ich würde ihm gern folgen.
Wieder zuckte es in seinem Auge auf.
und ich erkannte, daß ich unwillkürlich
in eine Falle gerathen war. Er erhob
sich, blies die Lichter des Leuchters auS
und ging mit leisen Schritten nach der
Küche, wo er eine Blendlaterne anzün
bete, die ich tragen sollte. Er führte
mich dann ebenso leise und scheu in eine
Art Keller, wo er eine Schaufel holte
Wir stiegen mit denselben unerklärlichen
Vorsichtsmaßregeln in die geräumigen
Kellergebäude des Schlaffes, wo wir
mehrere niedrige Sale durchschritten.
Eine tödtliche Kälte fiel von der Wöl
bung auf unsere Schultern hernieder.
und die Laterne, die in meiner Hand
immer heftiger hin und herschwankte,
beleuchtete nur sehr unvollkommen die
düstere Tiefe dieser Räume.
Der Chevalier blieb erst vor einer
schmalen Thür stehen, die in die Mauer
wand des abgelegensten Kellers einge
laffen war. Endlich zog er aus seiner
Tasche einen großen verrosteten Schlus-
sei : die Thür knarrte in ihren Angeln.
öffnete sich und wurde wieder vorsichtig
geschloen.
Ter Chevalier ergriff den Spaten,
und nachdem er rechts und links gemes-
sen, begann er die schwarze und weiche
Erde des Keller? aufzugraben. Das
Loch wurde bald sehr tief. Nun ließ
Herr v. Mauville die Schaufel fallen,
stieg in die Grube, bückte sich, durch-
suchte die aufgeworfene Erde mit seinen
eigenen Händen und zog mehrere kleine
Stücke von weißlicher Farbe hervor, in
denen ich zitternd Knochen zu erkennen
glaubte. Dann erstickte er fast in dem
selben Augenblick einen Freudenschrei,
sprang aus dem Loche und zeigte mir
triumphirend eine Flasche von alter
Form, an deren Hals ein gezähnter
Gegenstand von ebenfalls weißer Farbe
hing, der, ich konnte keinen anderen
Vergleich finden, einem Gebiß ähnlich
sah. Der Chevalier vertraute mir die
Flasche während der Zeit an. die er
brauchte, um die Grube wieder zuzu
schütten. Als dies geschehen war. ver
ließen wir den eisigkalten Keller, durch
schritten wieder die düsteren Gewölbe,
und ich sah mich nicht ohne einen Seuf-
zer der Erleichterung in dem Speisesaal
wieder.
Mein Wirth stellte die Laterne wieder
auf den Tisch und entkorkte die be
rühmte Flasche. Wir stießen an, tran
kcn dann, oder vielmehr er trank, denn
ich war von alle dem, was wir gethan,
so aufgeregt, daß ich den Wein nicht
hinunterzubringen vermochte.
Ausgezeichnet, nicht wahr ? welche
Kraft, welches ausgezeichnete Aroma!"
rief der Chevalier und erhob bei jedem
Worte das Glas.
Dann errieth er an dem Zittern mei-
ner farblosen Lippen die Frage, die ich
nicht auszusprechen wagte, kicherte leise
satanisch auf und sagte:
Ich wette. Sie wollen mich fragen,
warum der Volnay in dem Keller ein
gegraben war und warum ich den
Schlummer meiner Leute abgewartet
habe, uni ihn an's Licht zu bringen.
Hm, das ist ein großes Geheimniß, das
ich klugerweise eigentlich für mich be
halten sollte. Doch, wenn ich betrunken
bin, wird es mir ungeheuer schwer.
meinen Mund zu halten. Außerdem
sind Sie jetzt mein Mitschuldiger.
Hören Sie also dieses angenehme
Abenteuer an. Doch kommen Sie
näher, solch' kleine Späße dürfen nur
ganz leise erzählt werden!"
Ich hatte nicht den Muth, meinen
Stuhl dein seinen zu nähern, und blieb,
die Augen auf die feinen geheftet, in
einer Art Bczauberung sitzen, die abzu
schütteln ich nicht mehr den Muth hatte.
Endlich begann er. noch immer leise und
mit schwerer Zunge:
..Mein Vater hatte mir einen gut
ausgestatteten Keller hinterlassen, doch
von diesem leichten, diesem duftigen
Volnay befanden sich darin nur etwa
hundert Flaschen. Da sie in die Hände
eines Feinschmeckers meiner Art sielen,
so wurden sie schnell geleert, und eines
Morgens o. es war ein trauriger
Morgen theilte mir der Kellermeister
mit, daß von meinem Lieblingsmein
nur noch 21 Flaschen vorhanden wären.
Ich bekam einen großen Schreck und
wollte die letzten Flaschen wenigstens
noch in würdiger Gesellschaft trinken.
Ich lud den Grasen von Chanellles.
meinen einzigen Freund, zu dieser Fest
lichkeit ein. Als wir gerade bei dem
Punkt der Sättigung angelangt waren,
wo der Hunger das Vergnügen nicht
mehr stört, ließ ich 20 Flaschen des be
rühmten Weines auf den Tisch bringen,
und nur eine einzige blieb im Keller
zurück. Ich verabschiedete die Diener
schaft wie heute Abend, und wir theilten
uns in die berühmten Flaschen.
Ter Kampf begann. Beim ersten
Anfang der Trunkenheit bemühten wir
Beilage zum Ncbrasla 2taats-?lnzeiger.
uns. von unserer Eigenliebe als Trin
ter angestachelt, den Flaschcnbattcrien
gegenüber die Faung zu bewahren.
Ich weiß nicht, in welcher tollen Sug-
qestion. von Wette zu Wette, von Aus
schneidern zu Aufschneiderei, wir dazu
kamen, mit den unverletzlichsten Eiden
zu schwören, daß der erste, der unter
den Tisch fallen würde, in dem näm
lichen Keller, in dem sich die letzte Flasche
befand, von feinem Freunde lebendig
begraben werden sollte. Diese kleine
Unannehmlichkeit pasnrte meinem
Freunde. Er hatte die Ungcschicktheit
oder die Unklughcit. als er den Arm
nach einer der Flaschen ausstreckte, von
seinem Stuhle zu gleiten und unter den
Tl ck zu allen."
Ct), Herr Chevalier." rief ich athem
los und die Hände vor Entsetzen rin
gcnd, Sie haben diesen Schwur doch
nicht gehalten?"
Sie kennen mich schlecht." versetzte
mein Wirth in schneidendem Tone,
ein Edelmann hält das Wort, das er
gegeben hat, und wenn er noch so be
trunken ist. Ich muß trotzdem ge-
stehen, daß es mir ein wenig schwer
fiel, mein Versprechen zu halten, denn
da ich selbst total betrunken war, so
hatte tck alle erdenkliche Muhe, den
Grafen an den Beinen bis zum Keller
zu schleppen, wo ich den Spaten und
die Laterne holte; dann lud ich ihn auf
meine Schultern, um das untere Ge
wölbe zu erreichen. Schnell grub ich
das Grab; neben mir lag mein Freund
auf dem Erdboden und schnarchte wie
ein Murmelthier. Ich mußte ihn in
das Loch hinablaffen. dann lehnte ich
ihn stehend an die Erdwand. so gut es
gehen wollte, ohne daß er erwachte, und
begann Erde um ihn herumzuwerfen.
Die Erde reichte ihm bereits bis an die
Achselhöhlen, als er die Augen öffnete,
und nun begann der unngenehmste
Theil der Arbeit. Der Graf, der unter
der Frische der Wölbung wieder zum
Bewußtsein kam, hatte den schlechten
Geschmack, die Ausführung des Schwu
res verhindern zu wollen. Mit seinen
frei gebliebenen Armen bemühte er sich,
aus dem Loche herauszukommen.
Glücklicherweise war er schon mehr
als bis zur Hälfte begraben, und da
durch wurden seine Bemühungen so
lächerlich vergeblich, daß ich keine Ge
walt anzuwenden brauchte, um ihn zur
Vernunft zu bringen. Ich warf daher
ruhig und einfach die Erde weiter in das
Loch und da mein Spaten breiter als
seine Hände waren, so warf ich immer
mehr hinein, als er hinauswerfen
konnte, sodass die Grube trotzdem voll
wurde. Als er sah, daß die Erde ihn
bis zu den Schultern bedeckte und nur
sein Kopf und seine Arme heraussahen,
hörte er auf. mich zu beschimpfen. Er
rang seine zitternden Hände und begann,
mich an unsere Kindheit, an unsere
Spiele, die zusammen verübten Streiche,
an allerlei Dinge aus der Vergangen
heit, rührender und lieblicher Art zu er
innern, die sicherlich einen Mann, der
nicht geschworen hatte, gerührt hatten.
Als die Erde ihm an's Kinn reichte,
fing er an zu weinen, wie ein ganz klei
nes Kind. Um zu schluchzen, öffnete er
in feinem blaffen Gesicht einen Mund,
der so schwarz aussah, daß ich mich vn
sucht fühlte, ihm eine tüchtige Hand
Erde hineinzuwerfen, die mit einem
Schlage seine albernen Jereminaden
erstickt hätte. Eine gewiffe Schwäche
hielt mich zurück, und als ich sah. daß
sein wirrer, mahn inniger Blicr ich nach
dem entferntesten Winkel des Kellers
auf die letzte Flasche Volnay richtete, da
ergriff ich diese Flasche und reichte sie
ihm. um seine vande zu veichastlgen.
die mich in meiner Thätigkeit störten.
Er ergriff sie begierig: entweder hatte
die Furcht seinen Durst wieder neu be
lebt oder er wollte sich in einem letzten
Rausch Verqeffenhelt vor dem Tode
trinken. Er senkte also die beiden Arme,
zog mit aller Gewalt an der Flasche und
suchte sie mit den Zähnen zu entkorken.
Auf diese Bewegung hatte ich gerade
gewartet, denn nun warf ,ch ihm hestig
alles auf den Kopf, was noch von Erde
in der Grube zurückgeblieben war.
Hierauf machte sich eine Art seltsames
Zittern wie das Rauschen, von Wellen
bemerkbar; doch ich trat und schlug mit
der Hacke darauf, bis sich nichts mehr
rührte.
In diciem Augenblick brach der Ehe-
datier in ein lautes und schneidendes
Lachen aus, das so diabolisch klang, daß
ich vollends den Kopf verlor. Ich warf
mich in nieinen Stuhl hintenüber und
hatte die grüßliche Empfindung, als
falle ich von meinem Kessel und rolle
unter den Tisch, während Hände voll
kalter Erde mir auf den Nacken stürzten
und dicke Jagdstiefel mir den Schädel
einträten.
Als ich wieder zu mir kam. befand
ich mich nicht in dem Keller, bis an den
Hals begraben, sondern ich lag. sorg
fältig zugedeckt, in meinem Bett. Nie
habe ich erfahren, ob der Chevalier selbst
mich zu Bett gebracht hatte. Jedenfalls
hatie ich die ganze Nacht hindurch das
Fieber, reiste aber trotzdem bei Tages
andruch ab, ohne von meinem Werth
Abschied nehmen zu wollen.
Erst zu Hause überzeugte mich mein
Vater, nickt ohne Muhe, daß Herr von
Mauville sich über meine Hascnfürng
keit luftig gemacht und mich aus Aerger
über meine Uiidantdarleit mystifizirt
hatte.
Trotz dieser Versicherungen bin ich
nie in das Schloß zurückgekehrt, und
nie habe ich seitdem wieder Volnay ge
trunken.
Jacobs erste Mache.
Hiiinorisiiiche fi;;i'.
Sie war hübsch, die kleine Stadt im
deutschen Norden, und ihre Bewohner
waren stolz auf ihre reizvolle Umgebung.
die alte berühmte Kirche und die ge
schichtlichen Thatsachen, die sich an die
Stadt knüpften. Stolzer aber waren
sie noch auf ihre Garnison. Drei
Schwadronen Husaren und zwei Kom-
pagmen Jäger die letzteren grün, die
ersteren leuchtend roth von Uniform
wahrhaftig, man konnte den Stolz der
guten Burger und Bürgerinnen von
x verstehen!
Trotz der numerisch nicht starken
Garnison schloß diese doch beinahe ein
Dutzend Einjähriger ein, die fast in
gleicher Zahl sich auf die beiden Trup-
pengattungen vertheilten. Und trotz
dem die Husaren-Einjährigen ein paar
Trumpfe vor ihren Kameraden von den
Jägern voraus haben wollten, bestand
im Allgemeinen eine gute Kameradschaft
unter ihnen. Ja, Sonnabends faßen
im Hecht" alle mit den schwarzweißen
Schnüren versehenen Krieger eintrachtig
beisammen und tranken echtes Franken
brüu dazu.
Unter den Einjährigen der Jäger be
fand sich der Altphilologe Jacob ein
Pechvogel seltenster Art. Ihm spielte
das Glück einen Schalksstreich nach dem
andern. Eine kleine Fatalität löste die
andere ab und Schmehr. der hübsche
flotte Husar hatte ihm deshalb schon
mehrfach kassandrisch zugerufen:
Opfern Sie der Fortuna eine He
katombe, Kamerad, sonst liegen Sie im
Kasten" ehe noch der vierte Monat
Ihrer Dienstzeit um ist!"
So weit wird mein Pech hoffentlich
nicht gehen!" lachte Jacob und winkte
mit dem frischen Glase: Prosit, Herr
Kamerad."
Aber es ging doch so weit und das
ging eigenthümlich genug zu!
Der Stab des Jägcrbataillons lag
in der Nachbargarnison. Ter Kom
mandeur kam häufig herüber und dann
erschien vor dem Hotel, in dem er ab
stieg, das bekannte Schilderhaus und
von der Hauptwache" ward ein Posten
gestellt. Der Betreffende, der diesen
Posten bezog, mußte gewaltig auspaffen,
denn der Kommandeur hielt außer
ordentlich streng auf die genaue Be
folgung aller Vorschriften, die sich auf
militärische Ehrenerweisungen er
streckten. Natürlich traf Jacob's erste Wache
mit der Anwesenheit des Gestrengen in
x zusammen und sein Pech wollte es
ebenso natürlich daß er vor dem
Absteigequartier des Kommandeurs zu
stehen" hatte.
Um zwei Uhr war er denn auch mit
schwerem Herzeil aufgezogen. Der
durch ihn abgelöste Posten theilte ihm
mit, daß der Kommandeur nicht zu
Hause" sei. Zu seinem späteren Ver
druß hatte Jacob sich nicht orientirt.
ob er zu Fuß das Hotel verlassen
habe oder ob er ausgelitten sei.
Mechanisch trottete Jacob auf dem
schmalen Trottoir auf und ab. mit
weit aufgerissenenen Augen rechts und
links spähend, ob der Gefürchtet etwa
komme. Es war windig und trocken
und die Staubmolken, die hin und wie
der über den Platz dahin flogen, thaten
das ihrige dazu, um jede Minute seines
ersten Postenstehens ihm unerträglich
lang erscheinen zu laffen.
Da wieder eine Staubwolke, der
Jacob, plötzlich sich umwendend, voll
das Antlitz zukehrte. Nun schloß er
freilich die Augen aber zu spät
einige feine Sandkörnchen waren hin
eingeflogcn. die ihn für den Augen
blick wenigstens total am Sehen
verhinderten. Und im nächsten Moment
ertönte aus der Straßenmündung zur
Linken Pferdegctrappel kein Zweifel
der Herr Oberstleutnant kam, und, den
Schmerz in den Augen verbeißend, eilte
Jacob dahin, wo seiner Meinung nach
das Schilderhaus stehen muß und
pflanzte sich dort mit präsentirtcm Ge
wehr auf.
Ja, aber Kamerad Jacob " er
tönte es da lachend dicht vor ihm und
Jemand parirte sein Pferd was
soll denn das?"
Jacob erröthcte und nahm das Ge-
No. 31.
mchr wieder auf die Schulter, um mit
der frei gewordenen Rechten sich die Au
gen auszuwischen. Und da sah er zwi
schen dem Zhräncnschlcier hervor, den
die scharten andkörnchen hcrvorge
bracht hatten, den Kamerad Sckmchr
auf seinem Ticiistpferde vor dem Sckil
derhaufe haltend, laut lachend über die
komische Situation.
Na. beruhigen Sie sich, Kamerad.'
rief Schmehr. indem er sein Pferd wie
der antrieb, ich nehme die Honiieurer-
welsung banivar an! Können Sie
übrigens wiederholen, denn ich komme
in fünf Minuten wieder zurück! Bin
indeß mit Anfanen sckon zufrieden
Adieu. Herr Kamerad!"
Und davon ritt er, unsern Jacob
wüthend und leise vor sich hin fluchend
mit feinen schmerzenden Augen zurück
lassend, die vom Reiben zwar hübsch
roth geworden waren, aber die kleinen
Störenfriede von Sandkörnern nichts
destoweniger nicht eingebüßt hatten.
Wenn jetzt der Kommandeur käme!"
Der Angstschweiß brach unserem Jacob
bei diesem Gedanken aus. Er mußte
seine Augen lvicder in gebrauchSmüßi-
gen Stand setzen Und sie gewaltsam
aufreißend, vergewisserte er sich zu-
nächst, daß Niemand in der Nähe sei.
dann trat er in das Schilderhaus.
lehnte seine Büchse an die Wand und
versuchte nun mit dem Schnupftuch
zipfel seine Augen von den eingcdrun-
genen Sandkörnern zu befreien.
Wieder Pferdegetrappel diesmal
von rechts! ..Aha!" denkt Jacob
Schmehr kommt zurück. Na, der wird
sich wundern, mich nicht draußen zu
sehen!" Und völlig nnbekümmert ließ
Jacob nicht nach, seine Augen auszu
wischen. Ein Pferd wurde draußen parirt
Mich lockst Tu nicht wieder!" lachte
Jacob leise, und wie zur Bekräftigung
dieser Worte wandte er obendrein seinen
grün uniformirten Rücken der Oeff
nung des Schilderhauses zu.
Himnielkreuz , Donnerwetter!"
schnarrte es draußen.
Ja, fluche Du nur!" lachte Jacob
in sich hinein. Du verstellst Dich gut,
Schmehr, aber mich fängst Du nicht
wieder!"
Ein neuer zorniger Ausruf draußen
dann das Klirren von Sporen und
rasche Tritte
Bombenclement, Posten was thut
der Kerl hier im Schilderhaus!" klingt
es da in feiner Nähe und als wenn der
Blitz ihn getroffen, so fuhr Jacob zu-
samiueii. Das war keine Einjährigen
Stimme, das war Erdboden öffne
dLicy! eine Kommandostimme vom
alten Kaliber, das war die des Kom-
mandeurs!
Jacob sprang heraus mit thrä
nenden Augen, das Taschentuch in der
linken Hand, ohne Buchie, die noch im
Schilderhaus lehnte.
Na ja ein Einjähriger!" klang
es aus dem Munde des roth vor Zorn
vor ihm stehenden Kommandeurs ent
gegen. Mensch, wo haben Sie Ihr
Gewehr? Haben wohl geschlafen oder
gar getrunken, toter
Jacob versuchte zu antworten, aber
er brachte nichts heraus.
Ihr Name?"
Einjähriger Jacob von der zweiten
Kompagnie."
Werde dafür sorgen, daß Sie in
Zukunft besser aufpaffen!" knurrte der
Oberstleutnant. Ja. Herr, wollen Sie
denn nun eigentlich mir das vorge
schriebene Honneur erweisen oder nicht?"
Jacob that's, und ickt. nun seine
Augen wieder sehen konnten, sahen sie
den lachenden Hausknecht bei dem Pferde
des Kommandeurs sehen und sahen
Schmehr lu t die Strecke paisiren. wie
er lächelnd auf ihn und den Oberst-
teutnant blickte, der ihm den Rücken ,u-
drehte.
Ich bin ein Pechvogel!" Das war
Alles, was feine Lippen murmelten, als
er abgelöst wurde. Schmehr hat Recht,
ich flieg hinein!"
Und er flog. Drei Tage Mittelar-
rest. Statt im Hecht" saß er bei Pa
ter Philipp". Das war das Resultat
seiner ersten Wache.
Des Mimen Rache.
Die nimmer endende Feindseligkeit
zwischen dein reisenden Bühnenkünstler
und seiner beständig wechselnden Pen
sionswirthin war die Ursache zu einem
ergötzlichen Vorkommniß. das sich un
längst in einem sehr besuchten englischen
Badeort zutrug. In einem hübschen
in der Nähe des Strandes gelegenen
Logirhause hatten sich die besseren
raste einer in dem Ort gastirendcn
Schauspiclertruppe auf acht Tage in
Kost und Wohnung gegeben. ' Die
Wirthin, eine launische,' unzufriedene
Person, behandelte das mimende Völk
chen mit auffallender Unliebenswürdig-
icii und als die 'Woche um war, prä
sentirte sie ihren niedergeschmetterten
Pensionären eine erstaunlich hohe Rech
nung, Ob:ie Murren dezahtle man
die fehieieige Forderung: der Komiker
der Triste aber schwor, sich und seine
gerrpsiei: Kollegen rciv. Kolleginnen
zu räch:':. Kurz bevor die Leutchen mit
ihren Habseligititen dem ungastlichen
Hause den Rücken kehrten, benutzten sie
einen günstigen Moment und nagelten
unter die Platte dcS Tisches im
Empfangssalon einen in dünne Gaze
gehüllten sogenannten frischen Hering,
der seinem Attribut aber gar keine Ehre
mchr machte, denn dem geradezu offen
siven Geruch nach zu urtheilen, mußte
er schon ziemlich antik sein. Das Rcsul
tat war höchst effektvoll. Wochenlang
blieben die Zimmer der licbenswürdi
gen Pension-wirthin unbewohnt; jeder
Unterkunft suchende Badegast hatte
mehr als genug, sobald er nur die
Zhür des S!onS öffnete. In der
ganzen Stadt sprach man bald davon,
daß eZ eine Schande sei. ein HauS in
einem derartigen Zustande von Unsau
bcrkeit zu halten. Viele drohten sogar,
den Sanitätsinspcktor aufmerksam zu
machen, damit von polizeilicher Seite
für eine gründliche Reinigung Sorge
getragen würde. Als die verzweifelte
Wirthin in dem Raum, aus dem der
fatale Geruch nicht herauszubringen
war. wohl schon zum zehnten Male
General Reinemachen abhielt, fiel eS
endlich Jemandem ein, den Salontisch
umzukehren, und da entdeckte man die
Ursache des entsetzlichen Uebels.
LHu tpltt der Disciplin.
In der kleinen Garnisonestadt Tech
tclhauscn herrichte die höchste Auf
regung. Morgen sollte der Brigade
kommandeur eintreffen, um das
Bataillon zu inspiciren. Besonders
den jüngeren Offizieren, welche die
Mannschaften auszubilden hatten. schlug
das Herz. Unter den mancherlei Ei
genheiten. die man sich von der Excel
lenz erzählte, war nun besonders auch
die eine, daß der General scharf darauf
sah, ob die Offiziere denn auch mit dem
Civilberuf jedes einzelnen Soldaten
sich vertraut gemacht Hütten. Das war
aber, wie bei den meisten seiner Kamera
den, auch eine besonders schwache Seite
des Leutnants Schneidig. Doch plötz
lieh, als er schon verzweifeln wollte,
kam ihni eine Idee. Er ließ seine Leute
antreten, hielt eine Ansprache an die
selben und sagte zum Schluß: Also
verstanden! Wenn Seine Exeellcnz mich
bei einem von Euch fragt: Was ist
der Mann in feinem Civilberuf?" und
ich antworte Schneider!" oder Schu
ster!" so ist er eben Schneider oder
Schuster! Dabei bleibt's!" Tie Ex
cellcnz kam. Alles ging wohl von
Statten. Plötzlich blieb der General
vor dem Rekruten Schulze stehen.
Was ist denn der Mann in seinem
Civilberuf, Herr Leutnant?"
Schneider, Excellenz!" antwortet
Schneidig präcis.
Der General nickt freundlich.
Bist Tu schon lange Schneider,
mein Sohn?" fragt er wohlwollend. ,
Nein. Excellenz!"
Seit wann denn?"
Seit heute. Excellenz!"
Seit heute? Ei, wie kommt
denn das ?"
Der Herr Leutnant hat's befohlen,
Excellenz!"
Der General sah in Schneidig's mo
mentan nicht allzu geistreiches Gesicht
und schmunzelte.
Tie Heldenhaftigkkit der Bocrcn
fraue.
Tie Hcldenhaftigkeit der Boeren
frauen illustrirt ein Brief aus Pretoria
zur Zeit der Mobilmachung, welchen
ein französisches Blatt veröffentlichte.
In dem Schreiben heißt es: Diese an
geflammte Vaterlandsliebe der Boeren
ist großartig und rührend zugleich. In
dem Distrikt von Krügersdorp wurden
40i Mann zu den Fahnen gerufen und
670 Freiwillige meldeten sich. Als man
270 wegen Untauglichkcit zurückschicken
wollte, weigerten sie sich heimzukehren.
In Maritzburg hatte man 150 Mann
aufgeboten und 800 meldeten sich.
Jeder vom Acrmftcn bis zum Reichsten
ist mit derselben Bravour und denisel
den unerschütterlichen Gottvertraum
bereit, sein Leben für das Vaterland
zu lacn. Mit den Männern wett
eifern die Frauen. Eine Frau mit
zwei Kindern begleitet ihren Mann
zum Bahnhofe. Sie tritt zum Kom
Mandanten und erklärt einfach, aber
bestimmt: Ich will meinen Mann be
gleiten."
Unmöglich!" erwidert der Befehls-
Haber.
Ich will es aber! Niemand soll mich
von meinem Manne trennen. Ich
kann schießen und werde für ihn
kochen."
Der Zug fährt ab und mit ihm das
muthige Weib. Vor dem Willen der
Frau beugt sich der Boer. Ein anderer
Sohn Transvaals, welcher in den Krieg
ausrückt, begibt sich zu seinem Obersten
und verlangt zwei Gewehre.
Warum zwc,?" fragt der Kapitän.
Eins für mich und eins für meine
Frau, sie kann besser schießen und sicherer
zielen, als ich."
Und der Boer erhält die verlangten
zwei Gewehre. Rührende Szenen spie
lcn sich auf den Bahnhöfen ab. Ohne
eine Klage und ohne Thränen läßt man
Vater. Gatten und Verlobte in die
Fcldschlacht ziehen. Nur ein unter
drückte Schluchzen, ein Händedruck
das ist alles!