Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 27, 1899, Image 11

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IL
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4
Der hundertjährige.
T?iz,e von zühklin ?krr -tt!Nkn .
Sink gksch,'sllichcA!igclcgknhkit führte
mich im Herbft in ein klliiikS Torf in
der Lüncdurgcr Heide, das aus mir
unbekannten Gründen von der Eisen
dahnvkrwaltung f ins Haltestelle erhal
ten hatte. Ta ich ein Gut in der Nahe
besuchen mußte, verschaffte ich mir so
fort von dem einzigen Wirth des Ortes
ein leichtes Wägelchen und beeilte mich,
mein Geschäft zu erledigen, um mit
dem Mittagszuge die wenig reizvolle
ttkegknd wieder verlassen zu können.
Ter steifbeinige Schimmel des
Herrn loschen machte mir jedoch einen
Strich durch die Rechnung. Als das
Thier zu seiner Haferliste zuriickgestol
Pert war, kroch der Mittagszug in
einiger Entfernung durch die Heide.
Tie nächste ttelegenhcit, zur Stadt zu
rtickzukchrcn. bot sich erst gegen ? Uhr
Nachmittag.
Ta safz ich nun. Ter Wirth d,.
dauerte mich zmari mit vielen Worten,
aber sein vergnügtes Grinsen zeigte den
Heuchler. Ter Schlaukopf wußte, dah
ich ihm mit den Bedürfnissen meines
Leibes verfallen war. Und als Anhang
zu seiner Rede theilte er mir mit, daß
er durch einen besonderen Glücksfall
gerade in der Lage sei. mir Hasenbraten
ein junges Zhier auftischen zu
können.
Hungrig war ich, und Zeit zum
Knochcnpulen hatte ich auch. Also be
stellte ich .Hasenbraten.' Nachdem ich
aber mich möglichst langsam von Mei
stcr Lampe satt gegessen hatte, blieben
mir immer noch drei Stunden Warte
zeit. Ich erkundigte mich, ob das Torf
nicht irgend eine Sehenswürdigkeit auf'
zuweisen habe: vielleicht einen Schweine
stall aus der Zeit Karls des Großen,
oder auch ein Kalb mit einigen überflüs
figen Köpfen.
Tamit war es aber nichts. Zwar
traut der Wirth mehrere Gläser seines
sauren Weines aus meiner Flasche, um
seinem Gedächtniß auf die Sprünge zu
helfen, aber vergebens.
Ta ergriff feine Frau das Wort.
Tu, Boschen," wandte sie sich an
ihren Mann, Tu kannst dem Herrn
ja den olcn Pinkcrnell wiscn."
Ich spitzte die Ohren. Wer ist denn
das?" fragte ich.
Tonnerwccr, mien' Fru hctt recht !"
rief Boschcn aus. Er erklärte mir:
Tiefer Pinkcrnell iö über hundert
Jahre alt und noch ganz gut zuwege.
Der kann was erzählen: er will man
nich immer, die obstinatsche Kreatur."
In diesem Hcidcdorfe befand sich also
ein wirklicher Ccntenar ein Mensch,
der die Geschichte eines vollen Jahrhun
dcrts erlebt hatte: Tas war eine Be
kanntschaft, die ich mir nicht entgehen
lassen durfte!
Ich bat den Wirth, mich ohne Verzug
hinzuführen
Unterwegs sagte Loschen: Ganz hin
begleiten kann ich Sie aber nicht.
Nämlich vor so'n vierzig Jahren hat
mein Vater selig einen Prozeß um ein
Stück Land mit ihm geführt, und Pin
kcrncll hat den Prozeß verloren. Seit
dem spukt er Gift gegen alle Boschcns,
die im Orte wohnen. Aber er sitzt ge
wöhnlich um diese Zeit vor seiner Haus
thüre; da können Sie leicht an ihn her
ankommen."
Tort entdeckten wir wirklich den Al
tcn schon aus der Ferne. Und sofort
schwenkte Boschcn furchtsam ab.
Allein meinen Weg fortsetzend, er
reichte ich bald das etwas verfallene
Haus des Hundertjährigen, durchschritt,
den Hof, lüftete den Hut vor der
Sehenswürdigkeit und wünschte Herrn
Pinkcrnell einen Guten Tag.
Ter Alte, in einen dicken Wintcrrock
eingeknöpft, um den Hals ein wollenes
Tuch geknotet, den vcrfchrumpften Kopf
mit einer uralten Mütze bedeckt, saß
vornübergebeugt in einem Lchnstuhl
aus Rohrgeflecht, der auf dem Sitz und
im Rücken mit Kissen ausgepolstert
war. In dem zahnlosen Munde hing
eine kurze Pfeife. Er erwiderte meine
Begrüßung weder durch ein Wort noch
durch eine Gebärde, nur seine sast
schwarzen Augen bohrten sich mir in's
Gesicht.
Höflich sprach ich die Ruine an: Ich
möchte doch gerne die Bekanntschaft
eines Mannes machen, der sich rühmen
kann, ein Jahrhundert gelebt zu
haben." !
Pinkcrnell knurrte bösartig: mein
Besuch schien ihm nicht im mindesten
schmeichelhaft zu fein.
Ich fuhr fort: Es würde mich in
tercssiren, zu erfahren, bei welcher Le
benswcise Sie so alt geworden sind.
Wahrscheinlich sind Sir immer sehr
mäßig gewesen?"
Ter Alte nahm langsam die Pfeife
aus dem Mund und bellte mich heiser
an: Nee, dat bin ick nich: ick heff immer
namen wat ick krcgen kunn."
Nun die Mumie sprach doch
wenigstens?
Was haben Sie seit ihrer Jugend
für Fortschritte gesehen!" fing ich wie
der an.
Mecnt ' Se?" höhnte Pinkcrr.ell.
Ick denke, de Roggen maßt noch genau
so, as vor hundert Jahren."
Aber Herr Pinkcrnell, denken Sie
doch einmal an die Eisenbahn, an den
Telegraphen, an alle die Maschinen,
die jetzt dem Mcnschcn bci dcr Arbeit
helfen!"
Wo denn? So vccl ick sehen kann,
arbcit't de Lüe van Tage grad so vcel
as se immer dahn hcfst."
Toch haben sie jetzt viel größere
Freiheit, namentlich in Ihrem Stande!
Keine Hörigkeit mehr, kein Truck mehr
von oben, wie in früheren Zeiten!"
Tummen Snack! Te Stüucrn hefst
se noch immer afholt."
Ich ärgerte mich über die Bornirtheit
des Bauern.
Ader Sie freuen sich doch wenig
stens." rief ich aus. daß Sie jetzt in
einem einigen, großcn Teutschland
wohnen, das hochgeachtet unter den
Bölkern dasteht?"
Pinkcrnell legte den Kopf etwas auf
die Seite und leitete feinen Wider
spruch durch einen kurzen, zischenden
Husten ein.
So?" brach er giftig au.' Hett
dat Soldatcnspc?len villicht nphört?
Ut düsien Hufe treckt dat junge
Mannsvolk tor Musterung ut. so lang
ick denken kann. Un wedderschn heff
ick er kccnen van. Un wat de Tcerens
sünd. de bliemt sitten un ärgert eenen
de Galle in't Liew." '
Tie jungen Leute können sich heut
zutage im neuen Teutschen Reich nie
verlassen, wo sie wollen." erwiderte ich.
'Ist da? etwa kein Bortheil?"
Wat?" schrie er. Ecn Bordccl
schall dat sien. wenn ick fremde Lüe de
tahlcn mott? Se sünd woll nich recht
klank! Bctcr schall et worren sien?
Gähn Se doch los! Tat sünd nix as
fule Reden, de in de Städte upbracht
wern. Je Städter sünd allesamt
Windbütels. Bliwet Je man in juhr
Freiheit sitten un lat us upp'n Lanne
tofreen. Wenn de Tüwcl mal eencn
von : vcrtoyrt, airot et immer
Strict." i
Tie schwärzen Augen des Eentenars
funkelten. Er steckte zwei Finger in
den Mund und that einen gellenden
Psiff.
Ich fürchtctc, cincn bissigcn Köter
aus dem Hause stürzen zu sehen, dcr
dcn Bersuch machen würde, mir mit
den Zähnen in die Waden zu fahren
So schlimm wurde es glücklicherweise
nicht. In dcr Hausthürc erschien nur
ein stämmiges Frauenzimmer, ver
muthlich aus dem Geschlechte der Pin-
kcrnelle, und musterte mich mit fand
seligen Blicken.
..Wis' den Herrn mal na'n Bolnv
Hof, Stina!" befahl dann der zahnl
lose Löwe und zeigte mit dcr Pfeife
nach der Straße,
Ich war schon unterwegs.
Bon Ihnen möchte ich meine Kar
toffeln beziehen, Herr Pinkcrnell!" rief
ich noch zurück.
Wat scgqt de miserable Kcerl,
Stina?" warcn die lctztcn Worte dcr
Sehenswürdigkeit, die ich hörte. Aber
schwerlich wußte er, was dcn dümmsten
Bauern nachgesagt wird.
In einiger Entfernung wartete der
Wirth auf mich.
Hinausgeworfen?" fragte er und
zwinkerte mit den Augen.
Man kann es wohl so nennen," er
widerte ich. Wenn ich Ihnen rathen
darf. Herr Loschen, so schicken Sie
lieber keinen Ihrer Gäste wieder hin,
um ihm ein Vergnügen zu machen
es fei denn" fügte ich lachend hinzu,
daß Ihnen einmal Jemand in das
Garn läuft, dcr auf die unfehlbare
Weisheit dcr Alten zu schwören bereit
ist. Teni mögen Sie, wenn Sie es
fertig bringen können, eine halbe
Stunde lang mit Ihrem Freunde
Pinkcrnell zusammcnfpcrrcn."
Brandstifter!
Jvnings-Staats-Nuhspäper, ükroß die
Britfch.
Jhst Neu York Boro.
Mister. Editcr!
Merke Sie was. Mister Editer? Hcn
Sie schun was gemorkcn? Wahrscheints
nit. Aber ich hen!
Ich sag Jhne, da is gar kce Mistäk!
Losse Sie mich doch allccnig mit weggc
schmissene Matsches un Dctektiv-Flues
un schadhafte Tschimblies un üwerhitzte
Hicters un all so Sache. Des wär doch
e merkwürdiger Kohninzident. daß blos
an dcr finfte Ebene so Aekzidents häp
pene un noch derzu so schnell hinner
enanncr. un nachher noch des letzte Ack
zidcnt vun dem Fcicr vum Eitel Hour.
wo dcrbei gcpruvt wcrd, daß net emol
eme Banderbilt sei Prapperti mehr hei
lig is.
Ich sag Jhne. Mister Editer, es is
Jnscntschcri un es hot's kci anncrcr
Mensch gethan, wie die Anarkischte.
Mister Editcr, ich sag Jhne, des is
nor der Anfang. Passe Sie Obacht,
Mister Editer. es kimmt noch ganz
anncrscht. Es geht uns an de Krage!
Erscht kimme die ganz große.
Milljenärs dra. Ta hätt' ich gar'
nix dergcge. Mister Editcr. Tie el'en
dige Geldprotze, wo nix schaffe un
immer noch mehr Geld zesankme kratze
wolle, un wo de ganze Tag blohe un
prahle un sich uffspiele. die hawwe es
net bester verdient. Tcne geschieht's
recht. Un üwwcrhaupt, wenn dcne
Bänderbilts un Aestors un Goulds un
etzcteres ihr Milljcns eweg gcbrennt un
weggenommen wcrn, da sein dann mir
Lcit mit bescheidene Fortschens vun
fiwwehunnerttauscnd bis zu erer Mill
jen un e halb höhcr im Rang.
Es muß was gcthan wern, Mister
Editer! Awwer thun Sie mich nor um
Gottes Wille net dann Putte as en
Enemic vun die Anärkischte, Ja nit,
Mister Editcr! Un wann ich als emol
so for Fon Rimarks gemacht hcn vun
Lumpe, wo nix hawwe", so hoff ich,
daß die Herren des net for ungut ge
nomme hcn un en Spaß verstehe wern.
Un biscits möcht ich hicr diklärn, daß
ich gar net so viel hen. Tie Leit nenne
mich de .Reiche John". Mister Editer.
awwer es is merklich net fo gefährlich.
Ich kanns prüfe bei die Züxdücher. daß
ich net viel hab.
Un ich kann aach pruve. daß ich
immer mit die arme Leit simpetteift
hen. kspeschcUi seimige. Mal. wie ich an
der Exchange mei Geld verlorn gehakt
hen. Ich mach jetzt en Point rauS,
mit dem Bolk. ich mcen meine geliebte
Bruder vun dcr schwielige Faust, aus
zcmire un ihm gute Wille ze kriege.
Ich sein schun drümwe in Neu Z)ort uf
dcr Oftseit gewefe und hcn in vcrschie
denk Werthschaste, wo mei anärkistische
Frents un Brüder ihr freundschaftliche
Zusammenkunft halte. Stuhners vun
hiesigein Bier getrunke un die Brüder
getrict, und hen eS als mei Prinzippel
ditlärt. daß alle Mensche gleich wärn.
Ei Mensch is fo gut wie der annere,"
hen ich gesagt, un sogar noch bcdeu
tend bcsser." Ich hcn awwer kcen
rechte Suckzeß dcrmit gehatt, weil ich
des Mistühk gemacht hcn, mci Teimänds
un meiWatsch-Ehain anzcbehalte. Well,
des ncxtc Mal weiß ich besser.
Ich hcn mcr enihau. for schür ze
sein, mci Haus inseit un autscit feicr
pruve loffc. Un es is aach sehr wahr
schcinlich. daß ich aus der Alti ihre
GesundhcitZrücksichte wege nach Juropp
träwwel. an die Riviera im südliche
Jtalie. nach Zyrol oder nach Schwede
un Norwcge oder funst eme südliche
Kleimüt, wo dcr Alti gut thut. Ich
denk, dcr Aufenthalt im Süde thät aach
mein Torscht impruve, wo in der letzte
Zeit e bmlc gelitte Hot.
Tamit sein ich so lang mit Rigards
Z)ours
' John Ritsch. Esq.
Wann ich fort bin, Mister Editcr.
dann fcin ich derfür, daß energische
Forsbllls gegen Alle, wo nix hnwwe.
gemacht wern. Ich dcnk. des Beste
war, wann ungcsähr fünf bis 'zchn
tausend Pinkcrton-Detcktivs als regcller
Armi eigeschworn wcrn for de erpresse
Piurpos, des Prapperti un die icher
hcit vun uns Lcit, wo was in die Milch
ze brocke hawwe, ze watsche un ze pro
teste. Of Course us Govcrmcnt-Expcnscs
Notarbcnc: Tes Postskripten, is kon
fidentfchcl'. Ich will nct hawwe, daß
des in s Paper kimmt!
Der Törre Ouetsche-Hanncs Hot mich
ausgelacht un gesagt, ich thät mich
fürchte. Bun Förchte is of course gar
kce Red. Mister Editcr, awwcr Sie
wern sehe, ich hen Recht. Se hawwe
es uf die reiche Lcit abgcsche. Jctz
thät's Noth, mcr that fei Prappcrty im
sei Fortfchcn zweimal abschwörn, .eimal
wege die Täxes un dann noch extri for
Säfcti-Pjurposcs gegen die Lcit, wo
nix hawwc. Enihau fcin ich froh, daß
ich nct an dcr finfte Ebene wohn un
aach kcen Kountriiik Heu.
Könne Sie for Mich un die Famili
Freitickets erster Klaß' uf'm Jmperer
William oder sonst eme stcuischc Schiff
besorge for den Fall, daß ich mein
Meind aufmach for en Tripp nach
drüwwek Wann Sie des nct könnc,
sollte Sie sich chäme, Mister Editer.
Dieses wünscht Jhne mit noch emal
Rigards
Ihr I. R. Esq.
Bo Rubinstei.
In der neuesten Nummer dcr Dtsch.
Rev." plaudcrt Frau Horowitz-Barnay
über Rubinstein und erzählt u. A.: Die
geistige Berbmdunq mit dem Publikum
war Rubinstein ein dringendes Be-
durfniß, ohne welches ihm seine ganzen
Leistungen werthlos fchcincn. Wcnn
er nach feiner Empfindung nicht
vermochte, seine Zuhörer zu fcsscln, so
empfand er darob bittere Enttäuschung,
die sich oft in ironischen Bemerkungen,
Luft machte. Größenwahn," meinte
er. muß ein beseligendes Gefühl sein,
denn er kennt keine Enttäuschung."
Nach einem Hofkonzerte an einem nor
dischcn Hofe brachte ihm am nächsten
Morgen ein Hofbcamtcr einen hohen
Orden.
Bitte, nehmen Sie das nur wieder
mit," sagte er einfach. Das ist nichts
für mich. Dcr König kann mir das
nicht mit gutem Gewissen geben, denn
er hat während meines Bortragcs fort
während Kartcn gespielt und kann also
gar nicht wiffen, öb ich den Orden wirk-
llch verdiene."
Und dabei blieb es trotz aller Ein-
fprüche des vericgcnen Höflings. Es
ist bekannt, daß Rubinstein ganzes
Strebcn und brenncndcr Ehrgeiz da-
hin ging, als Komponist cincn dauern-
den Platz unter dcn Unsterblichen ein
zunehmen. Es kam soweit, daß er sein
einziges, unvergleichliches Klavierspicl
unterschätzte, um mehr Gewicht auf seine
Kompositionsfähiglcit die leider
nicht die getheilte Anerkennung fand
zu legen. Wie ein Ironie klingt
demnach folgende kleine Anekdote, die
sich in Wien zugetragen. Rubinstein
spiclt im großen Musikvcrcinssaale,
der bis auf das letzt Plätzchen von ei
nem glänzenden Publikum besetzt ist,
die Schlußnummer. Tas Auditorium
tobt und rast vor Entzücken und ver
langt immer noch neue Zugaben. Es
ist im Genuß dieser vollkommenen Mci
stcrkunst unersättlich. Rubinstein,
schon sehr erschöpft, mit schweißtriefender
Stirne, tiefe Abspannung in dcn Zü
gcn, verbcugt sich, und mit unendlicher
Liebenswürdigkeit setzt er sich doch wie-
der an sein Instrument. Neuer Jubel,
neues Tosen. Nun aber ist er am Ende
seiner Kräfte, sein Hemdkrngcn ist
weich wie Fliespapier, seine Halsbinde
,st halb gelost und sitzt bereits hinter
feinem Ohre er mutz vor dem Publi-
tum förmlich durchgehen, wenn er end
lich Ruhe haben soll. Noch wird
wüthend applaudirt und laut nach dem
Künstler gerufen, da schleicht dieser
schon, dicht in feiner Pelz gehüllt, am
Arm seines Konzertarrangcurs zur
Thür hinaus, um fo schnell als möglich
in seinen Wagen zu steigen. Ta brüllt
die Stimme des WagenruierS laut durch
die stille Nacht:
Dcn Wagcu für dcn Klavicrspie
ler!"
Ttr utz einer Königin für einen
Schilling.
In Raylcigh. in der Grasschaft Essex.
hat man dieser Tage eine sast hundert
jährige Frau begraben, die für 'ihre
ganze Umgebung und Nachbarschaft
eine gewisse Berühmtheit war. Man
nannte sie die alte Dame, die die
Königin für einen Schilling umarmt
bat". Sie hatte in der That vor sehr
langer Zeit die Königin Biktoria für
einen Schilling auf beide Backen qe
küßt. Tie Umstände, unter denen dies
geschah, erzählte der Etoüc Beige" wie
solgt: Als die kleine Prinzessin von
Kcnt ein Jahr alt war. führte sie ihre
Amme icden Nachmittag im Parke von
Richmond spazieren. An einem schönen
ommertaq durchwanderte ein Pcn
sionat von jungcn Mädchen die Alleen
dcö Parkes. Eine der jungcn Tamcn,
dcrcn Bater ein Amt bci Hof hatte.
erkannte das königliche Baby und zeigte
es ihren Gefährtinnen, die allsogleich
die Amme umgaben und sie um die
Erlaubniß anflehten, das Kind um
armen zu dürfen. Lasten Sie. bitte.
Jede von uns ihm einen Kuß geben,
für jeden sollen Sie einen Schilling
haben." Tie Amme kehrte in's Schloß
zurück niit ungefähr 40 Schilling in
der Tasche und erzählte ohne Umschweife
ihrer Gebieterin das Äbcntcuer. In
dcr ersten Entrüstung wollte die Hev
zogin auf der Stelle die naive Dienerin
entlassen; aber dcr Herzog von Kent
fühlte Batcrstolz und zeigte sich nach
sichtig.
Der Form halber ließ er den Zög
linqen einen Bcrwcis geben, zur Die
-nenn abcr sagte er: Amme, man ver
zeiht Ihnen. Ich meinerseits finde kein
so großes Unrecht darin, daß meine
Tochter bewundert wird: es ist ganz
natürlich, denn sie ist ja das prächtigste
Baby der Welt. Abcr für die Zukunft
verbiete ich Ihnen, nicincr Tochter
einen Kuß gebcn zu lasten unter einer
Gumee und da ist er noch geschenkt."
Infolge dieses Zwischcnsalles bildeten
die Jnstltutsfraulcln eine Art Freund
schaftsbund unter dem Namen: Ge
sellfchaft des Kusses der Königin", und
als die Prinzessin Biktoria den Thron
bestieg, erinnerten sich die ehemaligen
Zöglinge ihres Bundes und schrieben
an Ihre Majestät: Wir sind Ihrer
Maiestat erste Unterthanen, die ihre
Huldigung dargebracht haben." Bei
allen wichtigen Ereigniffen richtete die
Gesellschaft des Kustes der Königin"
ihre Huldiqunqsschrelben an die Herr
scherin, aber die Zahl dcr Mitglieder
des Bundes vcrmlndcrte sich immer
mehr und das letzte blieb nur noch die
dieser Tage in Raylcigh verstorbene
Greisin. Mit ihr ist die Gesellschaft
des Kusses dcr Königin" ausgcstorben
Bom alten Tessauer
erzählt dcr Bär" folgende Schnurren:
Ter Fürst hatte bekanntlich eine so
mangelhafte Schulbildung, daß er
kaum lesen und schreiben konnte. Auch
für Kunst und Wilsenfchatt besaß er
keinen Sinn, mit einziger Ausnahme
der Musik, die er sehr liebte, freilich
nur lärmende, kriegerische Märsche mit
möglichst viel Blechinstrumenten. Seine
Licblinasmclodie war der nach ihm qe-
nannte Tcssauer Marsch". Einst hörte
er in seiner Garnisonstadt Halle" nach
dcr Wachtparade der Militärmusik zu,
was 'er stets zu thun Pflegte, wenn ihn
nicht Ticnstgcschäfte abhielten. Ein
Theil dcr Hoboisten setzte die Jnstru
mente ab, um die in den Noten borge-
schriebenen Pausen zu halten. Kaum
gewahrte dies der Fürst, als er wuthend
an die Musiker herantrat und sie fragte,
weshalb sie nicht weiterspielten. Durch-
laucht, wir haben zu pausiren," dcrich
tcte uncr dcr Musiker salutircnd.
Was, pausiren?" schrie der General
mit weithin schallender Stimme., Ihr
Kanaillen, ich will Euch lehren, im
Dienste zu pausiren!" Und ehe es
l die crichrockcnen Spielleute ver
sahen, fühlten sie den gewaltigen fctock
des Fürsten auf ihrem Rücken. In
dcr Meinung, das Tonstück habe sich
nicht des Beifalls ihres hohen Borge-
ctztcn zu erfreuen, horten letzt auch alle
übrigen Musiker auf zu blasen, was
den Fürsten nur noch wüthender machte.
Hageldicht fielen die Hiebe auf die
armen Künstler, bis sie endlich, wie
auf ein gegebenes Zeichen, ihre In
strumente aufrafften und davonliefen.
Noch denselben Tag ließ er den Musik-
meister zu sich kommen und ein furcht
bares Donnerwetter wegen der Faul
hcit scincr Leute entlud sich auf besten
Haupt. Mit Mühe gelang es dem
Direktor, dem General einen Begriff
von der Nothwendigkeit dcr Pausen bei
zubringen. Unwillig schüttelte der Fürst
das Haupt und sagte: Höre Er, die
Musikstücke mit dcn Pauscn taugcn
nichts, die machen Seine Leute nur
faul. Spiele Er nur also auf dcr
Parade keine Sachen mehr, in denen
Pauscn vorkommen!" Und mit einer
ziemlich ungnädigen Handbcwcgung war
der verblüffte Kapellmeister entlasten.
ler Truermarsch ota reea. !
Italienisch, Blätter mahlen folgende
tragikomische Geschichte : Rota Grcca.
eine kleine Ortschaft ,n palablien. w
sitzt seit Kurzem eine Munkkapclle. er
Kapellmeister hat einigen Zöglingen
mit Mühe und Noth einen Trauer
marsch beigebracht und wartete nun mit
Ungeduld darauf, daß irgend Jemand
auS dem Orte sterben und daß die
trauernden Hinterbliebenen die Leiche
mit Musik zu Grabe tragen lassen soll
ten. Aber o Schicksalstücke: Nie
mand konnte sich entschließen, die letzte
Reise anzutreten. Ter Trauermarsch
von Rota Grcca schien den Tod ver
scheucht zu haben. Endlich aber läute
ten die Todtenglockcn ; eine alte Bälle
rin. ie weit drauken aus dcm ftelde
wohnt, ist gestorben, aber die unmusi
lauschen Berwandten haben eö nicht sur
nöthig gehalten, die Musikkapelle zur
Beerdigung einzuladen. Ter Kapell
meister war aber fest entjchtoncn, leinen
Trauermarsch trotz allcdcm anzubrin
gen. Er legte sich mit seinen Zög
lingcn in einen Hinterhalt, und als
der Leichcnzua vorüberzog, ertönte
vlaklick und fürchterlich, wie die Trom
pcten des letzten Gerichts, dcr berühmte
Traucrmarsch. Tie Wirkung war je
doch eine ganz unerwartete : Tie Bau
ern, die dem Sarge folgten, hielten
die entsetzlichen Töne für eine Ber
höhnung ihrer Trauer um die Ber
ftorbcne und prügelten den Kapell
meister sammt seinen Künstlern weid
lich durch. Der Kapellmeister wurde
erst freigelassen, als n bock und beilia
versichert hatte, daß er es nie wieder
thun" wolle.
Tas hölzerne Huhn.
Sabazki, der berühmte Tenor,
war
am Gräflich Starbeck eben Theater in
Lemberg cngagirt. Es wurde Jo
hann von Paris" gegeben. In der
Tafelszcne hatte Sabazki ein gcbraw
nes Huhn zu zcrlcqcn und zu vcrspciscn
und cntlcdigte sich dieser Aufgabe mit
dcr ganzcn Vcrve seines jugendlichen
Appetites. Anfangs fügte sich der gei-
zige Graf Starbeck in das Unvermcld'
lichc, als abcr die Opcr großen A
klang fand und zahlreiche Wieder
holungen in Aussicht standen, kam
eines Abends statt des angenehm duf
tcnden Bratens, das sonst übliche Huhn
aus Pappe auf die Tafel. Sabazki
blieb jedoch im Charakter seiner Rolle
und zerlegte das arme Huhn aus Pappe
so 'geschickt, daß dasselbe nie wieder mit
wirken nnte. Ter Graf war jedoch
erfinderisch und ließ nun ein Huhn aus
Holz anfertigen. Tas erste Mal schei-
tcrte Sabazki. Es war ihm unmög
lich, dcm massiven Holzklumpcn mit
Messer und Gabel beizukomnien. Ta
nächste Mal hatte sich der listige und
lustige Tenorist eine Säge in der Nähe
der Tafel bereit gestellt und tranchirte
das hölzerne Huhn mit dieser, unter
lautem Jubel des Publikums, das den
ricq zwl cyen ircnor uno ganger
mit heiterer Theilnahme verfolgt hatte.
Graf Skarbcck selbst konnte nicht ernst
haft bleiben. Lachend erklärte er sich
für besiegt, und fortan wurde wieder
ein reelles Brathuhn aufgetragen.
Seltsames Honorar.
Ter bekannte englische Arzt Sir
Astlcy Eooper erhielt vielleicht da!
höchste Honorar, das ein Chirurg je
sur eine Operation bekommen hat.
Dieselbe wurde an einem alten Herrn,
Namens Hyatt, ausgeführt, dcr lange
Zeit in Westindien gelebt hatte, und
verlief in der glücklichsten Weise. Eines
aqes besuchte der Arzt den Patienten.
dcr bereits das Bett verlassen konnte,
und dieser meinte: Ich habe Ihnen
ja noch nicht das Honorar bezahlt, wie-
viel betragt es denn ;
Zweihundert Pfund," erklärte der
Arzt.
Zweihundert Pmnd," fuhr de'
Patient fort, das kann ich Ihnen
nicht geben, aber Sie sollen etwas
anderes von mir haben. Hier haben
Sie meine Nachtmütze." Sprach's,
nahm seine Nachtmütze ab und drückte
sie Sir Astlcy in die Hand.
Ich danke Ihnen," versetzte der
Arzt, von Ihnen nehme ich Alles,"
und steckte die Nachtmütze in die Tasche.
Erst später kam er zu der Erkenntniß,
daß die Nachtmütze doch wohl werth
voller war, als er geglaubt hatte, denn
auf der Lcincwand stand ein Check über
1000 Pfund.
Warum sie nicht knizte.
Bon der Königin Bictoria von Eng-
land pflegte die vor einigen Wochen in
93.' Lebensjahre verstorbene englische
Schauspielerin Annie Kecley mit Bor
liebe folgende Anekdote zu erzählen:
Als sie eines Tages von der Königin
empfangen wurde, sagte sie nach der
Borstellung : Verzeihung, Majestät,
daß ich die vorgeschriebene Verbeugung
nicht tief genug machte, ich habe Rhcu-
matlsmus in den Knieen und kann
mich deshalb nicht bcugcn." Tas
ann ich auch nicht. Frau Keclcy " lau
tete die schlichte Antwort der Königin,
womit sie die Verlegenheit der schon
damals betagten Schauspielerin sofort
beftitigte. Tie Einfachheit der könig
lichen Worte mit dem Hinweis auf
gleiche menschliche Schwäche führte die
beiden alten Tamcn im Hcrzcn zu cin
ander. Sauer, wie Essig.
Tiefer Tischwcin ist aus unserem
eigenen Wcinbcrg. Mögcn Sic ihn?"
Ja! Im Salat."
Vrznchnr'iZ'.
Musiker: .....Ihr Maler seid der
Gcsahr nicht ausgesetzt. daß auS Euer'n
Kompositionen ein beliebiger Theil
herausgerissen und zum asicnhaucr
gestcnipelt wird!"
Malcr: .Du irrst: auch die Malerei
bat ihre Gassenhauer sieb' Dir nur
dort an der Ecke das Plakat an!"
liraftrerschwendu ng .
Kritikcr (zum Komponistcn): Ihr
Schlummcrlicd ist viel ,i lana. man
würde auch bei der Hälfte schon ein
r, " '
illU!lit
Immer Militär.
Husarcinintcrosfizicr (alSscincMann
schaft die Mahlzeit zu lange ausdehnt):
Kerls, wie lange dauert denn noch die
Kommißbrotattacke?!"
Eine Pfändung in Sachsen.
Gerichtsvollzieher (bci einem Chain
brcgarnistknj: Licbcs Hcrrchc, haben
Se ooch 'n eechcnen (eigenen) Kleider
schrank?"
Nee. mci Kutcstcr, ich hab' Sie
blos 'ncn kicscrncn!"
Ein echtes 5oldatenkind.
Wann hat Ihr Kleiner seinen ersten
Schritt gemacht. Herr Feldwebel?"
Borgcstern, als das Regiment mit
Marschmusik an unserer Wohnung vor
überzog." Die zärtliche Gattin.
Er: Für wcn strickst Tu denn diese
Socken?"
Sie: Für einen Wohlthätigkeits
Verein."
Er: Ach! Gieb Ihnen doch meine
Adresse! Vielleicht schickt man mir auch
ein Paar."
Ein ?chrecken5kid.
Elschen: Tu warst wohl beim Tok
tor. liebe Tante?"
Tante: Ich? nein! Wie kommst Tu
zu dieser Frage?"
Elschen: Ja Papa sagte doch
gestern, Tu hättest eine böse Zunge!"
Boshaft.
Junge Hausfrau (die selbst kocht):
Nachdem Dein Freund neulich bci uns
gcgcsscn hat, könnten wir ihn wohl
wieder einladen."
Gatte: Meinst Du, daß er sich vom
ersten Male schon erholt hat?"
Kurz gefaßt.
Erster Lieutenant: Wie hast Du es
denn angefangen Kamerad, daß Tu
die Tochter vom Millionär bekamst?"
Zweiter Lieutenant; Sagte einfach
zu ihr: Schmücke künftiges Heim!"
schönes XDort.
Studiosus Spund: Dein Frack hat
beim letzten Stiftungsfeste wohl sehr
gelitten?"
Studiosus Suff: Mein Frack ist
seitdem nur noch ein Wrack."
Genialer Vorschlag.
Verbrecher: Wissen's was, Herr
Doktor, mir zwei sollten uns associiren.
ich steht' und Sie vertheidigen!"
Altcrszähne.
Alte Kokette: Neulich erst sagte mir
cin junger Herr, ich sei zum An
bcißcn." Herr: Warum nicht? wcnn einer
ein starkes Gebiß hat "
Entrüstung,
Ticncr (Der zufällia siebt, wie sein
Herr sich aus dcm vcrschlosscncn Schreib
tisch Cigarren nimmt): So eine Ge
meinhcit.. .. die Ciaarren. die auf
dem Tschc stehen, raucht cr ja gar nicht
icivn!"
Eine dunkle Frage.
Lina, hat mcin Mann schon Kaffce
getrunken?"
Ich wci es nicht. Frau Professor!"
So frag' mal!"
..Hab' schon aefraat dcr .fierr Bro-
fessor weiß esauch nicht!"
In der Luchhandlung.
Acltcrcs sräulcin: ..Soll ick nun den
kleinen oder dcn großcn Licbesbricfstcl
ler nchmen?"
Buchhändler: ..ck würde ?ibnen im
den großen rathen, der kleine ist mehr
sur Anfanger!"
Malitiös.
Langweiliger? Gesellschaftsschwätzer.
Ich versichere Sie, meine Gnädige,
mein freund und ich, wir Beide sind
,tets zwei feeclen und cm Gedanke!"
Dame: ..Und wer hat zum Beispiel
heute einen Gedanken in Verwahrung?"
Ein Schlaumeier.
Bobby: Mama. Du hast gesagt.
wenn ich den Kuchen esse, den Du in's
Büffet stelltest, würde ich krank wer
den?" Mama: Ja, das würdest Du auch."
Bobby: Siehst Tu. Mama, ich bin
doch nicht krank geworden."
Nicht ganz richtig verstanden.
Nachbar: Na, ich glaubte, Sie seien
krank, Herr Süfflineier! Sie kommen
mir aber vor, als ob sie einen tüchtigen
Schwips hättcn!"
Sutflmcicr (wankend): Ja, wmen
Se, da is mcin Arzt d'ran schuld; dcr
sagte heute zu mir, ich sollte hie und da
eine Flasche Bayrisches trinken, und da
hab ich halt hcut hie und da eine ge-trunken!"