Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 02, 1899, Image 11

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    LL
Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht,
sie liebt ihn.
Fritz Reuter, dkr humoriftisch.
plattdeutsche Tichter. vkrdrachte dir
letzte .'Zeit seiner Hause als Staats
gefangener auf der kleinen mecklen
burgischen Festung Tömitz. Auf per
sönliche Verwenduna, seines Landes
Herrn, des ttroßhcrzogs Paul Friedrich,
beim König Friedrich Wilhelm III.
gestaltete sich feine Lage daselbst sehr
erträglich. (Sr führte ein fast idyllisches
Leben. Namentlich in der Familie des
FkstuiigSlommandantcn, Oberftleut
nants Karl von Bülow (1707 1850).
fühlte er sich von Anfang an heimisch
und gestand selbst: Ick hadd dat so
gaud as Kind in den ftus." Bei dem
Oberstleutnant v. Bülow, einem schon
bejahrten, schneeweißen, etwas schwer
hörigen Herrn, der voller Eigenheiten
war. hatte er bald einen Stein im Brett
durch sein Schachspiel; er lieh ihn mei
flenS gewinnen. Auch sein dichterisches
und zeichnerisches Talent sand bei dem
Bülow'schen Ehepaar besondere Auf
munterung. Die langen Winterabende
verkürzte und verschönte der damals
2ijährige junge Mann durch Porlesen
und Tetlamiren. worin er Meister war.
Im Sommer fehlt es in der reizvollen
Gegend nicht an den verschiedensten Be
lustigungen. Fritz Reuter hätte es
auch während seines sünf Vierteljahre
dauernden Aufenthaltes in Tömitz im
mcr recht gut gehabt, Hütte ihm nicht
sein Herz einen thörichten Streich ge
., spielt. Er hatte nämlich, wie im
Leipziger Tageblatt" erzählt wird, zu
der dritten der fünf Töchter des Kom
Mandanten eine schwärmerische Neigung
gefaßt. Es war dies die siebzehnjährige
Frieda (18221894). ein sanftes, stil
les Mädchen mit großen, kornblumen
blauen Augen, dem wegen ihrer selte
nen Anmuth alle Herzen zuflogen. Des
Gefangenen stille Leidenschaft zu Frieda
wuchs von Tag zu Zag, und die Ge
legenheit, oft mit ihr zusammenzukom
mcn, bot sich bald. Ta die Geliebte
und ihr einziger Bruder August Talent
zum Zeichnen verriethen, bat Reuter
um die Erlaubniß, ihnen Unterricht er
theilen zu dürfen. Er erhielt sie. Einst
schickte er nun den Bruder weg, damit
er draußen etwas fkizzire. Mit der An
gebeteten allein, erklärte er ihr knieend
feine Gefühle, als unerwartet der
Oberstleutnant ins Zimmer trat. Nach
einer heftigen Scene und Auseinander
setzung mußte der Unglückliche zur
Wache und durfte sich nicht mehr in dem
Bülow'schen Hause blicken lassen.
Wochen vergingen, bis er der Frau
Oberstleutnant auf dem Wall begeg
iicte und sie um gütige Vermittlung
anflehte. Eines Abends war das
Schloß mit Rauch erfüllt. Aber nie
mand konnte das Feuer finden. Ta
stürmte Reuter hervor, schnüffelte
schnell umher und hieß mehrere hinzu
geeilte Leute den Pfeifenschrank des
Herrn Kommandanten fortrücken. Ter
alte Herr wollte von dem Eingriff
Nichts wissen. Jedoch mit Energie schob
Reuter selbst den Schrank von der
Wand, und er hatte sich nicht geirrt,
denn gerade an der Stelle schlug das
schmälende Feuer jetzt in hellen Flam
men aus dem Fußboden hervor. Der
Herd des Feuers war entdeckt und es
konnte schnell gelöscht werden, Ter
Groll des Gestrengen wich einer ver
söhnlichen Stimmung, die Fürsprache
seiner Gemahlin that das Ihre. Na.
höre Sie mal, Herr Reuter! Sie sind
unser Retter," wandte sich der Oberst
leutnant in seiner originellen Weise zu
ihm, dafür danke ich Ihnen; aber nu
will ich Ihnen noch was sagen, Sie
sind nicht der Ritter meiner Töchter,
denn dafür danke ich auch. Nu ja,
will das vergeffen; aber nun schreiben
Sie man mal das ein bißchen auf. was
ich Ihnen nun diktire:
Ich, Endesunterzeichneter, erkläre
hiermit, daß die Töchter des Herrn
Kommandanten, Oberstleutnant v.
Bülow, mir von jetzt an Alle gleich
gültig sind.
Friedrich Reuter, stud. jur.,
Staatsgefangener auf der Festung
- Tömitz."
Was? Ja wohl, ich glaube, das ist
gut so. Nun gehen Sie man wieder
hinüber, und dann kommen Sie man
. heute Abend wieder her zu 'ner Partie
Schach!" Von jenem Augenblicke ab
ließ Fritz Reuter die zarteste Rücksicht
gegen die Familie v. Bülow walten
und sprach nicht wieder persönlich zu
Fräulein Frieda von Minne und Liede,
wohl aber gab er seinen unveränderten
Empfindungen für sie in Gedichten
Ausdruck, die er seiner Auserkorenen
durch ihren Bruder zusandte. Wenn
August der Schwester die süßen Billets
und Lieder von Reuter überbrachte,
zerriß Frieda sie stets vor seinen Augen
mit den Worten: Sage dies Herrn
Reuter! Ich darf dergleichen nicht an
nehmen. Tu weißt, Vater's Augen
sind überall." steckte aber die Fetzen in
die Tasche und klebte sie o uner
forschliche Liebe auf ihrein Zimmer
unter tausend Mühen heimlich wieder
zusammen. Fritz Reuter und Frida v.
Bülow. der er so tief in die schönen
Augen geschaut, und einen Himmel
dann erblickte, fanden sich nicht sür's
Leben. Aber deS Anbeters Poesie hat
Frieda, die unvermählt blieb, im stillen
Schranke sorgsam gehütet. Noch nach
des Sängers Tode holte sie die vergilb
ten Papiere wieder hervor und las sie
mit wehmüthig.süßer Erinnerung.
Nachdem Reuter die Freiheit , wieder
erlangt und Tömitz verlaffen hatte,
schrieb er noch einigemal an die Familie
v. Bülow. Später, als der Tichter
schon längst mit Lulle, geb. Kuntze. in
glücklichster Ehe lebte, hat er von
Eisenach aus die Bülow'schen Schwe
stern mehrmals in Schwerin besucht.
aber seltsamerweise gerade Frieda, seine
blaue Blume , hat er nie wieder ae,
sehen. Sie war. so oft er in Schwerin
weilte, verreift. Tas letztem! schweifte
Reuter'S Blick fortwährend sehnsüchtig
umher, dann spate er, ihr Eintreten er
wartend, nach der Thür, endlich fragte
er fast wehmüthig: Kommt Fräulein
Frieda denn gar nicht?" Frieda kam
nicht, und wenn Reuter geschrieben
hatte und ihre jüngste Schwester Anna
ihr sagte: Frieda, dein alter Verehrer
bittet um deinen Besuch." zeigte sie sich
erzürnt. Aber wieder seltsam, schließ
lich ist sie die einzige der fünf Schwe
stern gewesen, die ihn doch aufsuchte
ganz allein, an seiner Gruft auf dem
Friedhof zu Eisenach. Tort hat sie ei
nen Kranz niedergelegt als einzige und
letzte Liebesgabe au? ihrer Hand, die er
einft so leidenschaftlich geliebt.
llnser fjans.
Sine Ihierftubie von John Ritsch, ESq.
Jhst Neu York. Aktober de neinte
ds. Mts
ttaatSzeitungs'Nuhspaper, Neu
U. S. äkroß die Britsch.
York
Mister Editer!
vor desmal wär
die Angst Uwwer
ftanne. Ich hen de
narrowste Esküp vun
meim Lewe gehatt,
unnerererAttäckvun
der Alti ihrer Mud
znani wssern ze
müsse. Sie Hot ab
loiui nimmer m
Jhst Neu York bleiwe
wolle, trotzdem mer
da alle modern Im
pruvments un espe
schelli beim Tschalli
all the comsorts of
a Home so nah beisamme Hot. Awwer
nrnne Se. was die Alti vun der Muv-
Kränk gekjurt Hot? E schwarzer Kater
coer, wann mer s genauer nemme
will, so war es eigentlich Superstischen,
was mich gesaft Hot.
Zur Genesung! Ich muß nämlich
in Elinsort niese. Es is an alle mög
liche Plütz im Haus gemahlener Pfef
fer gestreut, weil der Kater dadorch zur
Reinlichkeit erzöge wern soll. Es Hot
awwer bis ,etz noch nix geholfe. Am
mer oes yoi ni? mir der Aailroad ze
thun. Ich hen Ihn? ia verzähle wolle.
wie daß der Kater in's Haus gekimme
ls. Tie Alt, Hot en nämlich geftohle.
Der schwarze Kater is nebe ihr uff der
Gaß yergeloffe. Wann er ,hr n Weg
gekreuzt hatt, da hätt es Unglück be
deut'. Tie Alti Hot sich also gebückt.
yoi oe cyivarze warer ungeyove, un
unner ihr m Käp heimaeschleppt. Da
dorch Hot se net nor Unglück verhüt',
fonnern deirekt Glück in s Haus ge
bracht, dann, wann e schwarzer Kater
in's Haus kimmt, des bedeut' Glück
fegt mei Alti. Mer hen unser neue
Aequisischen den Namen Hans" ge
geben zu Ehren vun eme verstorbene
Onkel vun der Alti.
Es sein jetz schun verschiedene Woche,
daß der Hans in's Haus gekimme is.
Die Alti Hot zwar ihr MÜv-Eidie uff
gegewwe, weil als e Mütter of Fakt,
Katze sich net an e neues Haus gewöhne,
sonnern gewöhnlich im alte Haus
bleiwe. Un die Alti gebt de Hans
nimmer her, dann sie stickt derzu, daß
er Glück bringt.
Ter Hans nimmt inzwische an Kör
perfülle vun Tag ze Tag ganz munner
bar zu, leider awwer net an Weisheit
un Tugend. Wann Ich so viel Ms
chicf anstelle thät, Mister Editer, wie
der Hans, da thät Ich nix wie Hail
Columbia vun der Alti kütsche. awwer
dem Hans werd Alles nachgesehe, weil
er Glück bringe sollt. Uewwrigens is
der Hans e Kürükter. For Jnstcnz,
wann er emol e Gewohnheit ange
nomme Hot. da stickt er derzu un da
nützt kee Pfeffer un kce Prügel un kee
gar nix und sunst aach nix. So thut
er z. B. sei Kralle erst an die Läskor
täns un dann an dem SammetSofä
schärfe. Tie Konsequenz dervon is.
daß die Vorhäng immer länger wern
un des drcihunnertsiwwezich-Doller
Sofä ausguckt wie dreißig EentS.
E anncre liebenswürdige Gewöhn
heit vun dem liebe Thierche is daß es
sein tägliche VerdauungsSpaziergang
nct im Freie, sonncrn im Parlor zmi
sche die Nippsache un die theuerste
Brickabräcks macht. Nach ame konsör
fetiv Eftimüt, Hot der glückbringende
Hans bis jetz for zweihunnert Tollers
Brickabräcks un zwei vun die theuerste
Lampe im ganze Haus biseits zwei
kostbare Statüs vun der Vinus un;
vum Apollo vum Belviderc-Haus, wo 1
die Alti in Päris gekauft un hier eige!
schmuggelt Hot, erunnergcschmisse.
Tamage $700. No Jnfur'änce.
Um gerecht ze fei. muß Ich awwer
zugcwwe, daß der Hans aach sei Vor
zug Hot. So is er z. B. gar net scheu
un sehr zutraulich. Zum Pruv dervon
will Ich Jhne erzähle, daß er neilich
vum Tisch, wo mir drangefetze hen.
vor unsere Aage e gebratenes Spring
Ehicken gepackt un dermit dorch des
offene Fenster in die Yard geflieht is.
Außerdem Hot der Hans bis jetz noch
des folgende Glück" in's Haus ge
fe
bracht: Er Hot sämmtliche Stimme!
vun mir. vun der Alti un der Maud
angeknabbert un verbine, er Hot des
Tintczeug üwwer de helle Karpct im
Front-Parlor gcspillt. er Hot meim
tfchinuein Neufundländcr-Hund, wo
mcr schun dreihunnert Tollers derfor
verweigert worn sein, die Aage auZge
kratzt, er Hot uns drei Tümät'sch-SuitZ
vun Nachbarn eigcbracht un werd's
wahrscheinlich noch dahi bringe, daß
mei Haus als e poblit Nuiscnz diklärt
werd un noch ungefähr zweihunnert
annere Sache, die mer grad nct eifalle.
Awwer des macht nix. So lang der
HanZ im Haus iZ, da muß die Alti
ihre Edie, sich in e fenzi Jlüt in Neu
Z)ork kizckaafe, uffgewwe. Jhne des
selbe wünschend, sein Ich mit Rigards
so lang
Yours
John Ritsch. Eq.
Es is der Alti e kleener Mistük mit
dem Hans passirt. Es is nämlich heint
die Tiskoveri gemacht worn, daß der
Hans mit neun kleine Kützche glücklich
iwwerrascht" worn is. Tie Sere
monni Hot uf der Alti ihrem neue
SiclskinTschäcket, wo uff dem ganz
neue SammetSofä im Parlor gclege
Hot. stattgefunne. Mister Editer, da
druff hin muß Ich jetz beim Tschalli
Eins ausgcwwe. I. R., Esq.
Ru
mokt Mi de ganze Hochtied
kern Spaß mehr."
Zum Kapitel der Tienftbotenfrage
dürfte nachstehende Darstellung einen
nicht uninteressanten Beitrag liefern.
Ter Vorfall hat sich genau in der ge
schilderten Weise in Butjadingen in
Oldenburg unlängst abgespielt. Zu
einem dortigen Landwirthe kommt ein
junger Mann mit dem Ersuchen, ihn
als ständigen Arbeiter engagiren zu
wollen. Nach kurzer Besprechung wird
man einig, daß der Tag des Dienst
antrittes etwas hinausgeschoben werden
solle, weil der neuangcstellte Arbeiter
vorerst ein wichtiges Ereigniß. nämlich
feine Hochzeit, festlich begehen wolle.
Am Tage vor dem Dienstantritte er
scheint bei dem fraglichen Landwirthe
ein schmuck gekleidetes Pärchen. Er im
schwarzen Gchrockanzuge, den unver
meidlichcn Cylinder auf dem Haupte,
sie im hellen Staubmantcl. mit far
bigen Glacehandschuhen, hochmodernem
Hütchen :c. Es bedarf für den Land
mirth wirklich einiger Uederlegung, um
in dem heiter lächelnden, glückstrahlen
den Ehemann feinen kürzlich neu
engngirten Arbeiter wiederzuerkennen.
Es entspinnt sich nun etwa folgendes
Gespräch: Sün Ji all mit Jo' Woh
nung in Reege?"
Nee."
Hat Je denn all mieth't?"
Nee."
Is de Utftür denn klar?"
Nee."
Jo. Minschenkinners. hat Ji denn
gor nix?"
..Nee."
Tas jung vermählte Paar wird nun
zu einem nahewohnenden Möbelhändler
geschickt, in dem Glauben, daß ihm für
einige Zeit Kredit gewährt werde. Der
Möbclhändler ist zur Lieferung unter
der Bedingung bereit, daß der Dienst
Herr die Bürgschaft übernehme. Ter
junge Ehemann erklärt, sein Dienstherr
werde zweifellos die Bedingung erful
len. In dieser Hinsicht hatte Jean
aber die Rechnung ohne den Wirth ge
macht. Als Nachmittags die Möbel
ladung vor des Dienstherrn Hause steht
auf dem Wege zu der frisch aemie-
thetcn Wohnung hatte der Verkäufer
der Einfachheit halber" es vorgezogen.
sich beim Dienstherr seines Käufers
persönlich hinsichtlich der Bürgschafts
Übernahme zu erkundigen erklärt der
Landwirth kurz und bündig, mit der
Angelegenheit absolut nichts zu thun
haben zu wollen. Nun war Holland
in Noth. Die hübschen Möbel wurden
wieder heimgefahren; das neu gemie
thete Häuschen blieb leer, so daß Jean
in die denkwürdigen Worte ausbrach:
Nu mokt mi de ganze Hochtied kien
Spaß mehr".
Im letzten Moment fand der mit
leidige Dienstherr Rath. Er überließ
dem jungen Paar einige Gartenstiihle,
ein Gartentischen und zwei Bund Stroh
als anfängliche Ruhestätte. In dieser
doch wirklich anspruchslosen Einrichtung
verlebte das Pärchen seine Flitter
Wochen. Man wird beim Lesen dieser
Zeilen sich eines Lächelns kaum erwehren
können, und doch zeigt die Sache zur
Evidenz, wie ungemein leicht ein großer
Theil von Dienstboten in Teutschland
sich heutzutage das Heirathen vorstellt.
Tes deutschen Kaisers Marftall.
Der kaiserliche Pferdebcftand ist in
der Hauptsache in einem einfachen Ge
bäude der Breitenftraße, ganz in der
Nähe des Schlosses, untergebracht.
Aber auch in Potsdam befindet sich
stets ein vollzähliger Wagenpark nebst
Bespannung, selbst wenn der Kaiser
oder die Kaiserin dort nicht anwesend
sein sollten. Tie Durchschnittszahl an
Pferden ist 340, von denen die Mehr
zahl Rappen sind. Besonders bekannt
sind die sechs prächtigen Trakehner.
deren sich der Kaiser ausschließlich bei
großen Galafahrten bedient. Sie sind
von reinster Raffe und stehen im Alter
von 68 Jahren. Ihr prächtiges
schwarzes, seidenglänzendes Fell ünd
das ihnen innewohnende Feuer müssen
sofort Jedermann's Aufmerksamkeit er
regen. Aber trotz dieser überschäumen
den Kraftentfaltung war die Schule,
die sie durchgemacht haben, eine sehr
strenge. Handelt es sich doch darum,
daß der Kutscher der kaiserlichen Equi
Page seine Rosse so vollständig in der
Hand hat, daß sie der kleinsten Zügel
Nachhilfe Pariren und sich durch nichts
aus der Fassung bringen lassen. Auch
die sonstigen kaiserlichen Gespanne ha
den diese Erziehung genossen; denn der
Kaiser läßt den Kutscher auf seinen
Spazierfahrten nur selten im Voraus
benachrichtigen, wohin es gehen soll.
Er giebt vielmehr während der Fahrt
seinem Leidjägcr mit der Hand ein
Zeichen, sobald eine bestimmte Rich
tung eingeschlagen werden soll, und
dieser übermittelt es dem Kutscher.
Oftmals heißt eZ dann ganz plötzlich
eine scharfe Biegung im Straßenzuge
zu überwinden, so daß, wie man sieht,
hohe Anforderungen an die Geistes
gcgenwart des Rosselcnkcrs gestellt wer
den. Dem speziellen Gebrauch der Kai
serin dient ein prächtiges Gespann von
sechs Füchsen, wie denn überhaupt die
hohe Frau die braune Farbe bei den
Pferden in allen Schattirungcn bevor
zugt. Für Paraden, Manöver und
sonstige Ceremonien stehen . ferner in
den kaiserlichen Stallungcn V.0 weitere
Reitpferde von ausgesuchter Schönheit,
die thcilweise fremden Fürstlichkeiten,
Gästen des Kaiser? oder den Attachees
der Gesandtschaften bei besonderen Au
lassen zur Verfügung gestellt werden.
Alle diese Thiere haben ein Alter von
sechs bis zehn Jahren. Im Oktober und
April jeden Jahres werden die neuerwor
denen Fünfjährigen in Training" ge
nommen und dann nach sechs Monaten
definitiv in, den kaiserlichen Marstall
eingereiht, dessen Unterhaltungskosten,
Reparaturen und Neuerwerbungen jähr
lich zwei Millionen Mark betragen.
Tas Thermometer in der Küche.
Ein bewährter Arzt schreibt: Noch
nöthiger als Salz- und Pfefferbüchse
gehört ein Thermometer auf jeden Tisch,
in jedes Büffet, sonst heißt es schließ
lich: wer nicht auf das Thermometer
hört und sieht, der muß es einmal bitter
fühlen!" Und er hat recht. Zu den
unentbehrlichsten Tingen in der Küche
gehört das Thermometer, um den Grad
der Speisen beim Auftragen bestimmen
zu können; denn gewöhnlich genießen
wir die Speisen viel zu heiß, was oft
schwere Schäden für Gesundheit und
Leben nach sich zieht. Zunge und Gau
men werden mit der Zeit abgehärtet
und verlieren die richtige Empfindung,
aber am Magen rächt sich eine derartige
Überschreitung der Gesundheitsregeln
oft schwer. Besonders in einem Hause,
wo kleine Kinder sind, ist das Thermo
meter unentbehrlich. Es kommt hier
nicht nur auf die richtige Beschaffen
heit der Nahrung allein an, fondern
daß dieselbe den richtigen Wärmegrad
befitzt und ihn nicht überschreitet. Bei
einem ganz jungen Kinde soll die Milch
nur 28 Grad R. haben. Für etwas
weiter vorgeschrittene Kinder darf die-
selbe schon 30 Grad messen. Nach
unserem Gefühl können wir dies nie so
sicher feststellen, und doch ist es von der
größten Wichtigkeit. Für Erwachsene
soll die Suppe 'höchstens 3038 Grad
haben, Kaffee, Thee und Chokolade
höchstens 28, Bier nicht unter 9 und
Wasser 810 Grad R. Wie oft wird
aber gegen diese Gesundheitsregeln ge
fehlt. Dampfend kommt das Essen
auf den Tisch, die Kinder stürzen hung
rig darüber her und haben den Schaden
davon; Zjihne und Magen leiden Noth,
und die fürsorgliche Mutter trägt die
Schuld. Wer nämlich sehr hastig ißt,
giebt nicht auf den Wärmegrad der
Speisen Acht. Die vielen Speiseröhren
Verengungen.Magenerschlaffungenund schlechte Zähne sind meist auf das Ge-
nießen zu heißer Speisen zurückzu
führen. Auch Dr. Wiel, die bekannte
Autorität für Magenleidcn. räth, mehr
Sorgfalt auf die Temperatur der
Speisen und Getränke zu legen, er
möchte sogar ein Thermometer auf
jedem Tisch wissen. Scheuen wir
Hausfrauen deshalb die kleine Aus
gäbe für ein solches nicht, regeln wir
danach die Wärmegrade der verschiede
nen Speisen, und die geringe Ausgabe
wird sich reichlich lohnen.
Hans Tachs ei KönigömörderZ
König Gustav der Dritte von Schwe
den wurde am 16. März 1792 müh
rmd eines Maskenballes infolge einer
Adelsverschwörung von dem schwedi
schen Junker Ankarström durch einen
Schuß tödtlich verwundet. Am 29.
März starb der König an den Folgen
desselben. Der Königsmördcr erlitt
eine grausame Strafe: an drei verschie
denen Plätzen (Ritterhaus-, Heu- und
Neumarkt) mußte er drei Tage hin
durch, jedesmal zwei Stunden, am
Pranger stehen. Nach jedesmaliger
Ausstellung erhielt er fünfzehn Ruthen
hiebe. Am dritten Tage hieb ihm der
Henker am Galgenplatze den rechten
Arm ab, dann kam er auf den Schand
Pfahl, wurde schließlich geköpft, gcvier
theilt und auf vier Rädern aufgesteckt.
An einer Ecke des Marktplatzes in Stock
Holm befestigte man eine Tafel, welche
die That und Strafe Ankarströms der
Nachwelt aufbewahren sollte. Für die
Mitwelt wurde in aller Eile eine amt
liche Flugschrift in mehreren tausend
Exemplaren gedruckt, welche auch das
Bildniß des Verbrechers mit der Auf
schrift: Ter Königsmörder Jakob Jo
hann Ankarström" enthielt.
Ta wollte es das Mißgeschick, daß
die Platte, welche diesen Holzschnitt
darstellte, zersprang, nachdem kaum
einige hundert Exemplare des sehr be
gehrten Bilde? gedruckt waren. Tie
Verlegenheit des Truckers war groß
und nicht minder jene des Gerichte?.
Aber man wußte sich zu helfen. Unter
den alten Holzplatten fand sich auch
eine, welche im Formate wenigstens der
gesprungenen ähnelte; freilich war e?
das Bildniß des Hans Sachs doch
waS schadete dicS! Ter findige Xylo
graph schnitzelte etwa? daran herum,
und dann wurde frisch darauf losge
druckt und losverkauft: der berühmte
Meistersinger mit der belastenden In
schrift des verurteilten Königsmör
derS.
In der königlichen Bibliothek in
Stockholm kann man noch heute diese
Flugschrift (in beiden Ausgaben) schen.
Vine japanische Heirathsannonce.
Auch im Lande des Mikado streben
die jungen Tamen darnach, sobald als
möglich unter die Haube zu kommen.
Wenn ihnen dies auf die herkömmliche
Art und Weise nicht gelingen will,
scheuen sie sich durchaus nicht, ihre ge
Heimen Herzenswünsche öffentlich be
tannt werden zu lassen, indem sie ihre
Zuflucht zur Hciraths-Annonce neh
men. Ein vor Kurzem aus Tokio
hcimgekchrtcr Sohn ÄlbionS bchaup
tct, daß es keineswegs zu den Selten
heiten gehört, in den Anzeigespaltcn
japanischer Blätter eine Annonce zu
finden, die ungefähr folgenden poeti
schen Inhalt hat: Ich gebe hiermit zu
wissen, daß ich ein hübsches Mädchen
bin. ein blumengleichcs Gesicht mein
eigen nenne, reiches schwarzes Haar,
perfekte Augenbrauen und eine gute
Figur habe. Ich habe Geld genug,
um mir das Leben angenehm zu
machen und meine Jahre mit einem ge
liebten Manne zu verbringen, der stets
mein Gefährte bleiben darf. Sollte
irgend ein schöner, talentvoller und ge
bildete? Mann genetzt sein, meine
Hand anzunehmen, um bei Tage die
lieblichen Blumen und bei Nacht den
Mond und die silbernen Sterne mit
mir zu bewundern, dann will ich ihm
gern mein Leben lang die Treue be
wahren. Und wenn das Leben vorüber
ist, bin ich bereit, in einem Grabe mit
ihm zu schlummern."
Ter Torgauer Marsch.
Ein Lieblingsmarsch Kaiser Wil
Helms des Ersten war der Torgauer
Marsch", als dessen Komponist lange
Zeit Friedrich der Große betrachtet
wurde. Nun war es kein Geringerer
als Kaiser Wilhelm selbst, der die
Autorschaft des genannten Musikstückes
richtig stellte. Als nämlich der Kapelle
meister des König Wilhclm-Grenadier
Regiments No. 7, Musikdirektor olb.
schmidt, im Jahre 1871 vor dem Kaiser
kornerhrte, bemerkte letzterer beim
Turchlesen des Programms die land
läufige Bezeichnung Torgauer Marsch.
Komposition Friedrichs des Großen.'
Kaum war die Konzertnummer been
digt. so schritt Kaiser Wilhelm auf den
Musikdirektor zu und sagte, ihm freund
lich auf die Schulter klopfend: Mein
lieber Goldschmidt, das ist ein Jrv
thum. Friedrich der Große ist nicht
der Komponist des Torgauer Marsches,
sondern ein Lehrer aus Torqau, der
wenn ich nicht irre Scholz geheißen
hat. Weiß das von meinem gottseligen
Vater, der einmal die Noten diese
Marsches von Torgau mitbrachte, weil
er ihm so gut gefiel."
Ein Künstlerroman.
Peter v. Stiegcland (geboren 16-10,
gestorben 1691), ein Maler von Leyden,
säumte außerordentlich lange, das Por
trait einer jungen, schönen und reichen
Wittwe zu vollenden, so daß sie ihm
darüber Vorwürfe machte.
Sie zu lieben, bedürfte ich nicht so
viel Zeit." entgegnete der Künstler,
und ich finde so viel bezaubernde Reize,
daß ich nur zu gern mit dem Pinsel
innehalte. Ich liebe Sie hoffnungs
los. und um Sie länger zu sehen, male
ich langsam. Welches Glück, wenn es
mir gelänge, in Ihren himmlischen
Blicken Gegenliebe zu lesen!"
Keine Schmeicheleien!" erwiderte die
Dame dem schönen Maler mit freund
lichem Blick und harrte geduldig, bis
ihr Bild fertig war. Tann fragte sie
mit bewegter Stimme: Würden Sie
das Original als Bezahlung sür die
Kopie annehmen?"
Seine sofortige Antwort läßt sich
denken. Sie vermählten sich bald und
lebten sehr glücklich miteinander.
Aus der Kaserne.
Unteroffizier: Ich habe Euch un
längst gesagt, warum man unmittelbar
nach dem Essen nicht baden geh'n soll.
Nun, Rekrut Jatzke, warum dürfen
S' nicht baden, wenn Sie den Magen
mit Knödeln vollgepfropft haben?"
Jantzke: Weil ich leicht untersinken
könnte!"
Schneidig.
Sie: O, lieber Kurt, wie glücklich
machen Sie mich aber ich kann's
immer noch nicht glauben, daß Sie
mich so innig lieben!"
Er: Lächerlich! Jnädiges Fräulein,
trauen mir doch hoffentlich nicht zu,
daß ich solcher Lappalie wegen Unwahr
heit sage?"
Der Sonntagsreiter.
Was, schon zurück vom Spazier
ritt?" Ja, mein Gaul hat ein Eisen ver
loren und das sucht er jetzt?"
llmgefehrt.
Sieseben doch, daß Sie Pech im
Spiele haben, warum spielen Sie
also?"
Sie täuschen sich, mein Partner
hat Pech, denn ich bezahle nicht!"
prompt befolgt.
Ein Fremder nimmt im Wirthshausc
an dem großen Stammtische Platz und
erzählt seine Erlebnisse, innern er dabei
seine Person hübsch hcrcluSzustrcichcn
versteht und mit Vorliebe davon spricht,
was er Alles zu leisten und zu ersinnen
vermag. Endlich sagt ein beherzter
Stammgast, dem das Rcnommiren deS
Fremden schon zu viel wird: Nun
haben Sie unS erzählt. waS Sie fön
nen. folglich werden Sie uns aber auch
sagen. waS Sie nicht können!"
Sehr gerne," erwiderte der Fremde.
Ich kann nämlich meine Zeche nicht
bezahlen!"
EigeMdiiniliche Anschauung.
Aber wie kannst Tu nur so viele
Schulden machen!?"
Ich bitte Tich. ich habe lauter
durchaus zahlungsfähige Gläubiger!"
Auf der kaiidpartie
Professor: Hier sind wir in der
Formation deS Jura."
Kommerzieiiräthin: Nicht wahr,
Jura ist doch das, was gegenwärtig
unser Moritz ftudirt?"
Leicht begreiflich.
Erste Wäscherin: Tös ist aber schon
der Weis, was dö Bisgurn vo aner
Gnädigen mit ihren Alten allcwcil
z'keppeln hat, bei uns giebt's dös nöt!"
Zweite Wäscherin: Jessas. daß i
nöt lach. Tu Haft's freili leicht mit
Tein Mann Frieden z'halten. Du stehst
den g'schlagcncn Tag über aus'm Haus
beim Waschtrog und Tein Mann ist
Nachtwächter!"
Unbewußte Bildung,
Einjähriger: Wissen Sie, Herr Un
teroffizier, daß Rhinoceros ein griechi
sches Wort ist?"
Unteroffizier: Hm! Ich hätte nicht
gedacht, daß ich auch griechisch sprechen
kann."
Im Gespräch.
A: Hören Sie nur, der Bankkafsi
rer Meier, der das Vertrauen seines
Chefs in hohem Maße genoß, ist durch
gebrannt, was sagen Sie dazu?"
B: Nun, wahrscheinlich will er das
genossene Vertrauen genießen!"
von der Schmiere.
Der Schmieren Theater Direktor
Pumpski ist nach Wacklesdorf gekom
men und giebt daselbst eine Vorfiel
lung. zu welcher er sich u. A. auch ein
Sopha von seinem Logiswirth geborgt
hat. In einem Aktschluß ruft er nun
des Abends aus: So will ich denn
mit dieser elenden Welt abschließen."
(Er nimmt eine Flasche mit der Auf
schrift Gift" und wirft sich aufs
Sopha.) Stimme aus dem Publikum:
Aber erscht nehmen Sie Ihre schmieri
gen Stiefeln von meinem guten Sopha
herunter, Sie."
Betheuemng.
Offengestanden, glaube ich, Herr
Leutnant, Sie sind zu flatterhaft für
einen Ehemann."
Na, das Bischen Treue werde ich
Ihrer Fräulein Tochter schon halten
können!"
Ein .Gemüthsmensch.
Sie: Tu. in vier Wochen ist unser
Silberhochzeit. Wollen wir da nicht
das Schwein schlachten?"
Er: Was kann das arme Thier
dafür, daß wir vor fünfundzwanua
Jahren geheirathet haben."
Der Zhauptreiz.
Zwei Backfische, die ein und denscl-
den Klavier-Lebrer haben, unterhalten
sich über diesen. Er ist doch ein süßer
Mensch," meint der eine.
Das wobl." erwidert der andere.
er versteht nur nickt viel, man lernt
bei ihm gar nicht aus."
Das ist ja gerade das Schöne."
Motivirt.
Herr: ..So iuna und kräktia nock
und schon betteln! Erröthen Sie denn
nicht bei dem Gefühl, daß Sie um ein
Almosen ansprechen?"
Bettler: Ja. lieber Herr, ich bin so
arm, dB ich nichts mehr wechseln kann,
nicht 'mal die Farbe."
Altklug.
Mutter: Sieh' 'mal. reichen.
welche schöne Sparbüchse Dir die Tante
geschenkt hat. Nun mußt Du aber
auch jeden Pfennig, den Du erhältst,
hineinlegen."
Gleichen: Ach nein, das thue ick
nicht. Ich will nicht meines Geldes
wegen geheirathet werden."
Die siebe.
Beim Einiäbriafreiwilliaen-Eramen
stellte der Examinator folgende Frage:
Was in oie vieoec
Das Band, welches zwei Herzen auf
ewig verbindet," antwortet der Ge-
fragte.
Nicht richtig; der Folgende."
Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei
Herzen und ein Schlag."
Auch nicht richtig. Ich will es
Ihnen sagen, meine Herren: Tie Liebe
ist ein kleiner Nebenfluß der Oder."
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