Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 27, 1899, Image 9

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    fc.
in böses Iagdabcntcucr.
V,n H. Roboliky,
.
tri war in dm sechziger Jahren. Ich
wollte nach Hamburg fahren und halte
in Uelzen den von Hannover angctom
menen Personenzug bestiegen. Tiefer
war im Ganzen wenig besetzt. In
meinem t'oupee sa außer mir nur
noch ein Förster, ein Herr von etwa
ja, von wieviel Jahren? Tas ließ sich
schwer errathen. Ter Mann imponirte
durch eine große, kräftige Gestalt. Mit
einem Paar Schultern tonnte der Pas
sagier aufwarten, wie sie den markigen
Kürassieren eigen zu snn pflegen. Auch
die Bewegungen meines ViZ-aviS der
riethen jene Elasticität, die auf gesunde,
unverdorbene Jugend folgern läßt.
Dazu hatte der Grünrock rothe Wangen,
wie das schönste Mädchen, einen schmar
zen Bart wie ein Südländer, dunkle
Augenbrauen, aber schneeweißes
Haupthaar!
Mich interessirte dieser Mann, und
nach längerem Schweigen richtete ich an
meinem Reisegefährten die Frage, ob er
die Heidgegend genau kenne?
Ter Förster heftete seine großen Au
gen auf mich und antwortete in freund
licbcm Tone: .Besser als wohl viele
Andere: znt Jett lang war icq unrocii
der Göhrde tationirt. und vie in ja
C-n , 'v. v .! sj,f CV.M
. sllfl von jpeioeiuno ri,igc,uvc. ipi
bekleide ich bei Hannover eine Stelle."
Gefiel es Ihnen auf Ihrem alten
Platze nicht? fragte ich von Neuem den
nsten Mann.
X Tas will ich gerade nicht sagen!"
meinte der Jäger treuherzig.' Aber es
fniinft kick an iene Keaend ein furcht-
bares Erlebniß. daS ich durchgemacht
habe! Ich bin schon oft in Gefahr ge
wesen: dock trat noch nie der Tod so
drohend an mich heran, als in der
Heide.
Hatten Sie dort einen unglücklichen
Kampf vielleicht mit Wildern zu
bestehen?" fragte ich weiter.
Der Reisende sckiittelte den Kopf.
Das wäre so schlimm nicht!" meinte er
lächelnd und legte die knochigen Hände
auf seine Knie. Auf dergleichen Er'
eigiüfse muß ja jeder Forstmann unter
Umständen gefaßt sein. Aber wenn
man von Minute zu Minute langsam
seinem Ende entgegensieht und sich nicht
helfen und retten kann, oas l,i geraoezu
füntiierlick!"
Es werden diesen Herbst zwei
abre." subr der Mann fort: ..ich war
an einem prächtigen Abend in die Heide
gegangen, um ein Paar Bnlyuyner zu
sckieken. Einen Hund hatte ich nicht
mitgenommen, denn ich wußte, daß ich
beim Umherstreifen in dem yoyen raui
hestimmt etliche der Bögel aufstöbern
würde. Bon einem putenarilgen mt
sernkenande auS trat ick in die braun
rothe unermeßliche Wildniß. Voran
wuckerten nock überall Heidelbeeren zwi
schen der harten Erica. Hier und da
glänzte eine dichtbelaubte Stechpalme
ausz dem Miniaturwald hervor. Ein
!0)u:iuci xyuujyuiuciucciniuuuj uu--clirn
aus das kleine Volk unter sich.
r I IW . . . CYll J.L.l..uL..HUuAi4t t r rt
und die kleinen BlPhenglöckchen des
Heidekrautes rührten ncy im Aveno
,ink als wollten sie au läuten an
fangen. Jetzt betrat ich einen schmalen
Knsad. der mick bald in das unver
fälschte Heidelbereich führte. In der
Ferne erhob nch, wie cm Ellano. ein
Rudel von Krüppelkiefern. Auf diese
edackte ick loszusteuern, weil ich wußte.
daß sich Abends in ihren Zweigen oft
Birkhähne hören ließen. Ich versuchte
es. den Ruf der Birkhenne nachzu
ahmen, und that dies einige Male, um
zu erforschen, ob f,ch nichts von vem ge
suckten Wilde in meinem Bereiche auf
hielt. Fast bedauerte ich es schon, daß
ich nicht doch einen Huno mirgenom
wen. Beim zweiten Locken wurde es
in meiner Nähe laut, und gleich daran
strick in balbes Dukend der interessan
ten Nöael über das Heidekraut dahin.
Auf jeden Schuß fiel ein Huhn. Bald
snl.ite auck ein stattlicher Hahn nach.
Mit dem Erfolg zufrieden, wandte
ich mich nun graben Weges einer mir
bekannten Meierei zu. in der gegen ge
rnn?z Entgelt einfache Erfrischungen
verabreicht wurden. Von dort aus
wollte ich direct nach Hause zurua
fffirpn
Noch war es ziemlich hell. Unzählige
'icarden ließen in der dichten Heide
Winn m nnotonen Gesana ertönen.
Wcnn ich mich mit dem Fuß durch dqS,
Kraut strich, hüpften jedesmal woyl an
,,,in:in ker Knrinaer nach allen Seiten
davon. Allmählich begann aber die
endlose Fläche m der Lerne ncy in ein
fnrminfes Nnaemik ju verlieren. Däm
mcrung senkte sich auf die Erikawüste
hernieder und ein verflogener aiaee
strebte in eiligem Fluge dem fernen
Wfti ,tt.
Bald sah ich Rauch gen Himmel
steigen. Da lag die Ansiedlung. Ein
strohgedecktes, schwarzgeräuchertes Haus
ohne Schornstein, ein mehr denn ein
iaches Stallgebäude, ringsum etliche
trriim Kartoffel, und Roggenland,
ein schlecht umzäunt Hausgarten mit
ewigen krüppelhaften Obstbäumen, ein
nWti,fi-tM' Backofen ' das war
ungefähr das ganze Gewese. Ter
Qualm zog oben zur Einfahrtsthür des
Hauses hinaus, den yolzernen Pservr
topf auf dem Giebel oft ganz ver
Yiitfitm
Nahe der Besitzung hütete ein alter
vro,mn sine beerbe von Heidfchnucken.
Ter Hirt faß gedankenlos inmitten der
- Schase auf einem Stein und strickte.
Als der wachsame Zottelhund meiner
gewahr wurde, suyr er miu)u uu
Vki
Jahrgang 19,
t
mich los. und nur auf energisches An
rufen gehorchte er knurrend seinein Ge
dieter.
Es dunkelte bereits, als ich die An
siediung wieder verließ. Eine kurze
Strecke gab mir der Wirth noch das
Geleite: dann trennten wir uns.
Sorgsam achtete ich auf den tfUß
h?,ih um ibn nickt u verlieren. War
das Wetter am Nachmittag ruhig und
klar gewesen, so hatte icy jetzt ziemlicher
Wind aufgemacht, der pfeifend über die
Heide strich. Einzelne Wolken jagten
eilend dahin. Sie flößten mir aber
keine Besorgniß ein, und ich hoffte noch
trocken nach Hause zu kommen.
Mit dem zunehmenden Winde ver
doppelte ich meine Schritte. Ab und zu
mußte ich aber doch anhalten, um auf
den Weg zu achten. Sehen konnte ich
lhn nicht mehr.
' mmer nur vorwärts trieb es mich.
Mir kam eS jetzt' vor, als ob das Kraut
immer dichter wurde. 303 ouaie miq
nieder und blickte scharf auf den brau-
nen Boden. Der Pfad war verschwurt'
den. Fast hörbar fing mit das Herz
an zu klopfen. Spähend drehte ich mich
nack allen Seiten herum. Nun wußte
ich erst recht nicht mehr, wo aus und
ein. Doch links mutzte ich mich halten,
denn in der Richtung lag der Wald.
Fast undurchdringlich wuroe oie
Heide. Bis an die Knie reichte mir
manchmal das zähe Kraut.' Stellen
weise mußten sich die Füße mit aller
Gewalt durch das .Gewirr drängen.
Jetzt fiel auch prasselnd Regen vom
dunklen Himnvl herab, der mich bis
auf die Haut durchnäßte.
Aufs Gerathewohl schritt ich weiter.
Da planschte es unter meinen Stiefeln.
Ich mußte in eine Pfütze getreten fein.
Nun saß gar das eine Bein im breiigen
Erdreich fest. Halt l Da drüben schim-
inert es weißlich her. vesano ,icy
jedenfalls wieder festeres Land. In
gewaltigem Sprung hatte ich den Platz
erreicht und sank im lelven Moment
bis'än die Hüfte in Wasser und Moor,
ck alaube. ein Aufschrei entschlüpfte
meinen Lippen. Trotzdem ich furchtbar
erschrak, faßte lch-micy docy icyneu uno
uchte meinen Unterkörper wieder mi zu
macken: . aber während ich das linke
Bein langsam zu heben begann, bohrte
sich das rechte tiefer in die ?cylamm
masse. Scklieklick war ich bei der An
strengung um mehrere Zoll tiefer ge
unken.
Nock verlor ick die Geistcsaeacnwart
nicht. Wenn ich meine Flinte quer über
den Morast legte, vermochte ich mich
vielleicht daran in die Höhe zu heben.
Ich drückte das schöne Gewehr auf den
torsigen Brei nieder. Einige Binsen-
iträucher und kumpsgras trugen wirk
lich die Last. Jetzt machte ich den Arm
frei, um mich hoch zu bringen. Die
schwarze Wurzelschicht ritz auseinander,
und ich hatte Mühe, meinen treuen Be
glciter wieder an die Oberfläche zu be
fördern. "
Wenn ich mein Gewehr abschoß,
hörte vielleicht einer der Imker, die in
der Einöde verstreut hausten, den Knall
und kam mir zu Hülfe. Doch die
Rohre waren beide voll Wasser ge
laufen, und jedenfalls war auch das
Pulver durchnäßt. Die Zündhütchen
knippsten wohl ab, die Schüsse gingen
indeß nicht los.
Der Regen hatte sich etwas verzogen.
Am .Horizont wetterleutete es und mo-
mentweise erhellte der zuckende Blitz die
unermeßliche Hewestaaze. U5on irgend
einem lebenden Wesen keine Spur!
Der Untergrund, in dem meine Beine
steckten, war kalt. Mich begann zu
frieren. Dazu die nasse Kleidung des
Oberkörpers! Ich zitterte wie Espen-
laub. Die Ueberzeugung drängte sich
mirMlt Schrecken auf: Führte nicht ein
glücklicher Zufall irgend Jemand zu
meiner Rettuna herbei, so mukte ich
elendiglich in dem fürchterlichen Moor
zu Grunde gehen, und stumm jcylvß ycy
über meinem unaekört Verballenden
Todesschrei der schwarze Abgrund.
Bald reichte mir der Morast vis
unter die Arme. Den anderen Morgen
schien ich nicht mehr erleben zu sollen.
Da blitzte es wieder hell auf. Wie
fürchterliche Ungetyume mit cyrealicyen
Gestalten standen ein paar ganz schwarze
Wolken drohend am Nachthimmel. Wir
von ,der grünen Farbe find ja sonst
keine Duckmäuser; aber hell und gläubig
slente ick iekt zum fterra der Welten
empor, mich nicht so gräßlich umkom-
men zu lassen.
Wenn ick meine Jagdtasche und die
daran bänaenden Birkhühner im Verein
mit meiner umgestülpten Mütze auf
das Moor legte und die Flinte darüber
vlacirte. vermochte ich mich am Ende
etliche Stunden vor weiterem Versinken
zu schützen, mocy yam t0) ja die Arme
frei. Es war aber ein anstrengendes
Stück Arbeit, die Tasche mit den
Vögeln an das Tageslicht zu bringen.
Endlich, gelang es mir. zen eoer
behölter" deckte eine etwas steife Dachs
ÄlZMllllgöAll
Beilage zum Nebraöka Ttaats-Anzeiger.
schwarte. Ich warf das Ganze flach
auf den Morast, fugte auch meine
Kopfbedeckung hinzu und legte das Ge
wehr darüber. Mit beiden Händen
hielt ich mich lose an den Rohren fest,
und wirklich zeigte diese merkwürdig
schwimmende Insel etwas Tragfahig
keit.
Sa verainaen in sckrecklicker Oval
bleiern und langsam mehrere Stunden.
Allrnäblick war aber mein Traahalt
doch unter der Last des Körpers gesun-
ken. und als ein schwacher lchistreisen
im Osten den Morgen verkündete, sahen
kaum noch meine Schultern aus dem
fürchterlichen Grabe hervor.
Bon Zeit zu Zeit hatte ich um yuls
aerusen. Kein Laut in der wetten
Einöde brachte mir auch nur einen
Hoffnungsschimmer. Einmal wollte ich
unter energischem Ruck den Kopf her
unterdrücken. Tann hatte alle Qual
ein Ende und in einer oder zwei Minu-
ten war Alles vorbei ! ocy ourcy
Selbstmord zu enden? Nein, das ver
mochte ich nicht über mich zu bringen.
Nun ioa der Moraen sckön und pur-
purn herauf. Es schien ein prächtiger
Tim in werden. 3ur Reckten, kaum
fünf Minuten von meiner Marterstätte
entfernt, dehnte ncy ein veoeuienoer
Laub- und Nadelwald aus. Wo ich
war. wußte ich nicht. Noch einmal
schrie ich, so laut es mrine Kräfte zu
gaben, um Hülfe. Ich mußte den
Knnk s,nck Kalten, damit das schwärz
liche Oberwasser des Bruches nicht mein
Kmn berührte. ..Hülfe! pulse:"
Nun war's mir, als ob die schillernden
Moorpflanzen ihr Geschlinge nach mir
ausstreckten, um mich ganz in ihr sin
steres Reich hinabzuziehen. Aus einem
der nahebei befindlichen, schweigenden
Wassertümpel schaute das Antlitz der
Sonne so leichenhaft hervor, als be
klagte es ein ungesühntes Verbrechen.
Wie höhnisches Lachen erscholl der Ruf
eines Sumpfvogels. Vor meinen Au
nen kina es an ,u flimmern. Ium
letzten Male schrie ich auf. Tann war's
mir so wohl und traumhaft. Ich hörte
und sah nichts mehr!
Donner und Hoagel! Wie kommen
Sie denn in dütt Bebermoor?"
Durck diesen derben Ausruf wurde
ich plötzlich aus meiner Ohnmacht
wachgerufen. Am Rande des Bruches
stand ein wettergebrüunter Junker aus
dem altmärkifchen Hans Jocyen Win
sei", wie ick aus dem Dialekt hörte.
Er schlug die Hände vor Schreck und
Entsetzen über dem Kopf zuiammen
..Welsen Sie mir doch!" flehte id
schwach. Und das brachte den Mann
zur Besinnung. Hollen's sich man
nock 'n klein Bli cken!" rief er uno
stürmte wie der Wind davon.
Wie lange er fortblieb weiß ich nicht,
denn ick war aleick darauf abermals
von einer Ohnmacht umnachtet. Als
ich wieder zu mir kam. wareu zwei
Männer um mick tbätia. meinen star
ren Körper aus dem zähen Torfmoor
zu befreien. Das war keine leichte Auf-
gäbe. Mein Retter hatte ein großes
Stück 'Raun aus dicktem Mecktwerk uer
beigeschleppt und dieses brückcnartig
über das Bevermoore qe choven. Eine
?eine niurde mir unter die Arme ae
sckleikt. und so kam ick aanz allmählia
an das Tageslicht. Ich konnte weder
stehen noch gehen, und nachdem mich
die gutherzigen Menschen in einen ihrer
eiaenen Anmae gekleidet, luden sie mich
auf eine Karre und der Jüngere fuhr
mich nach der 'nur eine halbe Stunde
entfernten Försterei.
Wie mir der Mann unterwegs er-
zählte, vernahmen sie schon während
der Nackt meine banaen iöülferute.
waaten fick aber in der Finsterniß nicht
in die gefährliche Moor-Gegend. Erst
als die Junker mich am frühen Morgen
noch einmal aufschreien hörten, hatte
sich der Eine auf den Weg gemacht und
mick dann aucv aluaucy aemnoen.
war die höchste Zeit gewesen.
nierzkin Ä.aae munie ica niu oas
i . ri Cl'.ff V.a
Bett hüten. Die Spuren jener schreck-
llchen Nacht fühlte ich noch lange in
meinem Körper. ' Einen ganz anderen
Menscken glaubte lck aber bei einem
Blick in den Svieael vor mir ui seben
Mein bis fo lange dunkles Haar war
schneeweiß geworden, wie fie es yeuie
noch sehen :"
Maidmann ickwiea und auck ick
dachte über die schlichte ernste Erzah
luna meines Reiseaetävrten nack. :m
Hamburg trennten wir uns. Ich habe
ihn nicht wiedergesehen !
Lvas Komplott.
Humoreske von E. Fahroiv,
Diese alte Stetting bringt mich noch
um ! Morden könnt ich sie. die ent
seklicke Nerson !" rief Eva Römer, und
ihre sonst so sanften, blaugrauen Au-
gen blitzten, daß es ordentlich gefayr
lich aussah.
Giebt es denn auch etwas Tragische
reZ, als wenn der junge Held, den man
liebt, und der oh, so etwas merkt
man! gerade auf dem Sprunge ge
wesen war, um einen anzuhalten, plötz-
ich abschwenkt?
Und wohin abschwenkt? Direkt hin
in in die Netze einer verblühten, künst-
lich aufgetakelten Wittwe, Regina
-tetting. die sich auf die Geistreiche,
auf die Geniale hinausspiclte! Und
dabei hatte er sonst doch so viel Schön-
heitssinn, soviel isthetischcs Gefühl, der
junge Willi Bensdorf. Sohn von Bens-
dorf & Co.!
Jede Woche traf sie ein- und zweimal
owohl Willi Bensdorf wie Frau Stet-
ting irgendwo. In Gesellschaft oder im
Theater, bei Bekannten oder im Kon
zert. überall traf man sich.
früher war dies häufige Begegnen
Evas größte Seligkeit gewesen. Sie
hatte bei diesen Gelegenheiten aus Wll
lis Feuerbliken. aus einzelnen Hände
drücken deutlich seine wachsende Liebe
für sich herausgelesen. Jetzt aber!
Jetzt war diese schwarzlockige Wittwe
mit den grünbraunen Nixenaugen auf
getaucht, hatte Willi an einige gemein
fame Wochen aus dem Seedade errin-
nert und ihn zienzlich deutlich in ihr
)aus gezogen.
Es gab übrigens außer Eva noch eine
gekränkelt? Persönlichkeit in dieser Ko
mödie, und das war der Apothckende-
sitzer Mettner. der sich eines Schmer
bouches. einer Glatze und eines sehr
widerhaarigen Charakters erfreute.
Diesen hatte Frau Stetting abfallen
lassen, gründlich, unwiederbringlich!
Ja. sie hatte sich über ihn mokirt, ihn
lächerlich gemacht. Welcher Mann ver
gäbe jemals dergleichen!
Sie brütete nur zwei, sonst recht ver
chiedenartige Menschenkinder gegen die-
selbe Person Rache.
Arme Regina!
Es machte sich eines Abends, daß Eva
und Herr Mattner über die Wittwe
herzogen so herzlos waren sie! und
hierbei auf die erborgten Reize der
Dame zu sprechen kamen.
tzrie schminkt sich!" erklärte va
empört.
Natürlich thut sie das. Wenn ich
nur 'mal an ihren Toilettetisch heran
kommen könnte, ich wollte ihr das An-
streichen schon anstreichen!"
Herr Mattner lachte erfreut über sein
Wortspiel.' ,.
Wie denn?" fragte Eva athemlos
vor Spannung.
O das sind so chemiscke Geheim
nisse, wissen Sie. Wenn die Dame
meinen Wunderpuder gebrauchte, sie
würde grün und blau werden vor Acv
ger, ja grün und blau."
Ach." stieß Eva heraus.
Sie sah mit so leuchtenden, erwar
tunqsvollen Augen den Apotheker an.
daß er wohl begriff, hier bot sich ihm
eine günstige Gelegenheit, einen Rache
akt auszufuhren.
zlsraulcin Eva," aate er mit mög-
liehst schmeichelnder Stimme, ich
will Ihnen gern zu einem guten Spaß
behilflich sein, wenn Sie wollen. Wenn
Sie dafür sorgen könnten, daß sie einen
gewissen Puder an einem bestimmten
Abend bei Gaslicht gebraucht, so so
ist sie blannrt.. Tüchtig blamirt."
Eine kurze Minute schwankte Eva
zwischen Gut und Böse. Aber ihre Liebe
zu Willi siegte, sie wollte, sie mußte
die Rivalin vernichten! Noch einige
Augenblicke flüsterte das unglückliche
Paar miteinander, dann war das Kom-
plott fertig.
Es war vierzehn Tage später. Evas
Eltern gaben ein Mittagessen, das nach
damaliger Sitte um sieben Uhr Abends
stattfand. Die angesehensten und reich-
sten Gäste waren geladen, auch Frau
Stetting und Willi Bensdorf.
Eva sah entzückend aus.
In ihrem luftigen, anspruchslosen
Kleidchen aus rosa Gaze, das in feiner
zarten Tönung so frühlingsmäßig aus
sah, wie ihre eigenen Wangen, be
grüßte sie neben den Eltern alle An-
kömmlinge.
Sie wußte. Frau Stetting würde
etwas später kommen. Zur richtigen
Zeit fand sie sich in der Damengarde
robe ein, scheinbar, um nach dem Rech-
ten zu sehen.
Mit geschicktem Griffe vertauschte sie
die bereitstehende Puderdose, deren qe
heimnißvollen Inhalt nur sie- allein
kannte und der dicke Apotheker Matt
ner.
Ein nur zu wohlbekanntes Rauschen
seidener Röcke und eine Wolke schweren
Parfüms kündeten die Ankunft ihrer
emdin an.
Mit gutgespiclterUeberraschung wen-
dete sich Eva um:
Ah, Sie sind's, gnädige Frau! Wir
haben Sie schon sehr vermißt, darf
ich Ihnen behilflich sein?"
Ach. Sie sind sehr liebenswürdig,
danke sehr, m, diese jungen Mädchen
sie sind immer so flink ... so sehr flink
ach, nicht so schnell."
Z$f
No. 49.
Oh,' sagte Eva mit süßer Giftig
keit, Sie sehen ja selbst noch so jung
aus, gnädige Frau! aber bitte, bitte
schön,' hier ist alles Nöthige der
zeihen Sie, .wenn ich inzwischen wicoer
zu den Eltern Sie könnten nach mir
verlangen...
.Bitte bitte sehr, mein liebes
Kind!"
Mit einem devoten Knir war Eva
davongeschwebt, mit einem hcrablaffeii!
den gütigen Lächeln hatte die inter
effante Wittwe sie verlassen.
Jetzt rasch die Puderquaste her: Xi?
er Irrwisch von Mäochen hatte ihr doch
bei ihrer unerlaubten Hilfe den ganzen
Nasenrücken und auch die Wangen blank
gestreut.
Prüfend besah Frau Stetting den
gelblichen Puder. Hin! Er war fein,
auch roch er sehr gut.
Sie betupfte sehr vorsichtig ihr Ge
sichi damit, dann, da sie sab. daß er
gute Wirkung machte, rieb sie sich damit
tüchtig ein.
Voilä!" sagte sie. nachdem sie fer
tig war. Nun werde ich wohl dem klei
nen Bensdorf wieder gefallen."
Merkwürdiger Weise begrüßte sie
Willi heute Abend jedoch etwas weniger
enthustasti ch als sonst.
Tas hatte zwei Gründe. Erstens
sah Eva heute so reizend aus. daß der
junge Schmetterling sich plötzlich erin
nerte, dieses kleine Mädchen ja eigend
lich" und vielleicht" heirathcn zu
wollen. Und zweitens hatte die Frau
Stetting s Eintritt sein Nachbar ihm
zugeraunt:
Tonnerwetter, die alte Stetting
sieht doch weiß Gott, noch ganz gut
aus!" "
Die alte" Stetting? Und noch"
ganz gut..
Hm!" , .
Während des Diners saßen Eva und
Willi, nur durch zwei Leutchen getrennt,
schrägüber von Frau Regina.
Sie kokcttirte stark, wie gewöhnlich.
Mit Willi auch, wie gewöhnlich. Gegen
Ende des Mahls begab sich etwas Fürch
terliches . . . . '
Das Pastellbild", wie Eva ihre
Feindin titulirte, begann sich langsam,
aber immer deutlicher zu verändern.
Ter Nasenrücken, die Wangen, das
runde, etwas zu fette Kinn, kurz, alle
die Stellen, welche mit dem schön duf-
tenden Pude? eingerieben waren, färb
ten sich nach und nach sonderbar bläu
lich, grünlich, schwärzlich. .
Man begann Frau Stetting mit ent-
setzten Blicken anzusehen. Man stieß
sich an und raunte miteinander, das
Gesicht sah jetzt geradezu schreckenerre-
gend aus, grünblau marmorirt.
Die Besitzerin dieses furchtbaren Ge
sichts allein merkte nichts. Lebhaft und
lustig plauderte sie weiter, während sie
dem Grunde der immer bemerkbarer
werdenden Heiterkeit nachforschte.
Was giebt es denn Komische??"
fragte sie endlich ihren Nachbar. Man
lacht überall da muß etwas vov
gehen "
Verzeihen Sie, gnädige Frau,"
stotterte dieser. aber ich glaube
ich fürchte es ist irgend etwas mit
Ihrem Teint wenn Sie vielleicht ein-
mal in der Garderobe nachsehen woll
ten "
Frau Stetting erbleichte unter ihrer
-ckmmke äh.
Rasch erhob sie sich, drückte" das Ta
schentuch vor ihr Gesicht und ging in
die Damengarderobe.
Tort vor dem Spiegel fiel sie nicht
in Ohnmacht, sondern stieß wuthbebend
eine Verwünschung aus, die nicht ganz
salonmäßig klang. Sofort ahnte sie
den Zusammenhang.
Sie ergriff die Puderbüchse (in der
längst wieder ein ganz unschuldiges
Präparat ruhte), und steckte sie in die
Tasche. .Sie wollte den greisbaren
Beweis für die Schlechtigkeit dieses
nichtswürdige Geschöpfes" haben.
In der nächsten Minute war sie die
Treppe hinabgerauscht auf Nimmer
Wiederkehr. Nachdem .die gescheckte Wittwe ver
schwunden war, brach sich die boshafte
Heiterkeit der Jugend vollends Bahn.
Willi Bensdorf konnte sich nicht helfen,
er mußte mitlachen; es hatte zu un
überwindlich komisch ausgesehen, dieses
schottische Gesicht....
Das kommt vom Schminken!"
sagte Eva bedeutungsvoll zu fljm.
Erst nach Wochen, nachdem er wie
der reumüthig ganz zu ihrer Fahne zu
riickgekehrt war und sich mit ihr verlobt
hatte, beichtete sie ihm ihre VerrNherei.
Sie wollte kein Geheimniß vor ihm ha
den. Und seinem etwaigen Urtheil
vorgreifend, setzte sie reuig hinzu:
Ich that's ja nur aus Liebe zu Dir!
Aber nie wieder thu' ich so etwas!"
Und deshalb. verzieh er ihr diese erste
und einzige.Perfidie ihres achtzehnjäh
rigen Lebens. Eva ist niemals wieder
heimtückisch und rachsüchtig gewesen.
Sie hatte es ja auch nicht mehr nöthig!
Tie Tkulsch'm,rikaner.
l ?eiiler sind wir nichk gr:?nmkn.
Aus unserm dcutfcken Vaterland.
Wir hatten Vieles mitgenommen.
Was bur noch fremd und unbekannt.
Und als" man schuf aus dichten Wal-
der.
Aus dürrer, öder Wüstenei
Ten schönsten Kranz von reichen Fel
dern, Da waren Teutsche auch dabei!
Gar Vieles, waS in früheren Zeiten
Ihr kaufen mußtet uver in Meer.
Das lehrten wir Euch selbst bereiten,
Wir stellten manche Werkstatt her.
O, wagt es nicht. Dies zu vergessen.
Sagt nicht, als ob dem nicht so si;
Es kündcn's tausend Feueressen:
Da waren Teutsche auch dabei!
Und was in Kunst und Wissenschaften
Euch heut' verleihet Kraft und Stärk';
Es bleibt d?r Ruhm am Teutschen
haften;
Tas Meiste war der Deutschen Werk.
Und wenn in vollen Tönen klinget.
An's Herz des Liedes Melodei,
Ich glaub', von dem. was Ihr da
singt.
Ist vieles Teutsche auch dabei!
D'rum steh'n wir stolz auf diesem
Grunde.
Den uns're Kraft der Wildniß nahm.
Was wär's mit diesem Staatenbunde,
Wenn nie ein Deutscher zu Euch kam?
Wie in des Bürgerkrieges Tagen,
So schon bei'm ersten Freiheitsschrei,
Wir dürfen's unbestritten sagen: '
Es waren Teutsche auch dabei!
Cin geprtNter Schuft.
Murillo, der größte spanische Maler
aller Zeiten, empfing eines Tagen den
Besuch eines der .reichsten Kaufherren
von Sevilla, der ihn ersuchte, ihn nach
dem Marktplatz zu begleichen, wo er
ihm eine schöne Zigeunerin zeigen werde,
deren Bildniß er von ihm gemalt haben
wollte. Der Künstler leistete der Auf
forderung Folge, fand' ein ungefähr
siebzehnjähriges Mädchen, das vor
einem Korbe sitzend Früchte feilbot und
erklärte sich bereit, den Auftrag auszu-
fuhren, forderte indeß hundert Gold
stücke dafür. Der Preis wurde ihm zu
gesagt, und er ging nun zu den ihm
von dem Besteller genannten Ange
hörigen des Mädchens, einem Oheim
und dessen Sohn, um die Erlaubniß zu
erhalten, daß ihm das Mädchen zu dem
Gemälde sitze. Nachdem sie einig ge
worden, und die erste Sitzung für den
nächsten Tag vorbereitet worden wsr,
entfernte sich der Künstler, war aber
sehr erstaunt, als ihm der zunge Zigeu
ner bis in seine Wohnung folgte, wo
er ihn um eine Unterredung vat. die
ziemlich lange währte. ;
Vchon die erste kizze ließ ein Met-
sterwerk erwarten. Der Kaufherr, der
kam, um sich' nach den Fortschritten der
Arbeit zu erkundigen, war entzückt da
von, gerieth aber vor Schreck und Zorn
ganz außer sich, als Murillo ihm er
klärte, er werde ihm das Bildniß nicht
unter tausend Goldstücke lassen. Unter
Toben und fluchen nannte er den gan
zen Handel null und nichtig, erklärte
sich jedoch schließlich mit der neuen
Forderung einverstanden. Es mußte
ihm doch sehr viel an dem Besitz des
Bildes gelegen sein, und er mochte
fürchten, der Maler könne, wenn er
länger zögere, abermals den Preis er
höhen. Das Gemälde rückte ohne weite
ren Zwischenfall der Vollendung ent
gegen. Es ward eines der ausge
zeichnetsten Werke des Meisters. Alle,
die es sahen, waren entzückt davon und
nicht zum wenigsten der Auftraggeber.
Ohne Murren zahlte er den bedungenen
Preis.' Murillo strich das Geld ein
und sagte dann mit feinem Lächeln zu
dem Kaufherrn: Sie haben mit dem
Oheim des Mädchens um dieses ge
feilscht und wollen es durch Vermitte
lung eines Piraten nach Tunis als
Lockspeise dienen. Ihr Angebot hat
dem alten, schlauen Zigeuner zwar ge
faller, das meinige gefiel ihm jedoch
noch dessen. Sein Sohn und das Mäd
chen lieben sich; ich fand es für ange
messen, die jungen Leute mit einander
zu verheirathen, die tausend Goldstücke
haben gerade dafür ausgereicht. Hier
ist das Brautpaar, der Oheim und der
Priester, beliebt es Ihnen, einer der
Trauzeugen zu sein?"
Mit diesen Worten öffnete er die
Thür eines Nebenzimmers, wo die Ge
nannten versammelt waren. Der Ueber
listete nahm sein Bild und entfernte sich
schäumend vor Wuth, während die
Trauung in Murillo's Wohnung voll
zogen ward.
Noble schuhe.
In ein sehr vornehmes Schuh
Waarengeschäft tritt eine Dame und be
schwert sich, daß ein Paar Stiefel, die
sie erst vor einigen Tagen gekauft habe,
bereits völlig zerrissen seien. Der Ge
schäftsinhaber schüttelt den Kops. Wie
ist das möglich?"
Endlich nach langem Besinnen ruft
er aus: Ah, jetzt hab' ich es! Sie wer
den mit diesen Stiefeln auf der Straße
gegangen sein. Wir haben sonst nur
Kundschaft, welche im Wagen fährt!"
' Einziges Mittel.
Sieh' nur, wie besorgt die Haus
frau um den Dichter Knöchle ist, der
darf den ganzen Abend nicht aufhören
zu essen und zu trinken!"
Allerdings aber nur, um es ihm
unmöglich zu machen, seine Gedichte
vorzulesen!"
.
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