Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 31, 1899, Image 9

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ltn Mann von fünf Jahren.
($aimnb;ba mit Hnrknz'.osien ,sn Ptter
skgger.
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- X Regen hatte aufgehört, ein leb
haster Wind schüttelte die Tropfen von
den Bäumen. Ich machte noch am
dend einen Cpaziergang aufwärts deZ
TrabachS. wo noch die zwei und drei
hundertjährigen Bauernhaufer stehen.
Sie sind von Holz gebaut und haben
noch klingend harte Wände, während
Unweit davon das hölzerne Häuschen
eines Sommerfrischlers. daZ aus dem
Gärigen Jahrzehnt stammt, bereits an
fängt zu modern. Auch diese putzige
.Villa" bemüht sich, schon recht alt zu
'scheinen und hat ihr Herz des.
,halb braun anstreichen lassen. Aber
die sonnen und wetterbraune Farbe
der hundertjährigen Bauernhäuser ist
kZ nicht.
Die Bauernhäuser am Trabach haben
kleine Fenster, in denen rothe Nelken
flehen, und sind einen Stock hoch. TaS
Bretterdach, ist noch einmal so hoch und
sehr steil, wie ein gothischer Kirchen
eiedel und ragt starr über die Wirth
schaktsgebäude empor. Bei meinem
Spaziergange nun sah ich auf dem
Firste eines solchen HausdacheZ etwas
Lebendiges. Ein fahlfarbiges Wesen,
das sich längs der Tachschneide langsam
fortbewegte. Es war weder eine Katze
och ein anderes Hausthier, es war et
was Gespenstiges, wie es sich so zuckend
' weiter bewegte und dann wieder unbe
1 weglich dahockte. Und näher kommend
t.c - v-c . nn...rx.i;..v v .
uq urnouB ein luceniajennno oa voen
hintroch. Ein etwa fünfjähriger, dlon
der und rothwangiger Knabe, barhaupt
und barfuß, nur'ein graues Hemd und
Höslein am Leibe. In reitender Stel
lung, mit den Händen vorgreifend, sich
festhaltend an den Latten, bewegte er
' sich voran, dann, an den Giebel gekom-
wen, sachte wieder zurück, und ein paar
Mal rief er aus: Hü, Schimmel!"
, Das Haus war fein Reitpferd.
Ich war bei dem Anblick erschrocken,
daß mir die Beine zitterten. Wie kommt
. dieser Knabe auf das schreckliche Dach?
5 Die Leute arbeiteten auf der Wiese und
sahen es nicht, in welcher Gefahr das
, Kind schwebte. Ich wollte noch hinauf
, rufen: Gieb acht! Gieb acht!" fürchtete
, aber gerade, ihn mit diesem Rufe zu
i j erschrecken und unsicher zu machen. Er
r ritt auf dem Dachfirst gelassen bin und
f zurück und'rief mit seinem hellen Stimm
i lein: Hü, Schimmel!"
J Jch ging um's Haus herum und sah
dann auf der Gartenseite eine lange
f Leiter angelehnt, bis zum untern Dach
rand reichend. Von dort weg lag auf
dem Bretterdach eine Feuerleiter, die
bis zum First ging, aber sie bildete nicht
die Fortsetzung der unteren Leiter, sie
lag mehr seitlings und konnte nur über
einige steile Dachbretter hin erreicht wer
den. Und doch mußte er da hinaufge
, stiegen sein.
t Als der Kleine sich satt geritten hatte
auf dem im Winde klappernden Brei
terdach, als er auch an dem Giebel
knauf gerüttelt hatte, ob der wohl auch
fest stehe, hob er das eine Bein über
den First und begann an der Feuer
leiter niederzusteigen, den Rücken an's
Dach gekehrt. Einen Augenblick rutschte
r, denn die Bretter waren glitschig,
aber an den Sprosseln 'klaute er sich
fest. Der Kleine machte es so bedachtig,
daß mir fast die Zuversicht kam. Nie
versteigend fing er an, laut die Spros
leln zu zahlen: Eis zeidei vier
lüf sechs acht zölf." Na, wenn er
die Sprosseln auch so übersprungen
bitte wie die Zahlen, dann wäre es
fchlimm geworden. Endlich war er am
unteren Dachrande. Hier, auf dem
Rücken liegend und mit den Händen zu
beiden Seiten sich an der Leiter festhal
tend. fing er an. mit den Beinen zu
strampeln hinaus über den Rand in
die freie Luft, vor lauter Lust. Und
ich. auf dem sicheren Erdboden, stöhnte
vor Angst. Da hatte er mich plötzlich
bemerkt und stutzte, wurde ganz still
und schaute unbeweglich herab. Ich rief
ihm zu, er solle nur so sitzen bleiben.
und versuchte, die untere eiter zu
rücken, daß sie sich an die Feuerleiter
anschloß. Als der Knabe diese Absicht
bemerkte, schob er sich rasch um und
Netterte aufwärts, hastig und flink wie
ine Katze.
3$ war rathlos und wollte die Leute
xvMi von der Wiese her. Am Zaun
bor stand ein mit Grüngras vollge
pfropfter Korb, den schleppte ich herbei
und entleerte ihn über den Steinen der
Dachtraufe, wo der Kleine unfehlbar
herabfallen mußte. Der Knabe hockte
wieder auf dem Dachfirst und beobachtete
mit Mißtrauen mein Beginnen. wann
endete er das lichte Rundköpflein nach
der anderen Dachseite hin, wo keine Lei
iet war. Es schien fast, als wollte er
es dort binab versuchen.
Von der Wiese her kam der alte Bauer
und rief mir zu: Was macht Ihr denn
ta? Der Bub fürchtet sich ja!"
Aber, mein Gott, es ist auch die
iöchste Gefahr. Wie könnt' Ihr ihn
denn da hinaufsteigen lanen?"
Auweh!" lachte der Alte. Vor
dem Herabfallen wird er sich fürchten!
Das wär' schon gar schön! Wann soll
derni der Mensch das Klettern lernen.
als in der Zeit, wenn er gelenkig und
slprinrt ist!"
,Äber das arme Kind!" sprach ich
ntrüftet. Wie kann denn ein Kind
die Vortheile und die Gefahren lernen
nd die ricktiae Bor uvt anmenoenl"
..Den Schlingel solltet Ihr erst ein
mal auf den Kirschbäumen sehen! Bis
in'S letzte Zweigel hinaus, daß er dann
Der
Jahrgang 20.
nur so einem Ast zum anderen hüpft
wie ein Vogel. Er fangt Euch von
den Rothkiefern Eichkatzen herab. Und
so ein Hausdach da, wo nichts brechen
kann!"
Ader Ihr sagtet doch selber, daß er
sich fürchtet!"
Freilich fürchtet er sich! Natürlich
fürchtet er sich! Wenn ein sremderMensch
dasteht bei der Leiter und nicht weg
gehen will!"
Bor mir soll er sich fürchten r
Vor wem denn? Fremde Leute
kommen nicht viel zu uns. da ist er
schreckig." '
Der Bauer rüttelte an der relter. ov
sie feststehe, dann rief er auf's Dach:
Maxl! Ich bm da: Ich vinS! Mr
Aehndl !"
Der Fremde aber gmg hinüber an
die Lindenbank, wo er vom Dach aus
nicht gesehen werden konnte. Und dort
habe ich mich erst einmal besonnen. So
weit ist es mit dir gekommen, du alter
Waldbauernbub! Hast du nicht selbst
einst an den Giebeln der Hausbücher
in die Spatzennester geguckt? Hast du
nicht selber von den Wipfeln der Lürch
bäume die rothen Blüthenzäpfchen her
abgeholt? Und du wirft jetzt nervös
wie eine alte Kindsfrau, wenn ein
frischer Knabe auf dem Dach herum
steigt? So weit haben es. die vierunddreißig
Stadtjahre gebracht, und das Hocken
am Schreibtisch! Und die verschiedenen
Mütter, die vor Schreck aufkreischen,
wenn ein Kind auf den Lehnstuhl klet
tert oder sich auf einer Zaunlatte schau
kelt ! Ich bitte dich, bleib herunten,
du iannft herabfallen! Ich bitte dich,
spiele doch ruhig mit den Bausteinen
und laß das Umhertollen, du kannst dir
Arme und Beine brechen! Ich bitte dich,
lege das Messer weg, du kannst dich
schneiden! Ich bitte euch, so rauft doch
nicht, ihr Rangen, ihr werdet euch noch
em Auge ausschlagen! Ich bitte dich,
ziehe doch den Paletot an. wenn du
ausgehst, es ist windig! Und schlage ein
dickes Tuch um den Hals, damit du
keinen Katarrh bekommst ! Aber Karl,
du hast gewiß nasse Füße, ziehe sofort
trockene Socken an! Mein Gott, lauft
doch nicht so, Kinder, es wird eine
Lungenentzündung geben!" So geht es
den ganzen Tag. und nach dem Willen
der Mutter müssen die Kinder immer
hübsch brav im Winkel hocken oder bei
streng gemessener Temperatur von acht
zehn Graden im Garten recht ruhig und
eingezogen herumgehen. Aber die
schlimmen Kinder folgen nicht. Sie
folgen einer andern Mutler, der Mut
ter Natur. Sie wollen sich rühren, mit
allem frisch anbinden, alles versuchen
und sich naturgemäß vorbereiten für
den großen Kampf, der ihnen ja nicht
erspart bleibt. Trotzdem gelingt es
dem immerwährenden Bewachen und
Einschränken vieler Eltern, ihre Kinder
derart zu verweichlichen, daß sie später
zu nichts fähig sind. So untergräbt
man systematisch seinen eigenen Stamm.
Eine Stadtmutter wäre im Angesicht
des kletternden Kindes wahrscheinlich in
Ohnmacht gefallen, ich hatte nicht weit
dazu, und daraus erhellt die Entartung
eines von Haus aus leidlich gesunden
Naturburschen, wenn er in's Treibhaus
der Civilisation versetzt wird. War
denn kein Tröpflein Blut mehr Vorhan
den von jener Zeit? Hatte er sie dann
ganz vergessen, die kleinen lustigen
Kerle im Waldlande, die Tag für Tag
sich in die Lebensgefahr begaben, so
lange, bis sie groß und stark geworden?
Im' reißenden Bach der Fresen waren
sie barfuß hin und her gegangen, um
Forellen zu fangen, und wehrsame
Krebse hatten ne in die ,wn gezwickt.
Auf glosenden Kohlenmeilern waren sie
umhergesticgen. um die sich öffnenden
Krater mit Lösche zu verschütten. Stiere
hatten sie gereizt und waren ihnen dann
auf den Rücken gesprungen. Auf den
sich vorwärts bewegenden Baumblöcken
der Bretter Ääqe waren sie geritken.
ganz nahe bis zum auf- und nieder
rasenden Messer hin, das sie im nächsten
Augenblick mitten entzwei geschnitten
hätte. Auf dem Mühlflotz über dem
kreisenden Rade hatten sie das Eis aus;
gehackt, in der Zcugschiniede hatten sie
unter sprühenden Funken das iiien ge
hämmert. Gerungen hatten sie mit
einander, daß die Recklein zu Boden
purzelten, die Körper an die Steine
schlugen und es mehr Beine gab in der
Luft' als Köpfe. Bei schwärmenden
Bienen huben sie die lebendigen xan
den von den Sträuchern. Es gab
Stiche und Schrammen und allerhand
Wunden, aber es wurde kein Aufhebens
davon gemacht. Frost und Hitze, un
ger und Durft, ohne daß viele Worte
darüber verschwendet wurden. Auch
nicht, wenn einer zu Ostern beim Böl
lerladen Tabak rauchte. Hatten sie ein
Halsdrennen oder eine LungenentziiN'
dung, so wußten alte Frauen dafür
Schmieren. Pflaster. Pulver und
Tränke, die wendete man an und war
ÄMllüMM
Beilage zum Nebraska
tete dann, bis die Krankheit vorüber
war. Manchmal starb einer, die jedoch
davon kamen, waren dann wie Stahl
aus der Esse.
So wird ein starkes Bolk erzogen.
Auf dem Steinhaufen wird der Mensch
kräftig, in der Watte geht er zu
Grunde.
Dergleichen sann ich unter der Linde,
alldieweilen Erinnerung der Muth der
Alten und Moralisiren die Tugend der
Schwachen ist.
Von der Haldqasse her glockt und
trottet die Herde Kühe. Ochsen, Stiere
und Kälber durcheinander. Die Thiere
waren übermüthig, gaukelten mitein
ander, stießen sich, sprangen eins auf'S
andere, stemmten sich Kopf an Kopf
gegeneinander. jedeS bestrebt, sein Horn
dem Gegner in den Hals zu rennen.
Dabei brüllten sie. schnoben und scharr
ten mit den Beinen, daß der Sand
flog. Mitten unter diesem Gewirre
und Gedränge watschelte ein kleines
Barfüßlern drein, ein etwa sieben
jähriges Dirndl, das mit der Birken
gerte den ganzen Trubel vor sich her
trieb, oft den Rindern fast unter die
Füße kam und doch Sie Führende blieb.
So ein Ochs nimmt ein siebenjäh
riges Kind gerade so vollwerthig wie
einen dreißigjährigen Mann und läßt
sich von ihm leiten, und dem Kinde
fällt es nicht ein, daß es von der halb
wilden Herde zermalmt werden könnte.
Allmählich machten die Leute auf der
Wiese Feierabend und kamen zum
Hause herüber. Da sagte die kleine,
stets emsige Bäuerin zu ihrem Manne:
Bei der Bachwehr unten die Stang'
künnst wohl, auch einmal wegthun.
Der Maxl hupft drauf schon wieder hin
und her, und na kann er in's Wasser
patschen "
Nachher ist er naß und kriegt
Schläg'!" antwortete der Alte, sonst
nichts. Der Maxl war nämlich schon
lange nicht mehr auf dem Dach.
Draußen, auf der über dem Bache lie
genden Heuftange gerade über dem
Wirbeln und Strudeln des großen
WehrtümpelS schien es ihm wohl heim
licher zu sein als auf dem Hausfirft,
wo einer gar nicht sicher geht vor frem
den Leuten.
Wieviel habt Ihr?" fragte ich den
Bauern, denn es wurden der Kinder
immer mehr sichtbar, größere, als der
Maxl war, und auch kleinere. Und
alle voller Lebendigkeit und Unterneh
mungslust, wo sie sprangen, hüpften
und kletterten.
Stück a zehn werden ihrer im gan
zen sein," antwortete er.
Einer ist uns gestorben," vervoll-
ständlgte die Bäuerin.
Bei' näherer Nachfrage erfuhr ich,
daß ein Junge von einem Holzschlitten
erdrückt worden war, den er vom Berge
herab zog und an der steilen Lehne
schließlich nicht mehr aufhalten konnte.
Einer war also doch in der Gefahr
umgekommen, während die übrigen in
steigender Kraft und froher Kühnheit
aufstreben. Einer! Von zehn ver
weichlichten Stadtkindern stirbt wohl
ein Drittel vor der Zeit.
. Ich bin meines Weges weiter gegan
gen. Und auf der Wiese beim rau
schenken Bach, da sprang aus dem
Wehrtümpel plötzlich der Knabe. Das
Wasser über und übe? von seinen Klei
dern schlenkernd, daß es spritzte. So
schoß er, dem unheimlichen Fremden in
weiter Runde ausweichend, quer hin,
aber nicht gegen das Haus, sondern
gegen eine Bretterhütte. Dort im Heu
mochte er ein behaglicheres Trockenwer
den erhoffen, als im Hause, wo ein
nasser Bub Schläge kriegt. Das
Hüpfen auf der Stange war freilich
erlaubt, aber das Jnswasserfallen war
verboten.
Als ich mir nachher den Tümpel be
sah, den weiten, tiefen Kessel, in den
von dem Wehr ein kleiner Niagarafall
niederbrauste und in weißen Gischten
rundum wirbelte und kochte, da ward
mir die Sache deutlicher. Ein anderer
wäre einstweilen drinnen geblieben.
Mein Maxl aber! Er mußte Uebung
haben im Hineinfallen und Heraus
steigen, der junge Mann von fünf
Jahren !
Ich glaube, den könnte man auf die
Spitze 'des Stephansthurmes schicken,
zu sehen, ob die Türken schon kommen,
oder in eine Taucherglocke thun; er
fürchtet sich weder vor Adlern noch vor
Seeungeheuern er fürchtet sich bloß
vor Fremden.
Kriegslisten.
In allen bisherigen Kriegen hat
neben der Tapferkeit auch die List eine
hervorragende Rolle gespielt. Ob dies
auch im Kriege der Zukunft der Fall
sein wird, weiß niemand zu sagen. Die
ungeheuere Trag und Durchschlags
kraft der verschiedenen Geschosse, das
rauchlose Pulver werden der Kriegfüh
rung des nächsten Jahrhunderts einen
Staats-Anzeiger.
Charakter geben, der ganz von dem
abweicht, was man bisher Kampf zu
nennen pflegte. Heere werden sich mit
einander auf ungeheuere Entfernungen
schlagen,' ohne sich nur zu sehen, die
Ausdehnung der Schlachtlinie wird so
gewaltig in die Länge gehen, daß man
auf dem einen Flügel nicht wissen
kann, was auf dem andern vorgeht,
und Ueberraschungen. Bestürzungen.
Gelegenheiten zu persönlicher Auszeich
nung werden sich vielleicht bedeutend
vermindern. Daß. niemand sich von
der Strategie und Taktik des zukünfti
gen Krieges eine , klare Vorstellung
machen kann, ist ja einer der Gründe,
aus dem die europäischen Mächte den
Ausbruch eines Krieges so lebhaft zu
vermeiden trachten.
In früheren Zeiten war das anders.
Da konnten feindliche Heere sich ziemlich
gefahrlos erheblich nahern. da spielte
der Einzelkampf eine beträchtliche Rolle,
da war Gelegenheit zu allerhand ge
schickten Täuschungen und Ueberrum
pelunaen. Welch schreckenerregende
nächtliche Ueberfälle wurden da im
Schutze der Dunkelheit ausgeführt, die
heute, im Zeitalter der elektrischen
Scheinwerfer, aussichtslos wären! Be
sonderS zur Zeit der napoleonischen
Kriege, in denen ja eine ganz neue Art
der Strategie aufkam, wurde in der
Anwendung von Kriegslisten Erstaun-
liches geleistet und in den unlängst
erschienenen Erinnerungen des französi
schen Generals Marcellin de Marbot
lieft man mit Interesse so manches ver
wegene und fesselnde Husarenstückchen
Im österreichischen Feldzu,ge war die
Brücke von Spitz und Fürsten Auersperg
sehr stark mit Infanterie und Artillerie
besetzt und mußte von den Franzosen
um jeden Preis genommen werden.
Einige Tage vorher hatte Napoleon
mit General Gigulac wegen eines Was
fenstillstandes verhandelt, die Be
sprechungen waren abgebrochen und
dann wieder fortgesetzt worden. . Dies
machten sich die Marschalle Murat und
Lannes zu Nutze, indem sie nur von
einigen Offizieren gefolgt, auf die
Brücke zuschritten., unter den Rufen,
der Waffenstillstand sei., geschlossen.
Ihren Truppen befahlen sie, langsam
nachzukommen. Schritt für Schritt
vorgehend, erklärten sie allen Posten
und llnterbesehlshabern immer wieder,
es sei Waffenruhe, ganz allmählich
kamen mehr französische Grenadiere
ihnen nach und drängten die österreichi
schen Posten sanft zurück. Als nun die
Artillerie Verdacht schöpfte und feuern
wollte, setzten sich die Marschälle auf
die Geschütze und verlangten den Obev
befehlshaber zu sprechen, indem sie den
Offizieren versicherten, sie hätten mit
ihren Köpfen für jede Verletzung der
Waffenruhe einzustehen. Das erzähl
ten sie auch dem General, der. von
Hause aus kein großer Diplomat, in's
Schwanken geneth nnd zuletzt, da schon
eine Menge Franzosen auf der Brücke
standen, sie ganz räumen ließ, so daß
der wichtige Uebergang ohne Schwert-
streich in die Hände der Franzosen kam
Marbot, der diese Geschichte erzählt.
fügt selbst hinzu, daß er eine solche
Kriegslist für unerlaubt halte und sie
als kommandirender General niemals
anwenden würde. Dagegen führt er
eine List Massenas' an, die er für weise
und vollständig berechtigt anerkennt.
obwohl sie 'sich gegen ihn selbst kehrte.
Während der Belagerung von Genua,
als Marbot noch ein blutjunger Offizier
war, fiel sein Vater, ein hochverdienter
General. Der junge Marbot war da
durch moralisch völlig zerschmettert
Eigentlich hätte der Todte nun mit
allen militärischen Ehren beerdigt wer
den müssen. Allein Massen sagte sich,
daß eine so traurige Ceremonie so wie
der Anblick eines hinter der Leiche
schluchzend hergehenden Offiziers den
Muth der durch Hunger und Anstren
gungen an sich schon sehr deprimirten
Truppen noch mehr vermindern würde.
Er besuchte daher selbst den jungen
Marbot. tröstete ihn, besprach allerhand
Dienstliches mit ihm und während
dessen wurde der gefallene General in
aller Stille beigesetzt. Der Offizier
schäumte vor Entrüstung, als er dies
hörte, nachdem das Begräßniß vorüber
war; aber Massena bewies ihm. daß er
so hatte handeln müssen, um ihn selbst
iytf die Truppen nicht zu entmuthigen,
und Marbot begnügte sich mit einem
stillen Gebet am Grabe seines Vaters.
Auch Napoleon selbst war Meister in
kleinen Listen und Kniffen. Unmittel
bar vor der Schlacht bei Austerlitz gaben
sich Oesterreich und Rußland bekannt
lich die größte Mühe. Preußen zum
Eintritt in den Bund gegen Napoleon
zu veranlassen, damit sein Heer von
Schlesien aus Napoleon, der in Mähren
stand, in den Rücken fiele.' Friedrich
Wilhelm zagte jedoch und wollte erst
abwarten, wer von den dreien Sieger
bleiben würde. Er schickte daher be
kanntlich unter einem diplomatischen
TiO. 15.
Vorwande den Grafen Haugwitz ins
französische Lager, um sichere Nachrlch
ten über die Stimmung und die Ver
Hältnisse daselbst zu erhalten. Nun
war . einige Zeit vorher ein öfter
reichifches, von Jellachich tommandirtes
vorps von Augereau geschlagen und
gefangen, und seine Fahnen, Kanonen
u. s. w. dem Kaiser übergeben worden.
Das benutzte Napoleon, der wußte, daß
die Aktion in Berlin noch unbekannt
war. zu einer seltsamen Komödie, um
auf Haugwitz besonderen Eindruck zu
machen. Er ließ nämlich, wie im
Theater, nach Haugwitz' Ankunft die
ganze Szene noch einmal machen, ließ
sich, als er mit Haugwitz dirirte, durch
Musik an? Fenster rufen und spielte
den Ueberraschten. als man ihn über
den Zweck des Auszugs unterrichtete
Der Brief Augereaus war wieder zuqe
siegelt worden und wurde noch einmal
verlesen, die erbeuteten Fahnen wurden
noch einmal übergeben, ohne daß Na
poleon mit den Wimpern zuckte, und
Marbot erzählte mit phantastischen
Uebertreibungen Einzelheiten aus der
Schlacht. Der Gesandte war ganz
verblüfft, als Napoleon sich mit den
Worten an ihn wendete: Sie sehen.
Herr Gras, meine Truppen sind auf
allen Punkten siegreich das öfter
reichische Heer ist vernichtet, die Russen
werden es auch bald sein." Als die
Komödie zu Ende war, wollte Napoleon
natürlich während der bevorstehenden
Schlacht keine fremden Aufpasser bei
sich haben und. sagte zu, Haugwitz, er
könne ihm im Jnterelie seiner Sicher
heit unmöglich rathen, länger im Lager
zu bleiben, da die eere leben Augen
blick aneinander gerathen könnten: er
solle lieber nach Wien zu Talleyrand
fahren. Haugwitz fiel richtig darauf
hinein und berichtete nach Berlin, was
Napoleon gewollt hatte.
Ein Meisterstückchen führte Napoleon
kurz vor der Schlacht bei Waqram aus.
als es galt, die geeignete Stelle für den
Schlag einer Brücke zu erkunden; die
Oe terreicher standen am anderen Ufer
Einzelne Franzosen, die an die Böschung
lkamen. um WaNer zu schöpfen oder der
gleichen be cho en sie nicht, well solche
schwer zu treffen waren; sowie sich aber
grofzere französische Trupps zeigten.
knallten sie los. Napoleon und Mas
sena steckten sich also in Unteroffiziers
uniform, General St. Croix folgte als
Gemeiner verkleidet. So gingen die
drei ohne Gefolge angesichts des Feindes
bis an den Rand des Wassers, und St,
Croix entkleidete sich und nahm ein
Bad. Napoleon und der Marfchall
legten die Mäntel ab und machten
Miene, auch ins Wasser zu steigen. In
der Weise sahen sie sich die Stelle des
künftigen Brückenschlages genau an und
kehrten dann unangefochten ins Haupt-
quartler zurück.
Eines Tages hatte Napoleon Ver
dacht, daß sich, während er die Insel
Lobau befestigte, in ein Regiment ein
von den Oesterreichern gesandter Spion
eingeschlichen hätte. Um ihn zu ent
occken tarn er aus ein geniales Mittel.
Er ließ das ganze Regiment bis auf die
Maketender antreten. Dann hielt er
eine kurze Ansprache, in der er die An
Wesenheit eines Spions mittheilte und
befahl, daß jeder sich seine Nachbarn
zur rechten und inken genau ansehe
Schließlich wurde denn auch ein Mensch
entdeckt, den keiner kannte, und ins
Gebet genommen, gestand er alles ein
Es war ein Pariser, der Schulden
halber nach Oesterreich geflohen war
und sich einer auf dem Schlachtfelde
von Efzllng gefundenen französi eben
Uniform bemächtigt hatte. In der
einen Nacht fuhr er zum Erzherzog Carl
in einem Nachen über die Donau, um
Bericht zu erstatten, in der nächsten
kehrte er auf die Insel zurück. Er
wurde erschossen.
Man weiß, daß kurz vor Ausbruch
des Krieges von 1812 Tschernitschew.
ein Jugendfreund des Kaisers Alexan
der, in Paris unter dem Vorwande
eines Liebesverhältnisses als diplomati
scher Spion lebte und sich die französi
schen Mobilmachungspläne verschaffte.
Napoleon stellte sich darüber ungeheuer
entrüstet und ließ den Helfershelfer,
einen Beamten im Kriegsministerium,
erschießen in Wahrheit hatte er es in
Petersburg ganz ebenso machen lassen.
General Lauriston hatte sich dort die
Originalkupferplatten der russischen
Generalstabskarten verschafft und sie
heimlich über die Grenze geschmuggelt,
ohne daß die Polizei und Zollbehörde
etwas merkten. Napoleon ließ die ruf
sischen Schriftzeichen durch lateinische
ersetzen, die Karten drucken und den
Truppenstäben zugehen.
Geschmuggelt wurde damals über
Haupt außerordentlich viel. Die Kai
serin Josephine war die erste, die die
Continentalfperre und die Zollgesetze
übertrat. Die Generale mußten ihr
aus allen Ländern Stoffe und Schmuck
fachen zuschicken und die Burschen der
Offiziere, welche den Courierdienft zwi
schen Paris und den Hauptquartieren
versahen, wurden bestochen, die Packete
heimlich unter das Reisegepäck zu
bringen. C. A.
T Mutterher,.
Es ist ein Kind wie tausend sind.
Und dennoch glaubt sie fest.
Daß sich kein schön'res als ihr K'nd
Auf Erden finden laßt
Und widersprichst du nur im Scherz.
:o grollt sie ernstlich dir.
Du bist, o qold'nks Mutterherz,
Der Menschheit höchste Zier!
Zum Wildfang wachst der Bub' heran
Und macht ihr viel Berdrufj.
Daß sie weil sie nicht anders kann
ibit sielten, strafen muk.
Doch vor der Welt giebt's allerwärts
Kein artigeres nid.
O liebes, aold nes Muttervcri.
Wie bist du gut und blind!
Der Jüngling flieht daS Elternhaus,
Macht manchen losen Streich;
Die Mutter gleicht's im Stillen aus
Mit Noth sie ist nicht reich.
Droht ihm Gefahr, trotz jedem
Schmerz
Wie streitet sie für ihn !
Tu liebes, gold'nes Mutterherz.
Wie' bist du stark und kühn!
Und aus dem Jüngling wird ein
Mann.
Ein Mann von echtem Holz.
Wie ist die alte Mutter dann
Auf ihren Sohn fo stolz.
Wie hebt sie selig himmelwärts
Ihr erstes Enkelkind!
Du treues, gold'nes Mutterherz.
Wie bist du lieb und lind !
Das Mutterherz berechnet nicht,
Es folgt nur dem Gefühl.
Ein Leitstern ist's zu Recht und Pflicht
Dem Kind im Weltgewühl.
O kränk' es nie, mach' nie ihm
Schmerz,
So geht's auch dann dir gut,
Wenn's theure, gold'ne Mutterherz
In kühler Erde ruht.
Hugo Krebs.
Ei eigenartiger Gedenktag.
Die Frankfurter OderZeitung erin
nert an einen eigenartigen Gedenktag.
Am Sonntag. 17. Juli, vor 25 Jahren
wurde die letzte französische Tricolore,
die sich in den Reichslanden auf einem
öffentlichen Gebäude befand, herabge
holt. Sie saß auf der höchsten Thurm
spitze der Kathedrale von Metz, und es
war demjenigen, der sie herunterbrachte,
eine Belohnung von 100 Thalern aus
gesetzt, denn die Sache war lebensge
fährlich. Wenn der kühne Steiger auf
der im gothischen Stil gebauten Thurm
spitze angelangt war, galt es noch, über
eine große, mehrere Fuß dicke Kugel zu
gelangen und dann, etwa 260 Fuß
über der Erde, noch eine zweite kleinere
Kugel zu erklimmen, um zu der Fah
nen'ftange zu gelangen. Ein Pionier,
ein Brandenburger, erbot sich zu dem
gefährlichen Wagniß. Mit voller Musik
marschirte am Samstag, den 16. Juli
1874, kurz nach Mittag, eine Truppen
abtheilung nach dem Platze vor der
Kathedrale, der Pionier siegesgewiß im
Zuge. Der Furchtlose begann seine
Arbeit, die mehrere Stunden in An
spruch nahm. Zunächst wurden von
der Gallerte aus, von welcher sich die
gothische Spitze erhebt, zwei Stangen
in einem Abstand von 1 Fuß von ein
ander an den über der Spitze befind
lichen großen Knopf gelegt und die noch
darüber hinausragenden Stangen von
Militärmannschaften gehalten. Der
Pionier hatte in der Tasche eine Anzahl
großer Nägel und einen Hammer in
der Hand, mit welchem er die Nägel
stufenförmig einschlug und fo allmäh
lich immer höher stieg. Auf der Höhe
der großen Kugel angelangt, rutschte
der tollkühne einmal aus. 'Er fällt,"
tönte es aus dem Mpnde von Taufen
den. die unten standen oder aus den
Fenstern das furchtbare Schauspiel be
trachteten. Aber der Brandenburger
fiel nicht, sondern stieg unerschrocken
höher, bis er die Fahnenstange erreicht
hatte. Noch einen Fuß, und die blau
weiß-rothe Flagge sank und an ihrer
Stelle befestigte der Brave eine hinauf
gezogene riesige schwarz weiß rothe
Fahne. Der Pionier kletterte dann
wieder hinunter, nachdem er noch nach
Möglichkeit die große Kugel wieder
blank geputzt hatte. Dann erschien er
nach einer Zeit von vier Stunden wie
der unten auf dem sicheren Erdboden;
er hatte sein Werk vollendet. Ein
Händedrücken der Offiziere, ein Hurrah
der Menge, wenigstens des deutfchden
kenden Theiles, empfing ihn, und mit
klingendem Spiel marschirte die Truppe
weiter. Der muthige Pionier hieß
Karl Otto Bredenow und stammt aus
der Nähe von Prenzlau. Wo er sich
jetzt befindet, ist nicht bekannt.
Trastischkö Mittel.
Als einst der etwas derbe Hufeland,
der bekannte Doktor und Geheimrath,
zu emer Patientin gerufen wurde, die
ihn gar nicht zu Worte kommen ließ,
sagte er: Gnädige Frau, zeigen Sie
doch einmal ihre Zunge."
Diese that, wie gewünscht.
Weiter heraus, meine Gnädige, ich
will die ganze Zunge sehen."
Die Dame streckte die Zunge weiter
heraus.
So. jetzt ist's genug." sprach nun
der Geheimrath, und nun halten Sie
sie so lange mit den Fingern fest, bis
ich ausgesprochen habe."
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