Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, July 06, 1899, Image 10

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    (Ohne Idkartc.
Huinorcske von iVar.miliaii 2?o:!iti.
Am 2. Januar ainu cuncntis icicr
tcn wir Mitglieder des fidelen Jagd
tlubs ..Unter euer" in unterem
Stammlokal Zur frischen, fröhlichen
Jägerin" nach altem Brauch und reuge
dcater Sitte den Eintritt des neuen
Jahres in diese schöne Welt, in der -Tank
der Legion der Tonntagsjäger
die Hafen nicht alle werden.
Eine Zusammentrommelung scimmt
licher Mitglieder unseres Vereins für
den vlvcstcrabcnd oder ersten Januar
hatte sich von jeher als vollendete Un
Möglichkeit erwiesen. Tcnn wenn auch
nur lauter durchweg echte Waldmcinncr
und ganze Kerle in unseren Reihen
Aufnahme gefunden hatten, so war
doch Mancher darunter, der nach dem
schönen Liede:
Ich schieb' den Hirsch im wilden
Forst"-
die Liebe auch gefühlt hatte" und sich
nicht abhalten ließ, an den Feiertagen
des Jahreswechsels im Schoße seiner
Familie Psannkuchen zu essen und
Punsch zu trinken. Am zweiten Januar
aber machten sich auch die schlimmsten
Pantoffelhelden für die urgemüthliche
Feier des Klubs frei.
Statutengemäß wurde ein Grog aus
zwei Theilen Rum und einem Theil
Wasser tonsumirt, und nachdem die
Sißung unter diesen erschwerenden Um
ständen bis etwa 2 Uhr Morgens ge
dauert hatte, war die Stimmung eine
so vergnügte geworden, wie sie selbst
in der frischen, fröhlichen Jägerin" zu
den Seltenheiten gehörte.
Gleich nach zwei Uhr ging einer der
Klub-Kollcgcn hinaus, Treff", seinen
getreuen Köter, einen Augenblick frische
Luft schnappen zu lasten. Als er wie
derkam, schlug er sich die Arme über der
Brust zusammen, trampelte mit den
Füßen und pustete in die Hände.
Ist wohl kalt draußen?" fragte
Jemand."
Aber grimmig!" war die Antwort.
Und ein Mondschein . . .,. Kinder, ein
Mondschein ich sage Euch, eine An
standsnacht ist draußen, einfach zu Ma
Ich bei dem Mondschein könnte
man ganz bequem einen Hirsch auf
hundert Meter mit der Kugel schießen."
Na, na," warf der dicke Rath Horn
ein hol' der Teufel das Schießen
mit der Büchse beim Mondschein . . . . "
Heute geht's, sag' ich Ihnen. Herr
Rath!"
Ach. ist ja Unsinn , . . . Man hat
schon mit der Flinte "
Keine Streitfragen heute, meine Her
ren", unterbrach der Porsißende. Tazu
sind die gewöhnlichen Sißungs-Abende
da, heute herrscht ungestörte Fidcli
tas." Meinethalben ooch," brummte
Horn, stand aber als enragirtcr An
standsjägcr auf, um hinter die Bor
hänge des Fensters zu treten und einen
Blick auf den großen freien Platz zu
werfen, an dem das Restaurant zur
frischen, fröhlichen Jägcrin" lag.
Bezaubernd schön breitete sich dieser
Platz vor Horns entzückten Blicken aus.
wie ci- Stück aus einem deutschen Mär-
chen Der schneebedeckte Boden gleißte
und flimmerte, und die Tücher der
gegenüberliegenden Häuser schauten
aus, als wären sie mit blauflüniaem
Metall übergössen der Mond stand
aber auch wirklich in seiner vollsten
Schönheit am Himmel, und die Sterne
glitzerten blitzblank und sahen durch die
klare Luft noch mal so groß aus als
aezvöhnlich
Horn trat vom Fenster ins Zimmer
zurück.
Ja. Kinder," sagte er, es ist wirk
lich großartig hell draußen, und.eigcnt
lich 'nc Affenschande, daß man diese
einzig schöne Nacht hier in der dumpfen
Stube verbringt, anstatt sie dem edlen
Waidwcrk zu widmen."
Können wir ja machen!", ließ sich
der Baß des Bankier Großkurt vcr
nehmen, ich stelle mein Revier zur
Bcrsügung, d. h., ich lade die Herren
ein, mit mir nach S.,. zu kommen
und den Einlauf auf Hasen wahr-
zunehmen. Es kommt auch wohl diesem
oder jenem ein Meister Reinccke oder
ein Stück Damwild vor das Schieß
rohr "
Angenommen!" Bravo!"
Brillante Idee!" Großartig!" klang
es von allen selten aus der Tafelrunde
Jetzt gleich soll's losgchcn?" fragte
einer der Pantoffelhelden nach einer
kleinen Pause ganz bestürzt
Natürlich." nickte Eirokkurt, wir
haben ja bis S. nur 'ne kleine Stunde
zu fahren, und Droschken halten hier
gleich um die Ecke mehr als wir
brauchen "
Bravo, vorwärts, marsch Tu,
Lindcmann. spiele mal schnell den
Aufbruch zur Jagd." warf Horn da-
zwischen.
Und schon donnerten Lindcmann's
Bärentatzen die frischen, fröhlichen
Takte des Aufbruchcs aus dem Vereins-
Klavier heraus
In zwei Minuten war alles auf den
Beinen Statutengemäß mußten die
Mitglieder des Klubs Unter Feuer"
zu den Sitzungen im Jagdanzugc,
Joppe und lange Stiesel erscheinen.
Somit war also alles in schönster Ord
nung. Ja, Kinder, wir haben doch aber
.keine Flinten!" ließ sich der jungvcr
hcirathcte Asscffor Stcinwald plötzlich
etwas kleinlaut vernehmen.
..Na. Sie wohnen doch hier ganz in
der Nahe, Assessor .... oder fürchten I
3 ic. daß Jbre Tcsocmona cic nicht
wieder weglaßt, wenn sie Sie mal erst
glücklich z.i Hauke hat ?
Stcinwald brummcltt etwas Unver
stündliches vor sich hin. Aber sein Ein-
wurf halte in den Reiben der Klub
genossen doch einen gewissen Anklang
gesunden. Seltsame Beklemmungen
bemächtigten sich so manches tapferen
Jagerherzens, Erinnerungen an miir
rische Wcibcrgcsichtcr. an endlose Gav
dinenpredigten und im Handum-
drehen war die lidcle Gesellschaft in
ncci Laaer acsvalten.
Aeh. Ihr seid Waschlappen!" warf
der Großkurt den Spielverderbern in's
Gesicht.
Ja " entgcgncte einer aus der
zahmen Reihe", wenn man die Flinte
unbemerkt aus der Wohnung holen
könnte aber mein? Knarre hab ich
in der Schlafstube stehen."
Ich die meine auch " Ich
auch!" echotcn die Anderen.
Na. dann will ich Euch was vor-
schlagen", meldete sich der Gewehr-
fabrikant Sandcl. der bis dahin schmus
zclnd die verlegenen Pantoffelhelden
beobachtet hatte 'Wer sich nicht
nach Hause traut, kommt einfach zu
mir. Ich habe, wie Ihr ja wißt, im
mer an die hundert Schießprügel auf
Lager. . . . Wenn Ihr nichts dagegen
habt, staffier' ich Euch heut allcfammt j
,u aacröleulen aus. Ais m,cya
digung verlange ich nur, daß Ihr die
Munition von mir bezicht was Jh
io so wie so wohl oder übel werdet
thun müffen!"
Allgemeines Hurrah begrüßte dies
erlösenden Worte. In einer Minute
war der ganze Klub feldmarschmäßig
und trat etwas stürmisch in die klare.
helle Wintcrnacht hinaus. Ah, wie
wohl die Kälte den überhitzten Stirnen
that!....
Im Nu war die ganze Reihe der an
der Ecke haltenden Troschkcn mit Trupps
von drei und vier Mann okkupirt, und
die Fahrt ging los.
Tie Armirung der Jagd-Gcscllschaft
ging mit aller erdenklichen Schnelligkeit
von' statten, und Sandcl machte gar
kein so schlechtes Geschäft dabei; denn
jeder der drciundvicrzig Schützen, die
wir waren, kaufte ein halbes hundert
Patronen: und drei Mann nahmen
gar in aller Eile noch je einen reuen
Rucksack mit. Tann verließen wir den
Laden. Sandcl schloß die Bude zu, die
Troschkcn, vierzehn an der Zahl, wur
den wieder im Sturm genommen, und
im schlanken Trabe setzte sich die 2ßir
genkette in der Richtung nach s. in
Bewegung. Lieblich leuchteten die
weißen Cylinder der Kutscher in die
helle Nacht hinaus
Pier Uhr war's, als wir vor dem
Gasthaus zu s. anlangten. Ta wir
in der eisigen Kälte ohne Tcckcn und
Müntcl hatten fahren müssen, so waren
wir trotz der in der frischen, fröhlichen
Jägcrin", vorgenommenen innerlichen
EinHeizung" doch höllisch ausgcfrorcn
und glücklich, mit einem kräftigen Cog
nac vom Wirth dcr Torffchenke gleich
zeitig die frohe Kunde zu vernehmen
Mine Olle is all dorbic, für die Jagd-
Herren Kaffee uptobröhen!"
Um fünf Uhr standen wir, sammt
und sonders in gcmcucncn Abständen
von dem Jagdgcbcr postirt. an dcr
Waldkante entlang, und bald dröhnte
Schuß auf Schuß in den unVergleich
lich wundervollen Wintcrmorgen hin-
aus. Als wir uns beim Tagcsgrauen
auf den Rendczvous-Platz hin zusam
mcnzoaen. hatten 75 Meister Lampcs
7 Fasancn. 3 Füchschen und 2 Stücke
Tamwild ihr Leben laffen muffen.
Rath Horn hatte außerdem trotz
vorangegangener feierlicher Verwar-
nuna ein weibliches Stück Rehwild
niedergeknallt und mußte diese Waid-
mannssünde auf der Stelle mit dreißig
Mark Strafe an die Jagdkaffe büßen.
Der liebenswürdige Herr Großkurt
hatte dem Wirth bei unserem Aufbruch
noch in aller Eile Befehl gegeben, sich
gegen halb acht Uhr mit zwei Dutzend
Bcngels an einer genau bezeichneten
Stelle des Reviers einzusindcn: pünkt
lich traten die Bestellten an, und dcr
Jagdgcber war eben dabei, die ersten
Schützen und Treiber für den Kessel
Nummer 1 ablaufen zu lallen, als in
der Ferne die Helmspitze eines Fuß-
gcndarms aufleuchtcte.
Aha' sagte dcr Wirth, unse Härr
schandarm hät ct knallen jehiert un nu
kämmt er anzekrapelt, um to kicken.
wat hier cijcntlich för sich jeiht!"
Hcrrjcscs," rief Rath Horn. ic
habe ja keine Jagdkarte bei mir."
Ich auch nicht," sagte der Sanitäts
rath Schulz.
Donnerwetter ich auch nicht"
sandcl.
Und Hol's der Kuckuck," Ich auch
nicht" Ich auch nicht" Wer
kennte auch in dcr sicdclcn Stimmung
an den blödsinnigen Jagdschein denken!"
Man war doch schließlich zufrieden.
daß man ne Knarre und Munition
hatte " klang's bunt durcheinander
aus dem dichtgedrängten Haufen dcr
Jäger.
sehen Sie, meine Herren, sagte
Großkurt, indem er seinen Jagdschein
hervorholte, was ein echter Jäger is,
dcr führt scine Schicßkarte immer bei
sich, selbst wenn er auf den Ball
geht Hm, hm Ich habe übri
gens eine Idee, mit dcr ich die vergcß
lichcn Herren vielleicht allcfammt vor
dem drohenden Strafmandat retten
kann. Hm Wer außer mir hat
noch seinen Schein bei sich?"
Drei aus dcr Corona von drciund-
vierzig waren cs, die sich mcldctcn.
Also ausgcpaßt. meine Herren,
suhr dcr jagdgcbcr fort: .Lacn ii
den Mann des Gesetzes ruhig naher
kommen und thu.i wir. als ob wir ihn
gar nicht bemerken. Wenn er dann
auf zehn Schritte 'ran ist. werde ich ihn
plötzlich entdecken, HcrricleS. dcr Cicn
darin!" rufen und in dcr Richtung auf
das Torf zu ausklinkn. Dir drei an
deren mit Karten versehenen Heeren
folgen mir, und rennen, was ihre Beine
leisten können. Zwischen mir und dem
Gendarm Müller besteht eine alte jjrctnd
schaft. und dcr obrigkeitliche Herr trach.
tet schon ein Jahr lang vergeblich dar
nach, mir mal was am Zeuge zu
flicken Wenn er also schm wird,
daß ich Hascnpanicr nehme, wird er
denken, die ersehnte Stunde sei gckom
mcn und. Sie alle ich Stich laffcnd.
mir ohne Zögern nachsetzen. Alles
weitere überlasten Sie dann mir!
Na also, meine Herren, es ist so weit!"
Ter dicke Hüter dcr Ordnung war
auf etwa zehn Schritte herangekommen
und pustete schon jetzt infolge dcs zu
rückgelcgten Marschcs über das hörige
frorene großschollige Pflugland.
Tonncrwcttcr, der Gendarm!" rief
Großkurt scheinbar bestürzt und rannte
spornstreichs schräg an Müller vorbei in
dcr Richtung auf die in der Morgen
sonne blinkende Thurmspitze von S.
davon.
Stcinwald, Lindncr und der vierte
Mann im Bunde wie dcr Wind hinter
drein. Schnell hatten sie den sein
Tempo merklich verlangsamenden Jagd
gcber überholt.
Ter Gendarm stutzte einen Moment,
als überlegte er, was zu thun sei
Tann aber er wähnte wohl seinen
nur mäßig ausgreifenden Gegner
Großkurt unschwer einholen zu können
fetzte er sich in Trab. Wir mußten
uns zwingen, um nicht hinter ihm her
m ein schallendes GAächtcr auszubw
chen.
Tie ache entwickelte sich nun streng
programmmäßig. Ter Bankier lic
nicht lull pace, sondern immer so
daß Müller überzeugt sein mußte, ih
in den nächsten zwei Minuten beim
Kragen zu haben. Endlich, nach einer
tccplcchase von etwa 1000 schritten
drang dcr Verfolger dem Verfolgten so
nahe auf die Hacken, daß er rufen
konnte: Halt halt, Herr
Hcrrrrr! Ihren Jagdschein..
Großknrt machte noch ein paar Ga
loppfprünge Tann stand er. kehrte
sich um. salutirte und sagte keuchend:
Ich muß schon sehr um Ent
schuldigung bitten. Herr Herr Mül
lcr. aber meine Jagdkarte hab
ich ganz vcrgcffcn puh"
Hm hm, das ist ja schr
fa fatal," schnaufte dcr Gendarm
zurück, aber den Galopp hätten
sie sich fpa sparen können auf
geschrieben werden Sie doch puh!"
Er zog sein Notizbuch hcrvor und
bat Großkurt um Angabe dcs or
namcns und dcr genauen Adresse.
Nachdem die Eintragung ordnunqs
mäyig bewirkt worden war, faßte sich
dcr Bankicr auf einmal in die Gegend
feiner Brusttasche und stieß ganz übe
rascht heraus:
Tonner das ist ja famos.
ich hab' ja die Malcsiz-Kartc doch bei
mir hicr ist sie ,!"
Mullcr's fcttcs Angcsicht wurde
emige Eentimctcr langer, stirnrun
zclnd prüfte er den ihm dargcreichtcn
grüncn Schein, gab ihn zögernd zu-
ruck und tagte dann:
Tie Namen der drei Herren, die
sich dort vorn augenblicklich ein wenig
verschnaufen, wollen Sie mir wohl
nicht angeben k"
Ich wollte schon, Herr Müller, aber
ich kann nicht. Ich kenne die Herren
zwar vom Ansehcn. abcr nicht dem
Namen nach!" .
Hö.. .. komi ch.. ..hö.. ..hö.
brummte pustend der Gendarm und
fetzte sich wieder in Laufschritt, um die
anderen Ausgckniffenen einzuholen.
Großkurt begab sich, krcbsroth vor
Vergnügen, zur Jagdgesellschaft zurück.
und bald war das Kcffcltreiben wieder
im vollen Gange.
Ter nüch te,dcr sich inzwischen von
Müller einkriegen ließ, war der Bau
mcistcr Lindcner. Als er den Ulk dcs
Jagdgebcrs mit ganz geringfügigen
Variationen naturgetreu wiederholte,
brauste der Gendarm auf:
,xTonnerwettcr, Herr Sie gehen
woyt daraus aus, einen alten Beam-
tcn zum Bcstcn zu halten? Waaas?
Meinen Sic ich hab' meine Lunae
gestohlen k Herr Herr "
Ja, es thut mir m schr leid, Herr
Gendarm, daß sie meinen Namen
wieder aus Ihrem Notizbuch streichen
müffcn, aber verdenken tonnen Sic
mir's doch halt nicht, wenn ich keine
Lust hab, dcr Staatskasse 15 Mark zu
schenken! Vielleicht haben Sie bei den
anderen Herren da vorn mehr Glück."
Ach, sie, Sie sie denken wohl.
icy ib micy von o ncn, 10 ncn
Jagdherren ganz und gar zum Affen
machen? Nee, zu solchem faulen Witz
müffcn Sie sich schon 'ncn Tümmercn
aussuchen, . . . "
,,'Nen Tümmcrcn? Wicso denn 'ncn
Tümmercn? Ich vcrstehe überhaupt
nicht, was Sie mit dem faulen Witz
mcincn, Hcrr Wachtmeister?"
Ach. dcr Teibel is Ihr Wachtmci-
stcr! Denken Sie, ich wciß nich, daß
die ganze Geschichte blos ein von dem
dem Großkurt angezettelter Ulk is, um
mich zu blamircn? Aber ,ch werd'
hm etwas blasen der Blitz soll mich
erschlagen, wenn ich mich mein mein
Lcbtg noch mal mit den verwünschen
Jagdpachlcrn einlasie die KerrclS "
Tas Weit. brummclte er wüthend
in seinen Bart, wahrend er Lindcner
obnc Gruß den Rucken kehrte und die
Landstraße zu gewinnen suchte.
Nach dcn beiden andcren Ausrcißern
sah er mit keinem Blick mchr herüber.
Auch sie kamen, gleich dem Baumcister.
sehr bald zur Jagdgesellschaft zurück.
und ich kann's wobl sagen wir
haben selten so erfolgreiche Keffcltrci
den gehabt, wie an jenem herrlichen
Wintertagk. da nur viere von uns
drciundvicrzig eine Jagdkarte bei sich
hatten.
Waidmannsheil!
Ein Stern".
Erzählung von Zi o b e r t Q a st 1 1.
Nicht weit von dem kleinen, kürzlich
von mir geerbten Landgut? steht ein
einsames, von hohen Ulmen übcrfchat-
tetcs Häuschen, das von einer alten
Bäuerin bewohnt ist. Tas Gesicht dcr
guten Alten glich einem runzlichen
Apfcl, und. auf einen Stock gestützt,
ging sie tief zur Erde gebückt, die sicher
bald ihre letzte Ruhestätte werden
mußte. Sonst fand sich zwischen ihr
und dcn übrigen Alten des Torses kein
Unterschied.
Wenige Zage nach meiner Ueber-
siedclung auf das Gut, im vergangenen
Sommer, stand ich, mir eine Cigarre
anzündend, vor meiner Thür, als sie
von dcr Weide zurückkehrend an mir
vorubcrkam.
Eutcn Tag, Nachbarin!" ricf
ihr zu.
ich
Sic blieb stchcn, versuchte dcn Kopf
empor zu heben und antwortete mit
mädchenhaftem Lächeln:
Mein Herr, Sie sind mir noch nicht
vorgestellt, soviel ich mich erinnere
Tiefe Antwort, dcr hclle Klang ihrer
stimme, die Anmuth ihres Lächeln
das ihr sonncnvcrbrattntes Gesicht
ZU
verjüngen schicn. frappirtcn mich etwa
aber ich glaubte geradezu zu träumen
als sie hinzufügte:
scyaoci nicym: sie yaocn mir
Guten Tag" gewünscht, und das
ist
eine Höflichkeit. Wolle Sie mir da
Vergnügen machen, Mittwoch um
Uhr bei mir eine Taffe Thee einzunch
ntcn? Es ist mein Empfanqstag
Mittwoch zur bestimmten Stunde bc
gab ich mich zu ihr. Sie empfing mich
mit ihrem anmuthigstcn Lächcln; gc
klcidet war sie wie gewöhnlich, nur trug
sie eine schneeweiße Haube auf ihren
weißen Haaren und kleine, roth eilige
faßte Pantoffeln.
Seien Sie mir willkommen!" sagt,
sic. Sie kennen mich zwar nicht, aber
ich kenne Sie ein wenig. Tie Weiber
wissen alles. Sie sind Journalist; Ihr
Verwalter hat es mir gesagt."
Mit cincr Elcganz. die mit ihrer
Hinfälligkeit start kontrastirte, goß sie
den dampfenden Thee in zwei kleine
silberne Tassen und fuhr fort:
Gewiß, ich weiß wohl, daß ich mir
nicht gerade einen Journalisten hätte
aussuchen sollen, um ihm meine Mit-
theilungen zu machen. Tiefe Leute
sind zu indiskret! Aber Sie müssen mir
versprechen, das Geheimniß zu be-
wahren; nicht wahr? wenigstens bi
zu meinem Tode, der ja nicht mehr
sern ist."
O, liebe jyrait," tagte ich, was
für trübe Gcdankcn!"
Für die Leute bin ich Mutter Clau-
dine, und Niemand kennt meine Ver
gangenheit."
Nach bieten Worten führte sie mich
in cm Zimmer mit geschlossenen en
sterläden, das voll von Blumen und
mit rothen Kerzen erleuchtet war, und
auf ein Bild zcigcnd, in wclchcm mir
ein wunderbar schönes, jungcs Fraucn-
antlitz entqegcnlachelte, sagte sie:
Tas ist meine Vergangenheit! Sie
heißt Claudme Ramicr!"
Claudine Ramicr!" ricf ich aus und
konnte kaum einen chrei dcr Ueber
raschung unterdrücken.
Ich nähcrte mich dem Bilde, und cs
erinnerte mich in dcr That an ähnliche
Porträts, die ich gesehen hatte. Ja, cs
war genau das Bild der berühmten
Sängerin, derentwillen sich vor sünfziq
Jahren dcr Erbe eines Thrones getödtct
hatte.
Eine Heine Photographie, mit einem
schwarzen Schleier bcdeckt, der zum
Theil einen blühenden Rosenzweig
verbarg, stak in dem großen Gold-
rahmen.
Ich vermuthete sogleich, daß diese
Photographie eine schmerzliche Erinne-
rung darstellte, und trotz meiner Neu
gier'be als Journalist hätte ich nie eine
Anspielung gemacht; aber mit zittern-
dcr Hand und thränenfeuchten Augen
üftcte Claudine Ramicr dcn schwarzen
schleier.
Es war das Bild eines kräftigen
chöncn Jünglings, aufgcwachscn im
vollcn Sonnenschein und gestärkt und
gcbräunt von dcn Anstrengungen dcs
rauhen Landlebens.
Tie Alte weinte. Tann führte sie
mich hinaus in den Garten, schloß die
Thür zu ihrem Hciligthum und sagte:
Kommen sie, tommcn sie! ich
werde Ihnen von ihm erzählen."
Ueber den Zaun von Brombccren
und wilden Rosen, dcr ihr Gärtchen
umgab, zeigte mir meine Nachbarin in
der Ferne eine Anhöhe, welche sich, mit
Tannen bewachsen, bis zu dem Torfe
Sablonuay hinzieht.
Tort unten," sagte sie. an jenem
Wcizenfelde, das an der Straße liegt.
am Fuße dcs Anhange würde ich mein
Leben verloren haben ohne den Mulh
eines braven Jünglings, Franz
-cguin. Es ist schon lange her, lan
ger als fünfzig Jahre, ch verlebte
einige Zage bci einem Freunde, de'ien
alter Wohnsitz sein spitzes Tach jenseits
von Sadlonnay erhebt. Eines Vorgens
machlc ich einen Spazierritt, ganz
allein, als mein Pserd plötzlich dort
auf der Hohe der Straße scheu wurde
und in rasender Karriere den Abhang
hinadstürmtk. Ich klammerte mich an
den Sattel sest und wagte nicht abzu
springen. Meine Zahne klapperten,
und vor Schreck hörte fast mcin Herz
auf zu schlagen. Plötzlich warf sich ein
Mann dcm Pferde entgegen und faßte
es an dcn Nüstcrn: es prallte mit dem
Kopf an cincn Felsen und stürzte todt
zusammen. Ohnmächtig, aber ohne
irgend welchen Schaden erlitten zu
baden, sank ich in die Arme meines
Retters, der, als ich wieder zu mir ge
kommen war. mich in das Schloß mei
nes Freundes begleitete. Ader die
Aufregung war ohne Zweifel zu heftig
gewesen, denn ich mußte, vom Fieber
ergriffen, eine Woche zu Bett bleiben
Alle age kam Franz egiun, um
sich nach mir zu erkundiqcn; als ich fast
wicder hergestellt war, ließ ich ihn in
mein Zimmer kommen. Schlichte und
erröthcnd erzählte er mir, wie er von
Weitem gcschcn habe, in welcher Ge
fahr ich mich befand. Er arbeitete auf
dem Felde, welches man von hier aus
sieht, auf jenem Wcizenfelde. Er war
sofort hcrbcigecilt und hatte mit großem
Muthe und Gewandtheit das Pferd in
seinem wahnsinnigen Laufe aufgehal
ten. Leider war der arme Junge von
einem Hufschlag dcs Pfcrdcs an der
Seite verwundet worden, aber davon
sprach er nicht. Ich bot ihm eine Bc
lohnung an, abcr schüchtcrn antwortcte
er mir. er sei überaus glücklich, daß er
einer so schönen jungen Tame, wie mir,
habe nützlich sein können, für die er auch
zu sterben bereit fein würde.
Kurze Zeit darauf kehrte ich nach
Paris zurück und hatte sehr bald den
jungen Bauer Franz Seguin ve:gessen.
Eines Tages bekam ich seinen Besuch in
meinem kleinen Palais, einem Geschenke
des Fürsten Kuroff, das ich in der
Avenue Friedland bewohnte. Ich
cmpsing ihn. Er benahm sich ziemlich
unbeholfen und wagte nicht zu sprechen,
aber nach dem freundlichen Empfange,
den ich ihm bereitete, faßte er Muth.
Er frühstückte mit mir, und nach dem
Kaffee fragte er mich, ob ich fein Weib
werden wollte. Ich schäme mich, mein
Herr, es heute zu bekennen, aber ich
brach in ein schallendes Gelächter aus,
und der arme Junge ging weinend fort.
Ein Jahr später erhielt ich eine Visiten
karte, auf welcher stand: Franz Se-
ginn, Zögling der Akademie der schönen
nunfle . -ja) ernenna iy:i, und ein
tadellos gekleideter Jüngling trat bei
mir ein. Meine Tame," sagte er,
Sie haben mich bei mcinem letzten Be-
Uiche ausgelacht. Und ich vcrstchc es:
sie konnten nur lachcn über dcn Vor
schlag, den Ihnen ein niedriger Feld-
arveiter zu machen wagte. Aber ich
liebe Tie und werde mich bcmübcn.
mich emporzuschwingen, wenigstens so
weit, daß ich Ihre Verachtung nicht ver
diene." Ich war tief bewegt, aber berauscht
von dem Festjubel, wollte ich ihm keine
Versprechungen machen: ich lud ihn nur
ein, mich öfter zu besuchen, um nur von
seinen Arbeiten zu erzählen.
Kurz darauf reiste ich nach Amerika.
von wo ich erst nach zwei Jahrcn zurück
kehren konnte. Wahrend meiner Reife
erhielt ich lange, verzweifelte Briefe von
dem armen Jungen, die ich jedoch mit
einem Worte dcr vonnuna zu dcant-
Worten versäumte. Tann hörte seine
Correspondenz ganz auf. Ich kehrte
nach Frankreich zurück, wo ich neue, be-
rauschende Triumphe feierte, die mich
ganz und gar meinen Anbeter vcrgcffcn
ließen. Erst einige Jahre später schricb
er mir, daß cr, entmuthigt durch meine
Gleichgültigkeit, die Malerei anfgcgc
ben habe und zu seinen Feldarbeiten zu-
rückgekehrt sei. Er sagte mir für immer
Lebewohl und versicherte, daß er vor
schmerz sterben wurde.
Ter Brief war so rührend, daß ich
thräncndcn Augcs mir bittcrc Vorwürfc
machte, die Ursache dcr Vcrzwciflung
dicsts bravcn und cdlcn Herzens zu sein.
Zugleich fnhlic ich werden sie mir s
glauben mein Herr? daß ich den
Jüngling, der mir das Leben gerettet
hatte, innig liebte; meine Liebe hatte
in meinem Herzen geschlummert. Es
war das gelier, das unter der Aiche
glimmte, und das der Wind des Un
glücks zu lodernder Flamme entfachte.
Ich verließ mein Palais, ohnc Jcman-
dcn den Grund meiner Abreise Nitzu
theilen, und kam in tiefer Nacht in die
ses Haus, wo Franz Seguin todtkrank
darniederlag. Er war nicht wiederzu-
erkennen, der arme Mensch: sein von
chwarzen Haaren umrahmtes Gesicht
war so bleich und seine Augen von den
chlano en Naeyien und vergo Neuen
Thränen so groß. Aber sein fieberndes
Antlitz' erheiterte sich bci meinem Er
scheinen in kindlicher Freude. Ueber-
chwanglich dankte er mir, daß ich ge-
kommen sei. und ich gestand ihm alles,
was mir aus den Lippen brannte. Ta
erhob er sich und war wie umgewan
delt, so daß er genesen zn sein schien.
Am anderen Tag legte ich das BOierin
nenkostüm an. Und dcr arme sicr
benskranke Mcnsch verließ wie durch cin
Wunder der Liebe das Bett und einige
Tage später konnte er auf meinen Arm
gelttipi. kleine -Paziergange im (nuten
machn, wo wir uns jetzt befinden. "
Claudine Ramicr trocknete sich die
thränenfeuchten Augen. Tan suhr sie
fort:
..Aber ach! er sollte die Kra
'nicht überstehen, er hatte zu viel ge-
litten. Au einein Herbstmorgen ent
schlief er. ein glückliches Lächeln in
seinem blaffen Antlitz, in meinen Ar
mcn, und sein letzter Seufzer war ei
Kuß."
Ich wiederholte meiner Nachbarin
das gegebene Verspreclien, in den Zei
tungkii ihrem Wunsche gemäß nichts
über sie mitzutheilen. Und sicher würde
ich den traurigen Liebesroman der de
rühmten Sängerin nicht erzählt haben.
wenn ich nicht kurzlich die Nachricht von
ihrem Tode erhalten hätte.
Tat adbkftcvt r,ibricht.
Tcr Graf de E-vanna. dcr Kriegs
minister des Königs Ferdinand deS
siebenten von Spanien, und zugleich
General-Kapitän von Katalonien, war
ein äußerst geistreicher und origineller
Mann. Er war im vollsten Sinne des
Wortes ein Feinschmecker und hatte
immer eine vortrefflich besetzte Tafel, so
genau und sparsam er sonst auch sein
mochte. Sein Licblingsgcricht waren
junge Erbscn. die man' in Spanien zu
jeder Zeit haben kann. Eines Tages
hatte der Graf sich ein Gericht junger
Erbscn bei dcr Köchin bestellen lassen,
aber der Zufall will, daß seine Gemah.
lin sich in die Küche verläuft, als die
Köchin eben mit dem Ausschälen dcr
Erbscn bcschüftigt war. Tie Gräsin
war eine Feindin dicscr Gcmüseart.
Erbscn erregten ihr Ekel, sie mochte sie
nicht sehen, viel weniger essen, und so
befahl sie der Köchin, die Erbsen nicht
auf den Tisch zu bringen.
Man setzt sich zur gewöhnlichen
Stunde zu Tisch. Tcr leneral sieht
sich, nachdcm bcrcits mehrere Gerichte
aufgetragen worden, vergebens nach
den Erbscn um und schickt deshalb einen
Tiencr in die Küche, um sein Lieblings
gcricht hcraufzuholen. Ter Tiencr abcr
kommt mit dcm Bescheide zurück, die
Gräfin habe sich für heute die Erbscn
verbeten. Ter General erwidert kein
Wort und bleibt nach wie vor in dcr
bcsten Laune. Nach Tisch aber rief er
dcn wachthabcndcn Offizier derselbe,
wclchcr diese Episode in seinem Tage
buch niederschrieb zu sich und gab
ihm den Befehl, für den Abend keine
weibliche Person aus dcm Palais zu
lasscn, sie möge sein wer sie wolle. Da
dcr Ofsizicr ems Erfahrung wußte, daß
dcr Gcncral nicht schcrzte und blinden
Gehorsam verlangte, ließ er auf dem
Vorplatz, dcm cinzigcn Zugang nach
allen Abtheilungen des Hauses, zwei
Grenadiere aufstellen und verschärfte
noch den Befehl des Generals.
Tie Gräfin war mit ihrer Tochter
auf den Abend vom Grafen Santa Eo
lonna zum Balle gebeten. Beide, fest
lich geschmückt, waren im Begriff weg
zugehen, als sie, auf dcn Vorplatz ge
langt, mit einem: Zurück, meine Ta
mcn!" von der Schildwache abgewiesen '
wurden.
Ich bin ja die Generalin," sagte die
Gräfin aufgebracht und versuchte weiter
zu gehen. Tie Posten aber ließen sich
nicht abschrecken und sperrten, das Ba
jonett fällend, beiden Tarnen den Weg.
Tic Gränn, außer sich vor Wuth, eilte
zum Grasen, um sich über das Beneh
inen der Soldaten zu beklagen.
Ter General aber entgegnete ihr:
Beruhige Tich, liebe Frau, es geht
dies Alles ganz natürlich zu. Tu be
sichist Tcincr Köchin, ich meinen Sol-
baten!"
Seitdem bestellte die Gräfin niemals
mehr Erbsen in der Küche ab.
Sin Zweirad für .?, Gulden.
Ein Diamant- und Goldgruben-
besitzer aus Süd-Afrika sah unlängst
auf einer Radfahr-Ausstellunq in Wien
cin originelles Zweirad. Tie Maschine
war aus massivem Golde und Silber
gefertigt, aber dabei verhältnißmäßig
schr Icicht. Tie Arbeit selbst war von
künstlerischer Pollendung, so daß das
Rad besser einen Platz im Museum ver
dient hätte, als aus schmutzigen Straßen
und Chauffccn dahinzurollcn. Doch
dcr Afrikaner, ging auf Freiersfüßen
und suchte gerade ein paffendes Ge-
schenk für seine Zukünftige. Was
konnte jedoch dem verliebten Minen-
bcsitzcr gclcgcncr kommen, als dieses
goldene Zweirad, zumal die Aus
erwählte seines Herzens sehr passionirte
Radlcrin war? Er erkundigte sich daher
nach dem Preise, und erfuhr, daß der
selbe fünfzigtausend Gulden betrage.
Eine armselige Kleinigkeit für einen
Nabob' Er kaufte es und ließ das Rad
außerdem, da ihm das Geschenk noch
nicht kostbar genug erschien, mit Edel
steinen besetzen, so daß er insgesammt
O:, 000 Gulden kostete.
Der dumme Johann.
Frau lzu ihrem Manne, der soeben
von der Jagd heimgekehrt ist): Nun.
Hugo, wo hast Tu denn Teilte Jagd
beute?" Mann: War mir zu schwer; wollte
mich nit den Hasen nicht abschleppen
und sagte daher zum Hausknecht vom
Hotel Germania, er solle sie mir in's
Haus tragen! Sich, da kommt er
gcradc mit meiner Tasche! Nun wo
haben Sie die Hasen?"
Hausknecht: Entschuldigen Sie,
Haien waren nicht mehr da und da
hab' ich deshalb geräucherte Aale gc-kaust.
X
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