Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 13, 1899, Image 9

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    Die ladi des 2jja!.
Um GotteZwillen, wir find der
loten!" schrie ein: junge Mädchen
stimme. Gleich darauf kin kreischender
HiisSitti. einig unterdrückte Flüche
aui Mannermund. (in Koaliern von
Flintenschüssen und drr lanqgkzogcnk
Zromp.'tenton eines von corneri und
Vgst gcschüttkltkn (5lcphanm das
Dschungelqcdüsch der indischen Land
schast brach links und rechts zur Seile
und drr Thicrkoloß sank ausschnaudknd
ijnd mit nllendem Rüiftl die Luft
pkitschknd. in die Kni, Ein neuer
ufschrki und aus dem hölzernen
Thurm, den der Elephant auf seinem
Rücken trug, stürzte, von der Iahe des
'Tiaerä, der seine Pranken in die
Widerrist des zuckenden Tragthieres ge
schlagen hatte, getroffen, ein formloser,
zerfetzter und blutender Menfchenkörper
in die 'Tiefe. Es. war der eine von den
beiden Männern, in deren Gemeinschaft
daS junge Mädchen, die Amerikanerin
Miß Kitty (svanS, den Thurm zur
ligerjagd bestiegen hatte. Fast in dem
selben Augenblicke, als der eine Ge
führte den tödtlichen Streich von der
Bestie erhielt, krachte ein neuer Schüfe,
und unten, neben sciiiem Opfer, wand
sich das königliche Thier in den letzten,
krankhaften Zuckungen.
Kitt lvans hatte mit versteinertem
Angesicht und stieren Augen dagesessen.
Jetzt athmete sie auf. Ter zerrissene
Äcfclhrte. der am Boden lag. kümmerte
sie offenbar sehr wenig: sie warf kaum
einen Blick auf ihn. Tie Freude, selber
mit dem Leben davongekommen zu
Jin, erfüllte sie ganz.
Oh, Sir. das ist furchtbar," sagte
sie leise zu ihrem Begleiter. Ist nun
Alles vorüber?"'
Der Angeredete wandte den Kopf
hastig herum. Das Lastthier hatte sich
wieder erhoben und streckte nun in teil
der Aufregung den Rüffel spürend vor
sich aus. Tann wieder jener fchnau
bcnde Trompctenton, und mit unge
stümer Wucht suchte sich das geangstigte
Thier rückwärts in das Tschungelge
büfch zurückzuziehen.
Um Gottcswillen! Was bedeutet
das?" rief die blonde Amerikanerin
und faszte ihre Büchse fester mit den
beiden Fingern.
Ta scheint die Tigerin ihren Gut
ten rächen zu wollen," entgegncte der
Andere kaltblütig. Da in der
That sehen Sie, Miß, die Augen
der Bestie ja.... schießen Sie
nicht...."
Die Mahnung kam zu spät. Miß
Kitty's Büchse hatte sich entladen, ohne
das Thier zu treffen. Ein heiseres
Wuthgebrüll aber verrieth, daß es den
ilim entgegengcsandten Gruß wohl der
standen habe. Gleichzeitig saß der
Tiger auf dem Kopfe des Elephanten.
Dieser stürzte Und suchte vergeblich mit
dem Rüssel seinen Peiniger zu fassen.
Ein Prasseln des Thurmes, glühend
heißer Athem, der ihr eine Sekunde
läng in das Gesicht wehte, dann Blut,
daS ihr über die Augen rann sie
könnte nicht mehr unterscheiden, ob es
dMBlut des Thieres, oder das ihres
Gefährten oder ihr eigenes war dann
hörte sie noch einen scharfen Knall und
ein kurzes Zischen dicht neben ihrem
' Ohr, und dann war Alles vorbei:
Miß Kittn hatte das Bewußtsein ver
loren.
Als sie, immer noch mit geschlossenen
Aügen. langsam ein verworrenes Träu
men wiederfand, fühlte sie einen bren
ncnden Schmerz und einen dumpfen
Drück auf Stirn und Schädeldecke.
Sie hörte eine tiefe, fremdländische
Männerstimme leise reden, spürte die
zärtliche Berührung einer weichen Hand,
und wie ein vibrirender, wonnesüßer
Ton zitterte es durch ihre Nerven. Ihre
Augenlider öffneten sich halb und sahen
ein tiefgcbräuntes. feingeschnittenes
Mannesantliß über sich gebeugt, das
von blauschwarzem Haar und Bart
dicht umrahmt war, und aus dem zwei
dunkle, abgrundtiefe Augensterne ihr
entaeacnleuchtcten'., Das war nur ein
Moment, ihre Lider schloffen sich sofort
wieder, aber die seltsamen schwarzen
Augen, in denen Gluth und Weichheit
sich' zu mischen schienen, folgten ihr
auch in die Nacht ihres bewußtlosen
Dähindämmerns. Ein Gefühl der
Ruhe, des Geborgenseins und einer ge
Heimen Seligkeit überkamen sie, und
trotz ihrer Schmerzen flog ein leichtes
Lächeln über ihre Züge.
zÄls sie zum zweiten Male erwachte,
fand sie sich auf weichem Pfühle ausge
streckt: kostbare Teppiche waren über sie
gebreitet. Der Raum, in dem sie sich
erblickte, machte die Mürchcnpracht aus
Tausend und eine Nacht lebendig.
Indisch gekleidete Frauen machten sich
im Saale und um die Kranke zu.schaf
fen. Sie schien aus ihrem Traum er
wacht zu sein, um einen viel glänzen
deren Traum zu erleben.
Trüben an der Wand stand die Ge
statt eines hochgewachsenen, schlanken
Mannes, die Arme verschränkt auf der
Brust. Kitty erkannte den Kopf wie
der; mit dem sich so lange ihre ver
schwiegencn Traume beschäftigt hatten.
Es' ging wie ein magischer Bann von
diesen Äugen aus, die wie Sterne aus
unergründlichen Welträumen aufleuch
teten. Sie konnte ihre Blicke nicht los
lösen von diesem Gesicht mit seiner fer
nen. fremden Schönheit.
Der Mann gab den Frauen einen
leisen Wink mit dem Kopfe, und diese
' zogen sich ebenso geräuschlos zurück wie
sie bisher hantirt hatten. Beide waren
jetzt allein, die Kranke und der indische
Rajah; denn daß der Mann ein Fürst
Der
S
oimlagsgast.
Jahrgang 19.
Beilage zum Nebraska 2ta !s-?lnzeigcr.
No. 47.
sein müsse, sah sie an der Pracht, die
ihn umaad. an seiner stolzen, adligen
Hallung, an dein schweigenden Gehör
sam. mit dem man seinen Befehlen
nachkam.
Kaum hatten die ,rauen das Ge
mach verlassen, als er die Arme aus
ihrer Berschräntung fallen ließ, mit
hastigen Schritten auf daS Lager
Klttus zuichritt und mit einem Hmt
den teppichbelegten Boden berührte.
Eine lange, beängstigende stille trat
ein. endlich vracy ciy vvans oas
Schweigen.
Ihr habt mir das Leben gerettet.
Fürst. Ich danke Euch. Wo sind meine
Gefährten?" sagte sie.
..Eure Geführten, miü" antwortete
der Inder, hätten bessere Schützen sein
müssen, um Euer Leben und ihr eigenes
schützen zu können. Sie sind todt. Ich
danke dem Himmel, daß ich noch recht
zeitig kam. Einige Hautwunden, aber
viel Blutverlust. In wenigen Tagen
ist Alles vorüber."
Ich danke Euch, nurst! Ich werde
Euch immer danken'." sagte sie und
reichte ihm mit leisem Lächeln ihre
schmale weiße Hand. Der Rajah hielt
sie umschlossen: seine brennenden Blicke
schienen in ihre Seele dringen zu wollen,
als er mit verschleierter Stimme ent
gegnete: Tankt mir nicht. Miß! Ich
that's für mich! Nicht nach Eurer
Dankbarkeit verlangt's mich "
Es schien, als wollte er noch etwas
hinuifüacn: aber er unterbrach sich.
während eine leichte Rothe über sein
feines gebräuntes Gesicht flog. Tann
beugte er sein Antlitz hastig nieder und
drückte einen Kuß auf die kleine Hand,
die er in der seinigen hielt.
Bei der Berührung seiner Lippen
uhr es blitzähnlich wie ein heißer.
rollender Strom durch ihre Nerven.
Die Hand zitterte. Ihre Augen rich
teten sich groß, fast erschrocken, auf den
Mann, der immer noch auf seinem Knie
vor ihr lag, und dessen Blicke, die aus
der Lavagluth eines Bulkans zu kom
men schienen, sie mit einem magischen
Netz umspannen. Kitty schloß einen
Moment die Augen: denn sie fühlte,
wie jähe Purpurröthe in ihr Gesicht
emporgeschossen war.
Der Inder ließ ihre Hand fahren
und erhob sich.
Die Welt sieht Euch offen. Ml."
aate er. Was Ihr auch wünschet
es soll geschehen! Nichts sei mein, was
nicht auch Euer ist, mein Schloß, meine
Schätze, meine Dienerschaft, mein Blut
und mein Herz. Nehmt alles, und ich
werde reicher sein als ich war.. Wenn
Ihr, die ein gütiges Schicksal so wunder
bar auf meinen Weg geführt hat. mir
dafür einen anderen Wunsch gestatten
wolltet verlaßt diese Mauern und
diese Gärten so bald nicht! Mögen
meine Augen noch lange Zeit die strah
lende Sonne sehen, die ihnen so plötzlich
aufgegangen ist! Wenigstens bis zu
Eurer Genesung laßt mein Herz
hoffen. Miß! Ihr sollt hier Königin
ein und herrschen! Segnet das Haus
noch, in welchem Ihr jetzt weilt! Möge
eS Euch gefallen, immer darinnen zu
weilen."
An dem Ausganq blieb er stehen.
wandte sich noch einmal um und schien
die Absicht zu haben, zurückzukehren.
Er besann sich aber und entfernte sich
dann hastigen Schrittes, Miß Eoans in
einer Sturmfluth widerstrebender Em
pfindungen zurücklassend.
Kitty blieb. Diese neuen Verhalt
nisse hatten sie wie ein schwüler, wunder
barer Traum umfangen. Die Märchen
haft exotische Pracht'schmeichelte ihren
Sinnen: der Troß von Sklaven und
Sklavinnen, die der leiseste Wink kom
men und gehen hieß, befriedigte ihre
Eitelkeit; das Bewußtsein, den Besitzer
all dieses Reichthums, den indischen
Nabob als den gefügigsten aller Sklaven
zu ihren Füßen zu sehen, erfüllte sie mit
triumphirendem Stolz, und die glühende
Leidenschaft, die aus seinen Augen
brach und in das Eis ihrer kalten Seele
nie gekannte Fencrbrände warf, thaten
ihrem Verlangen nach dem Seltsamen
und Romantischen wohl.
So vergingen Wochen und Monate.
Endlich' hatte sie dem Drängen des
Nabob stattgegeben und ihm der
sprachen, sein Weib zu werden. Ter
Rajah war außer sich vor Glückseligkeit.
Alles wurde zur feierlichen Vermählung
vorbereitet.
Am Tage vor der Hochzeit war Kitty
verschwunden. Ter von einem Jagd
zuge heimkehrende Rajah fand nur
einen Brief von ihrer Hand, in welchem
sie ihm mittheilte, daß sie angefangen
habe, sich hier zu langweilen, und daß
sie es vorzöge, in ihre Heimath zurück
zukehren. Kein Wort um Verzeihung,
kein Wort von Liede! Wie vom Blitz
strahl zerschmettert sank der Fürst zu
Boden.
Trei volle Jahre waren darüber hin
gegangen. Miß Evans lebte in der
Stadt Ncw Z)or! und hatte jene roman
tische Episode ihres Lebens fast ver
gessen. Sie hatte unterdessen die Liebe
eines vielfachen Millionärs errungen
und sollte in einigen Tagen in den
Hafen einer Ehe einlaufen, die sie mit
ganzem Herzen herbeisehnte.
Ter Hochzeitsmorgen war heran
gekommen. Vergebens warteten die
Tienerinncn iin Vorzimmer aus das
Erscheinen ihrer Herrin. Endlich wagte
es die Vertraute, hineinzugehen. Ta
vernahmen die Genossinnen plötzlich
einen lauten, kreischenden Aufschrei und
das dumpfe Fallen eines Körpers.
Man stürzte zitternd in das Schlaf
Zimmer Kitty's.
Am Boden lag ohnmächtig die Zofe;
auf dem Bett ausgestreckt,' kalt und
starr, .mit marmorweißem Angesicht
Miß Evans, die königliche Gestalt um
schlössen von weißem Gewände von
wunderbarer, märchenhafter Pracht,
halb Brautkleid, halb Todtenhcmd.
mit blutrothen Edelsteinen um Arm
und Busen seltsam besetzt. Nichts
deutete darauf hin, wodurch sie den
Tod gefunden. Eine ganz leichte braun
rothe Linie um den Hals gab den ein
zigen Anhalt. Um den linken Arm
befand sich ein breiter kunstvoller Gold
reif, flimmernd von Edelsteinen. Und
bei genauerer Betrachtung setzten sich
die feinen Tiamantcn zu Schriftzügen
zusammen, die da lauteten: Ter
Rajah seinem ihm für die Ewigkeit
angetrauten Weibe Kitty Evans."
Es wäre nicht möglich gewesen, den
Ring zu entfernen, ohne die Leiche zu
verletzen: man begrub sie so. wie man
sie gefunden hatte. Tie Nachforschungen
der Polizei nach dem Thäter blieben er
folglos; aber etliche Stunden nach dem
Begräbniß fand der Kirchhofswärtcr
einen Mann mit schwarzem Locken- und
Barthaar, todt auf dem Grabe Kitty's
hingestreckt, die Pistole noch in der
krampfhaft geschlossenen Hand. Nie
mand hat erfahren, wer der Fremde
war. ,
VOit ich Orleans eroberte.
Zragi komische Kriegs - Erinnerung, Von
Otto Behrend.
Ja, meine Herren," sagte der Herr
Major a. D. lachend, bei Orleans
habe ich eine ziemlich komische Figur
abgegeben, aber ich möchte doch um
Alles in der Welt nicht, daß es anders
gewesen wäre, denn so war ich der Ein
zige von meinem ganzen Bataillon, der
bei Orleans in's, Feuer gekommen ist.
Das ging nämlich so zu.
Wir waren am 4. Dezember 1870
schon seit dem frühen Morgen auf den
Beinen, und seit der Mittagsstunde
etwa drang der sich immer mehr der
stärkende Kanonendonner eine? gewal
tigen Kampfes zu uns herüber. Für
uns aber gab es nur endloses Warten
und Marschiren und wieder Marschiren
und Warten in Kälte und Schnee. Es
wurde Nachmittag, es wurde Abend,
und ich gab allmälig die Hoffnung auf,
noch in's Gefecht zu kommen, was mich
als jungen Lieutenant nicht wenig
ärgerte, denn ich brannte darauf, mich
auszuzeichnen.
Wieder einmal hieß es Aufmar
schiren und Halt l Ich ziehe meine Uhr
schon fünf Uhr. Tie Mannschaften
stehen in Rührt euch! oder liegen an
ihrem Platz auf dem Boden, und ich
will gerade zu meinem Hauptmann vor
gehen, als ich ihn plötzlich vom Pferde
in die Arme einiger zuspringenden Leute
gleiten sehe. Er war besinnungslos.
Schon seit zwei Tagen hatte er sich
krank gefühlt, und jetzt konnte er nicht
mehr.
So übernehmen Sie denn die Füh
rung der Kompagnie, Lieutenant W.,"
sagte mein Bataillonskommandeur, und
während sie unseren armen Hauptmann
in ein nahe gelegenes Gehöft hinüber
trugen, begann ich mich in meiner
neuen Würde einzurichten.
Ta stand des Hauptmanns Gaul,
ein großer, starkknochiger Brauner, von
dem Besitz zu nehmen meine erste Pflicht
hicß.
Am liebsten hätte ich das Thier hin
ter die Front führen lassen, da ich ein
schlechter Reiter war und mit dieser
stolzen Kavallcrie-Kunst auf der K riegs
schule schon schlimme Erfahrungen ge
macht hatte; indeß ein Blick über meine
wackeren Musketiere nein! es ging
nicht., so durfte ich mich vor ihnen nicht
bloßstellen.
Ich näherte mich also dem Rosse, für
das ich bisher nicht das geringste In
tcreffe bezeigt hatte, um zunächst die
Bekanntschaft anzuknüpfen. Ta kommt
auch schon mein Bursche, ein paar rie
senhafte französische Kürassiersporen in
der Hand, und machte sich sofort daran,
sie an meinen Stiefeln zu befestigen.
Es war doch gut. Herr Lieutenant,
daß ich die Tinger mitgenommen habe."
sagte er ganz vergnügt. Mir wurde
nun aber gar nicht ganz vergnügt, son
dcrn etwas unbehaglich dabei zu Muthe,
denn dieses scharfe Reizmittel mußte
meine zukünftige ritterliche Situation
ohne Frage noch mißlicher gestalten, als
sie mir schon ohnedem vorschwebte.
Schüchtern nur wagte ich die Einwen
dung. ob die Sporen an meinen Stie
fcln auch festsitzen würden, worauf ich
die tröstliche Versicherung erhielt, daß
sie wie angegossen paßten.
Ich fasse mich also und denke, daß eS
am besten fei. auf's Roß zu klettern,
solange wir noch hielten. Ich mache
deßhalb den ersten Schritt nach dem
Bauche des Thieres und beginne ohne
weiteres Zaudern das Aufsitzen. Ter
Hornist hält vorschriftsmäßig den rech
ten Bügel, ich packe die Zügel und nach
einigem Angeln mit dem linken Fuße
glückt es mir auch, den linken Bügel zu
erwischen, und ich will mich kühn in den
Sattel schwingen. Aber kein Gedanke
daran, daß ich mit dem rechten Fuß
auch nur den Sattcllöffel erreiche, nach
zwei vergeblichen Versuchen stehe ich
wieder, nachdem der linke Fuß höchst
unsanft aus dem Bügel gerutscht war,
wie vordem als freier deutscher Mann
auf französischer Stoppel.
Tie Bügel sind für Herrn Lieute
nant viel zu lang." bemerkt nun mein
Bursche, und der eigene Augenschein
belehrte mich jetzt auch, daß der intclli
gente Mensch Recht hatte. Die Bügel
werden also ein gutes Stück kürzer ge
schnallt, und nachdem ich den Braunen,
der, offenbar mißtrauisch geworden
durch die mannigfachen Manipulationen
an seiner mittleren Region, schon vcr
dächtig den Kopf nach rückwärts drehte,
durch Krauen der Stirn wieder besänf
tigt hatte, unternehme ich den zweiten
Versuch, und dieser gelingt denn auch
glücklicherweise mit einem energischen
Ruck.
Zum Glück nimmt der Braune dies
nicht übel, so daß ich nun Muße habe,
mich in reitermüßige Haltung zu rücken,
rechts vom Hornisten, links vom Bur
schen einen Bügel auf den Fuß gescho
den zu erhalten, den ich gleich bis zum
Absatz durchrutschen lasse. Tann fasse
ich mit Hilfe meiner Kriegsschulerinne
rung kunstgerecht die Zügel.
Fortuna scheint mir jetzt zu lächeln,
indem das Pferd gerade die Front
nach der Kompagnie hat und ich so
der Nothwendigkeit enthoben bin,
schwierige Drehversuche mit ihm vorzu
nehmen. Und wirklich, die Sache
geht auch ferner famos, als wir uns
bald darauf wieder in Marsch setzen.
Ohne das geringste Zuthun meiner
seits dreht das Rößlein um, sobald
die Kompagnie vor uns abrückt, und
bewegt sich in richtigem Tempo vor
wärts. Wir ziehen also dahin über's
Feld, immer näher dem ungeschwücht
uns entgegenhallenden Kanonendonner,
und ich gewinne immer mehr Selbst
vertrauen. Sollte ich meine Reitkünste
doch nicht vielfach unterschätzt haben?
Ach, ich hatte keine Ahnung, daß das
Verhüngniß in Gestalt der Kompagnie
kolonnenformirung schon über mir
schwebte!
Also: Kompagniekolonnen formi
ren!" ertönt das Kommando. Im
Laufschritt führen die Leute den Befehl
aus, pflichtgetreu fällt auch mein Röß
lein in Trab, welche im Großen und
Ganzen sonst nicht als gefahrvoll be
trachtete Gangart aber ohne Säumen
meine Kürassiersporen in innige Be
rührung mit dem Bauche meines Gaules
bringt. Der antwortet umgehend mit
einem kräftigen Ausschlagen,' das sofort
meine Nase vornüber in seine Mähne
hineincxpedirt. Und nun beginnt der
tollste Ritt, den wohl je ein Mensch i.i
seinem ganzen Leben ausgeführt hat.
Wie es gar nicht ander's möglich war
bei meinem Vornüberschießcn, gerathen
meine Kürassiersporen sofort wieder an
die heiklen Partien meines Braunen,
noch einmal keilt er aus, daß die Leute
hinter mir erschreckt auseinander sah
ren, als habe eine Granate eingeschla
gen, und ich erst recht vornüber falle
und ihm die Sporen in die Seiten hacke
und nun geht die Geschichte los.
Den Hals meines Rpffes umchlin
gend. die Kürassiersporen fest in die
kitzlichstcn Stellen meines Braunen ae-
drückt, stürme ich dahin über Stock und
Stein. Im Nu bin ich der Erste der
ganzen Brigade, aber weiter geht es,
immer rasender wird mein Rosz an
Hufaren brause ich vorbei, wie der
wilde Jäger.
Herr Kamerad, pariren Sie doch!"
ruft mir ein Offizier in wirklich licbens
würdiger Weise zu; ein Anderer mit
mitleidigem Herzen schickt einen Trom
Peter aus, meinen Gaul aufzuhalten,
doch das setzt diesen noch mehr in Wuth.
Gehen Sie weg, Husar!" rufe ich in
meiner Verzweiflung. Er verschwindet,
ich sause weiter und komme jetzt in den
Bereich des feindlichen Feuers. Kugeln
umPfeifen mich. Granaten schlagen 'ein.
aber nichts dringt meinen rasenden
Klepper zur Besinnung. Weiter braust
er und weiter, und ich bin auf dem
besten Wege. Orleans ganz allein zu
nehmen. Ta plötzlich stolpert mein
Roß. ich stiege mit einem Saltomortale
vornüber hinunter und sitze im nächsten
Augenblicke tadellos sicher und fest mit
breiter Flache auf einem Feldrain.
.Sakra dös is ia a vreuk'scker
tLcitnant!" höre ich neben mir rufen.
und ich sehe mich mitten in einer baycrl
schen Schützenlinie.
Ich springe auf. mein linkes Bein
schmerzt empfindlich; doch wag thuts.
jetzt bin ich wieder ganz Mann auf n
genen Füßen.
Wo meine Kompagnie ist, weiß der
Himmel, aber auch hier sind wackere
Soldaten im Kampfe begriffen. Grade
machten sie einen neuen Sturmlauf
vorwärts. :ck) nebme einem Clirfiil-
leiun Gewehr und Patronentasche ab
uno lause mit. mt betäubendem
Hurrahgeschrei geht es aus den weichen
den Feind.
Ich machte den letzten Theil dieses
denkwürdigen chlachttages mit wle ein
gemeiner Soldat, und ohne mich zu
rühmen, kann ich sagen, daß ich als
guter Infanterist die Scharte auswetzte,
die ich als Reitcrsmann erlitten hatte.
Siegreich rückte ich in der Nacht noch in
Orleans ein.
Am anderen Tag kam auch mein Ba
taillon in die Stadt.
Erst lachten mich meine Kameraden
zwar weidlich aus, dann aber beneide
ten sie mich, weil ich als Einziger vom
Bataillon Orleans hatte erobern hcl
fen. Von dem Gaule meines Haupt
manns habe ich nie wieder etwas ersah
ren. Vielleicht haben ihn die Franzo
seil erwischt und zu Rokbecf verarbeitet.
Es sollte mir leid thun, denn ich trage
iym leinen Groll nach."
Schwindler in Nord und Süd.
Der Motor des vor einiaen Monten
gestorbenen Keeley, welcher jetzt ziemlich
allgemein is eine der größten schwin
delmeiereien des Jahrhunderts ange
sehen wird, hat gar manche andere Er
sindungs oder Entdeckungs Schwin
deleien in Erinnerung gerufen, die zum
Theil noch frecher waren, obwohl frei
lich keine derselben so lange den Wind
in den Segeln behielt, w'ie jener famose
Kraft-Motor! Auch die zwei nachstehen
den Schwindelaeschickten haben einigen
Anspruch darauf, der Nachwelt im Ge-
oacylnig zu vteiven.
Da ist vor Allem der Colorado'er
Edelstein-Schwindel. welcher im Herbst
des Jahres 1872 namentlich das Publi
kum am Goldenen Thor halb verrückt
machte. Unter Berufung auf Persön
lichkciten, deren bloße Namen schon
überzeugend auf Viele wirkten, wurde
der Welt von San Francisco aus vcr
kündet, daß Diamantenfelder von ne-
radezu unfaßbarer Ergiebigkeit im
nordwestlichen Colorado, unfern der
Grenze von Wyoming entdeckt worden
seien. Dieselben sollten eine Ausdch
nung von nicht weniger als 2000 Acres
haben, und George D. Roberts erzählte
in einer Versammlung, in der es sehr
feierlich zuging, daß zwei Männer schon
an der Oberflüche für nahezu 100,000
Dollars Diamanten vom reinsten Was
ser. Rubine. Granate. Savbir, Ama-
thyste und Smaragde aufgelesen hätten!
Auch legte er einen ganz schwärmerisch
gehaltenen Bericht von einem. dn,mnl
ziemlich berühmten Bergbau Sachver-
Iianoigen namens -venry Janin. vor.
Eine ganze Reihe Leute von Gewicht
lieh der Sacke ibr Anleben. nd fnrm
lich im Handumdrehen bildete sich eine
(seseuichast zur Ausbeutung dieser
märchenhaften Tiamanten-Fel'der, wel
chcn schon, infolge der Nachbarschaft
zweier Bergströme die denkbar glän
zendste Zukunft garantirt erschien.
Binnen 24 Stunden waren 15,000
Aktien zum Pari-Werth von je 40
gezeichnet, und das Publikum schrie
nach mehr !
Aber alle diese guten Leute wurden
an einem großen Narrensäl geführt.
Jeder hatte sich auf den Anderen, und
Alle wiederum auf Dritte verlassen,
die nicht ganz so gut waren, wie sie. I
Ein Bischen ipät siel es der neu ge
gründeten Gesellschaft bei. eine gründ
liche Untersuchung an Ort und 'Stelle
durch ihre eigenen Sachverständigen
vornehmen zu lassen. Und sich da!
Höchst wunderbare Tinge wurden da
entdeckt: Tiamanten vom Cape der
guten Hoffnung, Edelsteine von Brasi
lien und so fort mit Grazie; nichts
als importirte Tamples" und ein
Haufen Schund.
Tie zwei ursprünglichen Entdecker"
Arnold und Elack. die sich bis dahin
vorsichtig im Hintergrund gehalten
hatten, verdufteten schleunig nach unbe
kannten Regionen. Ader ein Spieß
geselle dieses edlen Duetts. I. B.
Eooper. legte nachher ein volles Ge-
ständniß ab. Die Schwindler hatten
e sich ein hübsches Sümmcoen losten
lassen; Arnold hatte in London für
rund $4UKH Roh Diamanten und
andere seltenere Steine angekauft und
später in Arizona von Indianern noch
ü0 Pfund Steine zweiten oder dritten
Ranges ohne nennenSiverthe Auslage
erworben, worauf er jenes Feld im
nordwestlichen Colorado mit erstaun
lichcm. vielleicht in dieser Art einzig
dastehenden Kunstvcrständniß salzte."
TaS war vielleicht der malerischste
Schwindel deZ Jahrhunderts! Gedieh
er bis zum richtigen Augenblick, so
mußte sich der Einsatz lohnen. be
trug doch schon der Pari-Wertb der er
wähnten Aktien im Gange OOO.OOO
Dollars! Eine Anzahl hervorragender
Kaufleute wurde nur dadurch, daß sie
die Einzahlung ihrer Zeichnungen un
freiwillig verzögerten, vor völligem
Ruin bewahrt.
Als Schwindler zweier Welten kann
jedenfalls Alfred Paraf. der be
rühmte" Elsässisch Amerikaner, dessen
Stern endlich hinter den Mauern eines
südameritanifchcn Zuchthauses unter
ging, sein Jahrhundert in die Schran
kcn fordern.
Paraf, ein hochgebildeter Chemiker
und bezaubernder Gesellschafter, hatte
sein väterliches Gut in Ausschweifungen
verpraßt, und dies scheint ihn auf die
Bahn des Schwindels und der Hoch
stapele! geführt zu haben. Die Erträg
nisse seiner chemischen Schwindel Er
sindungen vergeudete er immer wieder
in neuen Ausschweifungen, und dies
führte ihn immer weiter auf der ab
schüssigcn Bahn und machte ihn auch
immer verwegner! Sein erste? Opera
tionsfcld war Alt England gewesen,
sein zweites wurde Neucngland (wo er
u. A. den Gouverneur Sprague von
Rhode Island 'reinlegte) und New
Vork. sein drittes San Francisco.
aber die Krone setzte er seinen Schwiu
deleien denn doch auf dem vierten
Operationsfelde auf, in der Republik
Chile. Hier führte er sich als wahr
haftiger Goldmacher ein, und es schien
unglaublich, welches Furore er damit
machte! Er heimste mindestens 5 Mil
lionen Dollars ein. Aktien der von ihm
gebildeten Gesellschaft, welche einen
Pari Werth von 1000 hatten, vcr
kauften sich bis zu K140,000 das Stück!
Leider hielten er und fein Diener"
Francisco Rogel sich ein klein bischen
zu lang im Lande auf. und ein Direk
tor der Gesellschaft' entdeckte, daß das,
angeblich ans gemeinen Metallen her
ausgezogene Gold vorher erst sehr ge
schickt hineingeschmuggelt worden war.
Die Polizei mußte Paraf's Leben vor
dem wüthenden Volk retten, , und das
chilenische Deportations-Zuchthaus von
Valdiria stutzte ihin die Flügel für
immer.
Bom Tode erstanden.
Eine der merkwürdigsten Verurthei
lungen ist die, des englischen Kapitäns
Simpson, der 1692 des TodtschlagS be
schuldigt und zum Galgen verurtheilt
wurde. Als er eine Stunde gehangen
hatte und für todt galt, wurde er feiner
Familie wiedergegeben, und als man
ihn beerdigen wollte, bemerkte man,
daß er noch lebte; man ließ ihm zur
Ader, wendete alle Hilfsmittel an, und
in wenigen Tagen war er vollkommen
hergestellt. Simpson wollte sich natür-,
lich nicht zum zweiten Male den Galgen
aussetzen, entfloh auf einem Schmugg
lerschiffe nach Holland, und eine der
ersten Personen, die ihm in Amsterdam
begegneten, war der Mann, den er sei
nem Urtheile gemäß erschlagen haben
sollte. Die beiden gesetzlich . Todten
umarmten sich, speisten zusammen, er
zählten sich lustig ihre Geschichte und
erschienen 2 Wochen später Arm in
Arm in London. Aber erst nach lan
gen Verhandlungen wurden sie gesetz
lich wieder der Liste der Lebendigen
einverleibt.
ünstlerstolz.
Der berühmte Tenorist Roger war
von einem reichen Bankier für fünf
hundert Franken engagirt worden, bei
einer Festlichkeit zu singen. Er sang
sein erstes Lied, aber Keiner achtete aus
ihn, und die Gäste schwatzten ruhig
weiter. Nach einer Pause hielt der
Wirth die Zeit für gekommen di.
Gäste für ein zweites Lied zu erfreuen,
aber Roger war verschwunden. Am
nacyflen .age erhielt der Bankier einen
Brief, in dem die Summ? nnn fn?
Franken lag und das folgende Begleit
schreiben: Ich habe die' Ehre. Ihnen
die fünfhundert kranken ,uriick,s?n-
den, welche ich von Ihnen empfing, und
viiie. wencre runsyundert Franken als
Schmerlensacld dafür Arminm
daß ich die'Untcrbaltumi brer ffl.ift
in so gröblicher Weije gestört habe.'"
-chwer zubestimmen.
Richter: Wann verließen Sie das
Lokal?"
Angeklagter: Als mein Jedränk alle
war."
Richter: Um welche Stunde war
das?"
Angeklagter: Aberhohcr Jerichts
Hof, wenn mein Jedränk alle is, bin ick
nicht mehr in der Lage, die Zeit so
jcnau zu bestimmen."
?chlau ausgeredet.
Gattin: Ich weiß nicht, lieber
Emil, wozu Du das miserable Ding,
unser Stubenmädchen, so artig be
handelst!" Gatte: Ich will"mal mit Güte ver
such, liebes Kind."
A