Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, March 16, 1899, Image 10

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    Pic Erbschaft.
Humor,!, pcn H du Plksiar. Äulvklsirik
kardoliing von Si. ,rirdbk,m.
Aglae!"
Hyppolyte!"
Komm doch endlich, die uppk wird
ja kalt, über zehn Minuten fteht sie nun
schon auf dein Tisch !"
.Min Gott, dann if$ sie doch ich
kann doch nicht überall zu gleicher Zeit
sein, als Hausfrau am Tisch prSsidiren
und als Köchin den Eierkuchen backen!"
Als dann Frau aluzot. mit der
ttüchenschürze angethan, auf der
Schwelle erschien und ihnen goldgelben
Eierkuchen auf den Tisch septe. da rief
ihr Gatte fröhlich:
.Nun endlich!"
Endlich! endlich!" ahmte Aglae ihm
unfreundlich nach, ohne einen weiteren
Werth auf diesen befriedigten Ausruf
deZ Gatten ,u legen ich khue was
in meinen Kräften steht! Willst Tu
vielleicht gar noch schelten? Backt sich ein
ierkucken von selbst? Ja, wenn wir
bei der Cousine Touvin wären, dann
brauchte ick mir die Hände nicht am
Herdfcucr zu verderben!"
.Mein Gott. Liebste. sagte Hyppo-
lyte zwischen zwei Biffen. ..laß doch die
Cousine Toupin in Ruhe. Sind wir
denn nickt aam glücklich daran? Mit
meinem Gehalt, und was Tu mit Tei
nen Näharbeiten verdienst, worin Tu
so aesckickt bist, haben wir doch jährlich
im Durchschnitt 4200 Francs. Für
einen kinderlosen Haushalt auf bcschei
denem ftuk eingerichtet braucht man
doch nicht mehr. Tu könntest Tir o
gar ganz gut ein Mädchen halten und
brauchtest Tlch nicht o zu quälen."
Ja wohl !" entgegncte Aglae, deren
Gefichtsausdruck deutlich zeigte, dass sie
nicht sehr friedlich gestimmt war, ja
wohl. Du kannst vorzüglich rechnen. .
wir kommen nur gerade aus und doch
nur mit knapper Noth! Tu bedenkst
nicht, daß man doch auch weiter denken
muh. und jedes Jahr etwas zurückgelegt
werden soll. Du neigst zu Kongestionen
.... man kann gar nicht wissen, was
mal passirt.... wenn das Unglück
wollte kein Gehalt was soll ich
anfangen, wenn Du erwerbsunfähig
wirft und ich nicht wenigstens einen
kleinen Hinterhalt habe, oder gar. . .
Ich danke Dir wirklich recht herzlich
für Deine gütige Fürsorge um mich.
meine Liebste!"
Und sich sagen zu müssen, daß wir
uns nicht so zu quälen brauchen, daß
wir ruhig und glücklich bei der Cousine
Toupm leben könnten "
Schon wieder die Cousine!"
Ja schon wieder und immer wieder!
Ich habe es endlich satt ! Was soll es
auch eigentlich heißen Du hast eine
alte Verwandte, denn sie ist fast 7
Jahr. . . . reich, denn sie hat uns selbst
erzählt, daß sie außer ihrer Besitzung,
die sehr werthvoll, noch 17.000 Francs
Zinsen hat: sie ist Dir wohlgesinnt. . .
ich weiß eigentlich nicht recht warum . .
möglich, daß früher...."
Oh!.... Aglae.... sie ist 15 Jahre
alter als ich.
Das ist noch kein Grund als
Du 20 Jahre alt, da war sie 35...,
das genügt ich kenne solche Sachen
.... Jedenfalls steht so viel fest, daß
sie Dich recht lieb hat, denn unausgesetzt
schreibt sie Dir."
Aber so komm doch, komm doch, Du
und Deine Frau." denn ich muß ja
doch schon so als Anhängsel mitlaufen
Ihr solltet bei mir leben" fügt
sie hinzu ich sorge für alles, und
wenn Ihr mir in meinen alten Tagen
Gesellschaft leistet, werdet Ihr später
schon sehen ... Ihr werdet schon sehen!"
Aber nein! Da müßtest Tu ja
Dein Bureau verlaffen, das kostbare
Bureau! Wo Tu noch fünf Jahre aus
halten mußt, um endlich auf eine Pen
sion von 1500 Fr. Anspruch haben zu
können und in 15 Jahren wird die
Cousine wahrscheinlich todt fein
während der Zeit kann ich mich ab
quälen.... was schadet es, wenn ich
erschöpft bin mir die Finger der-
brenne, m Tir Eierkuchen zu bc
reiten Sie sind jedenfalls vorzüglich, meine
liebe Aglae," sagte der Hausherr, in
der Hoffnung, seine erregte Gattin
etwas zu beruhigen.
Ja, ja! schmeichle mir nur," cnt
gcgncte Aglae, dennoch ein wenig be
sänftigt.... Ach Hyppolyte! mein
lieber Hyppolyte! wenn Tu es doch thun
wolltest.... welch schönes Leben könn
ten wir auf dem Lande führen! Ich
wünsche mir es so sehr, so unendlich. . .
Tu könntest auf den Fischfang gehen
.... wir würden sehr weite Spazier-
gänge machen plaudern lesen
Karten spielen dort sind
Dienstboten genug für jede Arbeit.
Und dann nach einiger Zeit vielleicht
nach gar nicht langer Zeit würden
uns die 17.000 Francs und das schöne
Grundstück gehören alles, alles
würde unser sein! Ach Hyppolyte,
wenn Tu mich wirklich lieb hättest,
würden wir zu der Cousine Toupin
ziehen!"
Herr Galuzot kannte diese Szenen
ganz genau: zwei bis dreimal wöchent
lich wiederholten sie sich immer regel
mäßig. Er glaubte sich auch gegen diese An
griffe vollständig gefeit !
Aber wieso und woher kam es. daß
er an diesem Tage durch Aglae's Thrä-
nen gerührt war?" Auf seinem
Weg zum Bureau suchte er sich gegen
sich selbst zu festigen, indem er sich
sagte, daß es unklug sei, den Sperlings
aus der Hand zu lasten, ehe man die
Taube halte, und das sei ferne Pension
von 15H) Francs, die doch den recht
zweifelhaften Aussichten bei der Cousine
Touvin vorzuziehen sei. Ja. gewiß.
diese Reflczioncn waren sehr vernünftig
entsprachen ganz dem gesetzten Bureau
bcamten. aber dagegen tauchten in der
lockendem Glänze das Landleben, der
Angelsport, die schönen Spazicrgänge
auf ... und dann Aglae wünscht
,S sich so sehnsüchtig !
Hyppolyte! Hyppolyte! Tu schwan
kcst. Tu schwankest bedenklich?.. .
AIS er auf dem Bureau wenige
Minuten zu spät anlangte, wollte es
der Zufall, daß der Abtheilungs-Chc
anwesend war und ein Donnerwetter
über die Häupter der bestürzten Ange
stellten niederprasseln ließ. Ein furcht
bares Verbrechen war begangen wor
den! Tcm Minister war ein Brief zur
Unterschrift eingereicht worden, in dem
eS sich um die Schifffahrt auf der
Rhone handelte und der Brief war an
den Landrath im Saoncdistrikt gcrich
tet!. . . Der Minister hatte laut gelacht
Welche Schmach!. . . Tas Bureau hatte
sich durch diesen geographischen Irrthum
ja für ewige Zeit vollständig lächerlich
gemacht!
Wer war der Schuldige?
Ein armer Schreiber kam schüchtern
hervor nd zeigte, um sich zu rcchtfcr-
tigcn. den Entwurf des unglücklichen
Briefes, in welchem ganz deutlich statt
Rhone-Saone geschrieben war. Ter
Brief war von Galuzot aufgesetzt wor
den.
Tas haben Sie gethan," schrie der
Abthcilungschef. Sie, den ich bisher
für einen gcwiffenhaften Beamten ge-
halten habe! der vielleicht mit der
Zeit bis zum Burcauvorstehcr hätte
aufrücken können! Sie machen der
artige, unerhörte Fehler!"
Und wie Hagelkörner prasselten die
Vorwürfe auf den armen Hyppolyte
hernieder.
Ter Abtheilungschef war so uncv
schöpflich in immer neuen Ergüssen sei
nes Zornes, daß sich schließlich das
unglückliche Opfer empörte. Wenn sich
ein gequälter Mensch zur Wehr setzt, so
kommt alle Erregung doppelt mächtig
zu Tage.
Von plötzlichem Jähzorn ergriffen,
rief Hyppolyte:
Mein Herr! Mir däucht es wäre
nun übergenug der Worte, für ein so
kleines llcbcrschen aber beruhigen
Sie sich es soll mir nicht wieder
passtrcn ich bin nicht einzig auf
diesen Posten hier angewiesen.... ich
komme hiermit um meine sofortige
Entlanung ein !"
Eryovcncn Hauptes schritt er zur
Tyur und fugte noch nn Hinausgehen
hinzu:
Ich übersiedle auf das Landgut
meiner Verwandten, welche schon sehr
lange den Wunsch gehegt haben, mich
und meine Frau vollständig bei sich zu
yavcn."
2.
Ach! welch friedliches und schönes
den man bei der Cousine führte! Der
Traum war zur glänzendsten Wirklich-
teil geworden.
Tas Haus war zwar nur klein, aber
vom Garten und schönen Bäumen um-
geben, wenige Schritte davon war der
Flug, an welchem Hyppolyte fischte
r yane icy aus Paris eme ganze
Kollektion von Angelgeräthschaften mit-
gebracht. Mit der lieben Verwandten
wurde Bcsique" gespielt, geplaudert,
lange bei den Mahlzeiten gesessen
und dann waren ihre Wohnzinimcr so
reizend! Allerdings hatten sie für
yren Pnvatgcbrauch nur zwei, auch
etwas kleine Zimmer, ganz nahe bei
dem Schlafzimmer der Cousine
aber so hübsch eingerichtet.
Alles erschien dem Ehepaar Galuzot
vollkommen, bezaubernd, ja sogar der
Papagei des alten Fräuleins, der vom
Morgen bis zum Abend schrie:
Herrin lieb Süßes sür Ja-
quot! Herrin rin!"
Und dann alle Augenblicke hicn es
von der Cousine:
Ihr sollt leben später nun.
Ihr werdet schon sehen "
Des Abends stand Aglae ost lange
am Fenster; in rosigste Zukunftsträume
versunken blickte sie auf Garten und
Felder, die in friedlicher Ruhe da vor
hr ausgebreitet lagen, und sagte dann
wohl zu Hyppolyte:
Und das alles wird uns gehören!
Alles! Habe ich nicht recht gethan. Tich
von Deinem Bureau loszulösen?"
Dies herrliche, fröhliche Dasein
dauerte so ungefähr ein halbes Jahr.
Eines schönen Tages machte Hyppolyte
jedoch die Entdeckung, daß es vergebene
Liebesmühe ist, in einem Fluß, der
keine Fische besitzt, angeln zu wollen.
Um ihn zu trösten und zu zerstreuen.
wie Fräulein Toupin sagte, schlug sie
hm vor sich ein wenig im Garten zu
beschäftigen. Hyppolyte war bei dieser
Thätigkeit so geschickt, so anstellig
so überraschend geschickt . . . daß sie den
Gärtner entließ.
Hyppolyte", sagte sie, kann den
Garten sehr gut in Ordnung halten,
er versteht es ausgezeichnet. Ücbrigens
ist das für Euch eine Ersparniß. Ihr
sollt sehen später nun Ihr
werdet schon sehen! Sieh mal,
Hyppolyte, kannst Du nicht diese Tisch
platte festnageln?. . . . Willst Tu nicht
versuchen, diesen zerbrochenen Stuhl
auszubessern? Tu könntest doch
auch den Fußboden im Entree etwas
auffrischen.... die Dielen klaffen so
auseinander.... Ach.... ehe ich es
vergesse, kaufe doch etwas Farbe, um
den Gartcnpavillon anzustreichen
er ist mit der Zeit ganz schwarz gcwor
den...."
Und Hyppolyte verwandelte sich ab
wechselnd vom Gärtner zum Maurer
Tischler oder Maler, und im Schweiße
seines Angesichts war sein Leben alles
andere eher, als das eines Müssiggän
gers. Er führte alle nur erdenklichen
Obliegenheiten aus, gab ttch den der
icyieocnnen ?c cyasligungen mn, nur
nicht der. von welcher er geträumt hatte,
nämlich dem fußen Nichtsthun.
Aglae's Traum dagegen schien voll
und ganz in Erfüllung gegangen
sein, denn sie spielte jeden Tag fün
Stunden Besique" doch das wurde
ihr bald zur Oual! ie sah fortwäh
rcnd die Karten vor Augen und des
Nachts weckte sie oft ihren Mann, in
dem sie laut rief:
Vierzig Marriage!"
Und was das Schlimmste dabei ge
Wesen sie muhte immer verlieren
wenn sie dies nicht bedachte beim Au
werfen der Karten und die Partie
gewann, so wurde Fräulein Toupin
ungemuthlich, knin die Lippen zusai
men und sprach nur noch in abgebrochn
nen ätzen und Andeutungen von der
Undankbarkeit, der man oft bei den
Verwandten begegne.
Tu bist so geschickt auf der Näh
Maschine, Aglae, Tu könntest wohl so
gut sein, mir diesen Rock etwas zu
nahen.
Nach dem Rock kam ein Kleid an die
Reihe dann Hemden dann
Hauswaschc, und nach den neuen An
fchaffungen. Ausbesserungen. Nahm
schine und Besique lösten einander ab,
Nein, liebe Aglae. Tu bist wirklich
zu geschickt, ich kann die Jungfer ganz
gut entbehren und werde sie entlassen
übrigens ist das auch für Euch
meine Kinder, ein Ersparnis.... Jh
werdet schon sehen später, nun Jh
werdet fchon sehen -
Aglae, willst Tu nicht mal in der
Küche nachsehen? Tu weißt ja, wie ich
die farzirtcn Tauben liebe und Tu be
reitest sie so gut."
Nach den Tauben waren es die
Früchte, dann die süßen Speisen, in
deren Zubereitung Aglae nicht ihres
gleichen hatte. An ihre Stelle wurde
aber doch eine Art Küchcnmädchcn mit
geringem Lohn genommen, die Aglae
allerdings kaum an die Hand gehen
konnte.
Frau Galuzot band also wieder die
Küchenschürze vor und verbrannte sich
von Neuem die vände an dem erd
seuer.
Spazicrgänge? Daran war garnicht
zu denken: Fräulein Toupin war seh
chlecht zu miß und als einmal
ein einziges Mittel ! Herr und Frau
Galuzot heimlich fortgegangen waren,
wurde sie bei ihrer Rückkehr mit bezcich
nendem !vclncnspiel empfangen.
Krauiem oupm erntn aqcn zu
wollen: Das lohnte sich auch nicht der
Mühe, sie als Gesellschaft für meine al-
ten Tage aufgenommen zu haben.
wenn sie immer in Wald und Feld ycr
umstreichen wollen!
Als das Ehepaar eines Abends sehr
müde und abgespannt endlich allem m
ihrem engen und kleinen Zimmer war,
wo man im Sommer vor Hitze umkam,
uno im Wlnier fror, ayen ne na nur
traurig an, denn sie konnten nicht ein-
mal miteinander sprechen, sich ihren
Kummer mittheilen, weil Fräulein
Toupin sie gebeten hatte, ja recht leise
u sein, um sie nicht im Schlafe zu stö
ren. Auf den Fußspitzen schlichen sie
zum Zensier, welches sie nicht mehr
offnen konnten, denn die Cousine hatte
es nicht gern, wenn die Nachtluft in's
Haus eindrang. Aglae deutete nur mit
der Hand nach Garten und Feld und
agte:
AM Gott: ,das" vtelvt uns
doch wenigstens !"
Aber das" ließ lange auf sich war
ten! Fräulein Toupin war frischer als
je, trotz ihrer 7a Jahre und mit icdcm
Tage wurde sie anspruchsvoller und un-
geduldiger gegen ihre Umgebung. Ihr
Kleinod, der liebe Papagei, war der
einzige, der nicht unter ihrer Laune zu
leiden hatte. Darum rief er auch laut
und unermüdlich wie immer sein:
Herrin lieb .... Süßes für Jaquot
. . Herrin nn
i
Aber alles hat hienieden einmal ein
Ende.
Nach sieben Jahren der Sklaverei
hatte Herr und Frau Galuzot die Ge
nugthuung, der Cousine auf ihrem letz
ten Gange noch das Geleite zu geben.
Alle Anwesenden waren von Aqlaes
Verhalten tief gerührt sie vergoß
allerdings heiße Thränen nur
waren es Thränen der Freude
was die Unbetheiligten ja nicht wissen
konnten!
Gleich nach der Beerdigung ließ sich
der Testamentsvollstrecker bei dem Ehe
paar melden.
Aglae wäre ihm beinahe entgegen-
gestürzt.
Im trockensten Gcschaftston theilte
der Rcchtsanwalt ihnen mit, daß Frau
lein Toupin seit zwanzig Jahren ihr
Hab und Gut gegen eine Lcbcnsrente
von 1700 Francs verpflichtet habe,
welche ihr auch bis zu ihrem Tode voll
ausgezahlt worden sei.
Welch niederschmetternde Nachricht!
Aglae war leichenblaß geworden.
Galuzot zwang sich ruhig zu crschei
nen, denn der Notar sprach weiter und
forderte sie auf, der Verlesung des Te
staments zuzuhören. Somit war also
doch noch nicht alle Hoffnung verloren!
Nach bedeutungsvollem Rauspern
klang es dann in einförmigen Ton von
den Lippen des Orakels
Seit zehn Jahren habe ich von mci
ncr Lcbensrcnte jährlich eine ganz nette
Summe zurücklegen können. Ich möcht
mich meinem Vetter Hyppolyte taluzot,
der meinetwegen seinen Abschied gcnom
men und somit aus seine Pension vcr
zichtet hat, gern erkenntlich erweisen
Außerdem hat er sowohl, wie seine Fra
mir manchen Dienst geleistet. Ich
dank! ihnen nicht dafür, denn ich weiß
daß es nur in der Hoffnung auf eine
reiche Erbschaft hin geschehen ist. Aber
jeder Mühe gebührt ein Lohn! Infolge
dessen übergebe ich meinem Teslamcnts
Vollstrecker. Herrn LcliboiZ, ein kleines
Kapital, von dem er jährlich eine Pcn
sion voii 1500 Francs an meinen Vetter
zu zahlen hat. Dies entspricht genau
der Pension, welche er in feiner Bureau
stcllung erhalten haben würde. Nach
dem Tode meines Vetters hat beste
Wittwe Anspruch auf die Hälfte der
Summe."
Eine Pause dann vernahm
Aglae und Hyppolyte, wie iin Traum
befangen, wieder die Stimme de
Notars :
Außerdem haben meine Verwandten
noch Anspruch auf 100 Francs jährlich
so lange mein geliebter Jaquot lebt,
den ich ihnen hiermit vermache. Von
ihrer Sorgfalt für meinen theuren Ja
quot wird es also abhängen, wie lange
sie diese -summe erhalten werden
Nach d.'m Tode meiner Verwand
ten und meines Jaquot soll das
Kapital, welches sür diese Rente vor
yanocn, oem ranlcnyaus meiner
Vaterstadt zufallen, mit Ausnahme von
100 Francs, welche ich dem Zoologi
fchen Garten vermache. Derselbe soll
besser für die Ernährung der Abart
von Papageien sorgen, zu der mein
Jaquot gehört (weißer Kakadu mit
rother Haube)."
Und der Notar schloß mit demselben
weihevollen, ruhigen Tonfall; räuspert
sich wieder, und faltete seine Papiere
und Dokumente zusammen, nachdem er
noch hinzugefügt hatte:
Geschrieben am 22. Juni 1887,
mit eigener Hand, gesund an Körper
und Geist."
H orten se Toupin
Wenn die Cousine Toupin nicht schon
todt gewesen wäre, wer weiß, was dann
Aglae gethan hätte!
Was Hyppolyte anbelangt, so war er
überhaupt unfähig zu denken
Schon am nächsten Tage mußten si
das Haus verlassen, da der neue Besitze
leine Ansprüche gciieno manne, it
schieden mit dem kostbaren" Papagei
welcher eine Jahrcscinnahme von 100
Francs rcprasentute.
4.
Wie vergeßlich die Frauen oft sind
Zwei Tage später sagte Aglae
ihrem Mann:
sl kommt davon, wenn Du
nicht in der Aufwallung des Zorns
Deinen Abschied genommen hättest!
leben Jahre der Oual, um schließ
lich nichts gebessert zu sein!
Hyppolyt war ein großer Philosoph
geworden. Er antwortete mit keiner
llbe auf diese Bemerkung seiner Gat
tin; sondern streichelte nur leise den
Papagei, welcher fröhlich schrie:
Herrin lieb. . Suszes für Jaquot. .
Herrin . . . rin , . . !
Da Erste am Ziel.
Eine Radlcrgcschichlk von 0". 21. .
Im Gasthaus Zum goldenen Kreuz
war die allabendliche Stammtischrundc
wieder einmal vollzählig beieinander.
Tas Goldene Kreuz" war zwar keines
der feinsten, dafür aber eines der be-
suchtcstcn Gasthäuser der Stadt. Es
war noch vom guten, alten Schlag und
eit vier Generationen bei ein und der-
elbcn Familie. Was aber, nanicnt-
lich für die jüngere Herrenwelt, einen
Hauptanziehungspunkt bildete, das war
des Wirthes braunäugiges TöchtcrleiN,
die schöne Marie. Wenn sie einmal in
die Nähe des Stammtisches kam, vcr-
tummte augenblicklich selbst das inter-
essantete Gespräch, um einer Fluth von
mehr oder minder aufrichtig gemeinten
Komplimenten Platz zu machen. Denn
die Marie war nicht nur ein schönes, sie
war auch ein reiches Mädchen, und
obwohl nur Tochter eines simplen Gast-
Wirthes, hätte sich z. B. der junge
Amtsrichter, Baron v. Waldcn, Nicht
einen Augenblick bedacht, ihr Herz und
Hand anzutragen, wenn die Sache nur
o einfach gewesen wäre. Das war sie
aber nicht.
Tenn der Amtsrichter hatte gcwich-
tiqe Konkurrenten in der Bewerbung um
die Gunst der schönen Marie, ungercch
nct die große Anzahl der stillen Ver-
hrcr. Der eine davon war der reiche
Fabrikant Voith und der andere der
Forstassessor Wimplinqcr. Auch von dem
blonden Provisor Schiltmann munkelte
man allerhand, doch ward er von den
genannten drei Herren nicht für gcfähr
lich erachtet, denn den Weibern gegen
über muß man Schneid" zeigen
und davon besaß der Herr Provisor
nicht viel.
Meine Herren," sagte dcrAmtsrich-
ter. so kann es nicht fortgehen. Zu
dritt können wir das Mädchen nicht
hcirathcn und als wohlerzogene Tochter
ihres Vaters mag sie natürlich Keinen
von uns besonders begünstigen. ls
wäre daher das einzig crnunsiigc.
wir einigten uns zu Gunsten eines von
uns."
Topp, das ist 'ne Sache!" rief der
Fabrikant, .treten Sie und der Assessor
zurück, ich bin's zufrieden."
Oho." riet der Forstasiessor. so
schnell schießen die Preußen nicht. ES
kommt meines ErachtcnS überhaupt
nur darauf an. wen von uns Dreien
sie mag."
..Natürlich." warf der Amtsrichter
ein. selbstverständlich! TaS wäre der
kürzeste Weg. Aber wie schon gesagt
man kann sie vor eine derartige Ent
schcidung nicht stellen, dazu ist sie noch
viel zu viel Kind. Ich wette, wir bc
kämen auf diese Art alle mit einander
einen Kord. Nein, meine Herren,
wcig einen vcncrcn or cyiag. 2tr
sind ja alle Radfahrer und so viel ich
weis;, von zicinlich gleicher Oualllät
Wie wär s, wenn wir in ehrliche,
Wettstreit um sie kampsteii? Wir sah
ren nächsten onntag Punkt 4 Uhr
Morgens nach dem Hellersteiii. daS sind
"5 Kilometer. Wer der Erste am Ziel
ist. erwirbt sich damit ausschließlich das
Recht, um die Hand des Fräulein
Marie anzuhalten und die anderen
Zwei müssen in einer für alle Welt,
ganz besonders aber für den Gegenstand
unserer Bewunderung ersichtlichen
Weise zurücktreten. Hat dieser Erst,
kein Glück, so kommt der Zweite an die
Reihe und hat er das gleiche Pech, nun
so hat auch der Tritte Gelegenheit,
sein Heil zu versuchen."
Bravo," rief der Fabrikant, das
ist ganz was NcucS."
Wär's nicht einfacher, wir knobelten
sie gleich aus?" frug der Forstasscssor
mit leisem Spott, es käme ganz aus
dasselbe hinaus."
Aber ein lautes Pfui" der Ent
rüstung der beiden Anderen bezeichnete
seinen Vorschlag als mit erdrückender
Maiorität abgelehnt.
Nun. so radeln wir halt aus,
meinte er glcichmuthiq.
Und Sir, Herr Schiltmann.
wandte sich der etwas übermüthig ge
wordene Amtsrichter an den Provisor,
der der ganzen Debatte schweigend zu
gehört hatte, wollen Sie nicht auch
mit von der Partei sein? Vielleicht
stechen le uns Alle aus!"
Ter Zufall enthebt mich dessen, ob
ich will oder nicht," gab der Provisor
zur Antwort. Denn meine Maschine
,ft defekt und darum in Reparatur."
Schade, wirklich jammerschade.
näselte Baron von Waiden. Nun
am Ende haben wir alle Drei kein Glück
und Sie führen als Vierter die Braut
heim."
Lautes Lachen der ganzen Gesellschaft
begleitete die Worte des Barons.
Ter Sonntag kam und pünktlich
wie verabredet, waren die drei Herren
abgefahren, die übrige Gesellschaft per
Ä'agcn hinterdrein. Es war ein Herr
lichcr Morgen. In goldenem Sonnen
glänze lag das noch ruhige Städtchen
nur hier und da huscyte eme emsige
Dlenstmagd über die Straße.
Im goldenen Kreuz" aber waltete
als eine der Ersten das schöne Wirths
iocyicncin vereng lyrcs Amtes, iic
deckte weißes Linnen auf und schmückte
mit duftigen Blumensträußen die lau
gcn Tische. Und durstig, wie der Rös
lein schönstes, war sie selbst anzu
schauen.
Ta öffnete sich plötzlich die Thüre
und der Provisor trat ein.
Wie, so früh schon?" fragte sie und
lachte ihn an, wie die onne drauszcn
die Fluren. Sind die Herren schon
zurück oder sind ic gar nicht mitge
ahrcn?
Nein, ich bin nicht mitgefahren,"
gab er mit Nachdruck zur Antwort
.Und ich hatte auch gar nicht Sieger
ein mögen.
Wie, gelte ich Ihnen so wenig?
am es fast vorwurfsvoll von ihren
Lippen.
die gelten mir zu viel, Marie
Wenn ich denken müßte "
Nun, was denn, ist s was gar so
chnmmcs, daß cic es nicht sagen
können (
ya uno nein, zusi wie mans
nimmt. Aber ich habe mir vorgenom
men, es Ihnen zu sagen, selbst auf die
Gefahr hin, daß daß Marie" cr
aßte ihre Hand ich habe Sie stets
hoch gehalten und Ihr Bild in meinem
Herzen gewahrt wie ein Kleinod, das
man ja doch bewundern darf, wenn
man es auch nicht besitzen kann. Ich
habe keinen andern Wunsch gehabt, als
ic dereinst glücklich zu sehen und nun
mutz ich erleben, daß man Sie wie eine
Waare aushandelt, daß man in frivolem
Ucbermuth um Sie streitet und Sie
Sie sind herzlos genug, dieser unzarten
Werbung"
Aber Herr Provisor," unterbrach
ihn Marie.
ic mögen mir zürnen, Marie,''
uhr er fort, aber ich sage, es ist
chlecht. grundschlecht von Ihnen, daß
Sie sich so dem ersten Besten, der sein
Glück nur seinem Radeln verdankt, an
den Hals werfen."
Er mußte sich abwenden, denn eine
Thräne war ihm in die Augen getreten.
Auch Marie war ernst geworden, sie
öffnete schon den Mund zu einer heftigen
Erwiderung, doch schien sie sich eines
Anderen besonnen zu haben und der
lustige Schalk huschte über ihr rosiges
Gcsichtchen.
Sie haben ganz recht. Herr Pro-
visor." sagte sie. avcr was will ein
Mädchen machen. Es muß doch Einen
heirathen. der sie will, und kann nicht
Einen nehmen, der sie nicht will, zum
Beispiel so einen unbeholfenen Pro
visor, der, anstatt eine Strafpredigt zu
halten, viel einfacher gefragt hätte.
mein liebes Mädchen, wie was' dc
mit mir?"
Schiltmann drehte sich jah herum.
Marie." jubelte er. scherzest ?.
oder träume ich. oder bin ich übergc
schnappt?"
ES ist zwar schlecht, grundschlecht,
sich Jemanden, an den Hals z wir
scn "
Marie, kannst Tu mir verzeihen?
Komm', laß mich's von Deinen Lippen
küssen. Mein willst Tu fein, Tu
Goldliud. Tu liebes Mädchen, mein,
ganz mein?"
Wenn Tu mich magst."
Hurrah, hurrah!" rief der über
glückliche Provisor, Erster am Ziel!
Aber der Vater, was wird der sagen?
Ja und Amen, Kinder." tönte dir
sonore Stimme des KreuzwirtbcS da
zwischen, ich hbe schon lange gewellt,
daß Zwischen Euch was vorgebt und
Ihnen gönne ich daS Mädel von Herzen.
Machen Sie rö glücklich."
Das will ich." betheuerte Schilt
mann und drückte seine, künftige,,
Schwiegervater vie Hand.
Da auf einmal ertönte ein lautes
Klingling.
Sie kommen! Sie kommen!"
Und die Thüre ward aufgerissen und
herein stürzte der Amtsrichter, staub
und schwrißbcdcckt. einen mächtigen
Blumenstrauß in der Hand.
Erster am Ziel!" rief er, doch hielt
cr gleich darauf verdutzt inne, als er
das sich innig umschlungen haltende
Paar vor sich sah.
Ich gratulirr." sagte der Kreuz
Wirth lächelnd. Sie haben sich wacker
gehalten. Und da Sie dies Ereigniss
nicht vorübergehen lassen werden, ohne
cs zu feiern, so feien Sie und die
übrigen Herren zur Feier der Vcr
lobung meiner Tochter mit dem Pro
visor Schiltmann herzlichst eingeladen."
Tas Radier . Zerzctt soll sich mit
Ucbcranstrcngung entschuldigt haben,
was man ihm auch gern geglaubt hat.
Ttv elektrische Portier.
Die Pariser Geschäftswelt lacht herz
lich über einen guten Spaß, der kürz
lich in einem jener .Häuser der großen
Boulevards sich zutrug, die vom'Kcllcr
bis zum Dach ausschließlich Räume für
kaufmännische Zwecke enthalten
daher Nachts ganz menschenleer sind.
Der Portier des Hauses, sein einziger
Schlafbcwohner, hatte den Erfinder
gcist, cr intcrcssirte sich lebbakt für W
Wunder dcr Elektrizität und hatte einen
Apparat hergestellt, dcr des , Nachts
sämmtliche Räume mit dcr Portierloge
verband und ihn durch heftiges Kliii
gcln weckte, sobald jemand ein Bureau
unbefugt betrat, ihm zugleich die Num-
mcrn des betreffenden Raumes ameh
gcnd. So war cs ihm in der That
schon mehrmals gelungen. Diebe abzu
fassen, und er war höchst stolz auf seinen
ingeniösen Einfall. In einer der lYhtnt
Nächte weckte ihn wieder heftiges Klin
gcln. Er zicht sich fchncll an,' eilt nach
dem angezeigten Zimmer und sieht in
dcr That bei schwachem Lichtschein eineui
Mann am Gelds'chranf bantire,,.
heranschleichen, den Mann packen und
zu Boden werfen, war das Werk eines
Augenblicks bei unserem vflickttrcnen
Beamten. Aber o Scbrecke,, ! her
Mann schien ein Herkules: Viel stärker
als dcr treue Wächter, packt er diesen
bei der Kehle und wirft ihn nieder.
Beim Herumbalgen am Boden kommen
sie dem Lichte näher, und der Itr-mh
stoß! auf einmal ein lautes Lachen ans
und läßt von seinem ClUrr nh m
flackernden Täinmcrlicbt erkennt cktev
Thürhüter den Eindringling: Er ist dcr
Ehcf des betrcffcndcn Gcsckästs, der i
der Nacht ein dringendes, ihn zu einer
chncllcn Reise zwinacndcs Telegramm
bekommen hat und 'hierher geeilt ist.
uni sich Geld einzustecken. Ter Portier
oll heute noch seinen Rücken iüürm nd
aus die ganze elektrische Industrie sehr
cyiccyl zu sprcchcn scin.
Heimgezahlt.
Ein Seemann war weacn eine Sckli-
gcrci geladen. Als er zum Verhör kam,
fragte dcr Richter: Kennen Sie den
Citanten näher ?"
Seemann: Ich weiß nickt, was der
Richter hiermit meint."
Richter: Na. Sie sind mir ein icktt-
er Zeuge, wenn Sie nicht einmal wis
scn. was ein Citant" bedeutet. Toch
zur Sache: Können Sie mir waen i-
welcher Seite des Schiffes die Schlägerei
vor sich ging ?"
Seemann: Aus dcr Back, an Steuer.
bordscite. "
Richter: Was heißt das?"
Seemann: Na. Sie sind mir ack
ein schöner Richter, wenn Sie nicht ein
mal verstehen, was das heißt."
sprach und wurde weacn urnie-
bührlichcn Betragens in Arrest geführt.
Tas einfachste Barometer.
Ein einfaches Stückchen Scknur kann
bequem zur Erkennung des steigenden
oder sinkenden Luftdrucks eigentlich
nur des ?scucht,gkcitsackaltcs der ihrit
benutzt werden. Man nrbme ein
wenigstens zwölf Zoll langes Sliick
Schnur, tränke es mit gesättigter was-
crigcr Kochsalzlösung, lasse es trocknen
und knüpfe dann an das eine Ende ein
leichtes Gewicht. Tas Ganze Irird an
einer Wand, wo die Außenluit leichten
Zutritt hat. aufgehängt, und man bc-
zcichnct sich die Stelle, bis wohin das
Gewicht hcrabrcicht. Bei feuchtem
(schlechtem) Wetter wird dieses steigen,
bei herannahendem gute, trockcn'cnN
aber fallen.