Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 16, 1899, Image 9

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    Der ScHnsjuiu.
i- o n 0. 13 a 1 1 f 1 1 .
(53 ist sin Mann brauten und ein
SHTMf. der Irans ist.- meldete da?
Maochen.
Ein kranker Junge? Ter ist wohl
in der Elaae irre gegangen und will
zum Toctotf"
,?ie,n. zu Ihnen.
Nun dann herein."
In der Zhüre erschien ein Mann
von rüstigem Aussehen, mit stark er
grautem Kops und Barthaar. Hin
ter ihm ein Junge, halb noch ein Kind,
sauber gekämmt und reinlich gekleidet
Indem die Beiden aus dem Schatten
der Zhure m daZ Licht der Etube tra
ten. kam das Gesicht deS Kleinen in die
richtige Helle. Ein schmale?, blasses
Besicht, mit guten, treuen Augen
Krankheit stand nicht darin geschrieben.
dafür ein Schlimmeres: ein frühzeitiger
Ernst, wie der SLiderschien emeZ noch
unverwundenen Kummer?.
Sie haben die Güte gehabt, sich nach
meinem (Rechne zu erkundigen, Herr
sagte der Begleiter höflich, indem er zu
gleich den Namen eines gemeinsamen
Bekannten nannte, der ihn an mich gr
wiesen; da ist er selbst, und nun mag
er Ihnen erzählen, wie das so mit ihm
gekommen ist."
Und seine schwielige Hand strich leicht
über daS glänzende, gescheitelte Haar
des Kleinen.
ES entstand eine Pause, die Keiner
von uns zu unterbrechen wagte. Der
Knabe blickte nach dem Pater, der
tzZater nach dem Sohn. Beide schienen
nenbar die Unterbrechung des Schwei
genS von mir zu erwarten. Ich aber
befand mich in grausamer Verlegen
heit. Vor einigen Tagen war eine
kleine Notiz durch die Hamburger
Blätter gegangen, des Inhalts, daß
ein Schiffsjunge in Folge fortgesetzter
Mißhandlungen seitens seines Steuer
manneS auf hoher See über Bord ge
fprungen, um feinem Leben und seiner
Pein ein Ende zu machen. Ter über
diese Folgen seiner Missethaten er
schreckte Steuermann war dem Kleinen
stehenden Fußes nachgesprungen und
hatte so den, den er zuerst in den Tod
getrieben, mit dem Einsatz seines eige
nen Lebens wieder gerettet. Und nun
faß dieser Gerettete vor mir und toax
tete. daß ich zu ihm sprechen werde.
Man begreift, daß das nicht so leicht
ging und daß mir die Worte fehlten.
Denn wer erst einmal mit fester Hand
an die Pforten der Ewigkeit gepocht
und von dorther wiederkehrend zurück
getreten ist in den Kreis der Lebenden,
der erscheint uns anders als früher. Es
ist. als läge zwischen ihm und uns ein
geheimnisvolles Drittes.
Da legte sich der Vater in's Mittel
Mein Junge da. ist fünfzehn
vorüber." sagte er, ein gutes Kind,
gesund, willig und vor Allem lustig.
DaS heißt, lustig war er bis zur
letzten Fahrt. Er hat schon drei Fahr
ten gemacht. Die erste auf einer Smake,
diev zweite auf einem Dampfer, die
ttfnte eben jetzt auf diesem Drei
master. Ein solides Schiff, dieser
Dreimaster, ein schönes, schönes Schiff
Ter Junge ging gerne mit. Obwohl
für den Teckdienst geheuert, wurde er
doch bald zum Cazütendienst genom
men, denn er war anstelliger als der
eigentliche Cajüten-Junge. Dafür kam
der für ihn auf Deck. Es war ein
schlechter Tausch. Ohne alle Ursache
hatte der Steuermann einen Haß auf
meinen Sohn geworfen und wo er ihn
traf, fiel er ihn an. Wissen Sie, Herr,
wer zur See gefahren ist und auch ich
bin Seemann der weiß, daß eine
gesunde Backpfeife oftmalen mehr wirkt,
wie ein Halbjahr auf einer Navigation?-
schule. AIs daher mein Jung nach
feiner letzten Fahrt ordentlich verbeult
zurückkam, da dachte ich, na, den haben
sie eben Schifferdcutsch gelehrt, frug
ihn darum auch weiter nicht aus, um
ihn nicht zu beschämen. Als er aber da
vor sich hin faß, nicht essen wollte und
sogar nicht einmal mehr lachen mit sei
nen Geschwistern, da war er mir doch
leid, ich nahm ihn vor und sprach ihm
Trost zu. Die Hiebe hast Tu ja nun
doch einmal weg, sagte ich zu ihm, denk'
nicht weiter daran, dafür ha t Tu wie
der etwas Tüchtiges gelernt und wirst
ein umso besserer Matrose werden. Da
aber ging mit dem Jungen ein Men
ä würdiges vor. ES kam wie ein Fieber
Über ihn. Er fing an zu zittern, warf
die Arme um meinen Hals und weinte,
weinte, Herr "
Die Brust des Alten arbeitete mäch-
tig. Er aber zwang das, was da in
nen aufsteigen wollte, tapfer nieder,
strich mit der Hand einigemal? kräftig
über seinen grauen Vollbart und fuhr
' fort: Ich setzte ihm zu, doch auszu
sprechen, was ihn drückt, und da sagte
r: Vater, es ist etwas mit mir ge
schehen...."
Ich ganz erschrocken, fragte natürlich
weiter und da kommt es endlich her
auS: Das Leben hat er sich nehmen
wollen, der da "
Im Ofen knisterte die Kohle und
von den blanken Kacheln aus ging eine
behaftliche Wärme durch den Raum.
Und ganz nahe an diesen Kacheln saß
der alte Seemann und einen warmen
Rock aus starkem Düffel hatte er auch
am Leibe. Gleichwohl schüttelte er sich
wie im Frost und seine Stimme wurde
rauh. Er verstummte.
Da wandte ich mich an den Jungen,
der bis jetzt, den Kopf leicht gesenkt, die
Augen zu Boden gerichtet, stille geseffen
hatte.
Da Somiagsgast.
Jahrgang 20.
Dachtest Tu denn so gar nicht
an Teine Eltern, nicht an den schmerz.
den Du ihnen mit einer solchen That
bereiten, nicht an die große Sünde, die
Tu damit begehen würdest k "
Ter Junge hob den Kopf und blickte
mich mit seinen guten Augen wie vev
wundert an.
Denken, Herr, bei solchen Schlägen
denken?" sagte er mit ruhigem Kops
schütteln. Nein, das geht nicht. daS
geht wirklich nicht. Tenn sehen eu,
der Mann stieß mit den Füßen nach
mir und schlug mit beiden Händen
darauf los. wohin er traf, immerfort
Und ich lag ans dem Boden und das
Blut rann nur so über meine Augen
Ich weinte und bat ihn und die An-
deren, aber Niemand half. Ta dachte
ich nur EineS: Nur keine Schläge
mehr, nur keine Schlüge, stolperte
gegen die Rehling und kopfüber in
See...."
Und dann, was geschah dann wei
ter?"
Was weiter geschah?" Erst
schwamm ich so aus Gewohnheit hin
ter dem Schiffe drein. Aber da kam
eS mir durch den Kopf, wenn Tu
schwimmst, werden sie Tich wieder an
Bord nehmen, und wenn Tu an Bord
bist, gehen die Haue ja doch wieder
loS. und da ließ ich ab vom lschwim
men und that den Mund auf, so weit
als er war, damit das Wasser hinein
laufen könne. Ta war aber auch schon
der Steuermann neben mir und der
umfaßte mich und hielt mich, obwohl
ich mich wehrte und bat, mich zu las en.
und dann kam das Boot, da hob er
mich hinein, und aus dem Boot da
zogen sie mich wieder an Bord "
Tas war alles ruhig und schlicht gc
sprochen. als ob eS sich um eine Sache
gehandelt hätte, die gerade nur so und
nicht anders hat sein müssen. Tie
bleichen Wangen des Kleinen blieben
farblos wie zuvor, nicht einmal die
Stimme verstärkte sich. Ter Sprung
in Tee war nahe dem Aequator ge-
than, in einem Wasser, das von Hai
fischen wimmelte, und auch diese Erin-
nerunq ließ den Jungen ungerührt
Es war, als stände er auch jetzt noch
ausschließlich unter dem Banne der er
littenen Mißhandlung.
Aber wie. um's Himmels willen.
konnte es denn zu diesem Aeußerften
kommen?" nahm ich nach einer Weile
den Faden des Gesprächs wieder auf.
Hast Tu nicht vielleicht doch etwas ge
than. was Du nicht hättest sollen?"
Nun antwortete wieder der Vater
Er hatte es von Matrosen, die mit in
Fahrt gewesen, daß sein Sohn dem
Wutherich durchaus keinen Anlaß ge
geben. Das einzige Versehen, das der
arme Junge sich an dem kritischen
Tage allenfalls hatte zu Schulden kom-
men lassen, bestand in einer Beeidung
an den Steuermann, daß der Kaffee
in der Kajüte zum Trinken bereit stehe.
Und das war freilich nicht ganz
schicklich." fügte der Alte hinzu. Denn
auf unseren hamburgischen Schiffen
ist es Brauch, in solchen Fällen zu
sagen: Sturmann beläben Se den
Kaffe to drinken." Das war aber poch
wahrhaftig kein Grund für den Steuer
mann, um auf sein Opfer loszufahren
mit den Worten: Teuv', ich will Ti
Bildung lehren." und den Jungen so
zu mißhandeln, wie Sie es aus eigenem
Mund gehört haben. Tas hat auch
der Vorsitzende beim Seegericht selbst
ge aqt."
Ah, Sie haben den Steuermann
geklagt?"
Ja, er ist auch verurtheilt worden.
Vierzehn Tage hat er in der Unter
suchunq gesessen, dann hat er dreihun-
den Reichsmark zahlen müssen. Und
mit einem Blick, der deutlich genug
verrieth, wie sehr er befürchte, daß mit
dieser Erfahrung seinem Sohne für
immer die Lust am Seedienste verloren
gegangen fein könne, fügte der Vater
hinzu:' Da heißt es immer, es fehle
an tüchtigem Nachwuchs bei unserer
Handelsmarine, wo aber soll ein Nach
wuchs die Freude hernehmen, wenn er
eine solche Behandlung riskirt? "
Die letzten Stürme haben schweres
Unheil über die Seefahrenden gebracht.
Viele Schiffe, die unterwegs gewesen,
haben ihr Ziel nur verspätet erreicht,
viele gar nicht. Ohne Unterlaß spül
ten die ausrollenden Wogen zerschlagene
Schiffstheile an's Land, häufig auch
Leichen. In den langen Unfallslisten,
welche die Zeitungen veröffentlichen,
waren für den Kundigen in wenigen
Zeilen gar oft mehr an Tragik des
Menschenlebens enthalten, als in den
ergreifendsten Dichtungen, die in den
Schauspielhäusern die Mai en zu Thrä-
nen rühren. Man weiß nicht, was
man höher stellen soll: dic Macht der
Kunst, Hunderttausende für daZ Schick
fal einzelner Menschen zu erwärmen,
die im Drama erdichteten Leiden er
liegen, oder die Kunst dieser Hundert-
Beilage zum Nebraska Ztaats-Anzeiger.
taufendes über die Opfer wirklich durch-
lebter und schrecklicher Leiden mit Gleich
muih hinwegzugehen.
Ich machte nach dem Ablauf jener
Tturmtage eine Fahrt nach dem Segel
schiffhafen, um die aufkommenden
Schiffe zu besichtigen. Solch ein An
blick ist immer von Interesse. Das
Wasser ist gefräßig, und selbst bei
ruhiger Reise sind die Spuren einer
zurückgelegten langen Fahrt deutlich
an den riesigen Schiff?leibern zu erken
nen. Tie einen haben ihre Farbe ver
loren. an den anderen hängen Rost
und Tangreste, bei manchen liegen die
Nähte und die Rippen blos. 'Meine
Erwartung blieb nicht unerfüllt. Ta
war kein Schiff, das nicht Spuren
der überstandenen Noth ausgewiesen
hätte. An einzelnen war die Farbe
wie mit scharfen Messern abgekratzt, an
manchen war das Spierenwerk durch
wirrt, an anderen hingen die Segel
durchrissen, noch in derselben flüchtigen
Weise festgemacht, wie sie auf See
während des Kämpsens mit dem schwe-
ren Sturm gesichert worden waren.
Schäden an allen Enden. Man sah,
wie hart da um's Leben gerungen
worden war. Eines dieser Schiffe
hatte hiebei alle seine Masten einge-
büßt. Es sah jetzt in seiner rnhlgen
Lage vor Anker so recht aus wie ein
Athlet, dem Arme und Beine entzwei
geschlagen sind. Und auf allen diesen
Schiffen war eS ruhig, trotzdem es
am hellen Mittag war. Es schien,
als lägen die Männer, die zu diesen
Schiffen gehörten, alle in tiefem
Schlafe, wie um auszuruhen nach den
schweren Tagen des Kampfes und
Kräfte zu sammeln für neue, künftige
Abwehr.
Ta wrickte eine Jolle an der meinen
vorüber. Tarinnen saßen ein Mann
und 'ein Knabe. Beide grüßten und
im selben Augenblick hatte ich auch
Beide erkannt. Es war der so un
menschlich behandelte Junge und sein
Vater.
Wohin denn?" rief ich den Bei-
den zu.
An Bord zu meinem neuen Prin
zipal!" rief der Junge lustig herüber
Was, willst Tu wieder zur See?"
Jawohl! Jawohl!" schrie nun der
Alte zurück, da die Entfernung zu groß
geworden war, um die schwächere
Stimme des Jungen verstündlich zu
machen. Een Stürmann is ja nich
wie de annder und en schenneres Ver
gneugen, als wie dat, Seemann to
sien, gifft dat ja doch nich up de
Welt."
Damit winkten mir die Beiden zu
und verschwanden mit ihre Jolle im
Schatten eines der aufgetakelten
Kolosse.
Im Anfang war ich betroffen. Jetzt
aber bin ich nicht mehr. Ta sitze ich in
der eingeschlossenen Stube und schreibe
diese kleine Geschichte nieder, die eine
so seltsame Moral hat, die im Grunde
gar keine ist, und draußen krault der
Nebel an den Fenstern herum, wie ein
alter Bieronkel, der das Schlüsselloch
nicht sinden kann, dieweil dieses Loch
nicht größer und sein Bierjammer nicht
kleiner werden will. Und in diesen die
Leute an einander vorüber, stonen
an und sagen nicht einmal Bitte!"
wenn sie sich getreten haben. Und wenn
ich mich nach Wärme sehne, so bleibt
mir keine Wahl, als Kohle in den
Ofen zu thun, und wenn es mich nach
Licht verlangi, so bleibt mir gleichfalls
nichts übrig, als die alte Petroleum
lampe recht hoch zu schrauben. Tas ist
Alles. Der kleine Schiftsiunqe aber.
dem das Leben freilich schon in frühe-
ren Jahren so arg mitgespielt hat.
schaukelt um diese Zeit schon wieder
draußen auf den weiten Wassern, die
die Dichter die Wiege der Mehrheit nen
nrti, fernen, warmen, sonnigen Ufern
zu. und wenn ihm die etrnne an der
einen Stelle entläuft, kann er sie an
der andern einfangen, und das ist die
Hauptsache. Freiheit und Licht
Unsereiner der jahraus jahrein gebeugt
über seinem Schreibtisch sitzt, der weiß
ja wohl kaum mehr, was in diesen bei-
den Worten steckt. Aber wer das erst
herausbekommen hat, der weiß darum
auch das Schwerste zu ertragen. Das
hat mein kleiner Schiffsjunge bewiesen.
Die ilinfpenic.
Humoreske von A. T r i n i u s.
In einer vielbesuchten Weinstube des
Städtchens N. saßen eines Vormittags
in heiterster Stimmung drei Musiker
des Stadtmusitkorps. Einer von ihnen
hatte einen kleinen Treffer in der Lotterie
gemacht, weshalb er nicht umhin konnte,
feine zwei intimsten Freunde und Kol
legen zu einem anständigen Frühschop
pen einzuladen. Dieser Frühschoppen
hatte aber bereits di Mittagszeit über-
chntten und Reimann, der Eine dieses
vergnügten Kleeblattes, forderte nun-
mehr seine Kollegen auf. auszutrinken,
um am Nachmittag noch einen kleinen
Erholungsdummel in der Umgegend
deZ Städtchens zu machen.
Bleibt nur noch ein Weilchen, ich
spende noch einen Braunederger!"
meinte der joviale Wirth uud langte
sofort nach einer Flasche im Regale.
Das wäre so etwas für unseren
Reinhold!" bemerkte Schwarz, einer der
drei Musikanten, als sie auf das Wohl
des Wirthes angestoßen und getrunken
hatten.
DaS glaube ich gern," erwiderte
der Wirth, da füllt mir aber ein. daß
wir mit diesem 'mal wieder etwas aus
führen könnten; Ihr wißt doch daß er
sich stets freut, wenn er über seine Solo
Leistungen gelobt wird und daß er dann
gern den Noblen spielt und Euch ein
paar Flaschen spendet."
Das stimmt." sagte Reimann, ein
guter Kerl ist er."
Ich habe eine Idee," fuhr der
Wirth weiter fort, ich nehme ein an
ständiges Fäßchen, fülle dasselbe mit
Wasser, gieße ein paar Liter Weinessig
hinzu und ein paar Hände voll Zucker.
Wir fahren beute Nachmittag nach ff.,
nehmen das Faß mit. geben es dort als
Frachtgut bei der Bahn auf und ich
schreibe einen schmeichelhaften Brief
dazu, ich wette, der Kerl säuft das Faß
allein aus, denn mit feinem Geschmack
ist es, wie Ihr ja wißt, sehr schlecht de
stellt.". Lachend erklärten sich Alle mit die
sem Vorschlage einverstanden. Der
Wirth versprach, während die Musiker
zum Mittagstisch gehen, das Faß zu
füllen nnd den Begleitbrief fertig zu
stellen.
Wenige Minuten vor Abgang des
Zuges nach K. kam an demselben Nach
mittag eine Drosche am Bahnhof vor
gefahren, welcher unsere Musiker und
der Weinwirth entstiegen. Ter Kut
scher half dem Gepäckträger ein großes
Faß vom Bock heben, welches, ivie er
sagte, etwas auslaufe. Schade um
den Wein," meinte er noch, na es wird
wohl noch verquellen."
TaS Faß wurde als Passagiergut
aufgegeben, die Fahrkarten nach K.
einem in der Nähe gelegenen Villenort
mit Weinbergen gelöst und fort
ging's. In einer halben Stunde war
der Ort erreicht, das Faß wurde als
Frachtgut sofort wieder nach N. aufge
geben und ebenso ein Schreiben an den
Musikus Reinhold. Hierauf begab sich
das vierblütteriqe Kleeblatt in ein dorti-
ges Wein - Restaurant, wo alle mög-
lichen folgen dieser Weinspende be
sprochen wurden. Unter der Versiche
rung, hiervon Niemand etwas mitzu
theilen, wurde Abends die Rückfahrt
ach N. wieder angetreten, da die
Kapelle, der unsere Musiker ange-
hörten, noch ein Konzert zum Besten
eines wohlthätigen Zweckes abzuhalten
hatte.
Am anderen Morgen beim Kaffee
trinken klingelte es bei dem Musikus
Reinhold. Ein Kutscher überbringt
demselben einen Frachtbrief mit dem
Bemerken, daß er ein Faß Wein ab-
geladen habe. Erstaunt überzeugt sich
Rheinhold von der Richtigkeit der
Adresse. Er findet Alles in Ordnung
und übergiebt dem Kutscher ein Trink-
qeld. Kurze Zeit, nachdem dieser das
Zimmer verlassen, erscheint auch der
Briefträger und. bringt einen Ein
schreibebrief. Reinhold öffnet diesen
und liest:
Geehrter Herr!
Als einem eifrigen Besucher der
Konzerte, welche die Stadtkapelle jeden
Tonnerstag giebt und welcher Sie als
Mitglied se.it Jahren angehören, berei-
tet es mir immer ein besonderes Ver
gnügen, die Soli auf Ihrem Jnstru-
mente anzuhören. Ich bin stets hoch-
beglückt darüber! Genehmigen Sie für
diesen herrlichen, mir so oft bereiteten
Genuß meinen verbindlichsten Dank
auszusprechen, und gestatten Sie mir,
als Zeichen meiner ganz besonderen
Anerkennung, Ihnen das beifolgende
Fäßchen Wein zu ihrer Labung über
senden zu dürfen. Lassen Sie sich das
selbe recht wohl bekommen!
Hochachtungsvoll zeichnet
Ernst Brauner."
Das ist anständig! Es giebt doch
noch gute Menschen in der Welt, die
Verdienste auch anerkennen." sagte
Reinhold, nachdem er den Brief wie-
derholt durchgelesen und auf den Tisch
gelegt, auch den Frachtbrief noch ein
mal betrachtet hatte.
Rosa! komme doch mal herein.
schau' nur. was für ein Präsent mir
heute gemacht worden ist für meine
vorzüglichen Leistungen als Soloblä
ser. Das ist doch sehr anständig!
Nicht wahr? Aber in dem Faß müs-
)en doch mindestens hundert Liter Wein
stecken, wo wollen wir nur die Fla-
No. 2.
schcn beim Abziehen hierzu herneh
men?" Laß das gut fein, liebes Männel."
sagte die herzukommende Frau Rein
hold, welche über das ganze Gesicht
lachte, ich werde schon dafür sorgen,
und da Du schon längst Tich einmal
bei Teinen Kollegen haft abfinden wol
len für die Vertretungen, die sie wäh
rend Teiner Krankheit übernommen
hatten, so bietet sich jetzt die beste Gele
genheit, wenn Tu dieselben einmal
einladen willst: wenn sie auch tüchtig
darauf loS trinken sollten, so bleibt für
unS noch genug übrig!"
Reinhold war vollständig mit dem
Vorschlage seiner Ehehälfte einvcrstan
den und sagte, daß er hierzu die Ein
ladung bereits für die nächste Woche
würde ergehen lassen, weil sich da ein
freier Abend für die Kapelle böte.
Es war Abends sieben Uhr. In der
Wohnung deS Musikus Reinhold war
das große Zimmer festlich hergerichtet.
Auf langen Tafeln befanden sich Tel
ler und Schüsseln mit allerhand feinen
Eßmaaren und einer Unmasse Wein
gläser von allen möglichen Formatio
nen. In der Ecke des Zimmers aber
war auf einem Gestell ein Weinfaß
von ansehnlicher Größe aufgestellt.
Reinhold musterte mit seiner Frau zum
so und so dielten Male das Arranae-
ment. Wohlgefällig blinzelte er durch
die aoldene Brille und indem er seiner
Gattin einen derben Kuß auf die Wange
druckte, meinte er: Du hast Deine
Sache vortrefflich gemacht, nun kann es
losgeyen:
Nein, Herze!" erwiderte Frau Rein
bold. erst müssen hieftirtfte hu sein'"
Kurze Zeit hierauf stellten sich nun
die eingeladenen freunde mit ihren
Frauen ein und alsbald war jeder
Piag im Zimmer beletzt. Mit Ungc
duld sab Reinbold dem 9Iiinenh(irfe
entgegen, wo er seine Gäste willkom-
men yeikzen tonnte, als ihm plötzlich
der Anfang hierzu erleichtert wurde,
indem fein Freund Meier ihm leise zu
flüsterte: ..Reinbold, aebt's bald Ins?
chyaveurst!"
Reinhold begab sich flugs an seinen
Plak. Verneiate sich, indem er umlei
an sein Weinglas anstieß und in feier
iicyem .onc sprach: i'iede Damen
nnd liebe Freunde! Schon längst hatte
ich es mit meiner Frau mir vorgenom
men, Sie zu einem Gläschen Wein bei
mir einzuladen, aber ledinlirft dieWnM
der Weinsorte war der Grund, weshalb
dies bisber nicbt scbon neMieneu Kenn
Sie wissen ja, der Geschinack ist verschie-
den und über den elben läßt sich bekannt
lick auch nickt streiten. a nlnnMe ick
nun aus der Verlegenheit gekommen zu
sein, als ich vergangene Woche durch ei
nen wohlwollenden Gönner diese? K-
chen Wein erhielt, welches eine vorzüg-
iicye fcorte enthalten soll. Mein erster
Gedanke war: hierzu ladest Du Deine
Freunde mit ihren Frauen ein (lebhaf-
ies ravo von allen Anwesenden), denn
getheilte Freude ist doppelte Freude und
fo wollen wir denn nun zu kosten begiw
nen, was mein hoher Gönner mir ge
spendet. Derselbe lebe unbekannter Weise
hoch!" Mit Begeisterung stimmten Alle
in ein oreisaches Hoch ein.
Freudestrahlend über seinen nesnnne
nen Toast beobachtete nunmehr Reinhold
die Tischgesellschaft, bemerkte aber, daß
mehrere seiner Freunde bald Körper
Windungen vornahmen, die doch nur
aus oas Genant Bezug haben konnten.
In einigen Mienen fand er. als gewieg
ter Weinkenner, einen Ausdruck her ihn
ganz starr machte, als plötzlich Reimann
rief: meinyoid. das ist Grätzeberger!"
Nein, reiner Nierensteiner!" ermiw
ein Anderer. Um Himmelswillen, das
l,l reines Teufelszeug, ich trinke keinen
Tropfen mehr, mir ,iebt es alles sninm.
men!" schrieen mehrere zugleich.
i Damen alle lachten. Reinhold
wurde blak und rotb und in sei
Aufregung sagte er mit gedämpfter
klimme: Ihr könnt Euch darauf ver
lassen, der Wein ist echt, er ist nur zu
,ung, scviecyr ,,t er aber keineswegs."
Dabei kostete er mit vollen, Qime i
Glas und wiederholte: Der Wein ist
nur zu jung!"
Ich mag aber keinen Scklnck mein-
der eine, den ich gethan, hat vollstän
big genügt, mich von dieser edlen Sorte
zu überzeugen." rief ein Anderer der
Gäste. Reinhold. mache den Svund
vom Fasse wieder ,u " riefen TOeftr.r.
und alle Versicherungen, daß der Wein
einzig und allein nur zu jung sei. nutz
ten nichts.
Reinhold war in arstfeier Verlebe.
heit. Was thun? Nach genommener
Rücksprache mit seiner ffinttin frt
er nach einer Weile die Anwesenden, ob
,ic uniei ivicuen umstanden mit Bier
vorlieb nebinen wollten Ais in ,4,
damit einverstanden erklärt hatten, er
lernen oaio daraus aus dem nebenan
befindlichen Restaurant ein Bieraus-
geder mit einem Faß echt Kulmdacher".
was mit lautem Halloh begrüßt wurde
uns was sich nun die Gaste wohl
schmecken ließen.
Erst nach Mitternacht trennte man
sich, jedoch hatte Reinbold noch beim
Abichiednedmen manche Stichelei über
seinen zu jungen Wein zu hören bckom
men. was ihn jedoch durchaus nicht
alterirte. denn außer dem Faß Wein
auch noch ein Faß Bier zu spenden,
war nach seiner Ansicht doch mehr wie
nobel.
Ausfallende? Weife war Reinhold in
den nächsten Wochen das lustigste Mit
glied der Kapelle, was allen seinen Kol
legen auffiel, die sich diese Fröhlichkeit
nicht erklären konnten. Ein alteS
Sprichwort aber sagt: Sauer macht
lustig!" Und so war eZ auch hier der
Fall. Tie Kollegen Reinhold's. welche
in die Weinspende" eingeweiht waren,
wußten sich diese Fröhlichkeit zu deuten,
zumal Kollege Reimann wiederholt die
Versicherung abgegeben hatte, daß
Reinhold den Inhalt des Fasses noch
auf Flaschen gezogen und diese bis auf
den letzten Tropfen selbst geleert habe.
RiesengebSud, im alt, Rom.
Wie der Architektur and Building"
mittheilt, hat Prof. Lanciani einig
merkwürdige Entdeckungen in Bezug
auf die Baugesetze im alten Rom ge
macht, nach denen es den Anschein hat,
als ob die übermäßig hohen Gebüude,
die man jetzt gewöhnlich als ausschließ
lich amerikanischen Ursprungs ansieht,
in Rom sehr wohl bekannt waren. Sie
gaben Anlaß zu einschränkenden Ge
setzen, und zwar aus denselben Grün
den. die ihnen heute entgegen gehalten
werden, nämlich der Feüersgefahr, der
Gefahr der allzugroßen Jnanspruch
nähme der Baumaterialien, , wegen der
allgemeinen Klagen über verdunkelte
Straßen u. f. w. Prof. Lanciani hat
z. B. bei den römischen Geschichtsschrei
bern häusige Anspielungen auf die rie
sige Höhe der Mietshäuser von Rom
gefunden; doch scheinen vor der Zeit des
Augiistus noch keine bestimmten be
schränkenden Gesetze bestanden zu haben.
Zu dieser Zeit jedoch wurde ein Gesetz
erlassen, das die Höhe neuer Bauten
auf 60 Fuß an der Straßenfront fest
setzte, ohne die Höhe der Hinterfronten
oder Hintergebäude zu beschränken. Es
ist jedoch bekannt, daß sich die Mieths
Häuser an der Hinterfront oft um meh
rere Stockmerke höher als an der Vor
derfront erhoben, sodaß eine Reihe von
Miethshäusern in Rom, von einer fer
nen Höhe. z. B. von dem Tache eines
Tempels mit weiter Aussicht gesehen,
den Anblick einer Terraffe darbot. Am
höchsten waren die Gebüudetheile an der
Hinteren Grundstücksgrenze, dann die
übrigen Theile des HauseS stockwerk
weise absteigend bis zur Vorderfront.
Das Gesetz des Augustus fand Anwen
dung auf neue Gebäude, während da
malS wie jetzt überall Rücksicht auf be
reits bestehende Bauten genommen
wurde. Tie Zahl der Stockwerke an
der Straßenfront dieser römischen Bau
ten betrug gewöhnlich 10 bis 12, wäh
reud die Hintergebäude 15 Stockmerke
erreichten. Tie untersten Stockwerke
waren 8 bis 10 Fuß hoch, aber aus
Andeutungen, die Schriftsteller jener
Zeit geben, ist zu entnehmen, daß die
Räume um so niedriger waren, je höher
sie über dem Erdboden lagen. Ja, die
Miether der oberen Stockwerke wohnten
sogar in Räumen, in denen sie oft nicht
einmal aufrecht stehen konnten. Daß
die Stockwerke manchmal weniger als 5
Fuß hoch waren, zeigen die Äusgra
düngen im Pompeji; dort wurden in
einem wahrscheinlich von armen Mie
thern bewohnten Hause ein Stockwerk
von 4 Fuß und 3 Zoll Höhe entdeckt.
Es war ein Wohnzimmer, denn in ihm
wurden alle die Artikel gefunden, die
zu einem römischen Haushalte gehörten:
Betten, Sessel. Spiegel. Kämme, Bür
sten, aber auch Kochutensilien und an
dere Dinge, die im Verein mit den Ge
deinen der Familie den unbestreitbaren
Beweis lieferten, daß das Zimmer be
wohnt gewesen. Es ist sicher, daß die
Miethshäuser von Rom an der Straßen
front mindestens 100 Fuß und an der
Hinterfront wenigstens 130 Fuß hoch
waren. Wie viele Stockwerke diese
Miethshäuser hatten, wird uns zwar
nicht ausdrücklich mitgetheilt, aber
wenn die oberen Stockwerke nicht höher
als das in dem pompeilanischen Hause
waren, so mögen die römischen Mieths
Häuser leicht ebenso viele oder mehr
Stockweree als die modernen Bureau-
gebäude in New Jork umfaßt haben.
Guter Wille.
Kommenzienrath (zu dem Bewerber
um die Hand seiner Tochter): Sie
besitzen also aar kein Vermögen? 5at
Ihnen denn Ihr Herr Vater nichts
hinterlassen?"
Bewerber: Leider nein."
Kommenienratb: ..a. dann tbut
es mir leid, aber ich kann Jbnen meine
Tochter nicht geben. Sie hätten eben
bei der Wahl Ihrer Eltern vorssebtilier
sein sollen, junger Mann!"
Bewerber: ..Das wollte ick eben hei
der Wahl meiner Schwiegereltern nnck-
holen."
verschörft.
fremder (der ein nifiifirtita fiefi.
tisltl: Kiekt'S denn hier mirfi TSäi-thft.
u f - -7 v " "
narstrasen für die Insassen?"
Aufseher: O ja, zum Beispiel
Dunkelarrest, und die Schlimmsten
uiegen üu iveiier mcyis zu enen, als
was die Töchter vom Direktor aefnrtr
haben!"