Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 02, 1899, Image 10

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    Per 5cIcacnbcitNdter.
l:o:i S lief cbf tfl.
,i'ittrariid)c5 Bureau empfiehlt sich
zur Anfertigung icocr vin wiegen
heitspoefie." stand feit einigen Tagen
in bet Zeitung und Literarisches
Bureau", in großen schwarzen Vettern,
aus dem Pappschild an Albrecht Nvth-
ankers Wohnungöthür, aber weder dort
noch hier sein Name, Er schämte sich
wobl vor der belnen Tichtkunst. die er
zum Handwert erniedrigen mußte.
Er war Student der Jurisprudenz
und ohne Mittel. Tic Bedrängnis;
seiner Lage hatte in ihm den Gedanken
erweckt, sein mprovisationstalent. mit
dem er seinen Freunden schon so manche
Stunde erheitert hatte, in Baar umzu
setzen. Ansangg hatte etwas in seinem
Innern gegen diesen Plan rebellirt.
ISinc leise Stimme wollte ihm einreden,
daß es doch würdiger sei, sein Talent
an wahrhaft poetischen Aufgaben zu
erproben. Aber die Noth mit ihrem
hämischen Grinsen machte allem Schirmn
ten ein Ende. (5h? irgend ein peku
niärer Erfolg ein würdiges" Werk
lohnen würde, war der arme Student
wohl längst verhungert! Noth kennt kein
Gebot!
Der Erste, der ihn in Nahrung setzte,
war ein Schlächtermeister. Keuchend
und räsonnirend kam er die fünf Trep
pen heraufgeklettert und bestellte ein
Jubilüumspoem zur Verherrlichung des
tausendsten Schweineschlachtens, das er
demnächst mit besonderer Feierlichkeit
begehen wollte. Zu lang dürfte das
Gedicht aber nicht sein, da es ringe
rahmt und im Tchaufenster ausgestellt
werden sollte: doch wenn es recht an
schaulich ausfiele, so käme es dem Be
steller auf eine Mark mehr nicht an.
Und Albrecht besang in zwanzig Zeilen
1 das Schlachten und Wurstmachern
Darauf stellte sich eine herrschaftliche
Köchin bei ihm ein, die einen Polter
abendscherz wünschte, in dem eine ge
häkelte Tcefe und ein Mülleimer in in-
niger Gemeinschaft auftreten sollten.
Auch diesen Auftrag führte er zur Zu
friedenheit aus. Tann kam eine Chan
teuse. die ein pikantes, amüsantes"
Kuplet in Bestellung gab, das fiel
ihm bereits schwerer. Ein Geschäfts
mann, der gereimte Reklamestrophen
für wollenes Unterzeug im Dutzend
die Verse zu Engrospreisen begehrte,
das widerte ihn geradezu an;
schließlich eine Zimmervermietherin,
die ein hämisches Spottgedicht auf eine
Konkurrentin gemacht haben wollte,
diesen Auftrag wies er niit Entrüstung
zurück.
Zuerst hatte der Reiz des Neuen, sein
cv..i rr. --r-rc.fi v V 'rr
iueree gerenen uno einen gcroien
: übermüthigen Schwung in ihm erzeugt
jetzt übermannte ihn das Mißbehagen
an dieser öden Beschäftigung: er würde
seinen Kunden nichts mehr zu Dank
machen ' können. Aber wenn er auch
mit gewaltsamer Selbstverleugnung
weiterdichten wollte, seinen Unterhalt
erwarb er damit doch nicht: es verirrte
sich jetzt zu selten ein Bersebedürftiger
die fünf treppen hoch nach seinem
Dichterheim".
Wieder stand er also vor der Frage
Was beginnen? Er stützte den Kopf in
beide Hände und starrte trostlos grü-
velnd vor sich hin.
Wie gern würde er die Glieder zu den
gröbsten Arbeiten hergeben, wenn ihm
das die Möglichkeit gewährte, sein Stu
dium fortsetzen zu können! So aber
würde ihm nichts anderes übrig bleiben,
als sein Studium aufzugeben.
Er seufzte tief auf da, ein leises
Klopfen an leiner Thur. Mit rauher
und trockener Kehle nef er: Herein!"
i'ie yur niat sich aus, kaum ge-
nügend, um ein Dämchen hereuizu
lassen, das der blonde Hänqezopf, die
halblangen Kleider und das kecke Ma
trosenhiitchen sofort als Backfisch kenn-
zeichneten.
Guten Tag!" sagte die Kleine schüch
tern, ohne zu wagen, die Augen zu er
heben: sie wußte offenbar nicht, wie sie
sich in dieser ungewohnten Situation
benehmen sollte.
Albrecht aber war emporgefahren
Fräulein Käthchen!" rief er.
Sie blickte erschreckt auf, ein glühen-
des ihotli überzog ihre Wangen.
Herr Nothanker!" stammelte sie der
wirrt. Einen Augenblick, Fräulein Küth
chen!" sagte er dann, sich zusammen-
nehmend, ich will nur schnell etwas
Toilette machen!" Und geschickt balan-
arte er neben ihr zur Thür hinaus,
um dralißen den Rock vom Riegel zu
reißen und durch ihn den Schlafrock zu
ersetzen.
Fatal! Käthchen war die Tochter des
Iustizraths Lohmann, dessen Sohn er
Privatsiunden ertheilte. Was in aller
Welt tonnte sie von ihm wollen ?
Wenn nur nicht das Literarische
Biireau" an feiner Thür sie zu einer
Frage veranlaßte! Die Familie des
Iustizraths brauchte nicht zu misten,
daß des Lehrer ihres Sohnes Groschen
dichter war!
Albrecht war noch nicht mit dein Um
kleiden fertig, als sich die Thür behüt
sam öffnete, und Käthchen hindurch
huschte, nm der Treppe zuzueilen. Sie
wollte ihm also entwischen; doch er der
trat ihr geschwind den Weg.
Nein, Fräulein Käthchen. so ent
kommen Sie mir nicht! Sie haben mir
ja noch gar nicht gesagt, welches Anlie
gen Sie zu mir geführt hat."
Ach bitte, Herr Nothanker, lassen
Sie mich gehen!" flehte die Kleine,
ganz verängstigt. Ich ich I
habe mich geirrt, ich wollte gar nicht
zu Ihnen, sondern zum Gelegenheit
dichter!"
Sie haben sich nicht geirrt, rau
lein Käthchen, der Oielegenhritsdichle
bin ich!"
Sie sah ihn mit großen Augen for
sehend an: Ob er sich wohl einen Scherz
mit ihr erlaubte? Als er ihr aber ernst
hast zunickte: Ja, ja, wirklich
bitt's!" da meinte sie ganz ängstlich :
Dann dann möchte ich erst recht
gehen !"
Haben sie denn weniger Vertrauen
zu nur als zum ersten besten Mcnscsicn f
fragte er vorwurfsvoll, und als
verlegen zögernd, vor ihm stand, ein
Bild lieblickier Verwirrung, mit allein
frischen Zauber ihrer sechzehn Jahre
da stieg ihm ein warmes Gefühl in die
Brust.
Er öffnete die Thür und bat: Tre
ten sie ohne Bedenken ein, Fräulein
Käthchen!"
Ader das das schickt sich doch
nicht!" sagte sie naiv. Er lachte hell
auf über ihre kindliche Harmlosigkeit
welche der kleinen Dame so reizend klei
dete.
Sie besuchen doch nicht mich, den
Studenten, sondern das Litcrarische
Bureau", und ein össentliches Bureau
darf jede Dame ohne Bedenken betre
ten!"
Das schien ihr einzuleuchten, aber im
mer noch zögernd schritt sie über die
Schwelle in sein Zimmer; und da stand
sie nun wieder, zupfte an den Hand
schuhen herum und trat von einem Fu
auf den anderen.
Schweigend betrachtete er sie: da
blühende Gesichtchcn. die treuherzigen
blauen Augen, die blonden Löckchen
die. unter dem Hutrand hervorlugend
die zarte Stirn mit einem leuchtenden
Schein wie Sonnenstrahlen umrahm
ten, und ein tiefinnerliches Behagen
überkam ihn; es war, als ob seine kahl
Junggcsellenstube noch einmal so hell
noch einmal so behaglich sei wie vordem
Nun, Fräulein Käthchen," mahnte
er, womit kann ich Ihnen dienen?
Ein gequälter Ausdruck erschien auf
ihrem Gesicht; sie zögerte, überlegte
und plötzlich richtete sie den Kopf euer
gisch in die Höhe:
Nein, nein, ich kann's nicht sagen
sie werden mich auslachen!"
Sie möchten sicher ein Gedicht von
mir yaoen. nicvi wayrk uno oas
eine so ernste Sache über die lacht man
nicht!" tröstete er, sein Vergnügen ver
beißend.
Vielleicht denken ie auch gering
von mir, was werden toic nur sagen
daß ein Mädchen meines Alters sich auf
so etwas einläßt?"
Weiß Ihre Frau Mama um diese
Sache und daß Sie hierher gekommen
sind?"
Nein, nein!" wehrte sie hastig ab
es weiß es Niemand darum und ich
hätte mich auch vielleicht an der dum
men Geschichte nicht betheiligt, aber wir
waren so ausgelassen lustig an dem
Tage und er ist so nett, so drollig
Da verabredeten wir denn in unserem
Uebermuth für Sonntag das Zusam
mensein ich versprach, zu kommen und
auch ein hübsches Gedicht mitzubringen.
aber ich bekomme nichts Ordentliches
ertiq."
Was bedeutete das Alles ( Eine vc
schwiegen? Zusammenkunft, ein Er"
der so nett ist, und ein böser Verdacht
wollte in ihm aufsteigen.
Wo findet die Zusammenkunft
statt?" fragte er schnell.
Bei meiner Freundin Erna."
Halt! Erna hatte einen Bruder, der
Primaner war, und Albrecht wußte
aus Erfahrung, welch eine gefährliche
orte Menschen diese Primaner solchen
Backfischchen gegenüber sind. Wird
Ihr Bruder Martin Sie begleiten?
Ach nein, er würde mich ja fein
ganzes l'eben lang mit seinen '.'ceaereien
nicht mehr in Ruhe lassen !"
Hm, Fräulein KäthchiN. haben fexe
sich die Sache auch recht ernstlich über-
legt?"
cic say inn betreten an. Wenn
man so lu liq 1 1, überlegt man nicht
anqe!"
Denken Sie nur. was Ihre Frau
Mama dazu sagen wurde!"
Jetzt flimmerte es in Kathchens Au-
gen; cs war nicht ersichtlich, ov von
Lachen oder Weinen, und um den hüb-
chen Mund zuckte es verrätherisch, als
sie entgegnete:
Mama würde mich auslachen!"
Lachen?"
Sie nickte lebhaft, schluckte ein paar
Mal und brach dann selber in ein lusti
gcs Gelächter aus. ' Es war doch auch
zu drollig. Der junge Mann da vor
ihr hatte eine so ernste, wichtige Miene
aufgesteckt und sprach so väterlich mah-
ncnd auf sie ein, in einer Angelegen-
heit, die sie selber für zu kindisch gehal-
ten hatte, um sie ihm zu beichten, und
er war doch eben nur einige Jahre älter
als sie!
Er sah sie einen Augenblick ganz ver-
blufft an: Sie konnte lachen, wenn er
ich fo ehrlich sorgte k Ihre Fröhlichkeit
aber quoll ihr so unmittelbar aus dem
Herzen, sie hatte so viel Ansteckendes
und Hinreißendes, daß er in das Lachen
einstimmte.
Warum lachen wir eigentlich?"
ragte er dazwischen.
Weil es zu drollig ist! Ich will doch
nur bei einer jMioetaufe Gevatter
stehen!"
Bei einer Hunde " er starrte sie
einen Augenblick Verständniß! os an.
Und ein Gedicht wollten Sie zu dem
feierlichen Taufakt haben?"
..Ja. Erna sagte, ich verstände da
besser als sie, aber ich kann es auch nicht
das Hündchen ist ein kleiner Mops
sehr niedlich aber wie kann man
denn einen Mops poetisch besingen?"
?as wird sich schon machen lassen!
tröstete er.
Er hat einen kleinen dunklen Flc,
über dem rechten Auge und einen weißen
an der Kehle, dazu ein Ringelschwänz-
chen, und Muckt wollten wir ihn ncn
neu das soll alles in dem Gedicht vor
kommen: auch daß Erna, trotzdem sie
nun doch schon einen Mops hat. nicht
zu sürchten braucht, daß sie alte Jung
fer werden wird, Tic verstehen wohl ?"
fügte sie erröthend hinzu.
So. so, also auch ein klein bischen
Bosheit hinein! Nun, ich will mir alle
erdenkliche Mühe geben, Ihnen das Gc-
dicht zur vollen Zufriedenheit zu
machen.
Wiriiicy k 3,: s gölten nicht gar zu
dumm k
Es ist seit langer Zeit das erste, an
dem ich mit Lust und Liebe arbeiten
meroc: versicherte er eruslyasi. tote
glauben nicht, was alles solch Unglück
seliger Gelegenheitsdichter besingen
mutz!"
Das ist wohl gar nicht schön ?"
Er seufzte nur.
Aber warum thun Sie es dann?"
Er sah sie. das Kind wohlhabender
Eltern, das von den bitteren Anforde
rungcn des Lebens nichts wußte, mit
wehmüthigem Lächeln an. Aus Noth,
Fräulein Käthchen!" sagte er.
Der heitere Glanz in ihren Augen
verstarb. Mit nachdenklichem Ernst
ruhte ihr Blick auf seinem Gesicht.
ias in eyr mumm:" meinte ie
leise.
Oh. räulein Käthchen, es giebt
viel Schlimmeres in der Wett, als sich
auf eine nicht zusagende, doch ehrliche
Weise sein Fortkommen zu suchen!
sagte er begütigend.
Sie stand auf. Also Sie werden
mir das Gedicht machen recht nett
aber bitte, nur ja nichts meinem Bruder
sagen, er bringt mich sonst um mit sei-
nen Neckereien!"
Das Gedicht bringe ich Ihnen
Sonnabend mit, wenn ich zu Bruder
Martin zur Stunde komme."
!ic stand nun wieder verlegen vor
ihm; irgend etwas hatte sie noch auf dem
Herzen endlich faßte sie Muth und
holte aus ihrer Tasche ihr Geldbeutel-
chen hervor.
Er erfaßte ihre Hand und hielt sie
mit leisem Druck fest.
Fräulein Käthchen!" sagte er vor-
wurfsvoll.
feie ging, gegen ihre sonstige Ge-
wohnheit. langsam und nachdenklich die
ttrane hinab; ihr blaues Kinderauge
hatte einen' in sich gekehrten Ausdruck,
und die junge Stirn war fast düster
gefaltet.
Zu Hause bemerkte auch Bruder
Martin sofort, daß Schwester Käthe
nicht so lustig wie sonst war. Er er-
kündigte sich liebevoll:
Was ist denn Dir über Leberle
gekrochen, Kathinka? Siehst ja so so
philosophisch aus wie'n Frosch!"
Wenn Tu nicht ein fo schrecklich
dummer Junge wärst, der sür ernste
Dinge kein Verständnis; hat. möchte ich
wohl etwas sehr Wichtiges mit Tir be-
prechen.
Käthe, wenn Tu nicht so ein
Mädel wärst !" er legte alle Ver-
achtung. deren ein Tertiauerherz fähig
st. aus das Mädel". Aber die Sache
st die," fuhr er selbstbewußt fort, da
es Tir auf der Seele brennt, mir etwas
u erzählen! Na, dann schien nur los.
chwesterlein!"
Er hatte es wirklich errathen, denn
sie begann sogleich:
Weißt Tu. daß Herr Nothanker Ge-
legenheitsdichter ist ?"
Tie Neuigkeit!" lachte er. Natür-
sich, bei jeder Gelegenheit füllt ihm ir-
gend ein drolliger Vers ein!"
Ach. Unsmn. ich meine Gelegen-
heitsdichter für Geld so Groschen-
dichter !"
Tonner und Toria!" Herr Martin
hielt sich die Seiten vor Lachen.
Ta ist ia wieder der alte Junge!"
schalt sie ausgebracht; was giebt 's denn
dabei zu lachen? Kannst Tu es Dir
etwa sehr amüsant vorstellen, alle mög-
lichen Gegenstände "rar ordre de
Mufti" bedichlen zu müssen?"
Tie Perspektive schien sogar den
elbstbewußten Tertianer zu entsetzen.
Gott soll mich bewahren!" rief er,
mit beiden Händen" abwehrend; aber
warum ist er denn fo dumm?"
Weil er Geld verdienen muß er
ist sehr arm, Martin!"
Ter war plötzlich ganz ernst qewor-
den. Erstaunt blickte er die Schwester
an. Woher weißt Tu denn alles?"
Aus der Zeitung." meinte sie leicht-
hin, aber sie sah den Bruder dabei nicht
an. Darin steht ja seine Annonce!"
Mit seinem Namen?"
Nein was denkst Tu! Den
den habe ich so unter der Hand ganz
gleich, wie erfahren."
Und Tu weißt sicher, das; es ihm
chlecht geht?"
Wenigstens sehr kümmerlich!"
Aber.' Käthe, das steht doch nicht in
der Zeitung!" meinte Martin miß-iranisch.
Tas kann Tir doch ganz egal sein.
woher ich das weiß!" rief sie ärgerlich,
Thatsache ist. daß es ihm nicht gut
geht; und ich dachte, da Tu Deinen
Lehrer sehr lieb hast oder irre ich
mich ?"
Nein, nein," rief er lebhaft, er ist
ein famoser Kerl, den man gern haben
muß! Aber, was ist da zuthun
Er war auf einmal nicht mehr der
dumme Junge". Ganz ernsthaft und
angestrengt dachle er nach, wie man sei
nem geliebten Studio bcistehen könnte
Die -chwester kam ihm zu Hilsc.
Mama hat Papa doch schon oft gc
beten, einen Privatsekretar anzuneh
men. damit er nicht so mit Arbeit über
bürdet sei. und Papa hätte es auch schon
alhan, wenn er einen zuverlässigen
Menschen "
Das ist er!" rief Martin clcktrisirt
zuverlässig ist Nothanker, dafür kann
ich mich verbürgen!"
Nun. bei einer solchen Bürgschaft
wird Papa gewiß nicht zögern, zuzu
fassen!"
Ais Avthanler am Samstag zur
Stunde kam, wurde er zu feinem
Erstaunen in das Arbeitszimmer des
Herrn Iustizraths gebeten, aus dem er
mit strahlender Miene wieder heraus-
kam.
Der Unterricht wollte heute gar nicht
recht von Statten gehen. Martin war
merkwürdig zerfahren, Albrecht litt
ebenso merkwürdig an allen möglichen
tollen Einfällen, und Käthchen. die die
Erlaubniß hatte, bei den Literaturftnn
den zu hospitiren. saß so angelegentlich
über ihre Handarbeit gebeugt, als ob
diese nothwendig schleunigst beendigt
werden müßte. Diese emsige Arbeiten
schien Nothanker ganz nervös zu machen
er gab sich alle erdenkliche Mühe, die
beharrlich auf die Stickerei gerichtete
blauen Augen aus sich zu lenken, und
als das gar nicht gelang, da sand es
sich, daß Martin ein Buch vergessen
hatte, das zu holen er nun schleunigst
geschickt wurde.
Kaum hatte er das Zimmer verlas-
fcn. so trat Albrecht zu dem jungen
Madchen.
Fräulein Käthchen, hier das jGe
dicht!"
Sie streckte die Hand darnach aus,
ohne das Auge zu ihm zu erheben.
Bekomme ich denn nicht einma
einen Blick?"
Ta sah sie tief erröthend zu ihm
empor. Ich danke Ihnen!" sagte sie
leise.
So war's nicht gemeint! Ich ich
habe Ihnen sehr viel zu danken!"
Oh, ich wüßte nicht!"
Fräulein Käthchen. das Lügen ver-
stehen cie nicht ich danke Ihnen von
ganzer eele, ie wissen gar nicht,
welches Gluck ie mir bereitet haben
Sie haben mich mir selber wiedergeqe
den wie soll ich Ihnen das je verqel-
tenl Er nahm ihre Handln seine bei
den. Fräulein Käthchen. werden Sie
mich gern in Ihrem Hause aus und ein
gehen sehen und mir auch mal ein
freundliches Wort gönnen?"
Sie senkte das erglühende Köpfchen.
Ein leises Nicken war die einzige Ant-
wort. ie versuchte, ihre Hand zu be
freien. Er aber bückte sich schnell und
drückte einen ehrerbietigen Kuß auf die
zarten Finger. Und damit wäre meine
Erzählung zu Ende.
Tas ist Unterschlagung! höre ich
da rufen; sie haben sich ja noch nicht
gelriegt!
Aber, meine hochverehrten Leser, das
ist doch ganz selbstverständlich, daß sie
sich kriegen! Wenn zwei brave, mit
allen möglichen Vorzügen des Leibes
und der Seele ausgestattete, junge,
lebensfrohe Menschenkinder in täglicher
Beziehung mit einanderleben, so müßte
es doch mit dem Kuckuck zugehen, wenn
sie sich nicht in einander verliebten!
Leider legte der Herr Justizrath, der
seinem strebsamen Sekretär eine glän
zende Zukunft prophezeien zu dürfen
glaubte, der Neigung der jungen Leute
keinerlei Hemniß in den Weg, so daß
ich mit dem besten Willen nichts Außer
gewöhnliches mehr zu berichten weiß.
Nach erfolgtem Examen fand die
Verlobung und nach dem Assessor" die
Vermählung des Pärchens statt.
Unter den vielen Hochzcitsgeschenken.
die es erhielt, zeichnete sich eins durch
Originalität besonders aus, das war
ein kleiner, niedlicher Mops, den Bra
der Martin, der neugebackene Studio,
mit einem vielsagenden Lächeln und
einem Beqleitpoem überreichte. Tie
junge Frau nahm mit einem strafenden
eitenblick auf den schwatzhaften .verrn
Gemahl das Thierchen in Empfang.
Von dem Gedicht aber behauptete, sie.
daß es lange nicht fo nett sei wie ein
anderes Mopsgedicht, das sie vor Iah
ren einmal gelesen hätte und auf das
sie sich noch dunkel besinnen könnte.
tfigfoot" wallacc.
(5in crcigiimrcichcS Lcbcn abgcschlosic.
Vor einigen Tagen ist in Mkdiltah
Eounty, Teras, Alexander Anderson
Wallaee. mit dem Beinamen Bigfoot".
im Alter von 82 Jahren gestorben.
Wallaee kam im Jahre 1837 von
Lerington. Va.. nach Teras zu dem
ausgesprochenen Zwecke, den Tod seines
Bruders zu rächen, der im Jahre 1830
von den Merilanern qesangen qenoiii-
men und erschossen wurde.
Wallaee hat ein sehr ereignißreiches
und aufgeregtes Leben hinter sich.
Ueber ein halbes Jahrhundert ver-
brachte er im Feldlager und an der
Grenze in Kämpfen mit den Merika
nern, Indianern und allerhand Raub-
gesindcl. Er wnrdc bei Micr gefangen
genommen und war so glücklich, auf
der Hacienda Salado eine weiße Bohne
zu ziehen, wo Santa Anna die Er-
chießung eines jeden zehnten Mannes
angeordnet hatte. Tieiemgen. welche
Gefangene. Wallaee organisirte und
beseitigte eine Truppe zur Greiizver
theidigung. und er hat viele gefahrvolle
Kämpfe mit den Indianern bestanden
Er war immer j der ersten Reihe der
Kämpsenden und seine Unerschrockenhelt
und Zollkülsiiheit machten ihn bald
überall berühmt. Er war einer Ter
jcnigen. die den merilanischen General
Woll, der im Jahre 1842 in Texas mit
1500 Mann einen Einfall machte, zu
rückschlugen. Tie Zexancr verfügten
nur über 3K)Miiiin, aber sie kämpsten
wie die Löwen. Die Schlacht sand
bei Salado statt und endigte mit einem
fürchterlichen Blutbade für die Mezila
ncr. Auch in der chlacht um den
Besitz von Mier spielte Wallaee eine
hervorragende Rolle und, wie oben er
wähnt, behielt er durch einen Zufall
sein Leben, hatte aber in der zweifährl
gen Gesangenschast viele vetoen zu
erdulden. Die Schilderungen, welch
er von der Behandlung der Gesänge
nen entwarf, sind haarsträubend; nur
seiner eisernen Eonstitution hatte er es
zu verdanken, daß er nicht, wie viele
seiner Kameraden, unterlag. Schließ-
lich wurden er und einige Andere durch
Verinittelung des englischen Gesandten
von ihren eisernen Ketten, die sie bcstän
big getragen hatten, bcfrcit und nach
22monatlichcr grausamer Gefangen
schaft wurde ihnen gestattet, nach Teras
zurückzukehren. Von den 300 war aber
kaum noch die Hälfte am Leben. Beim
AuSbruch des,Krieges zwischen den Ver.
Staaten und Mexico griff er wieder zu
den Waffen und befehligte ein Regi-
ment. Als er sich nach Beendigung des
Krieges in Texaö niederließ, um zu
farmen und Vieh zu züchten, hatte er
viele Kämpfe mit den Indianern zu
bestehen, die ihn fortwährend bcun
ruhigtcn und ihm Vieh stahlen. Ein
mal stand er mit nur 19 Mann l7
Indianern gegenüber, die von den küh
neu Texanern, die mit den Zügeln im
Munde zu reiten verstanden und in
jeder Hand eine Pistole hatte, zu Paaren
getrieben wurden. Er wurde ein an
deres Mal von den Lipans, die ihn
überrascht hatten, gefangen genommen.
Der Häuptling Eastro theilte ihm
mit, daß er seine Freiheit wieder haben
könne, wenn, er eine alte Indianerin,
deren Mann er getödtet habe, zur Frau
nehme; andernfalls würde er bei leben
digem Leibe verbrannt werden. Als
die Squaw ihm vorgeführt wurde und
er die alte vertrocknete Gestalt mit dem
nützlichen Gesicht sah, erwiderte er ohne
mit den Wimpern zu zucken: Zündet
den Scheiterhaufen an!" Kurze Zeit
darauf entfloh' er. Als er vor seinem
Hause ankam, sand er dort den Häupt-
ling Eastrow vor, der auf ihn wartete.
Er war gekommen, um mit Bigfoot
Wallacc und den Texanern Frieden zu
schließen und sich mit ihnen gegen die
Eomanches zu verbinden. Seitdem
blieben Wallacc und Eastro die besten
Freunde.
Als Eastro starb, wurdc Wallace zur
BccrdiguugsfcierlichkÄt eingeladen, wo-
bei die Indianer 300 Pferde tödtctcn.
damit ihr Häuptling in den ewigen
Jagdgriinden jagen könne. Wallace
war nie vcrheirathet. Er erzählte, daß
er in feinen jungen Jahren in Vir
ginien ein sehr hübsches Mädchen liebte
und heirathen wollte. Da erkrankte er
und verlor alle seine 'Haare. Er zog
sich in die Berge zurück und lebte allein,
bis die Haare wieder gewachsen sein
würden, und als er sich wieder hervor
wagte, kam er gerade noch zur rechten
Zeit, um zu sehen, wie seine ehemalige
Geliebte am Arme eines Rivalen vom
Traualtar kam. Seit der Zeit hatte er
das Vertrauen zu den jungen wie zu
den. alten Mädchen und Frauen ver-
oren. Er war gegen den Bürgerkrieg.
wollte aber doch nicht gegen seinen Hei
mathsstaat Virginien kämpfen und
blieb an der texanischen Grenze. Eine
schlimme Zeit bestand er auch als Post-
reiter", wo er durch die feindseligen
Stämme der Eomanches und Apache
die Post zu befördern hatte.
Doch wagten sich die Indianer,
die ihn kannten und fürchteten, nicht so
nahe an ihn heran: trotzdem mußte er
jedoch beständig auf der Hut sein. Sein
N'achsolger wurde schon auf der ersten
Tour, die er machte, auf schreckliche
Weise getödtet. Tie Indianer hingen
ihn bei den Beinen auf, zündete ein
Feuer unter ihm an und tanzten um
ihn herum, bis er den gräßlichen Oua
len erlag. Sein Name war Jim Gid
dings. Den Namen Bigfoot" erhielt er auf
folgende Weise, obgleich er einen für
seine Größe wohlgcsormtcn Fuß hatte:
Er wohnte vor langen, langen Jahren
in Austin bei einem alten jovialen
Amerikaner Namens Gravis. Dort
hielt sich auch ein halbcivilisirter, heim
saß. mit seinen Freunden theilte, wenn
diese sich in Noth besanden. Mit ihm
ist ein bemerkenswert!, Eharakter zu
Grabe getragen worden.
(in nobler ühncndichtkr.
Neulich Abends, so erzählt das i:!.
Tagebl.". wollten sich in den Gardero
den aller Theater Berlins die Schau
spieler und Schauspielerinnen ausschüt
ten vor Lachen. Nein Pardon
nicht in allen Theatern, sondern in
allen mit einer Ausnahme, und diese
Ausnahme bildete den Stoff für das
homerische Gelächter, das an dem Abend
die Jünger und Jüngerinnen ThalieiiS
in Berlin ergriff. Auch die Theater'
Tireltorcn lachten oder sie lächelten
wenigstens, wenn sie einen allzu deut
lichen Ausdruck ihrer Gefühle für nicht
vereinbar mit der direktorialen Würde
ansahen. Und das kam fo: Auf einer
Bühne im Norden Berlins war am
Abend vorher ein neues Stück aufge
führt worden. Tic Aufführung ging
ganz gut von stnttcn. dcr Autor schwamm
i Wonnc und sprach allen Mitwirken
den seinen herzlichsten Tank ans. Gleich
zeitig äußerte er den Wunsch, mit den
Tamcn und Herren, die das Kind sei
er Musc so sorgsam auf seinem ersten
Lebensweg geleitet hatten, den Rest des
Abends freundschaftlich gemeinsam zu
verleben. Für das Rendezvous be
stimmte er ein nahe gelegenes Rcstan
rant. Tie Damen und Herren gingen
sehr gern auf den Vorschlag ein, und
bald entwickelte sich eine recht fröhliche
Geselligkeit. Der Bühnendichter war
am lustigsten, trank den Damen uno
Herren zu. und Allen inundete Speise
und Trank vorzüglich. Etwa um Mit
tcruacht wurdc die Tafel aufgehoben
und Alle verabschiedeten sich mit schö-
nein Tank von dem glücklichen Autor.
in dem Bewußtsein, endlich einmal
einen Theaterdichter kennen gelernt zu
haben, dcr wisse, was sich ziemt. Als
scdoch die Schauspieler und Schauspie-
lerinnen den nächsten Morgen in's
Theater zur Probe kamen, erwartete sie
ein Herr, den Alle zu kennen glaubten,
dessen Identität aber Niemand im Mo
ment feststellen konnte. Tas schadete
jedoch nichts, denn er vermittelte die
Bekanntschaft selbst, indem er sich als
Oberkellner des Restaurants vorstellte,
in dem am Abend vorher dcr Bühncn
erfolg mit Speise und Trank gefeiert
worden war. Tie Herrschaften so
sagte er wären gestern so schnell auf
gebrochen, daß die Bezahlung vergessen
worden fei: nur ein Herr, der bis zu
letzt dageblieben fei, habe fein Eouvert
bezahlt, und die übrigen Rechnungen.
jede etwa 7 Mark betragend, Präsentire
er, der Oberkellner, eben jetzt. Tas
gab ein gewaltiges Entsetzen. Jeder
und Jede hatten sich als Gast des
glücklichen Autors" gefühlt und theil-
weise mehr als 10 Prozent der Monats
gage verzehrt und vertrunken denn
7 Mark beträgt dort bei Manchem 10
Prozent der Monatsgage , und nun
hatte der glückliche Autor" nur ein
Eouvert bezahlt! Ter Kriegsrath, Ärr
nun folgte, hatte das Ergebniß, eine
Teputation an den Direktor zu entscii
den, dcr den Oberkellner vorläufig be
friedigte und seinem Personal den Be
trag des Soupers von dcr nächstcn
Monatsgage abzbg. Aber die Schau
spiclcr und Schauspielerinnen von Ver
lin X haben nun einen Schwur abgc
legt, nur dann wieder den Lockungen
eines glücklichen Autors" zu folgen,
wenn er ihnen die quittirte Soupcr
Rechnung vorher vorweist.
tückischer Indianer aus, der eines Tages
an's Haus heranschlich, um einen Blick
in ein Zimmer zu werfen, in welchem
sich ein junges Mädchen befand. Als
der alte Gravis die Fußspuren sah, be
merkte er spaßhaft zu Wallace. webhalb
er um oas .siininer des 'j.'caoaiens
herumschleiche, dann fügte er hinzu:
Sie waren es, c:ic sind der Einzige im
Haine, der indianische Mocassins tragt.
Wallace wurde darüber aufgeregt und
erstellte feinen Fuß in die Spur, die
er nur zur Hälfte ausfüllte. Der In
dianer hatte nämlich einen ungewöhn
lich großen Fuß. Ter Name Bigfoot"
ist Wallace aber, als Andere von der
Geschichte hörten, gegeben worden und
er uat um auch venaiten.
Wallace war nicht nur ein tapferer.
ondern auch ein hochherziger, edler und
weiße Bohnen gezogen yatten, blieben i liberaler Mann, der Alles, was cr bc-
Tchlcchte Selbstkritik.
In einem deutschen Kleinstaate liegt
der Ort Pfuschersdorf. Tafelbst befindet
sich eine & umschule, deren Zöglinge
nicht ohne Talenilosigkeit sein sollen.
Eines Tages verbreitet sich der Ruf:
Serenissimus hat sich anmelden lassen,
um die Leistungen der Tingschule zu
prüfen. Ter Eantor und der Lehrer
der Anstalt will sich natürlich die
Gelegenheit nicht entgehen lassen, seine
Fähigkeiten im hellsten Lichte zu zeigen.
Alsbald setzt er sich vor einen dicken
Stoß llcotenpapier und eomponirt ein
großes Ehorwerk für seine Eleven über
den Text: Wir können nichts wider das
Schicksal !"
Trei Tage lang malt er Notenköpfe
mit heißem Bemühen, endlich ist das
Werk fertig, eine neue Fuge nach altert
Fugenart. Fünf Proben sind bereits
abgehalten worden, da erscheint der
kunstsinnige Landesfürst und befiehlt,
ihm einen Ehorgesang vorzutragen.
Tic Fugc hebt an, und aus allen Kehlen
erschallt cs um die Weite, getreu nach
dem Text:
Wir. wir, wir können Nichts,
Nichts, wieder Nichts, wir kön
neu Nichts "
Ta erhebt sich der Fürst, gebietet
Silentium und ruft: Was Ihr mir
da beichtet, wollte ich Euch eben sagen:
Ihr könnt wirklich nichts !"
Kurz und gut.
Eine skandinavische Zeitung hatte
ein Preisansschreiben an alle verheira
theten Frauen erlassen für die beste
Antwort auf folgende Frage: Wie
erhält eine Frau sich am besten die
Liebe des Mannes, und die v'he glück
lich?" Es kam eine Fluth von Ant
warten, philosophische Abhandlungen,
psnchologische Erklärungen u. f. w..
sogar Männer, die in der Wissenschaft
einen großen .Zainen haben, hatten
geantwortet: Aber den Preis bekam
doch der kurze lakonische Rathschlag:
Füttert die Bestie gut!"