Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 30, 1899, Image 12

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    Der KrWn$::iijrc!k SpiJaal.
rtimc'f?t von Ä. ?öchcr.
Um den r fstg-n, runden Stammtisch
des Gasthauses Zur grünen Traube"
in der TchmedterstraKe. draußen im
Vioiden von Berlin, saß das Ichmerr
Tugend" der befreundeten, gut situirtcn
Epicßdürger deS Bezirks auch heute
wieder beisammen.
Ta die grüne Traube' ihrem Be
sitz auf diese Weise keine goldenen
Berge einbrachte, so betrieb er Ba
lcntin Sträube nannt, er sich neben
bei noch einen Handel mit Räucher
Waaren Bücklingen. Flundern, Spick
aalen und dergleichen anderem See
gethier. da? er mit Vorliebe .unter der
Hand- an seine Gülle adsetzte.
. So kam er denn auch an jenem
Abend, eine lange, weiße Holzkiste in
den Händen, mit seinen kurzen dicken
Beinen an den Stammtisch prange
wackelt.
Na. was haste denn da wieder, 3?a
leiitin?" fragte ihn sogleich der lange
BrauereiveslKcr Scharge.
.Was ?lrokartiies. Jacob was
hm JroßartijcS Spickaale mäch
tige Tingcr jrade eben mit der Post
aus Warnemunde angelommen!
Na. laß mal sehen, die Biester!"
Sträube gab der Ausforderung mit
Bcrgiiügcn Folge und stellte die Holz-
liste mitten auf den groben .1 cd.
.Hm die Aale sind groß und fett
überhaupt schön, einfach chön,"
sagte der Maurermeister Schulßc, der
für einen Feinschmecker galt und
schnalzte wohlgefällig mit der Zunge.
, Was soll Denn das Stück davon
kosten?"
Fünfzehn (droschen bis zivei Mark,
le nach der JröKc!"
Na. das sind sie werth. Ta kannst
Tu mir gleich drei von einwickeln die
größten, wenn ich "
Sei man so gut. lieber August."
unterbrach ihn der Fuhrherr Schüft,
wir Anderen sind auch noch da!"
Tann will ich mich mit zweien be
gnügcn, lieber Schütz!" gab Schultze
höflich zurück.
Ich will keinen ich kann mir aus
dem ollen Räucherkram nichts machen.
sagte der lange Brauereibcsitzer. Ich
verstehe Überhaupt nicht, wie man so
was essen kann. Wißt Ihr denn Nicht,
d,ch die Aale meistens von"
Sei so gut und hör' auf mit Tcinen
naturwissenschaftlichen Betrachtungen,
unterbrach ihn SchulKe.
Tu brauchst meinen Kunden meine
Waare durchaus nicht zu verekeln; und
lo reell wie Tcin Bier ist mein Rüu
chcrkram" schon lange!"
Die Tafelrunde war einen Augen
blick über des Wirthes aufbrausende
Entgegnung bestürzt; denn heftige
Worte waren bei ihr nicht beliebt.
Und Fuhrhcrr Schüft, der eine Art
von Präsidentcnstcllung am Stamm
tisch bekleidete, meinte, die brave Seele
sogar noch besonders in Schuft nehmen
zu müssen, indem er folgende Ansprache
vom Stapel ließ:
Tn hast unseren ehrlichen Valentin
beleidigt, Freund Scharge. und außer
dem noch den Versuch gemacht, uns eine
beliebte Speise zu zu verekeln.
Strafe muß sein. Tu wirst Valentin
und uns also dadurch Abbitte leisten,
daß Tu den ohnedies gewissermaßen
für Dich zurückgelassenen Spickaal nun
gerade und ohne Widerrede kaufst und
mit nach Hause nimmst !"
Bravo ich weiß übrigens zufällig,
daß feine Frau Spickaal sehr gerne
ißt!" ließ sich der Klempnermeistcr
Hahn vernehmen, und "
Ah also ein verknöcherter Egoist
bist Tu!" gab nun auch der Material
waarenHändler Hardcn seinen Senf
dazu.
- Na denn will ich man das Mon
strum schon an mich nehmen! Gieb mal
ein Stück Einwickelpapier her, Valen
tin, und sei wieder qut !" lenkte jcftt
der Braucreib-siftcr gutmüthig ein.
Sträube war natürlich sofort wieder
gut und gab, nachdem er den Betrag
für die Spickaale cinkassirt und die
leere isie vom Tisch genommen hatte,
sogar für die Tafelrunde zwei große
Weißen zum besten. Das war ein
Ereigniß, in dessen Folge jeder der
Stammtischbrüdcr sich nun auch seiner
scits noch eine frische Kleine" kommen
ließ.
Es ist doch merkwürdig." sagte
vlöftlich,der Brauereibesiftcr, aber ich
kann den Geruch von Räucherwaaren
nun mal nicht vertragen." Damit
stand er auf, nahm seinen sauber ein
gewickelt vor ihm auf dem Tisch liegen
den Aal. band einen schnell aus der
Tasche hervorgeholten Bindfaden da
rum. knüpfte eine Schleife und hing das
Monstrum an dem Klcidcrriegcl hinter
sich auf.
So." sagte er. Gott fei Tank!"
und nahm wieder Plaft. ,
Tie Unterhaltung wurde immer ani
mirtcr. Die Entfernung des Spickaals
aus dem RicchkreiS feiner Nase mußte
wohl sehr anregend auf Scharge ge
wirkt haben; denn er hatte schon die
sechste kleine Weiße vor sich und kam
nun gar noch plötzlich auf den unerhör
tcn Gedanken. SMn trinken zu wollen.
Ja so führte er aus feine Frau
hätte gestern Geburtstag gehabt. Er
sei aber zufällig mit ihr böse gewesen
und hätte ihr infolgedessen auch nichts
geschenkt nun aber möchte er .im
Geiste" mit ihr trinken; denn man
könne nicht wissen, wieviel Lebenstage
einem der Herrgott noch zugedacht hätte,
und da wäre es immer gut, wenn man
U. s. w.
Ach ja." rief Schultze über den
Tisch weg. .ich habe auch gehört, daß
Tu machtig unter dem Pantoffel stehst,
oller Schwede!"
!).:? Ich? Hoho'. Ta sollt Ihr
doch gleich sehen! Valentin, schick' mal
Deinen Hausdiener zu meiner Frau
und sage ihm. er soll sie rausklopfen
und ihr bestellen, ich käme heute über
Haupt nicht nach Hause. Aber erst
komm, Valentin, und laß unS Wein
auS dem Keller halen ich gehe mit
meine Alte kann so lange auf den
Hausknecht warten!"
Und da hatte er den Wirth schon auS
dem Zimmer gezogen.
.Ein Hauptkerl, dieser Scharge!"
meinte Schütz.
.Ist eS denn wahr, daß feine Alte
ihn so stramm hält?" fragte Harden.
Riesig! Er hat einen höllischen
Respekt vor ihr." antwortete Hahn.
Und dabei reicht sie ihm doch nur
knapp bis an die Schultern!"
Ja. klein, aber oho!"
.Wißt Ihr, Kinder," nahm nun
Schütz wieder das Wort mit Schar
gcs Spickaal dort am Klcidcrriegcl
hätt' ich einen Gedanken. Knobeln
wir ihn unter uns aus. Wer die höchste
Hausnummer wirft, der nimmt ihn
Mit."
Bravo!" entgegncte Schultze
aber wenn er's nachher merkt, daß
sein Aal futsch ist er wird im Rausch
manchmal saugrob!"
Ooh das ist doch leicht zu m
hüten. Er hat sich den Aal so famos
eingepackt, daß er in dieser Perpackung
ebenso gut ein Stück Besenstiel oder
dergleichen als Spickaal nach Hause
tragen würde.
Großartig ich gehe in die Küche
und hole den Besenstiel," meinte Hahn
und nach kaum zwei Minuten erschien
er wieder und zwar, anstatt des Besen
sticls, mit dem unteren handlichen Ende
eines rohrqeflochtcnen Ausklopfers, der
sich wie er erzählte im gänzlich
kaputen Zustand in der Küche rumge
trieben hätte.
Im Nu war der Ausklopferstlel eine
packt und mittelst der Bindfadcnfchleife
am Klciderricgcl aufgehängt. Tie
Täuschung war eine so vollkommene,
daß auch ein anderer als der ange
zechte Scharge auf sie hätte hineinfallen
muffen.
Nach geraumer Zeit erst kamen
Valentin und Scharge, mit Wein
flaschcn schwer beladen, aus dem Keller
zurück, und der Stammtisch kneipte
dann noch gemüthlich bis gegen zwei
Uhr.
Tann nahm Schütz den Klempner
meister beiseite.
Tu, Hahn," sagte er. da Tu mit
Scharge im selben Hause wohnst, so
iorae mal dafür, daß er seinen merk
würdigen Spickaal richtig heimbringt,
und suche morgen auszukundschaften.
was seine Alte bei Anknüpfung der seit
samcn Bekanntschaft für ein Gesicht ge
macht hat."
Ich werde zusehen, was sich machen
läßt. Gute Nacht und auf Wieder
sehen morgen Abend."
Es war für Hahn gar kein so leich
tcs Ding, den allzu schief geladenen
Brauer bis in den heimischen Hafen zu
bugsiren.
Beharrlichkeit aber fuhrt immer zum
Ziel und endlich konnte Hahn, seinen
Freund Scharge im Arm. an dessen
LSohnungSthür die Klingel ziehen; der
chluncl war für den Brauer natürlich
unauffindbar.
jvrau Scharge im rothwollcncn
Schlafrock, die schneeige Nachtmütze auf
dem Kopf, kam selbst, um zu öffnen
TaS ist meine Olle," sagte er, dem
Klcmpnermeister tu die Seite puffend,
der ihren Elfengang kcnn' ich unter
tausend Gangarten raus. Hahaha!"
Und er brach in ein schallendes Gclüch
tcr aus.
Wenn sie ungcmüthlich wird, dann
gieb ihr nur Tcincn Spickaal der
wird sie schon bcsänftigcn!" flüstcrte
Hahn dein Seligen noch schnell zu.
eilte dann die halbe Treppe herauf
und drückte sich gegen die Wand, um
abzuwarten, ob es' ihm vergönnt sein
würde, von der weiteren Entwickelung
der Tinge noch etwas zu erlauschen.
Frau scharge öffnete, eine Lampe in
der Hand.
Wenn man sich nicht von den Leu-
tcn gcnirte," begann sie im keifenden
Ton. müßte man Dich ja überhaupt
nicht rein lassen. Tu Rumtreiber Du!
Gleich drei Uhr ist es! Wo bist Tu
denn wieder so lange gewesen? Aber
warte nur. ich werde Dir Dein Fett
schon besalzcn "
Damit schloß sie die Komdortbür
ans.
Ach. sei doch man nich so, Mutter
ken." entgegnete Scharge im abbittcn-
den Ton, ich hab' den ganzen Abend
an Dich gedacht. bloß immer auf Dein
Wohl getrunken und hab' Dir auch was
schönes mitgebracht. Nen prachtvollen
piaaai, oeuie ocno yrijcg aus
Warnemünde importirt."
Und er reichte ihr die geheimnißvolle
Rolle. Tann fchickte er sich an, aus
seinem Mantel herauszukriechen. Hahn
lag draußen vor der Thür auf den
Knieen und spähte durch das Schlüssel
loch.
Frau Scharge tchien etwas besünf
tigt durch das ihr nächtlicher Weile qe
wordene Touceur denn sie schimpfte
nicht mehr und ihr Züge wurden von
einem Lächeln der Vergebung erhellt.
ie begann die sorgfältige Ver
Packung aufzuwickeln. Erst den Bind
aden. Tann von dem reichlichen Ein
wickelpapicr Hülle um Hülle, die, eine
wie die andere, sorgfältig zusammenge
legt wurde.
.siehst Tu. Mutter." sagte wäh
renddefsen Scharge. der sich noch immer
mit seinem Mantel abquälte. da
kannst Tu doch sehen, wie ich an Tir
hänge, denn ich esse doch keinen Spickaal
habe mein Lcdtag keinen gegessen.
Also habe ich diesen bloß für Tich mit
gebracht. TaS ist doch klar wie Torf
nich? Na. und wenn Tu nachher so
gut sein möchtest und möchtest mir ein
bischen auS meinem Mantel 'rauS
helfen, dann "
Tie letzte Hülle war gefallen und
Frau Scharge hielt den merkwürdigen
Spickaal in seiner ganzen Glorie in den
Händen.
Erst war sie sprachlos vor Wuth.
Tann aber ergriff sie den rohrgeflochte--n'n
Spickaal am Schwänzende.
.Waas?" schrie sie. Tu Lump
magst eS, mich mitten in der Nacht
zum Narren zu halten?" und scht
scht scht sauste der abgebrochene Aus
klopfer in wuchtigen Schlägen auf
Scharges Rücken nieder.
Mütterchen," schrie er. Mütterchen,
Du irrst Tich ja. Tu irrst Tich. Wie
kannst Tu wohl denken, daß ich mir mit
Tir solchen Ulk erlauben würde? Tas
waren meine Freunde am Stammtisch
bei Sträube, und wenn Tu hauen
willst, daiut geh' morgen Abend hin und
verhaue die "
Damit rctirirtc er vom Korridor ins
Schlafzimmer nnd die noch immer das
Rachcschwcrt schwingende Nemesis na-
türlich wie der Blitz hinterher.
Am folgenden Abend aber wußte der
Straube'sche Stammtisch genau, daß
sich der merkivürdigc Spickaal unter
Frau Scharges Handen in einen recht
verhängnißvollcn Spickaal" vcrwan
dclt hatte.
Der ZNörder.
Erzählung von R 0 b e r t B a u t r.
O nirgend? weilt ei sich w gut
I Wie weil Tich Te,ne Blocke tragen,
V Mi da, wo st,u IM eer,e ruht,
Tas ernsten warm für Ii(t) geichtagen.
A, 1 1 a e g e r.
Ein warmer freundlicher September
tag neigte sich zur Rüste. Eben schickte
sich die Sonne an, mit rothem Schein
hinter der Bergwand des Neckarthales
zu versinken, die bei dem kleinen Städt-
chen so nahe an den Fluß herantrat,
daß nur ein schmales Plateau frablicb
Mit seinem parkähulichcn Bestände lag
dieser treisen des rcichgclcgncten Lan
des schon seit Stunden im Schatten de
steilen Hanges, und da in sommerlicher
Zeit ein dichtes Laubdach seine grünen
Bogen darüber ausspannte, so war es
ein bcliebtcr Aufenthaltsort der cqr
samcn Bürger des Städtchens gewov
den, die gern nach Beendigung des
Tagewerks hier einige Stunden trieb
lichet Ruhe pflegten. Auch jetzt, in
herbstlicher Zeit, nachdem die onnen
strahlen an Wärme verloren und das
Laubdach nch gelichtet, kamen in der
Dämmerstunde die Städter allabendlich
zusammen, so lange der warme Herbst
wind das Thal entlang strich. Ein
ivremdllng tonnte sogleich merken, da
dieser stille Ort früher ein Friedhof ge-
wesen war, davon gab die Gruppirung
und Art der Bäume Kenntniß, davon
zeugten die Deulsteine. die hier und da
durch das halbentblatterte Gesträuch
sichtbar warcn. und nicht zum Minde
stcn deutete die alte, an vielen Stellen
zerfallene Maucr an, daß dicscr Ort
einst abgeschlossen von dem Getriebe der
Welt war, von dem Ringen und Käm-
p en um schnöden, irdischen Gewinn,
das sich drunten auf dem Wasser und
drüben auf der von Schienen gekreuzten
Heerstraße abspielte.
Heute freilich war diese früher ge
kannte feierliche Ruhe dahin. Mit don-
ncrndem Getöse ichnaubte das Dampf
roß übcr die kühngcspannte Brücke, um
durch einen Tunnel in der jenseitigen
Berghalde zu verschwinden; mit schril
lcn Krellchcn arbeiteten schwere schlepp-
Kämpfer, Neckarcscl genannt, gegen den
kräftigen trom an, tn gewissen Zwi-
schcnraumen langgezogene Töne hervor
stoßend, deren Schall sich im vielfachen
Echo an den steilen Bergwänden brach,
und von dem Städtchen selbst tönte das
laute Geräusch des werktäglichen Lebens
hernieder an diesen Ort einstigen
chwcigcns.
Hier' ging es jetzt gar lebhaft zu.
Unter den ticftüstigen Ulmen und tief
hängenden Trauerweiden trieb ein
Häuflein bausbückigcr Buben und
Mägdlein sein kindliches Spiel. Mit
strahlendem Gesicht langte jetzt ein
Mädchen hinter einem Stamme hervor,
kleine Bürschchen suchten es zu haschen.
aber flink wie ein Reh hatte es den
Kreis der Gespielinnen erreicht, vor dem
die Verfolger Kehrt machen mußten.
Tort trugen fleißige Händchen kleine
Sternchen zusammen, um mitten auf
dem Wege eine Burg zu errichten, die
dann ein übermüthiger Knirps mit ei
nein einzigen Fußtritt in den Staub
warf, und weiter drüben hatten sich
kleine Mädchen, mit den letzten Blumen
des JahrcS geschmückt, zum Ringel
Reigen" zusammen gefunden. - So
herrschte überall eitel Freude und Glück
in dem kleinen Kreise, und helle Ju
bcltöne klangen allenthalben auf dem
bunten Blättcrteppich des herbstlichen
Parkes.
Nur tn einem Winkel war es noch
still wie einst. Torthin wagten sich die
unschuldigen Kleinen nicht, dort schien
das Laubdach noch dichter zu sein, die
Trauerweide ihre Zweige noch tiefer und
zahlreicher zur Erde zu schicken und die
Mauer noch in besserem Zustande zu
sein, vielleicht, um wenigstens diesem
kleinen Winkel seine frühere Ruhe zu
bewahren, vielleicht auch, um das Grab
mal vor den Blicken der Menschen zu
verbergen. daZ sich hier an den Stamm
einer Ulme lehnte und in dieser stillen
Einsamkeit ein Bild der Vergessenheit
und des tiefsten Friedens bot.
Und doch war es nicht vergessen, das
Franzoscngrab". wie diese unter der
Mauer gelegene Ruhestätte im Volks
munde hieß. Täglich, mit seltener
Ausnahme, kam ein altcS Müttcrlcin
den schmalen Fußweg, der vom StSdt
chen hierher führte, hcrabgcwankt, tüg
lich aber zu eiier Zcit, in welcher sie
niemanden zu begegnen hoffte, als
schäme sie sich dieses Ganges. Am
Grabe saß sie dann lange, lange:
trocknen Auges starrte sie hernieder aus
den einfachen Stein, und ihre welken
Lippen murmelten ein über daZ andere
Mal: Verzeih' ihm, Herr verzeihe!"
Tcr da unten dcn letzten Schlaf
schlief, war nicht ihr einziger Sohn ge
wesen, ihr Friede!, der ruhte in frein
der Erde, sondern eS war der andere,
dcn ihr seliger Mann, der zweite nach
einem kurzen Eheglück mit dem Jugend
geliebten, mit in die Ehe brachte; er
hatte nimmermehr ihr Herz besessen.
Finster und verschlossen, dazu faul und
arbeitsscheu, das waren die Eigenschaft
tcn Rudolfs, schlimme Eigenschaften,
die zu des Vaters Sarg mehr als einen
Nagel schmieden halfen, und die den
jungen Burschen in ständigen Streit
mit seinen Altersgenossen und in Unge
legenhcit mit Aclteren brachten.
Mit Fricdel war er wunderbarer
weise noch am besten ausgekommen,
vielleicht imponirte ihm die ruhige, die
freundliche Art, mit welcher ihm jener
begegnete, vielleicht hatte er auch die
Absicht, jenem mehr als ein Stiefbru
der zu werden, genug, die beiden Bur
schcn wuchsen nebeneinander auf, sie
drückten zusammen die Schulbank und
genügten später ihrer Militärpflicht in
einem und demselben Regiment, erst
Fricdel, der ältere, und dann Rudolf.
der drei Jahre mnqer war als icner,
Und wieder lebten sie nebeneinander.
gleichgültig aber freundschaftlich, da
riß mit einem jähen Ruck das schwache
Band brüderlicher Freundschaft, und
die Ursache war em Wen.
Fricdel hatte, während sein Ttief
bruder des Königs Rock trug, in der
blonden Lcni aus der Stiftsmühle sein
Ideal gefunden und überlegte eben noch
hin und her. wie er mit ihr am ehe
sten ins Reine kommen könne, da kam
der Stiefbruder als Urlauber, und die
Leni schcn und sich verlieben war eins.
Aber diesmal ließ ihn fein sonstiges
Glück im Stich, unverblümt ließ ihn
das hübsche Mädchen erkennen, daß ihr
Herz einem anderen, dem ticfbrudcr,
entgcgenschlage, und da geschah es zum
ersten Male, daß beide Brüder im Zorn
schieden, Rudolf mit einer furchtbaren
Drohung auf den Lippen, die sich er
füllen solle, wenn er demnächst als
Köinqsurlaubcr zurückkehrte.
Doch da gab die Weltgeschichte ihr
Votum ab in diesem Streit nichtiger
Menschenkinder; der Würfel zwischen
Teutschland und Frankreich war ge-
fallen, und in dcn ersten Auqusttagen
des Jahres 1870 standen sich die feind-
llchen Heere gegenüber, bereit, sich zu
zerfleischen, zu vernichten.
Auf der Höhe von ivrolchweiler tobte
am 6. August ein schwerer Kampf; die
chlacht bei Wörth fand hier ihre Ent
schcidunq. Mac Mahons machtvolle
Vorstöße warcn zerschellt an der unbe-
Iiegbarcn Ausdauer der Hessen und
Thüringer, die hier den ersten Waffen
gang im neuen, gemeinsamen Verbände
mitmachten, an der zähen Kraft der
Bayern und Württemberg, die weder
an Muth noch an Schlacht- und Sie-
gcsfühlgkelt dcn Preußen nachstehen
wollten.
Ta führte Mac Mahon In der drit-
tcn Nachmittaqsstunde seine Streit
lräfte, soeben durch die Eisenbahn ver-
stärkt mit einem Kürassier und Ula
ncnrcqiment, Kerntruppcn des fran-
zösischen Hecres, persönlich in den
Kampf. Mit dem wildesten Ungestüm
griffen die Ulanenbrigade Nansouty
und die Küra lierbrigade Michel die
übcr Elsaßhausen jetzt hcroorbrechcn-
den Preußen und Wurttcnibergcr an.
aber in unaufhaltsamer Flucht jagte
die Hälfte der Reiter zurück, die andere
deckte todt oder verwundet die Wahl-
statt.
Aber auch die verbündeten Nord
und Süddeutschen erlitten schwere Ver-
Klüfte. Ta lag an einer Anhöhe ein
zunger Württemberger, lang dahingc
streckt: im icqeslaus chien lyn das
tödtliche Geschoß erreicht zu haben, denn
die Lippen sind noch geöffnet zu einem
Hurrah!" Armer Fricdel. Teine
Leni wartct vergeblich auf Tich, denn
Dn bist kalt und todt, gefallen für das
Vaterland, für das einige Deutschland,
das mit Blut und Eisen gekittet wird.
Und kaum hundert Schritte entfernt
liegt unter anderen stillen, bleichen Ka
mcradcn ein junger Soldat, bewußtlos
und schwer verwundet, auch er ist ein
Opfer der Schlacht Rudolf.
Auf weichem Lager im elterlichen
Hause wälzt sich Rudolf in wilden
Fieberträumcn. Nur nothdürftig und
langsam war seine bei Wörth erhaltene
ZLunde geheilt, da meldete er sich zum
Rücktransport in die Hcimath, und aufs
Neue hat ihn die Wunde auf das Kran
enlager geworfen.
Ha, wie sie brennt und sticht, die
Wunde, die tief, tief im Herzen sitzt,
für die eZ nimmermehr Heilung giebt.
Freilich, er wollte ihn nicht tödten.
uur ein Krüppel sollte er werden, damit
die Leni sich von ihm abwende, wenn
er mit fehlenden oder geflickten Gliedern
vor sie bintrctcn werde! Und dann
werde sie sich abwenden und ihn nur
angehören, nur ihm.
Und nun war er zum Mörder ge
worden, zum Möidcr an seinem Bru
der!
Ta. sieh, da stürmt er hin. muthig,
furchtlos, denn er weiß, die Liede betet
für ihn und harret sein!
Ein Schuß hoch wirft er die
Arme in die Lust, dreht sich, und -
grüßlich er blickt ihn an. er scheint
ihm zu drohen mit dem niedersinkenden
Arm ihm. aus dessen Gewehr die
Kugel kam ihm, seinem Mörder
dem Brudermörder!"
Mit einer Stimme voll verzehrender
Angst und blasser Furcht schreit ,S der
Todtkranke in die stille Nacht hinaus,
Vater und Mutter vermögen den Rasen
dcn kaum zu halten und doch dürfen sie
fremde Hilfe nicht in Anspruch nehmen
denn Niemand darf das furchtbare
Geheimniß ahnen, da? jener Todte in
blutgetränkter Erde und dicscr Walin
witzige hier theilen. Bald theilen es
nur noch zwei Todte.
Trei Tage später trug man den
todten Krieger zu Grabe. Einfach und
ohne Gepränge war das Leichenbcgäng
niß. So hatten es die Eltern gewünscht
so war es geschehen. In einer Ecke
hatte man ihm die letzte Ruhestätte be
reitet, still und ungestört sollte er dort
einem besseren Jenseits und der Ver
zcihung entgegeiifchlafen.
Nationallicd der Buren.
Untenstehend veröffentlichen wir das
Nationallicd der Buren, das die wacke
ren, freihcitliebcnden Bürger Trans
vaal's in der letzten Zeit zu neuer Be-
qcistcrung und unvergleichlicher Tapfer
keit entflammt hat. Eine annähernd
wortgetreue Ucberscftuug in's Deutsche
1,1 toigenoe:
Kennt Ihr das Land voll Heldcnmuth,
s um der Freiheit Preis
Geopfert freud'g Gut und Blut
im .flslinhfe. wild und beik?
Auf, Bürger, laßt die Fahnen wehen,
Zu End ift Tyrannei,
Aus blut'gcr Saat seht hier erstehen
Ein Volk, von Knechtschaft frei,
Ein freies Volk, ein freies Volk.
Ein freies, freies Volk es sei!
Kennt Ihr das Land, so fern der Welt,
Und doch so herrlich schön
Das die Natur so reich bestellt.
In Thälern und auf Höh'n?
Transvaalcr. laßt das Lied erschallen:
Wo unter Volt hielt Stand.
Wo munter uns're Büchsen knallen.
Ist unser Vaterland.
Das schöne Land, das schöne Land.
Es ist ja unser Vaterland!
Kennt Ihr den Staat, ein Jüngling noch
Im lstaatcndund der Welt.
Der, ledig brit'fchen Joches, hoch
Der Freiheit Banner hält?
Transvaalcr, von Tyrannenhand
Uns Gott befreite hat
Er schützet unser herrlich Land
Und den geliebten Staat!
Trum preiset Gott, drum preiset Gott
Preist ihn. der uns beschützt den Staat!
Ts erste Telegramm in Teutsch
land.
Am 22. November 1794 wurde in
Deutschland die erste telegraphische Te
pefche befördert, und zwar fclbstver
stündlich mit dcm optischen Tele
graphen. Es geschah dies bei Gelegen
hcit des Geburtstags des Markgrafen
Karl Friedrich von Baden, nnd es
wurde das nachstehende Gedicht durch
den Bcechanikus Böckmann auf die Ent
fcrnung von anderthalb Stunden nach
Karlsruhe signalistrt:
Groß ist das Fest und schön! Triumph,
der Gute lebt.
Um dessen. Fürstenthum der Porsicht
Auge schwebt,
Heil ihm, so tönt es fern und nah:
C urst, sieg hier, was Tcutfchland
nock nickt i"sib.
Wie Tir der Telegraph heut' Segens-
wünsche schicket!"
Ach so!
Erster Radfabrcr: ..An wie viel
Kneipen find Sie wohl von hier nach
.Dorf vorüber gefahren?"
Zweiter Radfahrer: An gar keiner!"
Erster Radfahrer: -Nanu, und es
sollen so sehr viel auf diesem Wege
liegen."
Zweiter Radtabrer: .Gcwin. minde-
stens lebn Stück, ich bin aber an keiner
vorübergcfahren. sondern bin in jeder
eingekehrt.
Unüberlegt.
Sachverständiger Oberamtsarzt fein
Protokoll diktirend): Die Rosa Mül-
ler ist in hohem Erade blödsinnig; man
sieht dies an ihren Antworten und den
an sie gestellten Fragen!"
Immer der Gleiche.
Professor (der in einem Herrn einen
früheren Schüler - wiederzuerkennen
glaubt): Bitte, mein Herr, waren
eie nicht früher einmal so ein kleiner
Knabe mit dreizehn Jahren?"
Eingebildete Größe schaut auf uus
herab; wahre Größe zic.ht uns zn sich
empor.
Anzüglich.
Weinftubeiibcsitzer: .Guten Abend,
Herr Kapitän! Beehren Sie mich auch
einmal wieder?"
(ast: .Ja. ich muß wohl ab und zu
meine Flagge in ihren bewässern
zeigen."
Kleiner Unterschied.
.Bei der gestrigen Jagd hatte ich
Pech!"
.Sie haben wohl ein Wild angeschos
sen und das hat sich geflüchtet?"
.Nein, aber ich hab' etwas Zahmes
angeschossen und das hat geflucht!"
imat Zeugniß
Dame (zum Dienstmädchen, dessen
Zeugniß lesend): Hören Sie, das ist
ja eine ganze Biographie von Ihnen."
Neues Dienstmädchen: Bitte, meine
frühere Tienstgeberin ist schriftstellerisch
thätig."
Ihre Auffassung.
Hausfrau: .Marie, soeben saß ja in
der Küche ein anderer Soldat?"
Köchin: Aber gnädige Frau sagten
mir doch erst vorige Woche, ich solle
mehr Abwechselung, in die Küche
bringen!"
Fruchtlose vrolsiing,
Mutter (zur Tochter): Wenn Tu
noch ein einziges Mal ausgehst, ohne
mich um Erlaubniß zu fragen, dann
kannst Tu was erleben!"
Tochter: TaS ist es ja gerade, was
ich will, Mutter, einmal w erleben."
Lin Geduldiger.
Ist Ihnen das nicht auf die Taucr
langweilig. Herr Simmerl, daß Sie
sich in Allem nach dem Sinn Ihrer
Frau richten müssen?"
Ach nein! sie wechselt Ihren Sinn
so oft, daß eS ganz und gar nicht mono
ton ist."
ver Pantoffelheld.
Nachtwächter: Warum springen Sie
denn fortwährend in die Höhe?"
Herr Wampcrl (ganz außer Athem):
Na. schcn Sie doch, ich springe nach
dem Hausschlüssel, dcn mcine Frau da
am Bindfaden hält! So macht sie's
jedes Mal, wenn ich etwas spät nach
Haufe komme!"
Die höhere Tochter auf dem kande.
Lucy: Wer bekommt das viele
Salz?"
Magd: Unsere Kuh."
Lucy: Muß die aber verliebt sein!"
höchstes tob.
Erstes Dienstmädchen: Wie ist Deine
neue Gnädige?"
Zweites Dienstmädchen: Es geht
gebildet, fein, chic.... fast wie unser
eins."
Schlimm.
Joseph, warum bist Du denn s
betrübt?"
Mei' Ohren!"
Hast der denn erkältet?"
Nein heut' bat mir Aner d'rüber
gehau'n!"
vergebliche Ironie.
Gnädige (ironisch zur Köchin): ..Sie
haben ja einen Soldaten in der Küche, -das
ist reizend!"
Köchin: Ach. gnädige Frau, freut
mich das, daß Sie auch so für's Militär
eingenommen sind!"
Immer geschäftlich.
Herr: Ich komme. Sie um die
Hand einer Ihrer Fräulein Töchter zu
oinen.
Eigarren-Fabrikant: ..Sehr wobl!
Wünschen Sie die Abgelagerte, die
Mittelstarke oder die aus der Pension
Jmportirte?" .
Pantoffelheld.
..Deine Frau ließ Dick, aestern Asien
wieder nicht in die Kneipe? Na. hörst
Tu. da würde mir die Geduld aus
gehen!
VM. was NÜKt es. wenn mir di
Geduld ausgeht, und meine Frau läßt
mich nicht fort!
Der erste Gedanke.
Chef (zu dem neuen Reisenden):
Unter andern hatten sie auch die Kavi-
täne der hier im Hafen liegenden
cuisse zu oesucuen:
Reisender: Hm. wenn ich aber da
nun hinausgeschmissen werde ich
kann nicht schwimmen!"
Geschichtlich Verwechslung.
Major: Haben Sie den Leuten
auch etwas von den Kriegshelden des
Alterthums erzählt?"
Leutnant: ZuBefehl. HcrrMajor!"
Major: Tarclhubcr. wer war
Eäsar?"
Taxclhuber: Handpfcrd bcim zwei-
ten Geschütz!"
Falsch aufgefaßt.
Arzt (dem Huberbauer ein Reicvt
überreichend): So, damit tüchtig ein
reiben, dann wird's besser!"
Arzt (nach einigen Tagen): Na.
hat's geholfen?"
Huberbauer: ,as schon, aber ich
thät' bitten um a neu's Papierl. mit
dem alten kann ich nimmer einrciben!"
Doppelsinnig.
Vater: Bist Tu denn auf Tcin
Examen gründlich vorbereitet?"
Student: Ich bin auf Alles vor
bereitet."