Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 04, 1899, Image 9

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    Per schwärze fnitfbr.
Tkizze vo N. Ö alt.
Ei war stiller geworden in dem
fuefcm Äeftaurant. Um dieGlühIicht.
Irenen drängten sich die Tchlkiernusien
dcZ gelblichgrauen RucheZ und am
Bunet klapperten Die .mchnungZ
münzen der Kellner, ein Geräusch, nur
unterbrochen von der dünnen, pnkischen
Stimme der Kassirerin. dem Lachen
oder dem Protest eine KellnerZ. Wir
faßen m unserer gemuthlleben Ecke und
bliesen den Rauch guter Cigarren zu
dem künstlichen Weinlaub empor, das
von der Decke vnd den Wänden nieder
rankte. Ingenieur Berndt, der mich
darum gebeten hatte, mit ihm den
Abend zu verbringen, war sehr nervös
geworden. Jyn ien vie l'utt zu ve
drucken, aber er schlug nicht vor, fort
zugehen. Unruhig fuhr er mit seiner
schmalen Hand durch fein kurzes
braunes Haar und rückte feine Brille
bald auf die Stirn, bald tief aus den
Nasenrücken, immer in das Licht und
den glänzenden, schwingenden Qualm
starrend. Vielleicht beschäftigte ihn
eines seiner Projekte; wir wechselten
schon lange kein Wort, ich hatte ein
Abendblatt zur Hand genommen und
vertiefte mich in die ausführlichen
Schilderungen dcS großen Mordes, der
die Stadt beschäftigte. 19 war der
Bericht eines bekannten Reporters,
trocken, auf das Sensationelle gespißt,
in der Schablone der Mordberichte,
zum Schlüsse erzählte der Reporter, wie
der Ermordete am Abend seines Todes
. nicht habe nach Hause gehen wollen und
f welche Zufälle ihn bald davon abgchal
' tcn hätten. Zuerst war das Pferd
feiner Droschke gestürzt, der Kutscher der
nächsten Troschle hatte wieder den Na
inen der Straße falsch verstanden und
ihn nach einer entgegengesetzten Rlch
tung in einen anderen Stadttheil ge
fahren. Und als er schließlich vor sei
nein Hause stand, fehlte ihm der Haus,
fchlüffel und er stand lange und wartete
auf den Wächter. ES war eine kalte
Nacht und der Wächter kam nicht, so
daß der Wartende schon überlegte, ob er
nicht ein Hotel aufsuchen solle. Und
gerade, als er fortgehen wollte, kam der
Wächter und schloß aus. Eine Stunde
fpäter war der Mord geschehen. Es
- ist," schloß der, Reporter, gar merk'
würdig, wie diese Zwischenfälle die
That beinahe verhindert hätten. Fast
fcheint es, als habe das Berhängniß
das arme Opfer warnen wollen. Sein
Geschick sandte Mahner ab, deren
Sprache er jedoch nicht verstand, und es
gehört mit zu den Mysterien des Todes,
daß dieser immer vorher sein Zeichen
sendet."
Ein poetischer Reporter!" sagte
Berndt, und griff nach dem Glase.
So ganz verlogen ist das nicht,"
tvarf ich ein. Es ist eine Phrase, aber
sie stammt von einer Wahrheit. Wir
werden es ja nie ergründen, was unser
Geschick mit unseren Erlebnissen der
bindet. Glauben Sie mir. die Dinge,
die in unser Leben schneiden, werfen
,J merkwürdige Schatten voraus. Aber
unsere Flasche ist leer, ich denke, wir
bestellen noch eine, der Wein war gut."
Nein."
Sie mögen nicht?"
Nein. Aber ich bitte, lassen Sie
sich dadurch nicht abhalten. Ich möchte
ohnedies nach Hause gehen."
Schon? Dann brechen Sie das Pro.
gramm sehr früh ab. Sie hatten doch
selbst vorgeschlagen, nachher noch in's
CafS zu gehen."
Tann muß ich Sie um Entschul
digung bitten. Sie sehen, ich bin
müde, abgespannt, nervös. Mir ist
wie vor einer Krankheit. Ich fiebere
sogar, fühlen Sie doch."
Ich ergriff seine weiße, magere
Hand.
Ja. .sie ist heiß. Aber so schlimm
wird die Sache doch nicht sein."
Ach, der Wein ist vielleicht daran
schuld und die miserable Cigarre."
Er zerbrach die Cigarre in der Hand
, und warf sie in die Zlschenschale. Dann
fuhr er sich wieder durch das kurze,
, braune Haar und athmete tief auf.
Fort., fort! Zahlen wir. zahlen
wir!" sagte er und zog sein Portemon
naie aus der Tasche. Ich rief den
Kellner und wir zahlten. Der kleine
Piccolo holte unsere Ueberzieher und
Stöcke. Die Hüte hatte er vergessen.
Die hingen dort einträchtig neben ein
ander auf dem eisernen Kleiderständer.
Ich ergriff meinen Cylinder und setzte
ihn auf Berndt stülpte erst sorgfältig
den Kragen seines Paletots In die Höhe
und nahm dann, seinen Cylindcrhut
vom Haken. Mitten in der Bewegung,
ihn auf den Kopf zu setzen, hielt er ein.
Er wandte den Hut hin und her und ich
bemerkte, daß ihn ein breiter Trauer
' flor umspannte. . : . : .
Berndt hielt den Cylinder dem bereit
stehenden Kellner hin und sagte:
Das ist nicht mein Hut." '
Der Kellner stürzte mit ihm ab. kam
aber gleich wieder.
Das muß doch Ihr Hut sein. Herr
Berndt!"
Das ist nicht mein Hut. ich trage
keine Trauer. Suchen Sie nur. mein
Cylinder wird schon irgendwo hängen."
Das ist ganz unmöglich. Herr
Berndt. Sie sind die letzten Gäste und
das ist der einzige Hut im ganzen
Lokal !"
Tann hat ihn irgend ein Dumm
topf oder Betrunkener vertauscht. Das
ist mir unangenehm!"
Ja. das ist allerdings fatal !" sagte
der Kellner. Aber, bitte, behalten
y(Y
n
Jahrgang 10.
...... Ml.xi r wf
Sie ihn doch einstweilen. Morgen
schicken Sie ihn her und ich glaube, der
betreffende Herr wird morgen seinen
Irrthum erkennen und Ihren Hut
ebenfalls herschicken'."
Ich habe einen Widerwillen gegen
fremde Kleidungsstücke!" sagte Berndt.
und sah den schwarzen, glänzenden
Cylinder mit dem breiten Flor scheu an.
Und außerdem sitzt er mir vielleicht
aar nick,!!" Er setzte den Hut auf und
er stand ihm vorzüglich zu Gesicht. Ter
paßt Ihnen besser wie der Ihrige!"
sagte lächelnd der euner.
Berndt, sah in den Spiegel und zuckte
zusammen. Ter Hut kleidete ihn Zweifel,
los gut. aber der Anblick deZ Flors gab
ihm einen Stich inS Herz.
..Seltsam." sagte er lächelnd. Ter
Hut steht mir wie selten einer. Sieht
aus. als wäre er eigens sur micy ge
macht worden, als fei er für mich der
natürlichste Hut. So selbstverständlich
sieht er aus, nicht!"
Ich lächelte.
Merkwürdig sieht sich da? ja an bei
ynen.
Meinen Sie doch f"
Er warf einen Blick in den Spiegel
und wieder zuckte es leicht über sein
Gesicht. Tann ritz er den Hut vom
Kopfe.
Den Flor müssen Sie avmacyen.
Franz! der irritirt mich!"
Ter Kellner nahm ein Federmesser
aus der Tasche und wollte den schwar
zen Flor schnell abtrennen, aber da fiel
ihm Berndt in die Hand.
..Nein." sagte er. Lasten Sie. dazu
haben wir kein Recht, der Hut gehört
nicht mir! Geben Sie nur her. Tummer
Einfall von mir!"
Und indem er den Hut fest aufsetzte,
gingen wir hinaus. Im Flur befindet
sich die Spieqelwand eines Tamenhut
geschäftes. Er warf einen Blick hinein
und zuckte wieder leicht zusammen.
Weiß Gott, der Hut wird mir unbe
haglich," lächelte er. Ich hätte mir
doch von dem Kellner einen anderen
leihen sollen."
Er blieb ein Weilchen stehen, als
überlegte er. nochmals zurückzugehen.
dann aber zuckte er die Schultern und
wir gingen die Straße hinab. Er sprach
kein Wort, sah nur stumm auf den Weg
vor sich nieder und auch ich blieb
schweigsam. Dann und wann warf ich
einen Seitenblick auf das bleiche Gesicht
neben mir. das unter dem umflorten
Hute noch bleicher erschien als sonst.
Als wir an die Straßenkreuzung kamen.
an welcher unsere Wege ,stch schieden.
reichte ich ihm die Hand und wollte mich
empfehlen. Er hielt jedoch meine Hand
fest, sah mir mit einem merkwürdig
entlegenen Ausdruck in die Augen und
sagte:
Kommen Sie doch das Stückchen
bis zu meinem Hause mit. Ich bin
Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich
begleiten."
Ich nickte und wir gingen weiter.
Wieder kein einziges Wort. Endlich
standen wir vor seinem Hause und ich
reichte ihm wieder die Hand. Aber er
ließ sie wieder nicht los. Seine Hand
war kalt und hielt die meine krampf.
haft fest.
Wollen Sie wirklich jchon nach
Hause?" fragte er. Wenn Sie emen
guten Cognac trinken wollen, kommen
Sie zu mir herauf. Oder noch bester,
ich koche schnell einen Thee und wir
plaudern noch ein Weilchen. Kommen
Sie. seien Sie einmal freundlich, ich
möchte noch nicht schlafen und auch nicht
allein sein'." ' ,
Ich zoa meine Uhr. Es war 2 Uhr
nach Mitternacht und ich wollte früh
aus dem Bett. Aber das Verlangen
Berndt's kam so eigenthümlich und
bittend, daß ich mitging.. Er zündete
einen Fünfminutenbrenner an und wir
stiegen die Treppe empor. lir hielt das
SÄächtelchen mit dem aufrecht gestickten
Wachslichtchen, das einen röthlichen
Schein aus die weißen Treppenwande
und die aelbe Decke warf. Auf der
Treppe blieb er stehen, drehte sich zu
mir und lächelte mich an. Im Lichte
der Wachskerze sah er noch bleicher aus
und der schwarze Hut warf einen über,
großen Schatten auf die weiße Wand.
ES schien, als wolle er etwas sagen,
doch drehte er sich zu mir um und ging
weiter die Stufen empor. Im Korridor
holte er den Schlüssel aus seiner Tasche
und bat mich, indessen das Licht zu
halten. Wegen seiner Kurzsichtigkeit
bückte er sich tief hinab, wahrend er
schloß. Tann traten wir ein und gingen
zur Thür seines Zimmers. Als er die
Hand auf die Klinke drückt:, fiel sein
Auge auf etwas Weißes, daS sorgfältig
zwischen die Thürflügel geklemmt war.
um seinem Blick nicht zu entgehen. Er
streckte die Hand danach aus und zog es
heraus. Es war ein Telegramm. Einen
Moment lang traf mich sein Blick. Er
dielt die zusammengefaltete Tepeche vor
sich hin, wandte sie hin und her und
ah mich wieder an. Seine Hand zitterte
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
,,vt,.. ",., ...; m ' ' " ' '
und er zögerte, die Tepesche zu öffnen
Wer kann mir ' denn tctegraphirt
haben?" sagte er in einer Art Erftau
neu. Und dann mit einer gewissen
Bestimmtheit: Tarin wird nichts
Gutes stehen." Er wollte jetzt die
Tepesche öffnen, da war aber das Licht
chen in meiner Hand bereits herabge
brannt und verlosch. Wir standen im
Finstern. Schnell brannte ich einen
zweiten Wach-zindcr an, zischend schoß
die kleine Flamme auf. Berndt hatte
indessen im Finstern die Tepesche ge
öffnet, jetzt entfaltete er sie und hielt
sie vor das Licht. Er las. las nochmals,
schrak leicht zusammen und hielt mir.
mich starr anblickend, die Tepesche hin.
Ich las: Pater soeben plötzlich gestor
den. Komme sofort. Tcine Mutter.'
So standen wir einige Minuten.
Tann nahm Berndt nochmals die
Tepesche zur Hand.
Mein Gott, wie ist denn das ge
schehen?! rief er plötzlich und stieß die
Thür auf. Ich machte Licht. Mein
armer Bater! Aber ich wunte es ia,
daß etwas in der Luft liege! Tas Ge
fühl hatte ich den gangen Abend. Etwas
aina vor! Aber gleich dieses!! "
Er warf sich in einen Polsterstuhl,
im Paletot, mit Hut und Stock, wie er
war.
War denn Ihr Pater krank?" fragte
ich Berndt.
Nein! Tas ist es ja. Er schrieb
mir doch noch am vorigen Sonntag,
wie wohl er sich fühle. O, wie das
plötzlich kommt ich weiß nicht, wie
mit ist das Ganze schwimmt durch
einander! Und dieser Hut da
dieser schreckliche Hut mir ging eZ
gleich vorhin durch die Knochen...
wie Eis als ich ihn auf den Kopf
setzte. Aber jetzt paßt er zu mir! Jetzt
erspare ich, mir an den meinen einen
ürlot zu nähen "
Er lachte kurz aus und lief wie
rasend auf und nieder. Plötzlich zog
er die Uhr. Zwei Uhr dreißig!.. .,
Um wie viel Uhr geht der Zug? Kurs
buch her! Kursbuch!"
Er schleuderte seine Bücher durcheiw
ander und blätterte in dem neuen Kurs
buch, daß die Seiten rissen. . Seine zit
ternden Finger griffen immer zwei dünne
Blätter zu viel. Endlich fand er. Drei
Uhr zehn!" Also schnell fertig! Einige
Hemden. Kragen. Manschetten und
einen schwarzen Anzug packte er ein.
und hinunter ging es. Seine Augen
brannten in einem trockenen Feuer,
Als' wir in der Droschke saßen, lehnte
er sich zurück. Ich wollte nicht mit
Fragen in ihn dringen. Als wir aus
der Droschke stiegen, fah er fahl und
verstört aus. Jtt der Eile hatte er den
fremden Eylinderhut mit dem Trauer
flor aufbehalten. Ich löste für ihn
schnell ein Billet, der Zug wartete und
ich nahm Abschied von ihm. '. Er reichte
mir die kühle, vibrirende Hand, aber
seine Gedanken waren weit weg.
Langsam rollte der Zug in die Nacht
hinaus, und als er meinen Blicken ent.
schwunden war und Alles leer stand
um mich und wie zuvor, da war es
mir. als erwache ich aus einem Traume.
Als ich drei Wochen später in das
Restaurant kam. sagte mir der Kellner:
Herr Berndt ist gestern dagewesen.
Er kam lange nicht, weil sein Vater
gestorben ist, aber gestern fragte er nach
Ihnen."
Und hat sich denn inzwischen der
Eigenthümer des vertauschten Hutes ge
meldet?"
Nein."
Seltsam."
Ja, es ist merkwürdig. Ich kenne
sonst die meisten Gäste aber wegen
des Hutes, Herr Berndt ist ja jetzt in
Trauer! ".. . ,,
Seine Tochter.
Humoristische Novclletle von Anna Treichel.
Krase, der Portier des ; Stadt
Museums in D., welcher noch nicht
lange im Amt und daher noch sehr
diensteifrig war, kam auf das Glocken,
zeichen, das einen Einlaßsuchcnden mel
bete, schleunigst herbei und entriegelte
die schwere Thür, denn es war heute
kein offizieller Besuchstag. An Stelle
irgend eines gelehrten Hauptes aber,
das zu sehen Krause eigentlich erwar
tet hatte, stand draußen ein hübsche?,
junges Mädchen von etwa 13 Jahren,
zierlich gekleidet und im Besitze eines
gewiß schon oft bewunderten oder be
neideten liebreizenden Gcsichtchens.
Sie fragte mit sicherer Stimme:
Ist der Herr, Museumsöirektor Dr.
Scherow zu sprechen?" . ' ,
Bedaure, nein. Herr Direktor sind
augenblicklich nicht da."
, Wann könnte ich ihn denn sonst
treffen?"
Um 12 Uhr wollten Herr Direktor
zurück sein, wenn Fräulein wiederkam
mcn möchten "
Tas junge Mädchen 'chaute auf die
xkxmtm
&4r&
WMW
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an ihrem Armband angebrachte Uhr.
welche die elfte tunde zeigte, und de
stimmte ruhig: -Gut. ich komme dann
nach zwölf wieder."
Und soll ich vielleicht etwa? auS
richten? erkundigte sich Krause eZ
war ihm streng anbefohlen worden, sich
stets über die Wünsche der in Herrn
TirektorZ Abwesenheit vorsprechenden
Personen zu informircn, ad,r gerade
das war Krause's schwache Seite und
das Ausrichten" eine heikle Sache für
ihn! Aber er gab sich alle Mühe da
mit.
Ach ja. bitte, wenn Sie dem Herrn
Tirektor bestellen wollten, eZ wäre eine
Tame dagemcien. welche sich mit ihm
wegen Anfertigung einer Gemälde
Copie auS der hiesigen Sammlung
habe unterreden wollen, es handelt
sich um Tie goldene Hochzeit" von
Werner Kirn. Sagen Sie denk Herrn
Tirektor nur, ich wäre seine Tochter,
dann wird er mich schon annehmen!"
Tie Thür fiel in's Schloß, elastisch
schritt das junge Mädchen von bannen
und ahnte nicht, da im Muieumsvor
platz der gute Krause dastand, ganz
verblüfft über das Erstaunliche, was
ihm soeben paistrt, und sich eine ge
räume Zeit lang gar nicht wiederfinden
konnte vor lauter Berwunderuna.
Was hat das Fräulein gesagt?
Hatte er sich auch nicht verhört? Toch
nein, ganz deutlich war es ja an sein
Ohr gedrungen, dieses: Sagen Sie
dem Herrn Tirektor nur, ich wäre seine
Tochter!"
Na. so etwas. das Fräulein
nannte sich des Direktors Tochter und
daZ mit einer solchen Sicherheit und
Ungcnirtheit. als wäre weiter nichts
dabei! Ter Herr Tirektor waren näin
lich nicht verheirathet und es auch nie
mals gewesen, wie Krause ganz 6e
stimmt wußte. Aber, daß der Herr
Direktor mit feinen 3b Jahren schon
solche ermachiene Tochter hatte. daS
wunderte Krause denn doch am mei
sten! Ein hübsches, feines Mädchen
übrigens, diese Tochter, und wie sicher
sie, auftrat, sie mußte sich doch wohl
ganz in ihrem Recht fühlen oder
war es nur Frechheit? Wer konnte das
alles winen und wie die ganze Sache
zusammenhing. das mit dem Bilde
aber war denn doch wohl nur ein Bov
wand! Jedenfalls mutzte Krause die
Geschichte ausrichten, bei diesem
Gedanken überkam ihn ein ,gelindes
Gruseln, wer weiß, was der Direk
tor sagen würde! er konnte manch
mal recht schneidig" sein! Denn
angenehm mußte ihn eine derartige
Meldung von seinem Untergebenen
doch nicht berühren, wie , Krause
empfand, über was half's, wenn
es ein Donnerwetter setzte, duckte er sich
eben!
Um 12 Uhr betrat Herr Direktor Dr
Georg Scherow das Museum und
fragte den Portier: Nun, ist was neues
pasnrt?"
Das schon, aber sehr was "
Krause kraute sich hinter den Ohren.
Nun, was denn, heraus damit!"
befahl Scherow ungeduldig.
Herr Tirektor, ich dachte, es
könnte Ihnen - vielleicht unangenehm
sein, aber ich muß es doch bestellen;
vorhin war eine Tame da, ein iun
geS Fräulein sie wollte mit Herrn
Tirktor reden wegen der Copie des
Werner Kirn schen BildeS Tie goldene
Hochzeit" und sie sagte, sie wäre die
Tochter des Herrn Direktors, ich sollte
es expreß sagen, dann würden Sie sie
bestimmt annehmen
Sind Sie betrunken. Krause, oder
träumen Sie k Meine Tochter? Sie
wissen doch, ich bin unverheirathet.
wo sollte ich die denn plötzlich her ha
den? "
Verzeihen. Herr Direktor, aber
so wahr ich hier stehe, hat die Dame be.
hauptet. sie wäre Ihre Tochter. ich
dachte auch, ich hätte nicht recht gehört,
aber diesmal bin ich ganz sicher!" be
theuerte Krause.
..Aber ich habe keine Tochter. wie
sollte jemand auf so einen albernen
Streich verfallen!"
Wenn Herr Direktor wirklich keine
Tochter haben, so kann das Fräulein sich
vielleicht nur unter diesem Vorwand
reindrängen wollen. man kann ja
nicht wissen "
.Hören sie, Krause. Sie sind
sicher wieder allein der Schuldige,
wenn Sie noch öfters Dummheiten ma
chen, dann "
Bei Gott, Herr Tirktor. ich habe
die Wahrheit gesagt und Sie wer
den es sehen, wenn daS Fräulein wie
verkommt."
Was, sie kommt wieder?" j
. Ach, das vergaß ich. auszurichten.
ja. nach zwölf Uhr wollte sie wieder
kommen, sie sprach so sicher und be
stimmt"
Ich mu Ihnen wohl glauben. Herr
Kaufe, nun, dann weisen Sie die
55
i
o
No. 50.
v;
Unverschämte ab, ich bin für derartige
Sckerze nicht zu haben!"
Tamit wollte Georg Scherow gerade
die Unterredung beendigen und die
Treppe zu seinem Bureau emporsteigen,
als im selben Momente wieder die
Zbürschelle gezogen wurde. Krause
stürzte eilig auf die Thür zu, indem er
dem Tirektor flehentlich zurief: TaS
wird sie fein, en Tirektor!"
Noch ehe scherow etwas erwidern
konnte, öffnete sich bereits die Pforte
und der Tirektor beschloß, die Sache ein
für allemal gründlich zu erledigen.
Mit einem Lächeln auf dem frischen
Gesicht trat nun auch wirklich daZ junge
Mädchen von vorhin berein, bestätigt
durch Krause's: Tas ist sie!" Ter
Herr , Tirektor!" fetzte er mit einer
Handbemegung nach diesem hinzu, wel
chem sich die Tame nun näherte und.
sich verbeugend, dann in sicherem Tone
an zu reden begann: Verzeihen Sie.
Herr Tirektor. daß ich eZ wage, Sie zu
überfallen, aber im Vertrauen auf
Ihre Liebenswürdigkeit "
, ,.-cyon gut. kMulcm. kurz zur
-ache," antwortete Scherow mit nnste
rem Gesicht. Sie waren bereits hier,
nicht wahr ?"
Allerdings und komme, da ich Sie
nicht antraf, hartnäckig wieder "
Sie machten jedoch dem Portier
schon eine Bestellung an mich sine
etwas sehr sonderbare Bestellung, die ich
dem Manne kaum glauben wollte, ist
dem so ?"
Tas Fräulein schaute den Frager
erstaunt und befremdet an. Sonder
bar nennen Sie meine Bestellung?
Finden Sie es denn sonderbar, wenn
eine Tochter "
Also doch!" dachte Scherow, dem
Krause einen Triumphesblick zuwarf,
und unterbrach die Sprecherin scharf:
Was, Sie erdreisten sich also im Ernst,
zu behaupten. Sie wären die Tochter
von von " Von mir!" wollte er
ergänzen, aber Aerger und Scham er
stickten das Wort.
Erschrocken prallte das junge, dunkel
erröthete Mädchen zurück. Herr Di
rektor," sagte sie dann kurz und ent
schloßen mit gerunzelten Brauen. Sie
führen eine sehr seltsame Sprache, ich
mutz gestehen, daß ich eine solche nicht
gewöhnt bin, besonders in Gegenwart
von von Unterbeamten. man hat
Sie mir als einen entgegenkommenden
Herrn geschildert "
So? Nun. Sie wollen ein Bild ko
piren, aberwas sollderTochtervorwand?
Ich kenne eine solche Tochter nicht, hö
ren Sie ?"
Ah, jetzt verstehe ich, Sie miß
trauen mir! Aber ich kann mich legiti
miren, ich werde Ihnen das Nöthige
überreichen, auch einen Brief von meiner
Mutter."
Bleiben Sie mir gefälligst damit
vom Halse," rief Dr. Scherow grob,
jetzt zum Höchsten aufgebracht, ich habe
mit dieser Angelegenheit absolut nichts
zu schaffen, verstehen Sie?"
Ich merke jetzt schon selber, daß es
Zeit ist. mich zu empfehlen. wahrlich,
ich bin bisher weit und viel in der Welt
herumgereist mit meinem Vater, aber
einen derartigen Museumsbeamten wie
Sie habe ich doch noch nirgends ange
troffen!" sagte das Fräulein mit kaltem
Spott, ich empfehle mich!"
Halt!" rief Scherow, mit Ihrem
Vater, fagten Sie? Nun sprechen Sie
endlich einmal deutlich was ist denn
nun das für ein Vater ?"
Das Fräulein sah von einem zum
andern, die Sache wurde ihr unheim
lich. dann sagte sie kurz: Ich beiße
Mathilde Kirn und bin die Tochter des
Malers Werner Kirn, von dem ich das
Bild ie goldene Hochzeit" gern bei
meinem besuchsweisen Aufenthalte hier
für mich copiren möchte. Einen Geleits
bricf meiner Mama, die Ihnen von
Heidelberg her bekannt ist. habe ich Jh.
nen auch noch abzugeben."
Dr. Scherow faßte sich an. die Stirn
und Krause sank fast in die Knie vor
Schreck. - Was habe ich angestellt!"
Wie habe ich mich benommen!" So
dachten die Beiden.
Verzeihung, gnädiges Fräulein.
Verzeihung. der Irrthum war aller.
dings ein etwas starker! Hat mir der
Mensch, der Portier, eine Bestellung
gemacht ", er wandte sich wüthend
nach Krause um, aber der war
chleunigst verichwunden. Sckerow
sagte Fräulein Mathilde Kirn iedock
nicht, welcher Art die Bestellung gewe
cn. es wivcrnrevtc ihm. dem ivnaen
Mädchen diese Tochter Verwechse.
lung" klarzulegcn, er sagte nur.
Krause habe eine kolossale Dummheit
gemacht, odaß er sie ffräulcin
Kirn für eine Aufdringliche gehal.
icn i
hell tönte Mathilde's herzliches
Lachen, und als sie nun für Krause
ein gutes Wort einlegte, da sie sich vor
hin gewiß nicht verständlich genug aus-
gedrückt bade, sah Georg ?chermv erst,
wir vüoi'ch und lieb sie war.
Und als sie nach einigen Monaten
seine kleine Frau 'geworden. w'zu die
Plauderstundcn des Herrn Direktors
und Fraulein Kirn'S bei dem l'opiren
des BildeS den Grundstein gelegt hat
tcn, erzablte Georg seiner Mathilde
denn auch, wie sie einmal durchaus
feine Tochtcr' hatte jtin sollen!
5er VleikeSer des Bremer Toms.
Im südlichen Seitenschiff deS Brevier
TomS führen einige Stufen nach einem.
Raume hinab, der die Bezeichnung
.Bleikeller" trägt. Hier befand sich
einst der Ofen, in dem die zur Be
dachung des TomcZ gebrauchten Blei
tafeln gegoncn wurden. Spuren an der
LangSivand links vom Eingänge der
Bleiteller hat nur diesen einen deu
tcn 'darauf hin. daß dort eine große
Oennung vermauert worden ist. Tie
Längswand rechts vom Eingänge bildet
die Fenftcneihe.
T'.cier Blcikeller feine Länge be
trägt 11.50. seine Breite 5.40. feine
Höhe 4.50. M. besitzt die nierkwür
dige Eigenschaft, Leichen unverwcst zu
erhalten. In offenen Särgen stehen.
unmittelbar an der Längswand links,
acht Leichen. Bei jeder von ihnen sind
der Kopf der Mauer und die Füße der
Fenstcrfeite zugekehrt. Zwischen dieser
und den Särgen bleibt nur ein schma
ler Gang frei. Tie älteste dieser acht
Leichen birgt der Tom seit ungefähr 400.
die jüngste seit etwa 100 Jahren. Jene
ist die eines TachdeckcrS, der beim Tom
bau verunglückte. Man ließ den Todten,
den man in jenem Augenblick ander
wärts nicht schnell unterzubringen wußte,
hier liegen und kam dadurch, heißt eS,
der sonderbaren Eigenschaft des Kellers
auf die Spur. Der Umstand, daß diese
Leiche fast frischer wie die jüngste aus
sieht, wird dadurch erklärt, daß es sich
bei ihr um einen jungen, bei letzterer
hingegen um einen alten Mann handelt.
An der Leiche eines im Zweikampfe
gefallenen Studenten sind die Eindrücke
der erhaltenen Wunde deutlich sichtbar.
Bei manchen Leichen ist der Mund nicht
fest geschlossen, und zwischen den geöff
neten Lippen schen schneeweiße Zähne
hervor. Sämmtliche Leichen liegen in
verblichener Kleidung und derLüngenach
ausgestreckt da. Nicht die Spur eines
Modergeruches geht von ihnen aus, und
dem ziemlich hellen Raume wohnt über-
Haupt nichts Unheimliches inne. Die
enigen, auf die man so ernst hinschaut.
cheinen wie in, friedlichen Schlummer
efangen zu sein.
Tie Körper haben eine Pergament
artige Färbung. Was weiß war, ist
brüunlich'gelb geworden. Klopft man
mit dem Finger auf eine Leiche, so dringt
ein Ton ans Ohr, als wenn man aus
ein stramm gespanntes Trommelfell
schlüge. Die Körper sind vollständig
ausgetrocknet., aber keineswegs oder
wenigstens nicht merklich zufammenge.
schrumpft. Größe und überhaupt die
ganze Gestaltung verblieben in den von
der Natur gegebenen Verhältnissen, mäh
rend die ägyptischen Mumien, wie man
sie z. B. im ,.Altcn Museum" zu Berlin
sieht, mehr einen zusammengeschnürten
Bündel als einem menschlichen Körper
gleichen. Freilich handelt es sich bei
ihnen auch um Jahrtausende.
T:e erhaltende Kraft des Bleikcllers
soll sich aus der Zeit hcrschreiben. in der
dieser Raum dem Bleigießen als Stätte
diente. Tas Blei hat sich, behauptet
man, in die Wände eingezogen und sie
ganz durchtränkt. Andere Keller des
Bremer Toms, die größer und tiefer
sind, besitzen die Eigenschaft des Blei
kellers nicht. Eine Minderung derselben
nahm man bis jetzt nicht wahr. Man
hängt nämlich, um sich hiervon zu über
zeugen, von Zelt zu Zelt todte Hunde,
Katzen, Vögel u. f. w., im Bleikeller
auf. Solche Thicrleichen hat er Haupt
sächlich an der Fensterseite, in maning
facher Zahl aufzuweisen.
Gegenüber der Elngangsthür. an der
chmalwand des Kellers steht, seit län
ger als einem halben Jahrhundert,
ein uneröffneter Steinsarg. Tie Er
schließung desselben soll stattfinden.
heißt es. nachdem die Verwandten
dessen der in ihm ruht ausgestorben sind.
Dilemma.
Ich bin in so schrecklicher Verle
genheit." B: Wieso?"
A: Ich hab' nichts zu essen, und
das Einzige, was ich versetzen kann ist
mein falsches Gebiß; wenn ich das nun
aber versetze und mir dafür etwas zu
essen kaufe, dann kann ich nichts essen.
Ist das nicht ein gräßliches Dilemma?"
( .
Der erzürnte RZuber.
Was. Sie wollen hier im Wald?
spazieren gehen und haben keinen Pfen
nig Geld bei sich?! Na. warten Sie.
Sie raubt bald wieder Einer aus!"
In der Verlegenheit.
Aufseher (hinzukommend, als ein
Sträfling sich anschickt, ein Loch in die
Mauer zu brechen): Zum Kuckuck, was
machen Sie denn da?"
Sträfling: Ich ich wollte blos mal
versuchen, ob hier vielleicht ein Schatz
vermauert ist."
vom Artillerieschießplatz.
Unteroffizier: Einjähriger, rümpfen
Tie nicht so die Nase, wenn Ihnen der
Wind den Pulvergeruch in's Gesicht
treibt. Sollen wir Ihnen zn Liede mit
parfümirtem Pulver schießen?"