Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 16, 1899, Image 9

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    V
'
lzallbcrgs erste ttck
0me liinige jidiict)tr. von Alwin Römer.
La8 kleine Souper beim Tirektor
Halldcrg war zu (nök. E war vor
treffl,-ch' grwcien. nne immer in dem
Hause diekcZ Gliufspilys, dem keines
seiner großen Unternehmen fehlschlug.
Pier oder fünf Gange ohne große inrs
sen. auch keine allzu protzigen Wein
marken, nur zuletzt Heidsicck Monopol.
Im Familienkreise tranken L'allbergS
irgend eine gute deutsche Marke. Das
hatte vorhin der Hauptmann Winter,
der Schwager HallbergS. verrathen,
weil er dessen Rcigu.ig. deutsche Pro
dukte überall zu bevorzugen, theilte und
für sich und seine Kameraden, die mit
geladen waren, deshalb verlangt hatte,
der Haussitte entsprechend versorgt zu
werden.
Aber da war ihm doch Hallberg nicht
zu Willen gewesen. ES ist kein An
derer kalt gestellt '." hatte er lächelnd ge
meint. Uno die Franzosen wollen
auch leben!"
Darauf hatten sie Beide ein fröhliches
Gelächter angestimmt, in das auch die
beiden 'Schwestern, ihre Frauen, ein.
fielen.
Was war das eigentlich vorhin für
eine Geschichte, die Deinen, Schwager
und Dich so lustig stimmte, lieber
Odysseus?" fragte Lieutenant von
Wohlfcld seinen Freund Winter. Und
dieser rief dem Hausherrn zu: Tu.
Heinrich, mein kleiner Wohlfeld hier ist
rzugierig. Möchtest Du nicht die Ge
schichte Deiner militärischen Laufbahn
einmal zum Besten geben?"
Waren Sie denn Militär. Herr
Direktor?" fragten gleich drei, vier
Stimmen.
Allerdings!" erklärte schmunzelnd
Hallberg.
Ah" ,
, Bei meinem lieben Schwager Win
ter!" Eine kleine Versteinerung bemächtigte
sich der noch eben furchtbar vergnügten
Lieutcnantsgesichter und ganz verdutzt
schielten sie nach Winter hinüber, um
zu erspähen, wie der eigentlich dabei
aussähe. Aber dieser unberechenbare
Schalk, seiner mannigfachen großen
Reisen wegen Odysscus" geheißen,
verzog keine Miene.
Und wenn meine holde Schwägerin.
Deine ehr und tugendsamc Hausfrau,
nichts dagegen hat, will ich diese düstere
Episode meines Daseins gern erzählen!"
fuhr Hallberg fort.
'..Meinetwegen darfst Du Deine
Schande schon enthüllen!" lachte die
anmuthige Frau des Hauptmanns.
Nur male mich nicht allzu schwarz!"
Na. darauf laß ich es ankommen!"
entgegnete Hallberg. Ich weiß nicht,
ob 'Sie, meine Herren, mehr oder
weniger , Musterknaben gewesen sind,
denn davon hängt es ab. ob Sie Mit
gefühl für mich hegen können. Ich war
kein Musterknabe. Mein Vater, Lehrer
tmd Organist an der Moritzkirche in
HeimLcrgen, hätte gar zu gern eine
wissenschaftliche Leuchte aus mir ge
macht und drillte mich auf Griechisch
und Latein derart, daß mir schließlich
die Eskimos und Hottentotten Ideal
Völker wurden, weil sie keine sogenannte
Literatur" auszuweisen hatten. Aber
trotz alles Drills blieb ich erst in der
Tertia und nachher noch einmal in der
Sekunda des städtischen Gymnasiums
hängen. Ich konnte mich eben in diese
todten Sprachen nicht so verlieben, wie
das zu einem ersprießlichen Studium
nöthig gewesen wäre. Dafür aber hatte
ich mich um so ernstlicher in zwei schöne
muntere Backfischaugen verliebt, die in
dem blonden Kopfe der Doktorgrcte
saßen. Wir liefen zusammen Schütt
schuhe, wir gingen in denselben Tanz
stiindenkursus. und naschten auf dem
Heimwege aus einer Tüte! C schöne
Zeit, o scl'qe Zeit! Na, pro,,r, wreiei
Natürlich blieb ich Ostern in der
Untersekunda hocken. Ich weiß es noch
wie heute, was für ein furchtbares
Herzklopfen ich hatte, nachdem mir das
3Mnlt.it verkündet war. Lange traute
ich mich nicht nach Hause und wenn ich
irgend wie auch nur em paar iiicuer
hätte auftreiben können, wäre ich da
mals nach 5ambura durchacbrannt.
Na, schließlich ging ja dies Ungcwitter
auch vorüber, und da mein Alter mir
a:ckcfohlcn hatte, mich an jenem Tage
nicht wieder vor feinen Augen blicken zu
lassen, so verduftete ich zunächst in den
noch sehr frühjahrsmäßigen Garten,
dessen Laube mir um diese Jahreszeit
den besten Schlupfwinkel für den Ge
nuß einer dem Alten aus Rache ent
führten Sonntagscigarre gewährte.
Zugleich konnte ich von dort aus den
benachbarten Pastorgarten überblicken,
in dem Grete. zu einem Besuch bei
qwtni-a Kätbcbcn natürlich, mitunter
zu erscheinen pflegte. Es dauerte auch
P v .51. ; 1t S.
nicht lange, oa rauaue ,ic uu,. uuu
die mitverschworene Predigcrötochter
fcrtff mir heim Uebcrtlcttern und ging
dann, irgend etwas Vergessenes zu
Holen.
Wrmrr Heinrich!" seufzte alsbald
Grete. während ich that, als hätte mein
Alter keinen Finger um die dumme
Censur gerührt.
Mit' dem -Cirkus heute Abend ist's
freilich Essig!" theilte ich ihr darauf
mit. Wir hatten uns nämlich verab
redet, der wandernden Kunstreitertruppe
in unserem Städtchen einen Besuch ab-
zustattcn. ' '
Das ging doch so wie so nicht!"
antwortete sie erstaunt. Ihr seid doch
, heute bei uns eingeladen!"
"ftlH!
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A4r
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f ririfiriiirflrli'
nupuuf
Jahrgang 11).
Beilage zum Nebraska Staats-Anzeiger.
No. IV.).
Davon weiß ich nichts!" konstatirte
ich.
Freilich, Vetter Georg ist da "
Wer ist Vetter Georg?" inquirirte
ich. schon in jenem Augenblicke Unheil
ahnend.
Georg Winter, der Lieutenant von
den Pionieren. ein Kousin von Mama!"
WaZ will denn der?" fragte ich.
' Gott, was er will! Er kommt direkt
auS Indien, wo er mit einem Prinzen
gewesen ist und besucht uns! Komm
nur mit, es wird hübsch!"
Sie nehmen mich nicht mit! Das
weiß ich!" würgte ich bedrückt. Und
nicht wahr, Grete, wenn ich nicht mit'
kommen darf, dann bleibst Du auch
nicht auf? Versprich es mir!"
Natürlich schwur sie es mir zu
Wie ich es mir gedacht hatte, kam es.
Um sieben Uhr war ich allein daheim.
Da beschloß ich. einem Offtzierburfchen.
mit dem ich aus Pferdeliebhaberei
Freundschaft geschloffen hatte, einen
Besuch abzustatten.
Na. nich bei die Kunstreiter, Hein
rich?" empfing er mich.
Nee," sagte ich lakonisch. Kein
Geld!"
Js aber sehenswerih!" behauptete
er. Ich war gestern Abend drin, für
zehn Pfennig auf die Gallerie, weiss
doch für's Militär blos nur die Hälfte
kostet!"
Da durchzuckte mich ein kühner Ge
danke. Wenn ich als Militär ging?
Schippkcs Anzug mußte mir ungefähr
hassen: er hatte fast dieselbe Größe wie
ich. Zehn Pfennig mußte er mir dazu
borgen; die konnte ich ihm morgen
wiedergeben.
Selbstverständlich machte er erst Ein
Wendungen, da ihn die Vorstellung be
scelte. er könne erschossen werden, wenn
die Geschichte herauskäme. Ich bewies
ihm aber haarklein, daß kein Teufel
etwas merken würde, wenn ich hinten
herum durch die Schildcrgaffe ginge,
versprach ihm, mich bei der Abfassung
seiner Liedesbriefe, die ihm schmäh
liches Kopfzerbrechen verursachten, zu
betheiligen, und kriegte ihn endlich
herum.
Eine Viertelstunde später befand ich
mich als grüner Husar auf dem Wege
zum Cirkus. Das Kostüm, das mir
Schippke überlasten hatte, war zwar
nicht allererste Garnitur, aber es sah
doch noch ganz anständig aus. Nur die
Mütze hatte eine gottserbärmliche Fagott
und die Aermel der Attila waren
schauderhaft lang; denn SchiPPke hatte
wahre Schimpanscn-Arme! Aber die
Hauptsache war doch, daß dieser graue
Tag noch einen herzerhebenden Schluß
bekam! '
Na, und den bekam er auch. Unge
achtet meiner heißen Liebe für die Grete
von Doktors entflammte sich mein da
mals rtwas zunderiges Herz für ein
Kunstreitcrmadchen, so daß ich im Stil
len schon erwog, ob die Laufbahn eines
ersten Schulreiters der Welt." als der
Herr Rogallini auf dem Zettel verzcich
nct stand.- nicht auch seine glänzende
Seiten habe
Gegen elf war die Geschichte aus und
mit hochrothcn Wangen und glänzenden
Augen machte ich mich auf den Heim
weg. Nun schnell über den Anger
durch das Johannisthor in die Stadt
und dann hinten durch die Schildergafse
zu meinem Freund - Schippke' Aber
war das eigentlich nöthig, diesen Um
weg zu machen? Oben auf der Gallerie
waren so viel Menschen gewesen, die
mich alle für einen waschechten Husaren
gehalten hatten ! Wer sollte mich jetzt,
beim trüben Laternenlicht, als einen
unechten entlarven? So ging ich nicht
über den Anger, sondern den nächsten
Weg über den Markt, so recht durch die
breite Lichtgasse, die die Laternen vor
dem Hotel Zum Schwan" auf das
Pflaster warfen. Und da ereilt mich
das VcrlMNgniß.
Husar, Sie da. Husar !" ref mich
plötzlich eine Stimme an. Ohne Um-
stände zu machen, ergriff ich das Hasen
panier, aber der Unmensch, der meine
Bekanntschaft einmal machen wollte,
hatte längere Beine als ich und packte
mich nach wenigen Minuten.
Haben wohl keine Urlaubskarte?"
fragte er. Na. brauchen sich nicht zu
ängstigen; sollen mir blos 'mal 'nen
Gefallen thun !" Und da er nicht von
den Husaren war, sondern sich bei flüch
tiger Betrachtung als Infanterist ent
puppte, hielt ich ohne große Angst
weiter Stand. Wer sind Sie denn?"
fragte er, da ich trotz alledem ein ziem
lich unglückliches Gesicht machte. Ich
nannte den Namen meines Freundes
Schippke.
Schippke?" wiederholte er. Gut,
werde ich behalten. Haben Sie keine
Bange. Ich bugsire Sie nachher in
die Kaserne "
Ich wohne nicht in der Kaserne !"
Wo denn?"
Beim Lieutenant Rodewitz !"
' So? Da sind Sie Offiziersbursche?
Um so besser ! Tann können Sie sich
ja allein heimfinden! sagte er und
schob mich alsbald in den Schwan"
hinein, wo mich der Wirth mit einem
Kord Sekt und einer Anzahl Gläser
dazu belud.
Wortlos pilgerten wir dann durch
die finstere Nacht einem mir noch unbe
kannten Ziele zu.
Weiter ging's in die nächste Straße
und dann quer über den Denkmalsplatz
fort auf die Rosenstraße zu, in der
Doktors wohnten. Eine hcrzbeklem
mende Angst ergriff mich. Sollte dieser
langbeinige Lieutenant etwa der Cousin
der Frau Doktor sein? Das wäre doch
die niederträchtigste Bosheit, die sich das
Schicksal hatte leisten können !
Aber Sie wissen ja, wie das Schick
sal ist! Vor dem Doktorhause blieb der
Unmensch stehen, öffnete die Hausthür
und flüsterte: Hier herein, aber vor
sichtig. Es braucht Niemand etwas zu
merken !"
Ich wankte hinein, schlotternd, mei
ner Sinne kaum noch mächtig. Bitte,
schließen Sie nicht zu. Herr Lieutenant."
stotterte ich. Aber er hatte den Schlüssel
schon herumgedreht.
Ich werde Sie schon herauslassen !"
sagte er. Sie sollen für den Weg auch
ein Glas haben. Das gehört sich !"
Natürlich protestirte ich. Aber es
half nichts. Er schob mich vor sich her,
die Treppe hinauf in ein Vorzimmer,
stellte die Gläser auf die Tischplatte,
entkorkte vorsichtig ein Paar Flaschen,
schenkte ein und stieß dann plötzlich die
Thür zu dem nächsten Zimmer auf.
Halloh !" rief er. mit dem Rücken
gegen die Ausgangsthür gewendet so
daß ich ihn hätte umreißen müssen,
wenn ich hätte entwischen wollen. Und
erstaunt ergoß sich auf feinern Zuruf
alsbald die Gesellschaft herein. Ich
drückte mich scheu in eine Ecke, um
gelegentlich zu verschwinden.
Ja. Mensch, was soll denn das?"
rief ärgerlich der Doktor, worauf der
Lieutenant dann eine Rede hielt, daß
er damals beim Abschied versprochen
hatte, eine Batterie Srkt zu opfern,
wenn er glücklich heimkehre. Und da
der Abend' bis jetzt so famos verlaufen
wäre, so habe er im Einverständniß mit
seiner schönen Nichte die Einlösung die
fes Versprechens nach schnell in Szene
gesetzt. Er trinke auf das Wohl des
lieben Doktors und seiner prächtigen
Familie, insbesondere auf das von
Fräulein Margarete, die er zu seiner
freudigsten Ueberraschung als voller
blühte Jungfrau, aller Reize und Tu
genden voll, wiedergefunden habe!
Dabei warf er ihr einen Blick zu:
das Mark in den Knochen gefror mir zu
Eis! Und sie. die Falsche, Ungetreue,
erwiderte diesen Blick nicht nur. nein,
als er sich im Freudenräusche zu ihr nie
derbog und ihre Lippen suchte, schlang
sie sogar den Arm um seinen Hals
Weil es mein Onkel war!" konsta
tirte etwas kleinlaut die Hauptmanns
freut. Am liebsten hätte ich diesen Menschen
in jenem Augenblicke niedergestoßen.
Aber ich bezwäng mich, weil ich die
ganze Situation nicht gerade allzu ein
ladend für eine Eifersuchtstragödie
hielt. Jetzt würd? auf einen Augenblick
die Thür frei. Schon war ich halb
draußen. Aber da packte er mich zum
zweiten Male, der Fürchterliche.
Husar!" schrie er. Was soll denn
das? Sie müssen doch erst Ihre Beloh
nung haben! Hier, trinken Sie zunächst
'mal! Prost!
Und damit schleifte er mich in's Licht.
Geistcrblcich stand ich, die Blicke auf
dem Erdboden, mechanisch den langen
Aermel von der rechten Hand zurück
streifend. Alles sah mich an. Das
fühlte ich. Plötzlich aber fing eine süße
helle Mädchcnstimme an, ganz abscheu
lich zu lachen.
Heinrich! Nein, wie siehst Du aus!
Zu komisch!" prustete Fräulein Grete.
Dann kam die Katastrophe
Mein Vater versprach mir für den
nächsten Morgen ganz kolossale Sachen,
während ihn der Doktor und der Lieute
nant zu beruhigen versuchten. Grete
sah mich mit so spöttischem Mitleid an,
als ich endlich hinausschlcichen durfte,
daß ich fühlte, wie entsetzlich oberfläch
lich ihre Liebe zu mir gewesen sein
mußte. Sie war meiner nicht werth,
das hatte ich in jener Viertelstunde er
kannt. Wie ich draußen über den Flur ging,
ein gebrochener Mann, faßte plötzlich
eine kleine weiche Hand nach der inei
nen. Es war Irene, Gretens Schwe
sterchen, die man auch nicht allzu nett
behandelt hatte, wohl weil sie noch kurze
Kleider trug. Ich hatte sie ein paar
Wochen vorher einmal von der Eis
bahn, wo sie gefallen war, auf mei
nen Athletenarmen nach Hause ge
schleppt, um ihr das häßliche Hinken'zn
ersparen. '
Lieber, lieber. Heinrich!" flüsterte
sie und drückte mir eine Apfelsine in
die Hand, die sie sich bei Tisch zum
nächsten Tage aufgehoben hatte. Sehen
Sie, die hatte ein Herz, die habe ich
denn nachher auch geheirathet. wie ich
mein Glück gemacht hatte. Und das
ging ziemlich schnell. Am anderen
Morgen schon verkündete mir mein
Alter, daß ich die Gymnasiumsbänke
nicht mehr zu drücken brauche, sondern
auf ein Technikum solle, was ich mir
immer gewikischt hatte. Von da ab
war ich der fleißigste Mensch der Welt.
Mein Alter war bald versöhnt, als er
sah, wie es vorwärts ging, und segnete
schließlich den Tag, an welchem ich ihm
in der Uniform Schippkes unter die
Augen gekommen war! Und da die
Verwünschungen, die ich in jener Nacht
auf das Haupt der Treulosen häufte,
glücklicher Weife nicht eingetroffen sind,
so denke ich selbst auch an diesen
Wendepunkt meines Daseins mit gro
ßem Vergnügen' Lernte ich doch zu
gleich das gute Herz der kleinen Schwe
ster kennen, die mir all' den Kummer
jener Tage, den mir die große bereitet
hatte, reichlich wett gemacht hat. Ich
denke, meine Herren, das ist die beste
Gelegenheit zu einem frischen Glas!
Auf Alles, was wir lieben!"
Es lebe die Hausfrau!" jubelten
die Gäste. :
Und meine erste Liebe, die Doktor
grete!" rief Hallberg und nickte seiner
Schwägerin zu, die erröthend das Glas
hob und mit ihm anstieß.
Morsch.
Eine üschichke aus Oesterreich.
I i a F e r e t I i.
Von Em i-
Der junge Baron Fichten war nach
jahrelanger Abwesenheit in die Heimath
zurückgekehrt. Man hatte ihn, jung
an Jahren, einer fernen Gesandtschaft
zugetheilt, um seine Carriere vorzube
retten. Die Fichten mußten alle Car
riere machen. Das war Tradition.
Einer sorgte für den Anderen, der
Gehende (iir den Kommenden. Für
ihn hatte sein Oheim Freiherr Markus
v. Fichten gesorgt, der einst selbst durch
verwandtschaftliche Unterstützung so
rasch in die Höhe gekommen war, daß
im Kreise seiner Berufsgenossen eine
kleine Palast-Revolution ausbrach. Er
erklomm in der Folge trotzdem die
höchste Höhe, freilich um wenige Jahre
später ungnädig genug verabschiedet zu
werden. Dann zog er sich mit seiner
Gattin auf ein kleines, weltverlassenes
Gut zurück, wo er zuerst grollend, dann
mit dem Gleichmuthe eines Weisen feine
Tage verlebte. Er hatte nur noch das
eine Streben, seinem Neffen, dem letz
ten Freiherrn Fichten, die Zukunft zu
ebnen. Und nur aus diesem Grunde
hielt er an den wenigen Beziehungen
fest, die dem in Ungnade verabschiede
ten Großen geblieben waren. Nun
war es ihm gelungen, feinen Neffen,
von dessen Geistesgaben er selbst eine
geringe Meinung hatte, in die Residenz
zurück. Es war also nur ganz in der
Ordnung, daß es dem jungen Fichten
danach verlangte, dem guten Onkel die
Hand zu küssen; denn ohne dessen Hülfe
hätte er sein Leben in irgend einem fer-
nen Erdenwinkel, unbeachtet von
Denen, die die Zukunft eines Beamten
machen, vertrauern können. Seiner
persönlichen Tüchtigkeit wollte er nicht
vertrauen.
Gegen Mittag an einem hellen
Wintertage, kam der junge Fichten auf
das Gut seines Onkels, er kannte es
noch gar nicht, es wär nach seiner Ab
reise durch Erbschaft in den Besitz der
Tante Charlotte gekommen, die hier die
Einsamkeit des Gatten theilte. Tante
Charlotte war auch die Erste, die der
junge Fichten zu sehen bekam, sie hatte
vom Garten aus die Straße hinaufge-
blickt und ihn kommen gesehen. Dann
war sie ihm entgegengegangen. Sie
fand ihn prächtig aussehend, auch
größer geworden sei er, meinte sie.
Dem Neffen siel in dem Wesen der
Tante eine gewiste Gedrücktheit auf, die
ihr vordem fremd war. Woher jetzt
die unterdrückten Seufzer, der bange
Ausdruck in ihre Mienen. Er fragte
unverhohlen nach dem Grunde, doch
Tante Charlotte wich seinen Fragen
aus. Du wirst es ja bald sehen,"
meinte sie. Sie traten in den Garten,
der das kleine Herrenhaus umschloß.
Wie an den Nadeln der Tannen, die
ringsum standen, die Eiskrystalle glitzer
ten, wie schwer sich mancher Aft unter
der Last des daraufliegenden Schnees
bog! Doch wie sonderbar, an der rechten
Seite des Herrenhauses ragte eine hohe
Fichte, deren Beste und Zweige aller
Nadeln entblößt wie ein Gerippe gen
Himmel starrten. Die Spitze fehlte
ihm, und etwa in der Mitte des Stam
mes war ein breites eisernes Band um
den Bauin geschmiedet und die großen
Aeste waren mit Draht aneinander ge
halten Die Tante war. als ihr Neffe
fragend zu dem 'Baume- hinblickte, "hf-
tig erschrocken. Dann sagte sie hastig:
Weißt Tu. von der Fichte darfst Du
zu Onkel Markus nicht sprechen, auf
keinen Fall, ich bitte Dich. Er wird
Dich zu ihr führen, wie Irden, der uns
besucht: hörst Tu, der Baum ist gesund
und grün."
Ich verstehe Dich nicht, Tante." er
widerte der junge Baron mit einem be
sorgten Blick. Ich verstehe Dich wirk
lich nicht. Onkel Markus wird doch"
Onkel Markus weiß nichts davon,
daß im vergangenen Herbste der Blitz
den schönen Baum zerschmetterte, Onkel
Markus ist seit zwei Jahren vollständig
erblindet."
Und davon erfahre ich heute?"
Er verbot mir, Dir davon zu schrei
den. Niemand weiß davon." .
Der junge Baron Fichten machte ein
betrübtes Gesicht und sagte: Der arme
Onkel!"
Dann ging er mit Tante Charlotte
in's Haus. Bald stand er vor Onkel
Markus, der ihn liebevoll in ,die Arme
schloß.
Du siehst. , ich vermag doch noch
etwas; die Hauptsache ist erreicht, Du
bist wieder in der Residenz, jetzt wirst
Du Deinen Weg schon machen." ,
Dies waren seine ersten Worte zu
dem Neffen, der seine Rührung kaum
bemeistern konnte. , ,:
Reich' mir. Deinen Arm, ich war
heute noch nicht im Freien, koinm'."
So führte der junge Baron Fichten
seinen Onkel in den Garten, ein paar
Schritte hinter ihnen ging Tante Char
lotte. ; ,,'',,
Ich gehe etwas schwer, man wird
alt, mein lieberJunge." Erst, nach
dem sie eine Weile Wortlos dahinge
schritten, blieb Onkel Markus stehen
und sagte: Ich kann Dir's ja doch auf
die Dauer nicht verheimlichen: Ich bin
blind, ganz blind, das wußtest Du
nichts aber auf das leibliche Sehen
kommt es weniger an, glaube mir,
man entbehrt es leichter, als Du giern
den magst."
' Der Neffe merkte bald." daß Onkel
Markus sich ob seiner Enthüllung. Pein-
lich berührt suhlte, und daß er den
Kummer, mit dem ihn sein trauriges
Gebrechen erfüllte, hinweqloa. Er be-
gann von seinem Aufenthalte der letzten
Jahre zu erzählen, von den Aussichten,
die sich ihm eröffnen könnten, wenn
Onkel-Ercellenz die Gnade hätte.! ihm
auch weiter behilflich zu fein; denn hier-
auf komme es vor Allem an.
Ich weiß, was ich meinein Namen
schuldig bin," erwiderte, der Onkel fast
beleidigt. Ich lebe nur für Dich."
Bald wurde er, wieder heiterer, man
plauderte von der Zukunft, von des
Neffen Verherrathung;, man hielt Mu
sterung nach einer passenden Braut für
den Jungen. Das war freilich nicht
leicht; denn die Freiherren, von Fichten
hatten es nie, zu Vermögen gebracht.
und Ihr Name hatte, seitdem Freiherr
Markus in Ungnade gefallen war, in
den vornehmen Kreisen keinen Klang
Aber hcirathen mußt Du," meinte
Onkel Markus heiter. Deine Car-
ncre wird Dich in den Stand setzen.
wählen zu dürfen; und für die Carriere
laß mich nur sorgen. Noch bin ich!"
Dabei waren sie in die Nähe des
kahlen, vom Blitze getroffenen Baumes
gekommen; Onkel Markus selbst hatte
den 'Neffen dahin, geleitet. ,
Da sieh einmal, das ist mein Lieb
ling, mein Stolz, , der Baum, dessen
Namen wir tragen. Ich weiß, so lange
diese Fichte frisch zum Himmel ragt, so
lange halte auch ich aus, . sie ist mein
Lcbensbaum. Man, wird abergläubisch
in der Ein amkett."
Er fuhr mit der Rechten kosend über
den i&tamm. -
Und so lange wir Zwei stehen, wirst
'a Halt und Stutze haben, mein
unge. Deine Zukunft ist nestckert.
sie steht so frisch und fest wie dieser
Baum hier.",
Der junge Freiherr faßte die Hand
des Onkels, er. küßte sie, . und eiue
Thräne fiel auf die weiße schmale Hand.
Immer noch so weichherzig, Junge,
das mußt Du ablegen. Mit dein Her
zen macht man nicht Carriere." .
Der Neffe blickte aber voll Wehmuth
in die dürren Zweige des Fichten
baumes, als sähe er in denselben seine
Zukunft.
Das Geburtstagsgeschenk. ,
Emilie Springer die jugendliche
Naive des Hoftheatcrs zu, N., brauchte
wieder einmal nothwendiges Geld.
Weißt Du was,", sagte sie eines
Tages zu ihrer, Kollegin Erna, der Vcr
trauten ihres Herzens., ich verkaufe
mein Fahtrad. Baron von Dallcnburg
schenkt nur ein neues, er hat es mir
gestern versprochen.", . . ,
Dein Rad ist aber doch noch so gut
wie neu," wandte die Freundin ein!
Allerdings, der Baron kauft mir ja
aber wieder ein neues,"' ' '.
Und was willst Du für Dein altes
neurs Rad fordern ?"
Hundert Mark."
Das ist ein sehr geringer Preis."
Emilie hatte bereits nach einem Käufer
infcrirt und wartete nun äußerst ge
spannt auf den Erfolg ihres Inserats.
T-er Baron von Dallcnburg war über
die Zumuthung der Künstlerin, ihr ein
neues Rad zu kaufen, wenig angenehm
überrascht gewesen. Da sie aber do
hauptcte, das Rad sei ganz kaput und
unbrauchbar, und der Baron außerdem
ein großer undvcrehrer war, blieb
ihm nichts übrig, als ihren Wunsch zu
erfüllen.
Weißt Du was," meinte er eines
Tages zu seinem Freunde Blanken
bürg, ich will mir ein neues Rad
kaufen."
Dein Rad ist aber doch noch so gut
wie neu," wandte Blankenburq ein.
Allerdings, ich will das Rad aber
nicht für mich, es soll überhaupt kein
Herrenrad sein."
Also Damenrad, ich verstehe."
Ich bewundere Deinen Scharfsinn.
Es soll aber kein neues sein, ein wenig
gebrauchtes wird es auch thun. Du der
stehst was von Fahrrädern, thu' mir
den Gefallen und sich Dich nach einem
günstigen Gelcgcnheitskauf um. Die
Dame ist mittelgroß."
Blankenburg erklärte sich hierzu mit
Vergnügen bereit. .
Schon nach einigen Tagen las er ein
Jnscri: Damenrad, Marke Sturm
roß, fast neu, billig zu verkaufen." Er
schrieb sofort einen Brief unter der an
gegebenen Chiffre, empfing tags darauf
hie Adresse der Jnferentin und kaufte
auch wirklich das Damenrad für seinen
Freund Dallcnburg, da der -Preis ein
mäßiger war.
In sehr vergnügter Stimmung eilte
dieser am nächsten Sonntage es war
Emiliens Geburtstag zu seiner noch
immer recht jugendlichen Naiven. Ein
Dienstmann begleitete ihn, der das
blitzsauber geputzte, wie neu aussehende
Stahlroß am Zügel führte.
' Emilie war entzückt über die Auf
opferung und Güte des Mäcens.
Nein, welch' prachtvolle Maschine!"
rief sie ganz hingerissen, und Marke
Sturmroß, die ich für die beste halte!"
Da," als sie das Geschenk naher be
trachtete, wurde sie , auf einmal merk
würdig blaß, dann wieder roth. Dann
mußte sie sich fetzen. Ein leichter Ohn
machtsanfall, der zum Glück rasch vor
überging. : Um Himmelswillcn, liebes Kind,"
rief der Baron, was ist Ihnen,?"
Sie hatte ihre Fassung bereits wie
der gewonnen und maß ihn, stolz auf
gerichtet, mit einem eisig kalten, der
nichtcnden Blick. Ich hätte nie ge
glaubt, daß mir das von Ihnen passi
ren könnte!" ,
. Ja. was denn?"
Schweigen Sie, kein Wort mehr!"
rief sie jetzt mit dem zürnenden Palhos
einer tragischen Heldenmutter. Sie
haben mir ein altes Rad gekauft, Elen
der. Mein eigenes Rad haben Sie mir
gekauft, das ich vor einigen Tagen für
Itt Mark verkauft hatte." ,
Oho, ich bitte sehr ich aber liebes
Kind"
Hinaus! Ich will Sie nicht mehr
sehen, nie mehr!"
Baron von Dallcnburg schlich geknickt
von bannen. , O dieser unglückselige
Zufall! ,
Er hat Emilie nie wiedergesehen und
verwünschte seitdem die jugentlich Nai
vcn und das Radfahren.
Seltsamer Urwald.
" Der Bataniker Jules Dallot hat vor
einigen Jahren, wie Ernst Morgenstern
aus Paris berichtet, einen Katalog der
Flora angefertigt, die sich in den 'Rui
iien des 1870 zerschossenen Rechnungs
hofes in Paris findet. Äie Trümmer
dieses Rechnungshofes werden jetzt ab-,
gebrochen, um dem neuen Orleans
Bahnhöfe Platz zu machen. Auf dem
Maucrwerk wucherten Vergißmeinnicht.
Nelken. Mohn, Veilchen, auf den Trep
pett; den Capitcllen der Säulen und
den Frontispizen sah man die blauen'
Blüthen des Bittersüß. Senf, Kohl.
Kresse, Linsen, Salat, Spargel. Cicho
rienblüthcn überall in den Hyfen, die
rothe Tomate reifte im Schatten des
Ahorn; Pappeln. Weiden. Kirschbäume,
Hollunder und Flieder erfüllten die
Amtsräume des ehemaligen Finanz
Ministeriums des Kaiserreiches. Unter
ihnen blühten Malven. Wolfsmilch und
Doldcnblüthe; an den Mauern rankten
Epheu und Winde in die Höhe, die
Erdbeere reifte und das Getreide wiegte
feine Achrcn im Winde. ' Alle ihre
Früchte und Samen dienten den zahl
lösen Vögeln, die in dem alten Mauer
werk nisteten, zur Nahrung. Nicht
weniger als 150 Arten umfaßte diese
seltsame Flora.
, .,. - Schlau. .
1 Herr: Sie haben Jhrcn Bräutigam
dem Gericht überliefert, um sich die
tausend Dollars zu verdienen, die auf
seine Ergreifung ausgesetzt siud?"
; Mädchcn: Gewiß, mit den tauscnd
Dollars wollen wir ja hcirathen. wenn
er heraus kommt!"
' Boshaft.
Fräulein A.: Franz sagte mir. ich
wäre das schönste und interessanteste
Mädchen aus der ganzen Stadt."
Fräulein 58.: Und mit einem fol
chcn Menschen der Dich schon von An
fang an belügt, willst Du Dich ver