Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 14, 1899, Image 10

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    Der Haß im lvinkcl.
tfmt vr:ä!lung von Tictiid) ! Heden
KlauS- chlüter. der 3 ohn des Bauern
vom Winkel, war zum Militär ausgk
hoben worden und sollt? zu den Garde
du-Eorvs nach Potsdam lommcn. (sin
freudiaer Stolz schwellte ihn.
.Lophie." sagte er zu seinem Tchaß.
der Tochter des dem Winkel benachdav
ten Großbauern Arp, das ist. was ich
mir aewünscht bade!- Und kurz vor
dem Abschied: Ehe ich nun gehe, will
ich um Trine Hand anhalten und auch
mit meinem Vater sprechen. .3,
Sophie?"
Tas große blonde Mädchen stand
zaghaft.
.Ja. Klaus. Aber Tein Vater wird
nein sagen, ganz gewik."
So, wird er?" Klaus reckte sich
trokia auf. Tas kann er: aber uns
trennen, das kann er nicht!"
(5r sah dem Mädchen warm und
offen in die blauen Augen.
.Tophie. Tein Batcr hat nichts
gegen mich: er hat es nicht gesagt, aber
ich weiß es. Komm', ich bring' Tich
heim und frage ihn geradeaus. Und
mit seinem Ja gehe ich dann nach dem
Winkel und sag', daß ich Tich gern
hab', und daß Tu meine Frau wirst."
Ja. wenn Tu willst "
TaS hab' ich schon gemerkt." der
sicherte Jochen Arp einfach und freund
lieh, als der reckenhafte Nachbarssohn
vor ihm stand. Ja, und hab' nichts
dagegen, mein Jung. Aber Tein
Batcr, Klaus! Tu kennst ihn ja
und das wird noch einen Tanz setzen,
fürcht' ich "
Klaus ergriff Arp's Rechte.
Ich danke Euch, Vater Arp. Und
wenn mein Vater nicht will Grund
hat er nicht da hab' ich einen harten
Kopf so gut wie er, und mein Ja hält
fester als sein Nein."
Man nicht so zuversichtlich," warnte
Arp. Tein Alter war all sein Lebtag
ein Qucrkopf und ist nicht weicher ge
worden, feit Teine Mutter todt ist.
Und wenn er nicht will: zureden oder
zwingen lassen wird er sich von Nie
mand. auch von Tir nicht."
Ihr könnt recht haben. Vater Arp.
Aber ich bin kein Busch, der sich biegen
und stutzen läßt. Sophie hat mein
Wort, und dabei bleibt es."
Und Tu hast meines, Jung', und
dabei bleibt es auch. Aber pack' Deinen
Alten sachte an, 's ist besser. Willst
Tu heute noch "
..Ja, gleich."
Arp nickte.
Wie Tu meinst, Jung. Lange
fackeln nützt ja schließlich auch nichts.
Na, dann komm' beute Abend und sag'
uns Bescheid, Klaus. Und wann mußt
Tu fort nach Potsdam?"
Uebcrmorgen."
Echt fix, Jung. Aber das glaub'
ich, daß sie so 'n schmucken großen
Menschen, wie Tich. da brauchen kön-
nen. Und stehen wird Tir der weiße
Rock und der Adlerhclm ich bin
schon ordentlich neugierig, Tich darin
zu sehen. Meinst Tu, daß Tu nach
einem ayr mal kommen kannst?"
m . -t c
.'caiurncy lomme ich. und mein
Bild, das schick ich bald."
Klaus begrüßte die herbeigerufene
Bäuerin und freute lich ihres offenen,
herzlichen Wohlwollens.
Tas ist man gut. Klaus, daß Tu
sie willst," sagte die Frau angeregt.
Tie Tirn ist ja auch so lang gerathen,
daß ich außer Tir gar keinen Menschen
für sie gewußt hätte. Aber zu Tir
Hochhinaus paßt sie. Wenn blos Tein
Alter erst sein Amen gesagt hätte "
Ich hoffe darauf." versicherte Klaus,
verabschiedete sich von den Eltern und
der Braut und ging gerade über die
Felder nach dem Winkel.
Ter Winkel lag versteckt. Wer in
der Gegend nicht Bescheid wußte, konnte
lange nach ihm suchen.
Tie Landstraße führte in der Ent
fcrnung von einer Viertelstunde an
dem Anwesen vorüber; ein schmaler
Feldweg bog von ihr ab. lief zwischen
Hasclinicks nach dem einsamen Gehöft
und fand..auf diesem sein Ende.
Ter Umstand, daß das Gehöft in
langem, spitzem Winkel in eine Buchen
Waldung hineinstieß, hatte ihm den
Namen gegeben. Zwei große Scheu
nen und einige Nebengebäude lagen im
Schatten der mächtigen Buchen, und
ein um das behäbige Wohnhaus sich
ausdehnender umfangreicher Obstgar
ten schloß den Hof auch nach den Fcl
dcrn hin fast waldartig ab.
Klaus Schlütcr hatte kein Auge für
seine Umgebung. Er merkte kaum,
daß sich das Laub an Büschen und
Bäumen stark herbstlich zu färben und
zu lichten begann und am Himmel
flatternde Sturmwolken aufzogen. Ter
Abschied von der Geliebten, die Neu
gier auf die Ticnstzeit und die bevor
ftcher.de Auseinandersetzung mit dem
Vater füllten ihn mit einem Gewirr
rasch wechselnder Empfindungen.
Jürgen Schlüter, der Bauer vom
Winkel, stand in dem breiten Einfahrt
thor des Wohnhauses, hielt den Ta-
daksbeutcl in der Hand und stopfte sich
eine Pfeife. Er warf einen Seitenblick
aus den wacrhcllen Augen auf den
Sohn, setzte ein Schwefclholz durch
Reiben am Hausthor in Brand und
entzündete paffend die Pfeife.
Klaus blieb vor ihm stehen.
Ich habe mit Tir zu sprechen,
Vater. Hast Tu Zeit?"
Ter Bauer musterte ihn mißtrauisch,
beherrschte sich jedoch und entgegnete
glcichmüthig:
.Ja. Komm in die Wohnstube.'
Sie traten an eins der beiden Fcn
stcr des altmodisch behaglich eingerich
tctcn Gemaches und standen sich ziem
lich dicht gegenüber.
Ihre außergewöhnliche Größe, die
hohe, kühne Stirn und der Ausdruck
der Energie in den männlichen Gcsich
tern verlieb ihnen eine unverkennbare
Familien und Eharaktcrühnlichkeit,
wenn auch die Züge deö Jüngeren wel
cher waren als die des Alten und seine
Gestalt schlanker und geschmeidiger,
Ehe ich die lange Zeit fortgehe
Vater." begann der Sohn, wollte ,
Tir sagen, daß ich Sophie Arp gut
bin und mich mit ihr versprochen
habe."
.So?"
Jürgen Schlüter behielt die Pfeife in
der Hand und kniff die schmalen Lippen
aufeinander.
Ihr Vater hat mir fein Ja gcge
den," fuhr Klaus fort.
So!"
Tu kannst gegen das Mädchen
nichts einzuwenden haben und gegen
ihre Eltern auch nicht, und darum
wollte ich Tich bitten, Vater auch Ja zu
sagen."
Nein!" erklärte der Bauer kalt und
trocken. Taraus wird nichts," fügt
er hinzu.
In das Gesicht des Jüngeren stieg
ein Roth.
Warum nicht?" fragte er äußerlich
ruhig.
Tas könntest Tu selber winen
Wenn Tu nach drei Jahren die
Zwangsjacke wieder ausgezogen hast,
wird sich eine andere Frau finden, die
nicht ihre Gesinnung wechselt, wie ihre
Kleider, und die nicht ihre Heimath
verleugnet, wies Mode geworden ist!"
Klaus verstand. Tas war der Haß
vom Winkel, der den hartlöpsig nach
tragenden Bauern von den Taufenden
seiner holsteinischen Standesgenoffen
isolirte, seit der Hohenzollcrn-Aar seine
Schwingen schutzend über das frucht
bare Land ausbreitete, dessen beste
Söhne vor einem halben Jahrhundert
Gut und Blut gegen die gremdherr
schaft eingesetzt hatten. Tas war der
Haß, der Jürgen Schlütcr, den Vater
des Bauern, in den blutigen Kämpfen
auf die Seite der Tönen getrieben und
der ihn gespornt hatte, den Fanati,
mus in die Brust des Knaben und
Jünglings zu pflanzen, daß er über
das Grab des Alten hinaus vorhielt
und ein Leben, das sich gut und glücke
lich hätte gestalten können, unheilvoll
beeinflußte.
Ich weiß." stieß Klaus hervor
Aber ich theile Teine Anschauungen
nicht und halte sie für ungerecht "
Tas verstehst Tu nicht!"
Klaus ließ sich nicht beirren.
Wer ist nach auf Tcincr Seite?
fragte er. Sich Tich doch um in der
Gemeinde und überall, wo Tu Lusi
hast: Kein Mensch denkt daran, die
alten Zeiten zurückzuwünschen."
Tas ist ja eben das Traurige!"
sagte der Bauer. Und die Arps sind
unter den ersten gewesen, die den Man
tel nach dem Wind gehangt haben
und die Tochter dicker Abtrünnigen ist
mir für meinen Hof zu gering. Tu
sollst Tir ein Weib nach meinem Sinn
nehmen, und wenn die um Euch her
dann die Achseln zucken wie über mich
sie brauchen Euch ja nicht zu kommen,
sie können sich ja euretwegen über ihre
Narrenmutze freuen, so viel sie wollen,
oder können sich zum Henker fchccren,
oder anders wohin. Mann ist Mann,
der steht nicht rechts noch links, der
geht gcradedurch. Und wenn sie Tich
meiden, wie sie mich gemieden haben:
nicht den Nacken beugen, mag's biegen
oder brechen! Und zum Kuckuck mit dem
ganzen Pack. Nein, sag ick, und das
Wort bleibt gelten!"
Tas Wort nicht, Vater. Aber nach
Teinem Rath will ich handeln: Ich gehe
auch gcradedurch, nach meinen Kopf,
Nicht nach Temcm."
Jurgen Schlütcr lachte verächtlich
auf. Lasz Tir erst den Wind im bun
ten Sklavcnrock um die Nase gehen;
dann sprechen wir uns wieder."
Klaus war an solche Aeußerungen
gegen oas veryaszie ,Prcuszcnycer ge
wöhnt, aber nun er in eins dcr stolze-
slcn Regimenter eintreten sollte, fühlte
er den. Stachel des väterlichen Hohnes
tiefer und schmerzlicher als früher.
Tcnnoch zwang er sich, den Ausfall
zu ignoriren.
opyie rp uno icy werden ein
Paar." bcharrte cr; daran ändert keine
Zeit.
Wenn die Tirn auf meinen Hof
kommt, zag ich ste mit Schimpf da-
von!"
Ta dürste ich vielleicht dabei sein.
Vater"
Kindskopf!" schrie der Alte. Pack
Teine Sachen und komm' mir nicht
unter die Augen, solange Teine Vcr
nunst betteln geht. Meinst Tu, ich
streit' mich lang mit Dir herum? Tie
Arp ist nicht die ist für mich gar nicht
da. Und Tu Tu bist für mich auch
nicht da, solange Tu Tu verstehst
mich schon. Hier" er trat an einen
Schreibsckrctär, schloß auf, entnahm
einem Fach einen Leinenbeutel 'mit
Geld und hielt ihn dem Sohn hin
hier hundert Thaler gebe ich Tir
mit und am Ende eines jeden Monats
will ich Tir fünfzig nachsenden, denn
Tu sollst kein Hungerleider sein. Aber
Tcinen Besuch will ich nicht in den
Jahren und wenn Tu zurückkommst:
laß den bunten Plunder, wohin er ge
hört und komm mir wieder im schlichten
BaucrnrockI"
Meinen Besuch willst Tu nicht?
fragte Klaus gereizt.
Hm nein." Ter Alte lenkte doch
etwas ein. Tas heißt, kommen kannst
Tu; aber wie Tu vor mir stehst! Weißt
Tu. was ich damit sagen will?"
.Ich soll nicht in Uniform kom
men?"
.t'Irad' das."
.Tann überhaupt nicht!"
Im Winkel bin ich der Herr! Und
wenn" die Augen des Alten glitzerten
hart ein Krieg hereinbrechen und sie
Tich verkrüppelt oder todt herschicken
sollten in dem bunten Popanz hab'
ich keinen Platz für Tich!"
Klaus nahm das Geld nicht an,
drehte sich empört um und schritt hin
aus.
Auf dem Arp'schcn Hof berichtete er
zornig.
Klaus, entgegnete Jochin Arp über
legt, ich habe keinen Sohn, ich werde
für Tich sorgen. Und wenn Tein
Vater bei feinem Starrsinn bleibt, so
komm zu uns."
Er schwieg und sann.
Mein Jung," mahnte er dann,
geh doch im Guten. Tein Vater ist
alt und verbissen. Aber meinst Tu
nicht auch, daß er nicht schlecht ist?"
Nein, nicht schlecht," wiederholte
Klaus und erfaßte das winzige Zuge
ständniß mit aufquellender Weichheit.
Er ist Tein Vater, und was er Tir
angeboten hat, ist gut gemeint, das
mit dem Gelde, Klaus." redete auch
das Mädchen zu. Es bleibt die
Brücke zwischen euch, und darum nimm
es an."
Soll ich?" fragte Klaus noch
zögernd Ich glaube auch, daß es
besser ist," setzte er langsam hinzu.
Er hat im Haß gesprochen, und der ist
nicht zu wägen. Ich will gut von ihm
gehen, und wenn ich dann komme, wer
weiß, wie er mich aufnimmt."
Ostern.
Frühe Ostern nach spätem Winter.
Tie Knospen an Bäumen und
Büchschen waren noch braun und win-
zig und wollten sich von dem kalten
Sonnenlicht nicht hcrvorlocken lassen.
Kein Vogelfang in Wald und Gar-
ten; eine freudenlose Stille rings in dcr
Natur, die nach den Wintcrstürmcn
dem Frühlingsfricdcn noch nicht traute.
Ein Hühncr-Habicht kreiste bcutclüstern
über dem Winkel und erschien als die
Verkörperung des Unheils, das in der
Luft lag und möglicherweife nieder
gehen konnte.
,Licber Vater," hiess es in dem
Bricfc, ich bin noch immer zufricdcn,
und jc mchr ich mit dem Dienst ver
traut werde, um so leichter wird er
mir. Die Vorgesetzten wollen mir
wohl, mit den Kameraden komme ich
gut aus, und so habe ich über Niemand
zu klagen, aber vielen zu oanicn.
Meinen Vorsatz, mich Photographiren
zu lassen, habe ich endlich durchführen
können. Ich sende Tir ein Bild, und
ich glaube, daß es Tir gefallen wird
Auch von meinem Fucvs lege ich ein
Momentbildchcn bei, das ein Kamerad
mit seinem kleinen Apparat für mi
aufgenommen hat. Jeder pflegt zwar
zu behaupten, daß er das beste Pferd
in dcr Schwadron habe; ich glaube
aber, meines ist wirklich das beste. Ein
prachtvoller Goldfuchs, wild und feurig,
aber dabei gehorsam und anhänglich
Mich kennt er auf hundert Schritte,
spitzt die Ohren und reibt, wenn ich
herangekommen bin, den Kopf an mci-
ncr Schultcr teht dic Winter
aal im Winkel gut. und gibt die
onnc schon ein bischen Wärme? Hier
scheint dcr Winter immer noch allerlei
vergessen zu haben, daß es nicht von
dcr Stelle will draußen und wcdcr
warm noch grün werden. Aber Pfing-
sten, da wird es anders aussehen, und
da wird mich alles doppelt freuen,
wenn ich Urlaub bekomme, wie ich
hoffe."
Tankensworte für die Gcldsendunqcn
und herzliche Grüße bildeten den Schluß
des Schreibens.
Jürgen schlüter betrachtete die
Photographie des Fuchses mit Inte
reffe. Tann griff er zögernd nach dem
dünnen Umschlag und ließ es auf den
Tisch sollen.
Sein hartes Gesicht versteinerte sich.
Ter Junge in der vcrhaßtcn Uni-
sorm, dcn Aotcrycim aus dem stolzen
jugendlichen Kopf!
Jurgcn Schlütcr falzte das Bild,
chlich in die Küche und sah sich scheu
um. eins dcr Mädchen war zugegen.
Mit hastigem Wurf schleuderte er das
Bild in das Herdfeuer Aber er
blieb wie angewurzelt stehen, und ein
heftiges Erschrecken malte sich in feinen
Zügen. Plötzlich stürzte er an das
Feuer, griff hinein und holte das Bild
wieder heraus.
Er kehrte in die Wohnstube zurück,
athmete tief auf und suchte Ruß und
Asche, die sich an den Karton gesetzt
hatten, durch Reiben mit dem Rock
ärmel zu entfernen.
Er war nicht abergläubisch nem,
er betheuerte es sich selbst. Aber dcr
Gedanke hatte ihn jäh beängstigt, daß
er mit dem Bilde da, das die Züge sei
ncs Sohnes trug, ein Stück von dem
Jungen selbst verletze und entweihe und
revlcrisch ein Unheil sur ihn heraus-
beschwöre.
Er dachte an eine Legende vom
rothen holsteinischen Grafen vom Joch,
der im Jähzorn das Bildniß seiner dcr
hm geflohenen Gemahlin geschossen
und eine Stunde später erfahren haben
sollte, daß ein plötzlicher Hcrzschlag zu
genau der Zeit des Schusses ihrem
Leben ein Ende gesetzt hatte
Jürgen Schlütcr suchte einen Zei
tungsboaen hervor, packte still das ge
säuberte Bild hinein und verschloß es
in einem Fach seiner Schreibschatullc.
Er war nicht aberglaudiich. er wie
verholt es sich; er athmete aber doch be
freit auf, daß ihm die Bergung des
Bilde? noch rechtzeitig gelungen war.
Nachdem er auch dcn Brief wegge
tchloslcn hatte, machte er einen Weg
über die Gelder
Tie Wintersaat stand gut. Jawohl!
dachte er in Erinnerung an den Brief.
Freilich Pfingsten zu Pfingsten
würde ein anderes Grün Feld und
Wald verschönen!
Pfingsten!
Wie schnell die Wochen gingen, und
wie bald das lebensfreudigste aller
Feste da war!
Ich komme am Freitag, Klaus."
lautete eine Tcpcschc. mit dcr der
Urlauber scine Ankunft meldete.
Ter Bauer kramte unruhig in dem
Koffer seines Sohnes, wählte unter
den Anzügen dcn besten aus. packte ihn
ein und sandte ihn mit einem kurzen
Brief durch dcn Vorknccht nach dem
Bahnhof. ,
Tu bringst das Packet in den Gast-
hos und giebst Klaus dcn Brief." sagte
er zu dem Knecht.
Tann wartete er, wartete in schwerer
Sorge, die ihn Haus und Hof und
Garten ruhelos durchwandern licsz.
Um drci Uhr licf dcr Zug ein; um die
fünfte Stunde war weder Klaus da
noch der Knecht zurück.
Jürgen Schlütcr wischt sich den
Schweiß von dcr Stirn. Sollte der
Junge sollte er wirklich nicht kommen
wollen? Nicht anders als als
Jürgen fand kein höhnisches oder
wegwerfendes Lachen; es lag ihm blei
schwer in den Gliedern und dcr Kopf
summte ihm.
Er sah vom Hofe aus dcn Feldweg
entlang; aber nichts war zu entdecken.
als fern eine weibliche Gestalt, die ihn
nicht interessirtc.
Er ging in dcn Pferdcstall und tat
schelte cincm Schimmel dcn Hals, dcn
Klaus gern geritten hatte. Ober
ob er er widerstrebte selbst dem Ge
danken satteln und nach dem Bahn
hos reiten oder einen zweiten der
Knechte, die bald vom cidc veimiom-
men mußten, hinsenden sollte?
Nein, entschied er. Noch nicht. Noch
mußte er warten. Er brauchte ja auch
nicht allein an dcn Starrsinn des Soh
ncs zu denkcn; dcr Junge konnte ja auch
den Zug versäumt haben oder durch
das Umkleiden autgcyanen wcrocn.
Oder war er da war er bei
den Arps? Tann hätte doch der Knecht
zurück sein müssen, und dcr kam auch
nickt
Jürgen Schlüter erschrak heftig, at
er wieder auf den Hof trat und vom
Feldweg her Sophie Arp sich ihm erhitzt
und bastia nähern sah.
Die brennende Frage beängstigte ihn
was gerade die die wollte, die er am
allerwenigsten erwartet halle
Tas große, schöne Mädchen stand vor
ihm: ihr Busen wogte; ihr Antlitz war
dleicki und ibr blaues Auge ruhte mit
leidig auf dem Bauern. Mitleidig, ja
das erkannte auch Jürgen; nicht befan
gen, nicht scheu oder surchtsam, auch
nicht bittend: nein, mitleidig, rührend
weich und mitleidig.
Ein bittern kam über dcn Bauern
Um Gottcswillcn, was was ist?"
stieß er athcmlos hervor.
Baucr. scid stad." cntgcgncte 0-
phic Arp mit tiefem Beben in der
Stimme. ..Klaus kommt. Er er
hat Unglück gehabt. Ter Zug ist
aus dem Geleise gekommen vom
Damm auf's Feld hinunter ein paar
Wagen" sie kämpfte gegen ein
'Schluchzen ein paar Wagen sind
zertrümmert. Klaus ist verletz:
Nicht gefährlich. Baucr. Gleich brin
aen sie ihn und ein Arzt kommt mir.
Jürgen Schlutcr s Augen schwam-
men: alles um tan yer lanzie uno er
wäre hingeschlagen, wenn das Madchen
nicht zugesprungen wäre und ihn ge
halten hätte.
Jung." murmelte er hci'cr, Jung
Jung
Nach langen Minuten faßte cr sich.
Tirn," wandtc cr sich an -ophie,
todt?"
Gott sei Tank, ncin, Baucr i"
..Ge gefährlich ?"
Sophie antwortete nicht. Sic hattc
die Frage fast überhört, denn ihre Auf
mcrksamkcit richtctc sich auf dcn düstcrcn
Zug, dcr ebcn vom Feldweg auf dcn Hof
einbog.
Die Träger legten, als sie dcn aus sie
zufchwankendcn Bauern gewahrten, dic
Bahre niedcr und traten zur citc.
Jochen Arp suchte dcn Eindruck
mildern.
Nicht schlimm, Jürgen," rief er dcm
Bauern zu. Nein, nicht schlimm."
wiederholte er versichernd.
Klaus lag in dem wcircn Wasscnrock.
dcr an dcr rechten Schultcr zcrrissen und
mit Blut durchtränkt war. Der blin
kendc Adlerhclm stand zu seinen Füßen,
dcr Säbel lag ihm zur &cttc.
Der Baucr knietc an dcr Bahre hin
und faßte tastend nach des Sohnes
Hand.
Klaus Klaus!" stotterte cr, vcr
gieb, vcrgicb mir! Tcnk nicht mchr, was
ich was ich gesagt habc! Gott im
Himmcl kein Kricg und doch mcinc
Schuld meine Strafe! Klaus wo
wo fehlt's?" forschte er angstvoll.
Klaus versuchte zu lächeln.
Ter Helm, Vater ich hatte ihn
eben ausgesetzt hat dcn Hauptstoß
abgehalten."
.Die Wunde erfordert Zeit zur Hci
lung." mischte sich der Arzt ein. und
Ihr Sohn ist schwach in Folge der
Schmerzen. Ader eine Gcsahr iur das
Leben besteht nicht und ein Krüppel
wird Ihr Sohn auch nicht. Ich bin
mitgekommen, um Ihnen daZ zu Ihrer
Beruhigung zu sagen. Jctzt aber:
Ruhe für Sie und für Ihren Sohn."
Er griff nach dem Helm und zcigte auf
eine tiefe Beulung. .Wenn der nicht
gewesen wäre. Baucr. ich" er sprach
niit nachdrücklicher Betonung hätte
wohl keine Hilie mehr bringen tön
nen!"
Ter Alte richtete sich auf und sein
suchender Blick traf auf Sophie.
Tirn," redete er stockend, magst
magst ihn pflcgcn ?"
Ein freudiges Nicken war ihre Ant
wort.
Tann komm!" sagte dcr Bauer,
nahm feicrlich den Säbel von der Bahre,
bot dcn Arzt um dcn Hclm und ging
mit dcm Mädchen in's Haus voran.
An dcr Liebe im Winkel war dcr
Haß gestorben.
Der 2icscnlnit.
Virniflf ''eichichik von Richard C"i'Jonron.
1.
Mein Freund und ich fuhren zusam-
men nach dem Boulevard du Tcmple.
Wir kamcn in's Thcatcr und ich sctzte
mich neben meinen Freund in einem
Futcuil. Eben wollte ich mit dcm
Opcrnglas das Publikum Rcvuc pas
siren lassen, als ich in die Reihe vor
mir eine große Tanic treten sah, die sich
gerade in dcm Fauteuil vor mir nieder-
ließ. Und dabei bemerkte ich zu meinem
Entsetzen, daß sie auf dem Kopfe eine
Art Rcmbrandt-Hut trug, der vorn
nicdergcklappt und hinten wie ein
Gendarmen-Treifpitz aufgckrcmpt war,
nur mit dem Unterschied, daß diese
hintere Hälfte mit allerhand Blumen.
Gemüsen, ich glaube sogar mit einigen
kleinen Sträuchern sehr splendid gar-
nirt war. so daß ich von dcr Bühne
auch nicht das Gcringstc mchr fchcn
konntc.
Tas Zcichcn zum Anfang wird a
geben; dcr Vorhang gcht in dic Höhc
Auf die Gcfahr hin, mir cine Genick-
starre zuzuziehen, beuge ich mich bald
nach rechts, bald nach links. Doch ich
oanc oyne oie auvn-Aermel meiner
Blondine gerechnet, die die beiden Ecken
rechts und links, meine letzte Hoffnung,
vollständig ausfüllten. Ich sagte mit
halblauter Stimme zu meinem Freunde:
Ter Hut da vorn ist recht störend!
Die Dame hört das. dreht sich halb
um, betrachtet mich mit auszerstcr Vtx
achtung. Zu meinem Freunde gewen
det, fahre ich fort:
viai ych yanc ve icr gctyan, zu
Hause zu blcibcn. Von dcm Stück sch'
ich absolut gar nichts!"
Avcrmais oreyie sich 01c Tarne um
und schickt mir das ironischste Lächeln
von dcr Wclt zu.
Endlich ging der erste Akt unter
lautem Beifall zu Ende. Tie Tame
hatte mich inzwischen von Neuem mit
ihrem perfiden Lächeln angestarrt.
Um so höhnischer war dieses Lachen,
als vor ihr ein kleiner Mensch mit er
wachsenen Schultern saß, über den sie
bequem hinweg sah.
Ich betrachtete diesen kleinen Men
schen: zerdrücktes Jackct, zweifelhafte
Wäsche; dcr gcborcne Freibcrgcr.
Ich ziehe ihn in einen Winkel und
sage zu ihm mit leiser stimme:
Mein Herr, ich hätte ein ganz be-
sondcrcs Interesse, Ihren Fauteuil No.
48 einzunehmen; wollen eic mir ge
statten, Jhncn den Platz für 20 Francs
abzukaufen? Ich werde Ihnen dafür
dcn meinigcn, No. 92, übcrlassen, dcr
allerdings etwas weniger gut ist !"
Mein Herr, sie sind außerordcnt-
lich licbcnswürdig, und ich nchme
Jhrcn Vorschlag
gnügcn an!"
mit größtem Ver-
Nun war ich also glücklicher Besitzer
dcs Fautcuils No. 48!
Ich vcrlicß nun das Thcatcr und
ging dcn Boulevard ein Stück hinun
ter, bis ich eine Modistin gefunden
hatte. Ich trat ein und bat die Vcr
käuierin, mir das riesigste, auffal
lendstc, pyramidalste Exemplar eines
Hutes, das sic auf Lagcr habc, vorzu-
lcgen.
Ich erstand cincn Ricscnyut, nur
sechzig Francs rein geschenkt ! Tann
liefe ich ihn einpacken und kchrtc in's
Thcatcr zurück, sctzte mich auf No. 48
vor dic Tame, die sich etwas unruhig
hin und her bewegte. Tann holte ich
meinen Rcvanchchut aus seiner Hüllc
hervor und setzte ihn mir auf den
Kops.
Man schrie, man lachte, man tobte.
man lrampeiic, man lieg aui 01c
Bänke, um mich bcsscr schen zu können
Tie meisten Herren verstanden sofort
dcn symbolischen -inn meines Protcsts
und schrieen: Bravo!" Er hat Recht!"
Bravo!"
Ich begnügte mich damit, von Zeit
zu Zeit die Tame hinter mir verächtlich
über dic Schultcr anzuschcn.
Was zu türchtcn war, blieb nicht
aus. Jwcl PottZlsien orangcn in ocn
Zuschaucrraum und baten mich sehr
höflich, diesem geistreichen Scherz ein
Ende zu machen.
Sagen -ie Madame, erwiderte ich
mit dcr Würde eines Mirabcau, daß
ch meinen Hut abnehmen werdc, sobald
sie den ihren abgenommen hat !"
Tieft Antwort weckte den EnthusiaS
mus von Seiten der Männer, heftige
Schmähungen von Seiten der Frauen,
und inmitten dieses Z ohuwahodu wurde
ich mit meinem Riescnhut hochgehoben
und von den beiden Polizisten i
Foyer getragen, wo man mir gegen
daZ ausdrückliche Versprechen, meine
Maskerade nicht zu wiederholen, meine
Freiheit wiedergab.
3.
Die Dame mit dem Obstgarten sollte
also triumphiren! Das war unerhört!
Trostlos! Was thun?
Wüthend stand ich im Foycr. da fiel
plötzlich mein Blick auf eine kleine Ar.
beiterin. die sich eben auf die obere
Gallerie begeben wollte. Sie trug nur
einen einfachen kleinen Strohhut auf
dcm Kopfe.
Mein Fräulein, wollen Sie mir ge
statten. Ihnen einen ganz neuen Hut
aiizubietcii. dcn ich für drei Louis vor
einer Vicrtelstunde erst gckauft habe?"
Dabei enthüllte ich mein Monument,
bei dessen Anblick die Kleine in Ekstase
gericth.
Und was muß ich dafür thun?"
fragte sie.
Weniger als nichts! Zuerst sollen
Sie ihn sich auf dcn Kops und dann
sich sclbst in dcn Fautcuil No. 4
setzen!"
In zwei Minuten war dcr einfache
trohwisch durch mcincn Ricsculiut er
setzt.
Die Frcude dcs Publikums, als es
meinen Hut auf einem weiblichen Kopse
wieder auftauchen sah, war einfach un
bcschreiblich. Man hielt sich die Seiten
vor Lachcn. Und dicsmal hatte di
Polizei nichts zu sagen !
Ich war auf die Gallerie gestiegen.
um mich des Anblicks zu erfreuen; ich
war wirklich gerächt! Die Dame sah
gar nichts mchr und diente allen Opern
gläsern dcs Theaters als Zielscheibe.
ie mußte schließlich auf den Kamvf
verzichten und unter donnerndem Ap
plaus das Thcatcr vcrlasscn.
Ich war Hcrr dcs Schlachtfeldes!
Vs soll schrcikN.
Es war nicht mchr ausnibaltcn!
unser kleines schrie ohrenbetäubend,
herzzerreißend. Alle Anstrengungen dcr
Mama, ihm das licbe Maulchcn zu
stopfcn, waren vergeblich; ach nein!
Frauen verstehen nichts von Erziehung.
Wohl hundertmal war ich von meinem
Schreibtisch aufgesprungen und hatte
sie drüben zur Ruhe verwiesen, hatte sie
gebeten, vernünftig zu sein, da ich
Wichtiges zu thun hätte. Alles um
sonst! Mcinc Arbcit rücktc nicht von dcr
Stclle. Vor mir lag das wciße Blatt
Papier, an dessen Kopf drci inhaltreiche
Worte standen: Sehr geehrter Hcrr!
Endlich faßte ich meinen Entschluß.
Ich will doch schen, ob ich nicht endlich
Ruhe bekomme. Emma, sage ich,
wir wohnen nicht allein im Haus, wir
müssen Rücksicht nehmen. Du mußt'
endlich lernen, ein Kind zur Ruhe zu
bringen Tein Kind. Tu summst
ihm etwas vor und denkst das genügt.
Nein, nein! Mit Deinem ewigen Sch??,
men und Brummen ist es nicht gethan.
Singe ihm etwas vor gut! Aber es
muß ein hübsches Lied sein recht
melodisch. Glaubst Tu denn, daß
solch' ein kleines Wesen gar kein Gehör
hat. gar kein Empfinden?"
Ich nahm das Baby auf den Arm
und sang, in tiefem, wohlklingendem
Baß mein Baß ist wirklich scbr
wohlklingend Hinaus in die '
üerne" x. Und welchen Erfola hatte
ich! Tas Kleine hörte sofort auf zu
schreien und sah mir mit seinen großen
schwarzen Augen ins Gesicht. Siehst
Tu." sagte ich. so muß man es
machen. Tas Kind will Musik, nicht '
Tcin cwigcs Brummen und Trällern.
Und dann man muß wirklich auf
die Nachbarschaft Rücksicht nehmen.
Wir wohnen doch nicht in der Linien-
Straße."
In diesem Moment klingelte es. Ich
legte das Kleine wieder zurück in die
Arme meiner kleinen unerfahrenen
Frau und öffnete. Vor mir stand ein
rcizcnder Backfisch mit blonden Zöpfen
ohne Hut. Sie machte einen sehr
artigen Knix und während sich ibr run-
des Gesicht mit Purpur übergoß, sprach
ic voller Verlegenheit: Wir wohnen
über hncn, Hcrr. wir sind am
Erstcn cingczogcn. Aber Tante, die
bei uns wohnt, ist krank und liegt zu
Bett. Sie läßt Sic recht fchr bittcn
doch nicht zu singcn. Licbcr soll das
Baby schreien."
kerausgcplayt.
Lehrer: Liebe Kinder, kcnnt Ihr
das Haus: es steht Jedem offen, den
Armen wie den Reichen und wer es be
sucht, trägt Trost und Erquickung da
von! Nun, wie heißt das Haus, Hans
chcn?" Hänschcn (schnell): Tas Wirths- 1
Haus. Herr Lehrer!"
IVÜ sie fordern.
. nrau zur ZtochNi, ciner
früheren
Korv5stu?cntin, dic beim
Exanicn
durchgefallcn): Aber, Anna, Sie
dumme Gans, haben mir ja den gan
zen Braten verbrennen lassen!"
Köchin: Was! Tumme Gans!?
Sind Sic dcnn eigentlich fatisfaktions
fähig, gnädige Frau?"
Immer zerstreut.
Professor (dcr sich im Walde vcr-
licrt. hört einen Kuckuck rufen): Horch.
nun ist's nicht mehr weit in ein Torf
habe doch eine Kuckuckuhr gehört!"