Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 02, 1899, Image 12

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    liclvff rok
'.VcDtUrtr von K .1 ll St f.
..Bist Tu bald fertig Elly?"
Ja. Weshalb Beim ?"
Ick) möchte Tich 'mal was fragen."
Wlcid)!"
Sie faß auf ihrem Stahlrad und
fuhr eine kunstvolle Volte und noch eine
und noch eine. Tann sprang sie ab
und stand nun vor ihm, schlank, frisch
und reizend in ihrem dunkelblauen
Tuchkleid, mit rosigen Wangen und
lachenden Augen.
$t zog sie zu sich auf die Bank nieder.
Flli.' hast Tu mich lieb?"
.Aber natürlich. Komische Frage!"
Tu weißt, wir sollen uns verhei
rathen." Nichtig, das hatte ich ganz verges.
sen. Selbstverständlich wird nichts
draus. Nicht wahr?"
Weshalb nicht?"
Ja. Hans, das weißt Tu doch so
gut wie ich. Wir lieben uns ja gar
nicht; und solch eine Heirath aus Bestel
lung, die ist eben gut genug für
unselbstständige Menschen, nicht für
solche, die da wissen, was sie wollen,
lvie wir Beide "
Sagtest Tu nicht eben, daß Tu
mich lieb hättest?"
Ja, aber lieb haben und lieben,
das ist doch zweierlei. Sieh, wir ken
nen uns nun von Kindesbeinen an,
liaben zusammen Pferdchen gespielt, ge
meinsam Schelte bekommen und uns
um die besten Birnen gezankt. Noch
gestern haben wir seelenvergnügt mit
rinander in den Kirschdäumen gesessen.
Worüber sollten wir denn da plötzlich
himmelhoch jauchzen und zu Tode be
trübt sein?"
Er zeichnete mit seinem Stocke Figu
ren in den Sand und antwortete nicht.
Sieh mal, lieber Junge," sagte sie
überredend, die berühmte Liebe ich
meine, zarte Sehnsucht, süßes Hoffen
und so ähnlich, Tu weißt ja möchte
ich doch auch gern 'mal kennen lernen.
Du etwa nicht? Und dazu sollten wir
einander den Weg verlegen? Tas wäre
doch schön dumm von uns.
Und Tu meinst, daß wir miteinan
der dazu nicht gelangen könnten?"
Wir? Kein Gedanke. Nichts stimmt
bei uns. Seit ich ihn gesehen, glaub
ich blind zu sein." Ich bitte Tich,
wenn das bei mir zuträfe, müßte ich
armer Wurm ja von der Wiege an
blind gewesen sein. Und bei Tir:
Mich hat das unglückselige Weib vcr
giftet mit ihren Thränen." Muß das
nicht reizend sein? Und mit mir wirst
Du das niemals erleben."
Er lächelte. Nun, das ließe sich
allenfalls entbehren."
Und weil wir uns nicht lieben,
darum "
Wollen wir warten, wir sind ja
Beide noch jung," entschied er in seiner
ruhigen Weise, die ihn älter erscheinen
ließ.' als er war. Ich gebe zu. daß
es sich augenblicklich nicht ganz leicht
erkennen läßt, was in unserer gegen
fcitigcn Zuneigung Gewohnheit, Kin
dersreundschaft und was Liebe ist. Und
deshalb müssen wir warten bis "
Sie lachte. Warten! Wenn das
die Licbesprobe sein soll, meinetwegen!
Warten wir also bis bis nun,
sagen wir, bis die Blumen, welche die
steinerne Flora dort in ihrem Gewände
trägt, zu blühen anfangen."
Allerdings etwas viel verlangt.
Und nun kann ich also gehen mit mei
nein Korbe?"
Korbe! Wie Du redest. Hans! Wir
sind doch vollständig einig! Und nun
grüß' mir die Deinigen in Friedcnfeld
und komm morgen zeitig wieder, ja?"
Sie schaute ihm mit Befriedigung
nach. So war die Sache in schönster
Ordnung. Freilich, ein prächtiger
Mensch war er, kein Anderer ließ sich
mit ihm vergleichen. Aber sich so ein
fach von ihm nehmen lassen ach
nein, das Allerschönste in diesem sonni-
gen, blühenden Leben mußte doch noch
ganz anders zugehen, alle Dichter sag-
icn es, und die mußten es wissen.
Heinrich Heine zum Beispiel, was machte
der für Anstrengungen! Der riß aus
Norwegens Wäldern die höchste Tanne,
tauchte sie in des Actnas glühenden
Schlund und schrieb damit an die Him-
lelSdcckc: Agnes, ich liebe Dich."
So stand es wenigstens in seinem Buch
der Lieder."
Und Hans?
Nein, nein, mochte er warten, bis
das schwärzliche Gemüse im Schooße der
Flora zu blühen anfing!
Tu, Elli, ist Hans eigentlich ein
Komet?"
Weshalb, Küthchcn?" .
Ja. unser Fräulein saat. Kometen.
das wären so (Geschöpfe, die manchmal
da wären, und dann verschwänden sie
wieder, und meistens wunte nian nicht,
wann sie wieder kämen. Und Hans
bleibt doch nun auch weg, und Keiner
wein, ans wie lanae."
Ich weiß auch nicht," sagte Elli zcr
streut, des Schwesterchens astronomische
Vorstellungen unbcrichtigt lassend und
blickte auf den Weg nach Friedcnfeld,
dem Nachbargute, hinaus, vergeblich
wie nun schon seit acht Tagen.
Warum kam Hans nicht?
Sie wäre gern nach Fricdenfcld hin
übergefahren, wie sie früher so oft ge
than'. Tas aber hatte der Vater, der
seit dem Scheitern des Vcrmühlungs
Plans sehr übler Laune war, ihr ver
doten. Wenn er doch käme!
Wieder verstrich eine Woche und noch
eine. Hans kam nicht. Elli wurde
immer ernster und stiller. Ueberall
vermißte sie den Freund. Nicht einmal
das Radfahren machte ihr mehr Freude,
da er sie nicht mehr begleitete.
Einmal ging ein schweres Gewitter
nieder. Aus dem Nachbargut. wo Hans
trog seiner Jugend mit Umsicht und
Geschick des leidenden Vaters Stelle der
trat, hatte es in ein Arbeitshaus ein
geschlagen. Leute, die herüber kamen,
erzählten, daß Hans ruhig und euer
gisch inmitten der kopflos gewordenen
Törflerschaft die Löscharbeitcn leitete.
Ein Anderer wollte gesehen haben, wie
ein brennender Balten gerade aus die
Stelle niedergestürzt war. wo der
junge Herr" stand.
Nie im Leben, hatte Elli Stunden
so furchtbarer Angst durchgemacht, als
die Nachricht kam, daß der Brand ge
löscht und der junge Herr" unbeschä
digt sei.
Ihn auch jetzt nicht sehen zu dürfen!
tyrn n,i,i 'itnni rtriin fii niitlt
III llii(y.wi v . v... . - ,.
länger, 'sie setzte sich auf ihr Rad und
fuhr hinüber, dein väterlichen Gebote
zum Trotz. Aber als sie das wohlde
kannte Herrenhaus durch die Parkbäuine
schimmern sah. übersiel sie ein räthsel
Haftes Gefühl, eine Scham, die ihr das
Blut in die Wangen trieb. Sie bog
auf einem Seitcnpfade ab.
Dann versuchte sie, ihm aus den We-
gen zu begegnen, die er kommen mußte.
Am dritten Tage traf sie ihn. Er saß
zil Pferde und grüßte, ohne anzuhalten.
freundlich aber flüchtig zu ihr hinüber.
Von da an erhielt das Stahlrad Ur
laub auf unbestimmte Zeit und durfte
in einem Schuppen stillen Betrachtun-
gen nachhängen.
Nach Wochen kam die Nachricht, her-
über, daß Hans verreisen wolle, auf ein
halbes Jahr oder ein ganzes, man er-
fuhr es nicht genau.
Elli erschrack. Tann kam ihr em
schwacher Trost: Nun mußte er kom
men, um Abschied zu nehmen.
Er kam auch, aber zufällig gerade,
als sie vom Hause abwesend war. Man
bestellte ihr seinen Abschicdsgruß bei
der Heimkehr.
Da schlich sie sich auf den Boden hin-
auf zwischen alte Spinnräder und vcr
staubte Willkommcn-Transparcntc, wo
Niemand sie suchte, und weinte aus
Herzensgründe.
Am Abend desselben Tages trieb es
Elli hinaus in den stillen Garten, wo
das Mondlicht mit ruhiger Pracht die
pätloiiimcrblumen bestrahlte und der
Lufthauch mit leiser Liebkosung über
ihr Haar strich. Aus einem offenen
Fenster drangen die Töne eines Liedes
herüber, das 'die Erzieherin drinnen
mit weicher Stimme zum Klavier sang:
Er wird wohl gar in das Welschland
geh n,
Und die Frauen sind dort so falsch und
schön."
Fester legte sich der Reif stummer
Qual um Ellis Brust. Ja, er würde
fortgehen und viele, schöne und liebens
werthe Frauen finden, und eine davon
würde er schließlich heimführen als
künftige Herrin von fricdenfcld.
Sie aber wurde von fern stehen und
keinen Antheil mehr haben an seinem
Geschick. Thörin, unbegreifliche Thö-
rm. die sie gewesen war!
Sie dachte nicht mehr an Dichter
und Licbeslieder. Heine und seine
Ricsenfeder lagen ihr weltenfern. Die
fremden Töne waren verstummt vor
dem lauten Pochen in ichrer eignen Brust.
Wenn sie ihn nur einmal noch sehen
und ihm sagen könnte: Geh nicht von
mir im Groll, ich wußte ja selbst nicht,
wie lieb Du mir bist."
Aber morgen, bei Sonnenaufgang
fuhr er, und wenn er wiederkam, war
das, was etwa noch an Liebe zu ihr in
ihm lebte, längst gestorben und verges
sen. Rings umher hoben sich aus den
Gartenbcctcn die hellen Blumen und
blickten sie im Mondstrahl an wie fra
gende Gcfichtchcn. Aus dem lichtum
flossciicn Gebüsch drüben sah grau und
gespenstig ein halb vcrwittcrtcs Stcin
bild. Ihr übermüthiges Wort kam ihr ins
Gedächtniß zurück: Warten wir, bis
die Blumen im Gewand der steinernen
Flora zu blühen anfangen." x
Und plötzlich durchzuckte sie ein Ge
danke. Drüben am Parkgittcr die
Flora und hier die Blumen ein ein
ziges Zeichen, ein letztes konnte sie ihm
geben, liebte er sie, dann würde er es
verstehen und sie vielleicht nicht auf
geben und vergessen, liebte er sie nicht,
so waren ihm ihre Worte wohl längst
entfallen, und sein Auge würde gleich
gültig über das Steinbild hinwegglei
teil. '
Wcnigc Minuten später schlich sie
mit zusammciigcrafftcr Schürze scheu
und vorsichtig wie zu einem Stelldichein
dem Florastandbilde zu. Jetzt bog sie
um das letzte Gebüsch und
Hans!" Mit einem Aufschrei prallte
sie zurück.
Da stand er und zog gerade die
Hand zurück, mit der er einen Pracht
vollen Strauß Spätsommcrroscn in
das aufgeraffte Gewand der stcincrncn
Göttin gelegt hatte.
Einen Augcnhlick war es ganz still
zwischen Beiden. Tann sagte sie lcisc,
vorwurfsvoll:
Warum bliebst Du so lange fort?"
Weil ich mir darüber klar werden
wollte, ab Tu Recht hattest bei unserer
letzten Unterredung," antwortete er.
Nein, Tu hattest Unrecht, gnz Un
recht, wenigstens was mich anbetrifft.
:Z.t liebe Ticd doch und hatte die on
nung. Tich zu besitzen, fest. Tarum
legte ich 1? zum .'lbichicdsgruk di
Rosen dorthin sie blühen ja nun. di
Blumen Deiner aIcu."
Hans!" rief stf. es klang wie ein
Jauchzen. Tie Zivscl der schürze ent
sielen ihren bebenden Handen, ein
Blumenregkil fiel auf das Oiras zu sei
nen Füßen nieder.
Ach, Hans, ich wollte ja ganz das
selbe thun!"
Im weißen Licht, das durch- Laub
gittcr fiel, schien die steinerne Göttin
freundlich auf das Paar hcrabzulachcln.
Tas war hübsch von ihr. denn sonst
empfangen Tamcn im Allgemeinen
nicht gcrn Blumen, die für Andere be
stimmt sind. Tasür durfte sie nun
auch Zeuge fein, wie zwei glückliche
Menschen sich den Brautkuß gaben :
und das bekommen sonst nur Wenige
zu sehen ein paar Parlbaume etwa
und der Mond und Amor,' der Schalk.
Eine (5oIMciratb.
(eichichle auö Rußland von I. rauichek.
Es war im Winter, und der Tag
ging zur Neige.
Fußhoher Schnee bedeckte die Straßen
Moskau's, blitzte im fahlen Licht der
aufflammenden Gaslatcrncn und
knirschte unter den Tritten der Fußgän
gcr und unter den Geleisen der gleiten
den Schlitten.
Auf der Powarskaja. der Hauptstraße
des Aristokratcnstadtthciles, stand vor
dem Palast des Grafen Kuragin eine
elegante Egoistka. auf dem Sitz des
schmalen Gefährtes lag ein dickes Bären
seil, und ein wohlgenährter Kutscher in
bauschigem Pelz und verbrämter Sm
mctmütze hielt stramm die Zügel des
feurigen Rappen, der ungeduldig den
Schnee stampfte.
Im Eabinet des Grafen Sergei
Michailowitsch Kuragin brannte die
Lampe und verbreitete unter einem ver
hüllenden Seidcnschirm gedämpfte Helle
über die hohen, rothledcrnen Sessel
und den grauen Marmorlamin des ge
täfelten Gemaches. Bor dem silber
beschlagenen Ebcnholzschreibtisch saß der
Hausherr, und rieb Tabak in ein Packet
Eigarcttenhülscn, während ihm gegen
über sein Gast Nikolai Nikititsch Andro
now einer der reichsten Kaufleute
Moskau's in einem Schaukelskuhl
lehnte und lebhaft auf ihn einredete.
Auf einem carinortischchen brodelte
der silberne Samowar, und Wassili,
der Kammerdiener Sergei Michails
witsch's bereitete den Thee und stellte
die dampfenden Gläser, Eognac und
eingemachte Früchte vor die plaudern
den Herren. Graf Kuragin nippte ab
und zu von dem heißen Trank, Nikolai
Nikititsch goß sich denselben in den ge
schliffencn Krystalluntersatz, schlürfte
mit Behagen, und der lautlos ad- und
zuschreitende Wassili hatte immer tok--der
das Glas zu füllen. Endlich lag
dasselbe umgestürzt auf der Unterschale,
ein Zeichen für den Diener, dasselbe
nicht mehr zu füllen.
Also abgemacht", sagte Nikolai
Nikititsch, sich erhebend. ,,Dri,t Sohn
Boris hcirathct meine Wjcra und macht
sie , zur Gräfin; dafür erhält er eine
Mitgift von 5 Millionen, gerade recht,
den verblaßten Glanz Eures Hauses
aufzufrischen. Nichts für ungut Brü
derchen, Tu hast aus Teincm Nest die
Tauncn arg geplündert, und Tein
Erbe möchte in Zukunft gerade nicht
weich darin gebettet fein. Na, will's
Gott, so füttere ich es Euch wieder recht
wohl und warm zurecht und setze noch
dazu meine Goldtaube hinein."
Sergei hörte mit sorgenvoller Miene
die Worte Andronows und erwiderte:
Boris ist aufgewachsen in den Vor
urtheilen seines Standes, und es wird
schwer halten, ihn zu einer Heirath mit
der Tochter eines Kaufmanns zu be
stimmen, dessen Familie noch dazu zu
den früheren Leibeigenen der Kuragins
gehörte, mag derselbe auch zehnmal
Millionär und der Freund seines Va
ters fein. Aber Noth bricht Eisen, und
angesichts unseres unausbleiblichen
Ruins wird er sich in meine Wünsche
wohl fügen müssen!"
Ja. Seele mein," lachte Andranow,
dem Grafen zum Abschied die Hand
reichend, Deine Sache ist es, Boris
Scrgcjewitfch begreiflich zu machen, daß
Titel ohne Mittel ein schnurriges Ting
ist. 's ist nur, weil wir so alte Freunde
sind, sonst wäre mir Dein Sohn noch
lange nicht gut genug für mein schmuckes
Hcrzblättchcn. Also topp, morgen mag
er bei mir als Freier anklopfen, und
nun Gott befohlen!"
Der Graf begleitete seinen Gast bis
an die Freitreppe und kehrte den Schritt
dann zu den Gemächern seines SohncS.
Nikolai Nikitisch aber glitt in seinem
Schlitten zufrieden über die beschneiten
Boulevards, um sich nach dem Kauf
mannsclub zu einer Whistpartic zu be
geben. Wjcra Nikolaiewna ist sehr schön, die
hohe Gestalt graziös und biegsam ; das
seine1 Antlitz hat einen blassen Elfen
bcintcint, aus dein purpurne Lippen
schimmern. Ueber der cdlcn , Stirne
ringclt sich scidcnweichcs, dunkles Gc
lock, und die märchcntiefcn Braunaugcn
blicken so räthsclhaft. Sie ist in Peters
bürg zur Weltdame gedrechselt worden
und vollkommen chic. Jetzt sitzt sie vor
dem Flügcl, und ihre schlanken Finger
gleiten meisterhaft Über die Tasten.
Graf Boris wendet ihr die Notenblätter
um. Beide sind innerlich voll Groll
auf einander, obwohl sie sich gestern
verlobt hatten. Er zürnt ihr. das sie
ks vcrmaa. sich für einen klinaenden
Namen zu verkaufen sie ist empört
darüber, das; er seine Mannesehre fü
Millionen dadinaibt. Wiera bat il)
Spiel beendet mit einem plötzlichen,
oissoiiirenocn viccoro.
Ich habe Kopfschmerz und muß rnid
irii.szickcr!, enti'chuldiaen Sie mich
Graf." spricht sie zu Boris, und reicht
ihm zum Abschied die iZiligerspitzkn.
Er verbeugt sich und sieht, wie sie
mit ihrer Fußspitze die Marschall-Niel
Rosen zur cite schiebt, die von ihm
kamen und merkwürdigerweise ihren
Platz auf dem Tisch des Salons gefun
den hatten. Der Aergcr röthet ihm die
Stirn: doch galant drückt er seine Lip
pen auf die ihm dargebotene Hand und
verläßt das Gemach. Wjeras Blicke
banoen sinnend an dem Tabintchreiten
den. Es dämmert bereits das ist die
kunoe ocs ocimiicgcn Jauoers.
Es ist ein unerträglich heißer Tag
wie solche vorzukommen pflegen im ruf
fischen Hochsommer.
Gräfin Wjera lebt mit ihrem Gatten
aus einem Gut bei Podolsk. Jetzt
sitzt die junge Herrin im Partcrrcsaal
des SchlosscS und ficht vorqclcqte
Pläne durch zur Verschönerung des
Parkes. Es war ihr Freude, Alles
um sich her in ein Feenreich zu ver-
wandeln, und der Graf läßt sie schal
ten und walten. Sie erwartet ihn
zum Tincr, und die silberschimmernde
Tafel tragt zwei Gedecke, feonst spei cn
sie auf dcr Veranda, aber heute verbrci
tet die Julisonne brennende Gluth: hier
nur im Saal herrscht angenehme Kühle,
die durch den Marmorfußboden noch
erhöht wird. Wjera gefiel dies fürst
liehe Gemach, in dessen hohe Bogen
feilster die Zweige der riesigen Edel
tannen hereinnicktcn, die Peter der
Große gepflanzt hatte, als er einst als
Gast hier verweilte, und hinter denen
sich die herrliche Steinkirche erhob, zu
dcr von ihm der Grundstein gelegt wor
den war.
Es umgab doch ein eigener Reiz so
ein ahnencrcrbtes Bcsitzthum; lächelnd
streifte die junge frau mit ihren
Blicken die herrlichen Gobelins, die von
der Balustrade herabhingen, welche sich
oben, längs des Gesimses des ovalen
Saales hinzog, und hinter dcr sich die
lebensgroßen, frescoqemalten Prinzen
und Prinzessinnen, Fürstlichkeiten und
Diplomaten um die lugendschonc Kaise-
rin Katharina schartcn und wie lebendig
zwischen Baumgruppcn vom blauen
Himmel des PlasondS abhoben. Aber
die lächelnden Gesichter unter den weißen
Perrücken schienen sich plötzlich hoch-
niüthlg zu verziehen und die erstaunten
Augen zu fragen, was denn eine leib
eigene Kaufiiiannstochter hier wolle.
in dem alten Prachtsaal eines erbge-
essenen Geschlechtes und auf dem
violetten Plüschsessel, auf dem die
glorreiche Ezarin einst gethront und
einem Grafen Kuragin gestattet hatte,
ihren Fuß zu küssen für seine im türki
sehen Krieg bewiesene Umsicht und
Tapferkeit
Gebt Euch zufrieden, ihr da oben,"
flüsterte sie halb scherzend, halb ernst.
was wollt Ihr von mir, schaffe ich
Euch nicht wieder Euren alten Glanz,
ehre ich nicht Eure Traditionen, oder
bin ich eine so unvollkommene Aristo-
kratin, daß ich Euch die Kaufmanns
tochter nimmer vergessen mache?" 23ie
um sich selbst Antwort zu geben, trat sie
vor den vcnetianischen Pfeilcrspiegel
und betrachtete ihr Bild. ' Sie gestand
sich seufzend, daß sie schön sei, und das
weiße, wallende Spitzcngewand mit
dem Purpurgürtel und die rothen
Rosen im Haar sie prächtig kleideten.
Das schien auch der Gras zu finden,
dcr eben eingetreten war und wie ge
blendet auf die liebreizende Erscheinung
sah. Er kam aus Podolsk, wo er den
Posten eines Friedensrichters einnahm.
Nach seiner Vcrheirathung hatte er den
Müßiggang aufgegeben; er arbeitete,
um sein Selbstbewußtsein zu entlassen
von dem Vorwurf, sich für Geld ver
kauft zu haben. Verkauft! O sie be
durfte keiner Millionen, diese stolze,
unnahbare Wjcra, die er liebte mit der
ganzen Kraft seines Herzens!
Die beiden Gatten begrüßten sich kühl
und gemessen, und während dcr Diener
scrvirtc, besprachen sie die gleichgiltig
sien Dinge, beide bemüht, ihre innersten
Gedanken zu verbergen.
Im Torf war Feuer ausgcbrochcn.
Hoch auf prasselten und züngelten die
Flammen, Balken und Dächer krachten
und stürzten zusammen, und Hütte um
Hütte wurde zur Beute des entfesselten
Elementes. Die obdachlosen Bauern
schrieen, jammerten und winselten,
Gräfin Wjera stand tröstend zwischen
den schluchzenden Weibern und vcr
sprach ihncn Hilfc. Boris Scrgcjcwitsch
leitete die Löscharbeitcn. bcfehligte um
sichtig dic schrccklahmcn Männer und
war überall voran.
Pawel, Pawel, rettet meinen
Pawel!" hörte man plötzlich eine weh
klagende Stimm-. Tic lahme Marfa
bat für ihren zehnjährigen Sohn, dcr
sich noch cinmal in die Hütte gewagt
hatte, um ein armseliges Stück Haus
rath zu retten, und dem von den jetzt
aus Thür und Fenster qualmenden
Flammen dcr Rückwcg abgeschnitten
ward. Aber Niemand hörte aus die
Unglückliche, wie sie auch bat und be
schwor. Ta erschien oben am Dach
stuhl, umlcuchtet van züngelndem
Feuer, die hohe Gestalt des Grafen,
um sofort blitzschnell wieder im Rauch-
fang zu verschwinden. Gleichzeitig aber
tonte von Wieras i'intvn der flinitter--
füllte Ruf Boris", dann brach die
lunac ran obnmachtia z:isammen
Boris Scraciewitich aber battc den
Schrei vernommen, diesen Schrei dcr
Vicve und Zärtlichkeit, und wie von
himmlischen Enacln beackert, liest er
sich frcudcjauchzend durch den Sckorn-
stein Herunter, um Pawel zu holen
Tas Feuer hatte axsgctobt. Pawc
war gerettet, und die Abgebrannten
hatte man einstweilen 11, den Gesinde
stuben des Schlosses untergebracht.
Im Boudoir Wjeras aber hielt Gra
Boris seine junge Frau in den Armen
und blickte glückselig in ihre Märchen
auqcn. deren Räthsel ihm nun alle ge-
lost schienen.
(?in hübsches ventkuer
hat sich dieser Tage in Paris in der Rue
de Moret abgespielt. Ein Einbrecher
drang dort in eine Wohnung, in der
ihm wider alles Erwarten eine Dame
entgegentrat. Bei ihrem Anblicke er
griff dcr Tieb die Flucht, während die
Tame vor Schreck ohnmächtig wurde.
Sie hatte aber, bevor sie die Besinnung
verlor, noch einen chreckcnsruf aus
stoßen können, der die Nachbarn herbei
lockte. Zum allgemeinen Erstaunen
waren auch sofort zwei- Polizisten bei
der Hand, um die nöthigen Nachfor
schungcn anzustellen. Tie Tame war
aber noch so erschüttert, daß sie kein
Wort herauszubringen verinochte und
starr vor sich hinblickte. Ta erbot sich
einer dcr Umftchcndcn, die Polizisten
im Hause herumzuführen, um nach dem
entflohenen Verbrecher zu suchen. Er
machte init einem Lichte in der Hand,
ihren Führer: die Nachforschungen
waren aber trotz allen Suchcns vergeb
llch. Die Polizisten kehrten nun, nach
dem sie ihrem Führer gedankt hatten,
in das Zimmer dcr Dame zurück. Bei
ihrem Anblick rief die Tame, die endlich
wieder den Gebrauch ihrer Sprache er
langt hatte, entsetzt aus: Wie. Sie
haben ihn nicht festgenommen, es war
ja der. welcher oas vicm trug, ich
glaubte, ie hätten ihn mitgenom
men!" Man kann sich denken, welches
Gesicht die Polizisten dazu schnitten
und welche wenig respektvollen Scherze
die umstehende Menge sich ihnen gegen
über erlaubte. Dcr Vcrbrechcr war
natürlich inzwischen spurlos verschwun
den.
Mißverstandene Drohung.
Auf einem Spazicrqanq in's Freie
wird Herr Müller von einem verwahr-
lost aussehenden Individuum anqcfpro-
chen. Ach, bitte, schenken Sie mir ei
nen Quarter!"
Nichts da," erwidert Müller barsch.
Das wäre ja noch schöner, wenn man
sich die Höhe des Almosens vorschreiben
ließe."
Sie wollen nicht." meinte der Bett-
ler mit trostloser Miene. Gut, dann
muß ich etwas thun, was ich gern vcr
mieden hätte!"
Armer Kerl," denkt Müller, mäh
rend er dem Manne, der einen Seiten-
weg in s Gebüsch einschlägt, mit den
Blicken folgt. Vielleicht hätte ich ihn
durch das kleine Geldopfer von einem
verzweifelten Schritt zurückhalten kön
nen. Ich will ihm doch den verlangten
Quarter schenken." Er läuft dem Bett-
ler nach und händigt ihm einen Quar
ter ein. Und was hätten Sie gethan,
armer Mann, wenn ich Ihren W.insch
nicht erfüllt hätte?"
Je nun, dann hatte ich mich eben
an einen Anderen wenden müssen."
Tas Tesscrt bei Hofe.
Ter Küchenchef des Kaisers Franz
Joseph schützt bei einer Gesammtsumme
von 025,000 Gulden, welche die kaiscr
liche Tafel jährlich erfordert, die Kosten
des Tcsscrts allein auf eine Viertel-
Million Gulden. Tie Kosten des Nach
tisches eines einzigen Banketts, das aus
Anlaß des Jubiläums des Kaisers von
Oesterreich veranstaltet wurde, bclicscn
sich auf 20,000 Francs. Die Victualien
und Weine werden nach jeder Tafel an
dic ersten Restaurants Wicns verkauft.
wodurch das Kuchcnpcrsonal scmc Ein
nähme um das Toppclte, ja Dreifache
erhöht. In Italien und in Spanien
sind die Ausgaben sür das Dessert auf
das kleinste Maß beschränkt worden.
Tie Königin von England controllirt
persönlich die Kosten ihrer Tafel und
hält Küchen- und Kellcrchcf sehr kurz.
Dagegen werden am russischen Hofe
für' den Nachtisch gewaltige Summen
aufgewendet. Jeden Tag erscheinen
für 500 und selbst für 000 Francs
Weine und Eigarren auf der Tafel,
und es ist Regel geworden, daß eine
Flasche Wein, die bereits einmal den
Tisch geziert, nicht ivieder auf der Tafel
des Ezaren erscheinen darf.
Zweideutig,
Wirth: Heute kein Glas Wein ge
fällig?" Gast: Hören Sie auf, von Ihrem
Wein zu stechen. Sie machen mir
damit nur den Mund wäss'rig."
!1Tfrfu'ürdig.
A. : Sie sind die Treppe hinunter
gefallen, wobei denn?"
B. : Beim Hinaussteigen."
eEi Häkchen.
El -chen: Mama, haben unsere Ner
ven außerdem, daß sie uns zu einer
Badereise verhelfen sonst noch einen
weck?"
IvWrtiche fi'lbt.jefiilI.
Michelbauer (de? allein mit seiner
Allen aus den soeben einfahrenden
Balmzug wartetl: ..Siebst T, Urschl.
w i r sau dc' no' wer jetz' muß der l
große Z g z'wcg'n Uns anhält'!" '
CrfjMt.
Ach. Frau lein Emilie. ich liebe Sie
so heiß, so innig, so unermeßlich, so.."
Aber, mein Herr, so viel Mitgift
bad' ich gar nicht!"
Uefinitv.
..Was ist eigentlich das Podagra,
lieber Onkel?"
TaS kann ich Dir leider ganz genau
sagen: Tas Podagra ist: Wenn du
laufen sollst, hast du keine Füße und
wenn du arbeiten sollst, hast du keine
Hände, aber wenn der Schmerz angeht,
hast du zehn Paar Fuße und zehn Paar
Hände!"
in Vorschlag,
Arzt: Nun hab' ich schon alle Mit
tel vergeblich versucht und nichts will
nützen!"
Patient: Wie war's. Herr Doctor,
wenn Sie 'mal mit der Behandlung
aussetzen würden?" '
Zmmer zerstreut.
Nun. Herr Professor, wo waren
Sie denn am Sonntag Abend?"
Zu Hause; und Sie, Herr Rath?"
Ich war auch zu Hause!"
Soo?, . Ich habe Sie ja gar nicht
gesehen!"
Sicheres Zeichen.
...Sind denn der Inspektor und
seine Frau glücklich vcrhcirathet?"
Das will ich meinen! Die haben
1 ach zehnjähriger Ehe noch ein
Tandem gekauft!"
Schlau,
A: ..Also, Sie kennen den Kerl,
der Ihren Ueberzichcr gestohlen; warum
drohen Sie ihm nicht mit Anzeige?"
B: Werd ich schon machen abcr
crst, wettn er ihn hat repariren lassen !"
villig.
tJm WohlthätigkcitSbazar.) Das
Arrangement ist reizend Alles wun
dcrvoll!.. Was haben Sie denn dazu
gegeben, Herr Baron?"
Ich, meine Gnädige? Ich habe die
Anregung dazu gegeben !"
Aus einer verthcidigungsrede.
Anwalt: ,,.,.Sie dürfen meinem
Klienten auf's Wort glauben, wenn er
agt, dasz er vor dem Untcrsuchunqs-
richter die Unwahrheit gesagt hat, denn
mein Klient ist cin wahrhcitslicbender
Mann!"
Individueller Standpunkt. '
Reisender (zum Ieuerversicherungs-
Agenten, der eben eingestiegen): Sie
hatten hier ein Feucrwchrfest! Wie ist
denn die Uebung ausgefallen?"
Agent: Gronartiq! Sämmtlich
Bürger haben die Versicherungssumme
verdoppelt!"
Auf dem kande.
Städter: Habcn Sie vicl Schnee
diesen Winter gehabt, Herr Brumm-hubcr?"
O, freil, hab' 1 viel Schnee gehabt.
aber mein Nachbar hat noch vicl mchr
g'habt!"
Wicso dcnn, Ihr wohnt doch neben-
einander?"
Er hat aber a mehr Acker."
Falsch verstanden.
Hausherr: Das sage ich Ihnen.
Herr X, bevor Sie mir meine Miethe
nicht bezahlen, laß ich Sie nicht aus
dem Haus "
x: Gottlob, dann hätt' ich ja end-
lich einmal eine dauernde Unterkunft !"
Gemüthlich.
Sie: Du, Franzl. wozu steckst Du
denn den Schlagring ein?" 4
Er: Ich hab'. mit dem Nachbar
etwas zu besprechen!"
,VvcicrIci.
Hausfrau (mit dem
Dienstmädchen
ine Vase abstaubend, dic dabei her-
untcrfällt): Himmel, dieses kostbare
tuck kaput!.. Jctzt wciß ich nicht:
warcn Sie so dumm, es hinab-'
zustoßen, oder hatte I ch das M a l-
h e u r !"
Kleiner Irrthum.
Ein Notar wird auf's Land aerusci,
um ein Testament aufzunehmen. Der
im ven liegende Bauer dictirt, und
als Alles fertig, erbebt sich der Notar,
um zu gehen. In demselben Auacn-
blicke richtet sich auch der robuste Land-
mann aus seinem Vager 1 die Hohe
und fragt: Kam: ich nun auch auf-
ftch'n?"
Notar: Ja. sind Sie denn nicht
krank?"
Bauer: Mir fehlt nir! .V hab' nur
'glaubt, beim Testament machen muß
ma' im Bett liegen!"
Gefäbrliches lllittcl.
A: Ist denn das Haarfarrcn wirk
ich so gefahrlich, wie die Aerzte immer
sagen?"
B: Gewiß! Darauf kannst Tu Tich
verlassen! Erst kürzlich hat es ein Onkel
von mir versucht, und in drei Wochen
war er mit einer Wittivc mit vier Kin
der vcrhcirathet!"