Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 19, 1899, Image 11

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    Dcr Kh.
Uns bm cdUbtn von Paul l'l a 1 1 a
V o c t 0 m a.
Dem stolzen Rammkreuzer mit feinen
drängenden Kanonen-Schlünden hatte
der Sturm jüngst bis Zakelage zerzaust
und sogar den trotzig und sicher am Heck
ausgepflanzten Slaggenftock zerbrochen,
aber sobald die ('iesahr vorüber war.
focht sie die braven Iheerjacken nicht
weiter an.
Tie Bemannung der .Btrenice"
hatte auch ihren .-chwarzseher-, der
ein Unglück prophezeite, als in der
Eturmesnacht urplötzlich, nach glücklich
iiberstandener Gefahr, ein Feuerschein
unheimlich aufloderte an Masten und
Raaen. Gespenstisch huschten die zun
gknförmigen Jlämmchen dahin, bald
im bläulichen Richte, bald im rothlichen.
blutigen Schein phosphoreSzirend. Im
Nu schien die ganze Takelage in Jlam.
wen zu stehen. Tem Tapfersten stockte
der Athem beim Anblick deS überwölti
ftkiiden PhSnomenZ und manch' ein
Kreuz wurde geschlagen hinter dem
Rücken der Ossizicre. die das Tankt
lmS'Jener wikbcgicrig und vorur
theilsfrei beobachteten.
Troß deS bösen Wahrzeichens lag die
.Berenice" in der nächsten Woche un
vcrschrt und geborgen vor Anker in ei
nein herrlichen Hafen des MittclmcereS,
,den das Schiff angelaufen, um einen
König überseeischer Lande an Bord zu
nehmen, welcher die Gastfreundschaft
deS europäischen Machthabers zu einer
Fahrt längs der interessantesten Küste
in Anspruch genommen.
Ties Ereignis; bildete begreiflicher
Weise den Gesprächsstoff vom Komman
danten bis zum bescheidenen Maat hin
ab. Hauptsächlich, weil man noch im
mer nichts des Näheren erfahren. Man
wußte nur, das; Seine ..exotische Maje
stät", wie der fremde Potentat an Bord
genannt wurde, mit Gefolge kommen
würde, darunter mit seinem , Leibkoch",
der die Kambüse vorher noch einer sorg
fältigen Begutachtung unterziehen
würde; doch das Wann blieb räthsclhaft
wie das Orakel von Telphi. Laut
strengst gehaltener Ordre mußte der hohe
Gast mit Kanoncnsalvcn, Flaggen
gala'Und Raaensalut" empfangen wer
den, da die fremden Herrscher das un
Kennte Inkognito europäischer Macht
haber durchaus nicht lieben.
Ta beschloß der Kommandant ans
Land zu fahren, um sich beim Konsulat
Rath zu holen. Er benutzte die kühleren
Morgenstunden und wollte übel Mittag
ausbleiben.
Tie Offiziere hatten demnach allein
gespeist und saßen beim schwarzen
Kaffee höchst gemüthlich in ihren beque
wen weißen Bordanzügcn beisammen,
als ein Matrose hereinstürzte und athem
los meldete, daß ein Boot vom Lande
absteche mit direktem Kurs auf die
Bernice".
Wird der Kommandant fein, der
früher zurückkehrt."
Unmöglich in solch' heißer Stunde!"
Himmel! Es wird doch nicht der
König sein?" klang es wirr burchein
ander.
Ta stürzte auch schon der Wachoffizier
in eigenster Person herunter und mcl
dcte, daß eine Tampfbarkasse voll Men
fchcn heransteure. daß die Flagge die
der exotischen Majestät" sei. und daß
man den in nationaler Gala gckleide
tcn, ordcngcschmückten König durch das
Fernrohr bereits deutlich unterscheide.
Alles stob auseinander, um sich rasch
en parade zu werfen. Der rangältcste
Fregattenkapitän übernahm den Ober
bcfehl für den zum Unglück abwesenden
Kommandanten und eröffnete seine
heikle Mission damit, daß er sich den
schwarzen Kaffee auf die weißen Bein-
klcider schüttete, was hauptsächlich die
....r,,.i VU..,,.t,,.,., k.A n-
liuiiuuil juuiiiuuy uiv Jiuuiuui un
ursachte, der den vorgeschriebenen Em
pfang unter den obwaltenden Umstän
den durchaus nicht berechtigt fand, da
ja der König in Zivilklcidung eintrcf
fen sollte.
Würgen hätte der heißblütige Tal-
matincr das Bürschchen mögen, als er
zornentbrannt ausrief: Solch em Kö
nig folgt feinen Launen und keiner
diplomatllchen Verfügung !"
Um so herrischer lauteten seine Befehle
zum würdigen Empfang der exotischen
Maiestüt": Kanonensalven, Flaggen
gala, Kanonen.salut. Alles sollte strikt
inne gehalten werden."
Zorn und Aufregung zitterten so gc
wältig in dem Jnterims-Kommandan
ten nach, daß er sich kaum anzukleiden
vermochte. Sein Bursche, ein Tölpel
sondergleichen, reichte ihm auch noch die
zur Schonung der Goldborten auf der
verkehrten Seite ausbewahrten Bein
klcider wie sie waren, dar. Auf sein
ungeduldiges: Umkehren, umkehren!"
dreht sich der Bursch diskret um, in der
Meinung, der Herr Fregattenkapitän
schäme sich vor fremden Blicken Toilette
zu machen.
Nach glücklicher Ueberwindung aller
HindernlNe stand er aus Teck; die som
merliche Hiße treibt ihm das perlende
Nah immer wieder auf die Stirne.
Lzauvtsächlich bewegte ihn aber der G?
danke, was er dem König sagen sollte
und wie er wohl mit ihm sprechen
werde, da der Biedermann ein
echter Seebär alten Schlages, die
,um Empfang vorgeschriebene Tlplo
matcnsprache, das fatale Französisch
nicht kannte.
Der Anblick des in tadelloser Haltung
und voller Parade auf Teck versammcl
ten Offtzierstabcs mit dem fatalen 8a
betten in devoter Rangordnung der
Kerl sprach ein beneidenswenheS Fran
zöstsch brachte ihn fast noch mehr um
die doch ko nöthige Fassung: denn die
Tampfbarkane mit der exotischen i'la
jcftat" war inzwischen so nahe herange
fahren, daß die ersten Kanonensalven
bereits ertönten.
Sämmtliche Manöver der Em-
pfangSfeierlichkeiten wurden mit rüh
menswerther Präzision ausgeführt.
Tie Flaggen flatterten von allen
Masten, die Matrofen standen wie aus
Erz gegossen, Kopf an Kopf auf ihren
lustigen Posten und ihr lautichallcndcS
Hurrah" dröhnte, mit den Kanonen
salven um die Wette durch die schwüle
Sommerlust. Bon der Höhe der Fall
reepstrcppe, steuerbord, wie sich s ge
ziemt, blickt der Fregattenkapitän an
der Spitze der Offiziere sorgenschwer
auf die in Rauchwolken gehüllte
Barkaffe, die zu aller Erstaunen den
Panzertoloß umschifft und backbord
anlegt.
Tas auch noch!" murmelt der rasch
hinüberftürzcnde Fregattenkapitän, den
die Sonnenstrahlen auf der Backbord
feite derartig blenden, daß er kaum zil
sehen vermag, wie eine lmponircnde
Männergcstalt bereits auf Teckhöhe
auftaucht und endlich auch in geradezu
blendender Ordenspracht vor ihm steht.
Jegliche Ansprache bleibt dem Erreg
tcn in der Kehle stecken. Er verneigt
sich so tief, daß er mit dem Kopf an ein
anderes Haupt anrennt, das sich ebenso
tief verneigt, gerührt über den großar
tigen Empfang, der dem Koch zu
Theil geworden.
Entsetzt taumelt der Fregattenkapitän
zurück, und daß ihm dies Unglück nur
das Sankt ElmsFeuer eingebrockt",
glaubt der alte Seemann felsenfest.
Die Schurprei5-j?arts.
Jhst Neu York. September de
zwanzigste" d. MtS.
Jvnings-Staats-Nuhspäper. Neu York
U. S. äkroß die Britsch.
Mister Editcr!
Prominenz ob
lcitschcs." So seggt
mer abroad. wann
mer frcntsch talkt.
Tes kann mer aach
net helfe. Wann mer
zu die Praminente
belangt, da muß mer
mitthun un um Ex
penses derf mer dann
aach nir gewwe.
Nämlich, seit daß
mer wieder hier sein.
tin friciii rncr fnrt
JliijfesJ&J wahrend Huldigung
un wern gefeiert. Bor
e paar Tüg is es der Alti vun der
Misses Meyer (sie Hot wieder aufge
macht mit der Mifles Meyer, die Alti)
un vun e Paar Scor annere Lädies
heimlich gesteckt worn, daß mir schür
preist wern sollte.
Ich pörsonelli hen vum Tschalli en
sehr deutliche Hint vun der bevor
stehende Schurpreis gekriegt, bei daß er
mir gesagt Hot, ich muß en extra große
Supplei vun Weins, Likörs un Sig
gars eilege. wo er natürlich mir zu
Sükrifeis'Preises selwcr geoffert Hot.
Nämlich die Eidie vun so erer Schur
prcis'Party die is, daß Jeder, wo bei
dem Schurpreis Ackompliß un Mit
schuldiger is, was mitbringt.
In Kansequcnz vun dem expektcte
Mitgebrachte Hot sich in meim Haus
schun seit vier Täg e fieberhafte Thä
tigkeit entfaltet. Es is gebacke un ge
kocht un eigemacht un eigekauft worn
wie verrückt. Mei Part vun der Schur
preis war of course, derzu ze tende,
daß in meim Black die Telivery-Wa
gons vun Wetgoods-Büseneffer fort
während in erer Stauung warn.
Well, es war e großartige Affair.
Es warn finfescchzig Herrn un neine
siwwezig Lädies da. Jeder Hot was in
eme Bäsket oder im Papicrche mitge
bracht. Es war gründ. Es wa: werklich
gränd un no Mistähk. Bun die Sviet
sches, wo gehalte worn sein, will ich
nix sage. Awwer. was gegcffe un gc
trunke worn is. Mister Editcr. des is.
wo die Grandezza vun der Sach erei
kimmt. Mir hawwe ungefähr fufzig
Schinke (als importirt geläbclt), zehn
Zunge, zehn Kamambärt (des is im
portirter Limburgcr). Hüring. Sar
belle un sonstige Sache gehatt. Es is
Alles aufgegcffe worn. Tes heißt ich
will net lüge, Mister Editcr. Nämlich:
Ter SchurprciS vun so erer Schur
preis-Party konsistet hauptfächlich da
drein, wie viel mehr die Schurpreisers
beim Weggehn in ihre Bäskets enei
kriege könne, als wo sie mit drein ge
bracht hawwe. Tes is nämlich wirklich
fchurpreising.
Wie die Party ze End war. da Hot
sich erausgestellt, daß im Ganze mitge
bracht war: Zehn Pfund Sponge Eake.
fufzch Büchse Sardins (vun der Siwwe
Cents Wareicty), elf kleine Päckcher
Limburgcr, simwczch Päckcher Sig
garn (Eheroots, finf for zehn Cents,
mit Bändcher drumrum gemacht),
dreicdrcißig Battels Kalifornier Weiß
wei. wo e Expert derzu gehört, um
en vun Wineger wegzckenne, dreizeh
Battcls Bier un zwei Battels Whisky
(verdünnt).
Des Rührende vun der SchurprciS
Kompanq war, daß sie alle Sache, wo
sie sclwer mitgebracht hawwe, stehn ge
loffe hawwe. Während daß sie Alles,
was vun meim Haus geliefert wsrn is,
gegcffe oder mitgenomme hen. Bun der
Kapässity vun die BäsketS könne Sie
im
sich en Begriff mache. Mister Editer,
daß jeder presente Mann. Frau oder
Rind fufzeh Pfund etort gegeye un
neunzch BaltclZ Bier. Wei un Whisky
qetrunke hawwe müßt, wann net die
Madschority dun die GoodS mitge
nomme worn war. vun die hunnert
siwwezchn -iggars per Kopf gar net
ze rede. '
Awwer e gränd Affär war eS äni
hau. TeS heißt wenigstens fo lang, wie
eS gedauert Hot. Os course. heint. wie
ich ausgegange bin. da hen ich so über
all e Bische waS gehört, wo drauf
enauS gelaufe is, daß net genug ze effe
da gewese wär, daß des Effe, wo da
war. stinkig war. der Wei sauer un
suiift so plcffente Rimarks. Well des
macht nix. Ich hen mich änihau sehr
geehrt gefühlt.
Jhne die nämliche Huldigung wün
schcnd sein ich mit Rigards
Z)ours
John Ritsch. Esq.
Wolle Sie so gut sei un der Eruel
Soffeicti for die Priventschcn of Aeni
mäls un Children t Poftcl drappe. sie
soll de Schurpreis-EffeStoff abhole
loffe, . damit mei Hund net vun eme
verdiente Schicksalsfchlag bctroffe werd.
I. .. Esq.
DcwcGeschichten.
Als Tcmcy als Executiv-Ofsizier auf
der .Folorado", dem Flaggenschiff des
Admirals Farragut, diente, hatte man
Beranlaffung, zwei Matrosen wegen
eines geringen Vergehens in das als
Brig" bekannte Schiffsgefängniß ein
zusperren. Als Tcwey bald darauf auf seiner
üblichen Jnspektionstour an dem Ge
fängnißraum vorüberkam, hörte er, wie
einer der Arrestanten halblaut sagte:
Nun. ich habe wenigstens einige
Streichhölzer bei mir, die man bei
Durchsuchung meiner Kleidung über
sehen. Ich werde den alten Kasten in
Brand stecken."
Tcwey sagte kein Wort, sondern be
gab sich an Teck und zog die Feuer
glocke. Sobald die Mannschaft mit
den Löschapparaten angetreten war, gab
er Befehl, die Schläuche auf das Ge
fängniß zu richten, bis die Gefangenen,
welche ertrinken zu müffen glaubtcn,
Nothrufe ausstießcn. Feuer ist aus,"
kommandirte er dann und als er wei
terging, sagte er: Tie Streichhölzer
werden inzwischen wohl ziemlich fcucht
geworden sein.
Wenige Wochen nach der Schlacht
von Manila erhielt Tewey ein chrel
den von einem Patrioten in Chicago,
welcher bat. der Admiral möge ihm die
Stiefel schenken, die er trug, während
er das Geschwader Montejo's in den
Grund schießen ließ. Dem guten
Manne wurde ln höflicher Weise mitge
theilt, der Admiral besitze mehrere Paar
Stiefel und wisse thatsächlich nicht
mehr, welche es waren, die er an dem
bedeutungsvollen Sonntage trug. Ob
diese Antwort wohl genügt," sagte
Tewey dann zu einem feiner Offiziere,
oder ob der Mann jetzt meine sämmt-
lichen Stiefel verlangen wird. Bei
Einem, der das Sammelyebcr hat,
muß man auf Alles gefaßt sein."
Admiral Tewey ist ein großer Kin
dcrfreund. Der Kapitän eines der
schiffe seines Geschwaders traf ihn an
seinem Arbeitstische in der Kajüte der
Olympia" und sah, daß er einen Berg
von Photographien und Briefen vor
sich liegen habe.
Was soll dies Alles bedeuten?"
fragte der Kapitän.
Die Schreiben kommen von Leuten,
die ihre Kinder nach mir taufen
wollen," sagte der Admiral lächelnd,
was soll ich den Babies" nur zum
Geschenk machen?"
Nichts, garnichts." sagte der Offi
zier. Sie werden sich doch durch solche
Massen Schenkungen nicht ruiniren
wollen."
Tewey bestand darauf, daß er Ge
schenke versenden müffe.
Tann warten Sie wenigstens, bis
wir nach den Ver. Staaten zurückkom
men. Tort können Sie Ihre Einkäufe
zu Engros Preisen machen und das
Porto ist billiger," meinte der Offizier
lächelnd im Scherze.
Tewey aber fand den Vorschlag gut,
faßte ihn ernsthaft auf und sagte:
Ihre Idee ist gut, die werde ich 'be
folgen." .
Admiral Tewev's Gattin stark vor
ungefähr fünfundzwanzig Jahren. Nach
dem Verlust feiner Gefährtin, mit
welcher er in glücklichster Ehe gelebt,
hatte sich das Wesen des sonst stets bei-
teren Mannes sehr geändert und fast
niemals kam der Name der Verftor
denen über seine Lippen, gleichsam als
fürchte er sich, die nie bellende Mund?
seines Herzens zu berühren. Einst hörte
er aoer im Army and Navy Club" zu
Washington zwei junge Leutnants der
Marine in ihrer Unterhaltung es tief
beklagen, daß sie zu einer dreijährigen
Aeife aviommanbirt seien. Die Beiden
waren, erst seit wenigen Wochen verhei
rathet und kamen in ibrer üblen Laune
übcrcin, daß es eigentlich für einen
Seeoffizier, der lange Zeit Tausende
von Knoten weit von seiner Ehehälfte
weilen muß. überhaupt keinen weck
habe, ein Ehemann zu werden.
' Ist man drei Jahre fort gewesen,
so muß man ja seine Frau erst wieder
von Neuem kennen lernen, das ist hn
schnurrig." meinte der Eine.
Hier wurde daS Gespräch plötzlich
von Tewey unterbrochen, welcher sagte:
Sie irren sich, meine Herren. Da?
Wiederzusammentrcffkn nach der Tren
nung ist das schönste Erlebniß. welches
sich uns bieten kann, hier wurde er
ernst, eine dreijährige Trennung ist
nur kurz im Vergleich zu einer auf
Lebenszeit."
Hier breitete der Wittwer in der
Marineuniform seine Zeitung aus. als
wollte er sein Gesicht den jungen Män
nern verbergen.
Die beiden Leutnants waren nach
denklich geworden.
Wieder etwas vom Dauphin".
Tas Schicksal deZ Tauphins Ludwig
XVII. beschäftigt noch fortgesetzt die
französischen Gelehrten. Tie Ansicht,
daß das Kind, das unter seinem Namen
im Temple gestorben ist, nicht der echte
Tauphin gewesen ist, gewinnt neuer
dings wieder an Verbreitung. In der
letzten Nummer der Zeitschrift La
Plume" wird mit einer großen Fülle
historischer Tokumente der Nachweis
versucht, daß in der That Ludwig aus
dem Temple entnommen ist und an sei
ncr Stelle ein anderes Kind unterge
schoben worden ist. Ter Hergang wäre
danach der folgende gewesen: In der
zweiten Etage des Templcthurms wurde
zu Ende des Jahres 1794 ein Kind gc
fangen gehalten, das den Namen
Charles Louis Capct" führte und der
ehemalige Tauphin sein sollte. Seit
dem November dieses Jahres aber
wurde der wirkliche Tauphin in einer
Dachkammer in der vierten Etage des
selben Gefängnisses verborgen gehalten:
das Kind, das man an seiner Stelle
untergeschoben hatte, war ein gewisser
Tardif. Vorsichtigerweise hatte man
einen Taubstummen für diese Rolle gc
wühlt. Ta indessen seine Stummhcit,
die in einem starken Kontrast zu der
Lebhaftigkeit des echten Tauphins
stand, auf die Tauer sehr auffällig
werden mußte, fo ersetzte man Tardif
durch ein zweites Kind, dessen Mutter
Löningcr hieß. Es war dies ein armes
skrophlilöscs Kind, das am 8. Juni
1795 starb. Gerade dieser Tod deS
untergeschobenen Tauphins ermöglichte
es aber, den wirklichen, der noch immer
in der vierten Etage versteckt gehalten
wurde, aus dem Gefängniß fortzuschaf
fen. Ter Leichnam des kleinen Lönin
ger war in dem noch geöffneten Sarge
im Erdgeschoß aufgestellt worden. Zu
der Zeit, da er fortgebracht werden
sollte, hob man die Leiche aber heraus
und legte den Tauphin, der durch eine
Arznei in einen tiefen Schlaf versetzt
worden war, an feine Stelle. Ter
Sarg wurde dann geschlossen und zu
dem Friedhof SainteMarguerite ge
bracht, wo er beerdigt werden sollte.
Während der Fahrt wurde der Tauphin
durch einen Mann, der sich in dem Wa
genkasten versteckt hatte, aus dem Sarge
befreit und der leere Sarg mit Gewlch
ten beschwert. Nach dem Begräbniß
führte derselbe Wagen den Mann und
das Kind zu einem Hause in der Rue de
Seine, wo sie bei der Wittwe eines der
am 10. August gctödtcten Schweizer
Unterkunft fanden. Tas ganze Manö
ver, das eben nur nach außen den
Schein wahren konnte, ging von Bar
ras aus, für den der Tauphin eine
werthvollc Geisel werden sollte. Für
alle die Züge dieser etwas romantisch
klingenden Geschichte wird eine Reihe
von Beweisen beigebracht, die im ein
zclnen anzuführen, hier zu weit führen
würde. Was aber dann aus dem wirk
lichen Tauphin geworden ist, und ob
nicht vielleicht einer der zahlrcichcn fal
schen Ludwige ,doch der echte gewesen
ist, darüber läßt sich nichts Bestimmtes
sagen.
Neues aus Nlt.Paris.
Ter untere Theil der Rue de la
Banque bei dem Carrefour des Pitits
Champs in Paris, der einen gefähr
lichen, den Verkehr störenden Engpaß
bildet, wird demnächst unter der Spitz
hacke der Bauarbeiter verschwinden.
Tiefe dem Abbruch bestimmten Häuser
sind auf dem Grundstücke des ehemali
gen Hotels Bouillon errichtet worden,
das nach Plänen Mansarts in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut
worden war. In ihm wohnte auch
Maurice Godefroy, Herzog von Bouil
lon, der im Jahre 1662 Maria Man-
cim, eine der Nichten des Kardinals
Mazarin, heirathete. Tiefe 15jährige
Herzogin versammelte in dem Palast
eine kleine Akademie um sich, der u. A.
Scgrais, Berscrade, Menage und
Madame Deshouliercs angehörten.
Das Hotel ging dann aus den Händen
der Familie Bouillon in die der Turas
über, darauf an den Herzog von
Charost, der es an den Marquis de La
Fcrriere verkaufte; dieser endlich über
ließ es gegen Ende des vorigen Jahr
Hunderts dem Maurermeister Pasquier,
der die nunmehr zum Abbruch bestimm
tcn Häuser auf den Grundstücke erbaute.
Eines von ihnen, das die Nummer 2
der Rue des Petits-Champs führt, hat
ein für viele Pariser unverständliches
Aushängeschild. Es zeigt nämlich die
Inschrift "A l'homme de la Röche
de Lyon". Tie Erklärung dafür ist
indessen ganz einfach. Ter Felsen
mann von Lyon", dessen Namen das
das Haus führt, ist ein Teutscher ge
Wesen, der in Nürnberg im Jahre 1485
geborene Johann Fleberg, ein berührn
ter Kriegsheld unter Franz I., der sich
nach Lyon zurückgezogen und sich dort
wegen seiner großartigen Freigebigkeit
einen allgemein verehrten Namen' ge-
macht hatte. Erstattete alljährlich 25
arme tugendhafte Mädchen mit einer
Summe von je 500 LivreS ein Ver
mögen für jene Zeit! auS. rettete die
Stadt vor einer HungerZnoth. gründete
ein Hospital und starb in Lyon im
Jahre 154. Tie Bewohner von Lyon
errichteten ihm ein Tenkmal in dem
Viertel La Röche, in dem er gewohnt
hatte, und ließen kS im Laufe der Zeit
zweimal restauriren. Johann Fleberg
lebte somit im VolkSmunde unter dem
Namen "L'horniue de la Koche"
weiter und als ein Lvoner Bürger zu
Ende deS vorigen Jahrhunderts einen
Wurftladen in dem Hause der Rue deS
PetitS-EhampS in Paris eröffnete, stellte
er ihn unter den Schutz deS in Lyon
hochverehrten Nürnberger? Johann
Fleberg, des Felsenmannes.
Victor Vmanucl aus der Jagd.
Tie Fürsten auS dem Hause Savoycn
sind leidenschaftliche Jäger. König Bic
tor Emanucl jagte mit Vorliebe auf
den Sildabhängcn der Alpen und
Alpeunincn. Gekleidet wie ein Wild
dicd, verfolgte er die Gemsen in
schwindligen Höhen, woher ihn selbst
die Unerschrockensten nur zögernd be
gleiteten. Zuweilen jagte er auch allein,
und sah sich nicht selten gezwungen, in
einer armen Bauernhütte ein Nacht
quartier zu suchen. Bei solchen Gelegen
heiten erfuhr er oft recht intereffante
Tinge über seine Regierung und seine
Beamten. Tie Taily News hat jüngst
eine Menge Jagdabenteuer des "re
jralantuerno" veröffentlicht. Eines
Tages befand sich Victor Emanucl
allein in einem entlegenen Winkel der
piemontcsifchen Berge, trat in eine
Almhütte und bat die anwesende alte
Frau um ein Glas Milch. Er knüpfte
ein Gespräch mit ihr an und fragte sie,
was er für sie thun könne. Tie Alte
erwiderte: Sie kommen mir gerade
recht, Sie könnten mir wohl den Iltis
schießen, der meine Hennen und gewiß
auch meine Katze umgebracht hat."
Wohnen Sie denn ganz allein ln die
scr Hütte?" fragte dcr König wcitcr
Ja. lcidcr. Bis vor einigen Tagen
war mein Enkel noch bei mir. aber er
wurde einberufen, jetzt müssen ja alle
jungen Leute Soldaten werden. Gestern
hat er mir geschrieben und am nächsten
Sonntag kommt der Schullchrcr zu
mir, dcr soll mir dcn Brief vorlesen."
Tarauf ließ sich der König das Schrei
den zeigen, merkte sich die Nummer des
Regiments, in dem dcr Enkel der Alten
stand, und verließ endlich die Hütte.
Einige Minuten nachher fiel dann ein
Schuß; der gluckliche Jäger hatte den
Iltis erlegt, der der Alten die Hühner
würgte. Ta haben Sie 50 Centesimi
für ihre Mühe," rief diese hocherfreut,
und der König schob, ohne eine Miene
zu verziehen, das Geldstuck ein und ent
fernte sich. Im nächsten Jahr aber, als
Victor Emanucl wieder in der Hütte
einkehrte, war dcr Enkel der alten
Frau auch da, und nun erst erfuhr sie,
wer ihr den Iltis geschossen und wem
sie die Heimkehr des Enkels zu vcrdan
ken hatte.
Rache ist süß mit Pauke und
Trompeten.
In einem feinen Viertel Kopen
hagen's wohnt eine Tame, die wenig-
stens sechs Stunden icdcn Tag an lhrcm
Flügcl verbringt. Neben ihr, jedoch
in einer anderen Wohnung, lebt ein
Herr, dessen Arbeitszimmer nur durch
eine dünne Mauer vom Heim der
Klavier-Künstlerin getrennt ist. Ter
Herr war durch die unaufhörliche
Musik in seiner Arbeit sehr gestört.
Eines Tages begab er sich nun zu seiner
Nachbarin und bat sie sehr höflich, fo
liebenswürdig sein zu wollen, ihren
Flügel in einem anderen Zimmer unter
zubringen. Leider könne er nicht, fügte
er hinzu, sein eigenes Arbeitszimmer
verändern, weil die Bücher und Möbel
gerade zu diesem Zimmer abgepaßt
wären. Ein bestimmtes Nein!" war
die Antwort, die Dame ließ sich zu kei
nem Zuqeständniß bewegen. Nun ent-
schloß sich der Herr, ein zwar recht
theueres, aber sehr wirkungsvolles Mit
tcl anzuwenden. Er kaufte ein Orche-
ftrion mit Trommeln und Pauken
und stellte es in feinem Arbeits-
zimmcr auf. Am nächsten Morgen zog
er das Justrumcnt auf und verlic das
Haus, während die Töne einer Tanz-
melodie ihn bis aus die Straße Verfolg-
ten. Als er Abends wieder zurück-
kehrte, wurde er von derselben Musik
empfangen. Das Instrument hatte
den ganzen Tag dieselbe Melodie mit
Trommeln und Pauken" gespielt! Die
Wirkung blieb nicht lange aus: Die
Dame hatte bereits ihre Wohnung ge
kündigt. Königin Margherita von Italien
und die kleine 2trikerin.
Italienische Zeitungen erzählen fol
gende artige Geschichte: Auf einem
Gang durch einen abgelegenen Stadt
theil Roms begegnete die Königin
einem reizenden Mädchen, rief es zu
sich heran und fragte es: Kannst Du
auch nähen und stricken, meine Kleine?"
O ja." lautete die Antwort, ich
kann Strümpfe stricken."
Kennst Du mich?"
Ja freilich, Sie sind die Königin."
Strick mir einmal ein Paar
Strümpfe und schicke sie mir in die
Residenz."
Nach einigen Tagen traf dort die
Arbeit des Schützlings dcr Königin
ein, und diese schickte dem fleißigen Kinde
ein Paar rosafarbene Strümpfe, den
einen hatte sie mit BonbonZ und den
andern mit Geldstücken gefüllt. Am
anderen Tage aber erhielt die Königin
ein Tankschreibcn folgenden Inhalt?:
.Signora. Ihr schöne? Geschenk hat
mir viel Schmerz verursacht: das Geld
hat mein Vater genommen und die
Bonbons mein Bruder aeaesten: die
rosafarbenen Strümpfe aber ivill meine
Mutter tragen."
ffliicht der Genvbichrit.
Er (ZN seiner Gattin): Ach, Elise.
da? war heute herrlich ich habe eine
Reise im Luftballon gemacht!"
Sie: Nun. und da hast Tu mir
nichts mitgebracht?"
Auch ein 5portsmann.
Richter: ..Sie sind anacschuldiat.
gebettelt zu haben."
Landstreicher: Bitte sehr, habe nur
so 'ne Art Sammelsport getrieben."
Abnnng.
Kellner: ..Tenn Herrn auf Nummer
5 hat dcr Schlag gcrührt."
Hotclicr: Sie haben ihm doch nicht
etwa unvorbereitet die Rechnung Prä
scntirt?"
Tüchtige Doktorsfrau.
..Vor icncr Tarne dort, irau Mül
lcr. mutz man sich in acht nehmen; die
geht nämlich immer darauf aus, einen
krank zu ärgern.
WaS Sie sagen."
Ja. ihr Mann ist nämlich dcr ein
zige Arzt im Städtchen."
Gute Auskunft.
Erste Köchin: Tie Familie Ucppig
sucht eine Köchin. Tu hast doch ein
mal dort gedient; wie ist die Stelle?"
Zweite Köchin: O, die nährt ihren
Mann!"
Scheinbarer U?iderspruch.
Inspizient eines Spezialitäten-Thea
tcrs: Schnell einen Arzt, einen Arzt!"
Direktor: Um Gotteswillen, was ist
denn geschehen?"
Inspizient: Ach, denken Sie sich,
dcr Tegenschlucker hat eben eine Steck
nadel verschluckt!"
..Er."
Aber ich bin ja verheirathet, Jräu
lein Lilly."
Sie: Was? Sie sind vcrheirathat?
Wie schade!"
Er." Köchin (die sich einen Schatz
erobert): Gottlob, nun weiß ich end
lich, für wen ich koche!"
Lrste Frage.
Junger Beamter (beim Antritt sei
ncr Stellung): Wie steht es denn mit
dem Pensionsfond?"
Cingcbiideter Schriftsteller.
A: Haben Sie schon von meinem
Roman sprechen hören?"
B: O ja, sehr viel!"
A: So, von wem denn?"
B: Na, von Ihnen."
Bürde der Vornehmheit.
A: (zum reichgewordenen Haus
knechte): Nun. jetzt geht's Ihnen halt
gut?"
Es wäre schon ganz schön, aber 's
Dümmste ist, daß ich jetzt erst um 4 Uhr
essen soll!"
Ihre Auffassung.
Hausfrau: Marie, soeben saß ja in
der Küche ein anderer Soldat?"
Köchin: Aber gnädige Frau sagten
mir doch erst vorige Woche, ich solle
mehr Abwechslung in die Küche brin
gen!"
Bei der Reitübung.
Wachtmeister: Einjähriger, wie
kann man so oft vom Pferd fliegen?
Was haben Sie für einen Beruf?"
Einjähriger: Ich bin Mediziner!"
Wachtmeister: Ta haben Sie sich
wohl selbst Sandbüdcr verordnet?"
Rcscrrirt.
Ist die Krankheit meincs Mannes
eine gefährliche, Herr Doktor?"
Gefährlich gerade nicht, aber acnau
weiß man das erst, wenn der Krame
wieder gesund wird."
Vrnckfcblcr.
Der total verschuldete Baron, dcr
letzte Sproß eines der ältesten Adels-
geschlechtcr des Landes, ging durch die
Ehe mit der Tochter eines reichen Hals
abschneidcrs eine Mutzalliance ein.
Eigener Standpunkt.
Studiosus Bummclmcier: Was wir
Kulturmenschen doch für eine Unzahl
höherer und hoher Schulen und Exa
mlna brauchen, damit unsere Faulheit
amtlich festgestellt werden kann!"
Ungefährlich.
..Was sehe ick. rau Müller? Sie
sind wohlauf, und doch sagte man mir
heute Morgen. Sie müktcn das Bett
hüten?" 1
Das muß ick auck: ick mun nämlick
aufpassen, daß mein Mann das Bett
nicht auf's Leihamt trägt."
Nobel.
Frau (die eben ihren Namen in's
Fremdenbuch eingetragen hat): Ueber
unseren Namen stcht,.Renticr Möhrle
mit Dienerschaft"!" ,
Mann: Schreib' hinter. . unseren
Namen: Dienerschaft z Hause gc-lassen!"