Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 12, 1899, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    t
'
' '
Jttvnteuer einer ISodcttf rcifo.
iMnf wad,k'"t'chlchir von Julius , U,'r.
r '
i
i,
IV
i.
ß
t
V
t-
y
.
&
r-
X. ( i ii Vergnügen eigener Art war
doch meine fcoiiwitstdhrt !" pflegt
Fre Ö Vettcrlrin immer zn tilgen,
wenn er auf feine Hochzeitsreise ui
sprechen kommt, und wahrlich, et bat
recht.
Wenn man seine ältern auch nchr
verehrt und mit lindlicher Treue an
ihnen hangt, die Hocheit-zreile mochte
mau doch gern mit seinem geliebten
Männchen allein machen, nicht wahr,
beste Leserin ? IKan denke sich also den
Schreck, ja das Entsetzen Vetterleins,
als an dem Abend, da er mit seiner
jungen Frau die Hochzeitsreise in das
Uiiesengebirge antreten mollte. plötzlich
Herr und Frau Nolte in feierlichem
Ton sprachen: Guido, mir dringen dir
eine grofie Uederraschung. Wir wer
den euch auf eurer Hochzeitsreise be-
gleiten Lenchen ist noch zu jung, zu
unerfahren, sie weifi noch gar nicht mit
Männern umzugehen, wir können sie
nicht allein mir dir reisen lassen!"
Vetterlein war über diese (rörfiuing
zuerst sprachlos, dann aber rasste er sich
auf und er ist kein Feigling er
klarte er in ziemlich heftigen dorten,
daß er mit dieser Begleitung, dieser
Ueberraschnng" nicht einverstanden sei
während sein Weibchen ihm zustimmend
und ermunternd zunickte, weswegen ich
die jungen Tarnen bitte, sie nicht ver
dämmen, sondern erst abwarten zu
Kuweit wie sie es selber bei solcher We
legenhät machen.
(is ist erklärlich, daß sich nun eine
ziemlich erregte Szene entspann, welche
-bannt endigte, das; Herr . und Frau
Nolte endlich zürnend und grollend er
klarten, zu Hause zu bleiben, aber
was auch geschehen sollte ihre Hände
in Unschuld gewaschen haben zu wollen!
In dieser unfrenndlichen Stimmung
also nahm man Abschied voneinander,
wahrend Johann mit dein alten Wagen
auf dem Hofe des Gutes vorfuhr, um
die Eheleute zu dem eine Stunde ent-
fernt liegenden Bahnhof zu befördern.
Die Eltern Teilchens weinten, als ihr
einziges Kind", wie ZZrau Nolte sagte,
mit dein rohen Menschen in Nacht und
Nebel davonfuhr". Lenchen selbst weinte
und auch der Himmel vergosz wahre
fflnthen von Thränen. Ja, es regnete
scheußlich, der Strrm heulte und riit
telte an dein alten wackligen Torf
wagen, dessen Entstehnngsort dies arm
selige schlesische Torf, an dessen Aus
gaiig das kleine Gut Noltes lag. ge-
' niesen war. Ziemlich schweigsam
saßen die Eheleute bei einander, wah
rend daö Fuhrwerk über die Landstraße
dahinkroch. Das Pärchen gedachte wohl
,.der Zeit, da es sich in Berlin, als Leu
im in der Pension war. kennen gelernt
und den Bund fürs Leben geschlossen
hatte! Aber unsanft wurden sie aus
ihren Träumen aufgeschreckt:. . . Es er
folgte plöllich ein lauter, schriller Krach
der Wagen neigte sich zur Seite
es wkk ein Rad gebrochen!
Was nun? Rathlos starrten die ttat
ien einander an, während Johann
dKußen tobte und fluchte. Aber Bet
terlein ist ein entschiedener Charakter
und sein Seuchen auch gerade keine fisch
blütige Natur. Sie faßten nach kurzer
Berathung den Entschluß, sich zu Fuß
nach der Bahnstation zu begeben, da
das Fuhrwerk den Dienst versagte. Sie
befanden sich gerade auf dem halben
Wege, was also sollten sie anders thun?
Glücklicherweise hatte man das Ge
päck schon nach dem kleinen freundlichen
Badeorte, dem ersten Ziel der Reise,
gesendet es war also nur noch der
kleine Handkoffer zu tragen und das
junge Pärchen machte sich muthig auf
den'Weg! Arm in Arm, dicht aneinan
der geschmiegt, schritten sie auf der dun
kein, morastigen Landstraße dahin,
wahrend der Koffer auf Guidos Schul
tern balancirte! Freilich wurden ihre
Kleider von dem heftig hcrabströmendcn.
Regen bald durchnäßt, freilich zerzauste
der Wipd ihnen die Haare, aber was
that das"S Sie liebten sich ja, und es
war ihnen kein andrer Ausweg gcblie
den! Sie mußten schnell zuschreiten,
: um den Zug nicht zu versäumen, so
schnell daß sie den Athem verloren
sie liefen mehr, wie sie gingen, während
Vettcrlein scherzhaft dcklamirte: Wer
eilet so spät durch Nacht und Wind?"
Indessen der Galgenhumor
Guidos sollte bald zerrinnen vor der
Tücke des Schicksals
Als sie nach ihrer mühevollen Wan
dernng den Bahnhof endlich erreicht
hatten, bemerkten sie. daß derselbe
dunkel und wie ausgestorben dalag.
; Heiliger Gott !" rief Guido erschrocken
aus, sollten wir dennoch zu spät ge
kommen sein?" . .
Ja, sie waren zu spät gekommen.
Vergebens rüttelten sie an den zwei ein
zigen Thüren des armseligen Bahnhofs
gebäudes sie waren verschlossen und
kein menschliches Wesen ließ sich sehen.
Sie machten sich bemerkbar sie
pochten lärmten riefen aber
niemand ließ sich sehen, und der kleine
Marktflecken lag mindestens noch 2
Minuten vom Bahnhofe entfernt ! Eine
verzweifelte Stimmung überkam das
schwer geprüfte junge Paar, schon wollte
es auf gut Glück eine Wanderung in
die Ortschaft antreten, um dort vielleicht
dennoch für die Nacht ein Unterkommen
zu finden, als plötzlich hinter der einen
Glasthiir des Gebäudes ein matter
Lichtschein auftauchte. Bon neuer Hoff
ung belebt, blickten sie auf, und wirk
ttch die Thür ward von innen geöff
net ein Mann mit einer Blcnd-
SMllagMji
Jahrgang 19.
Beilage zum Ncbraska Ztaats-Anzeiger.
Ro. .34.
lateri'.e erschien. Belterleiü stürzte auf
ihn zu. als wolle er ihn in seine Arme
schließen, jener aber musterte ihn mit
mißtrauischen Blicken. Wir haben
den Zug versäumt." erklärte Guido
schnell, und glaubten schon im freien
übernachten zü müssen. "
Na, das wird wohl auch der Fall
sein." unterbrach ihn der mit der La
ternt. denn der Bahnhof ist jcht ge
schlossen und ich gehe, nach Hanse!"
Mensch, machen Sie uns nicht un
glücklich! Sollen wir auf der Straße
bleiben?"
Thut mir leid! Pünktlich kom
inen !"
. Bringen Sie mich nicht zur Per
zwciflung. ich will Sie königlich bcloh
nen. wenn Sie uns wenigstens im so
genannten Wartesaal unterbringen."
Geht nicht geht nicht. Darf ich
nicht ! Indessen vielleicht ließe sich
ein Ausweg finden. Wenn Sie mit der
Gepackkaminer dorlicb nehmen wollen,
würde sich die Sache machen lassen.
Natürlich müßte ich bei Ihnen bleiben
und Sie überwachen, beim man kann
nicht wissen "
So wenig verlockend diese Aussicht
anch war. blieb dem Pärchen doch nichts
anderes übrig, als auf das Anerbieten
des Eerberus einzugehen, und dieser
führte sie in eine kleine, enge, durchaus
nicht sehr reinliche Kammer, deren em
zige Ausstattung einige Kisten. Körbe
und Koffer bildeten.
Na. nu machen Sie sich's bequem,"
sagte der Hüter dieses Paradieses
freundlich. Die Dame kann sich ja
dort auf dem großen Korb fetzen und
Sie Herr Sie 'wissen Sie
was? Sie spielen mit mir ein Paar
Partien Sechsundsechzig!" '
Danke danke sehr "
Erlauben Sie Sie müssen spie
len !" brauste der Ecrberus auf. Ich
muß Unterhaltung haben, sonst schlafe
ich ein, und lch darf nicht einschlafen,
weil am Ende während meines Schla-
fes von diesen Wcrthgegenstünden
Hm man kann nicht wnsen kann
nicht wissen. Also wollen Sie oder
wollen Sie nicht?"
Was blieb dem Aermsten aller jun
gen Ehemänner anders übrig, als auf
das Perlangen einzugehen? So mußte
er denn auf einem großen Koffer Platz
nehmen, während sein Partner ich aus
den Rand eines wackligen Tisches setzte;
ein riesiger Korb diinte als Spieltiich,
den die Blendlaterne nur so wenig er-
hellte, daß ein Bemogeln" nicht un-
möglich qewcien wäre. Der Gepäck
Hüter" zog ein Spiel Karten hervor und
die erste Partie begann, während
Lenchcn allein und verlassen, auf ihrem
Korbe fa und fchnsuchtsvoll der Jll
sionen gedachte, die sie sich von ihrer
Hochzeitsreise gemacht !
Der Hüter des Bahnhofes war ein
leidenlchaftlichcr Spieler und befaß un
glaubliche Zähigkeit und Ausdauer ; er
ließ dem armen Guido kaum soviel Zeit,
sich hin und wieder nach dem Befinden
seiner jungen Gattin zu erkundigen.
Der verzweifelte Ehemann verlor eine
Partie nach der andern, er wurde von
Minute zu Minute wüthender auf fei
nen Partner und dieser Stunden
Qual war groß ! Dennoch ging die ent
schliche Nacht vorüber der Morgen
kam und mit ihm die Erlösung für
das Ehepaar der Zug! Alles in
allem hatte diese erste Nacht auf seiner
Hochzeitsreise Guido zehn Mark gekostet,
aber er verschmerzte gern den Verlust in
der Hoffnung, daß, sich nun alles,
alles wenden müsse !
.Am Mittag des andern Tages lang
ten die Hochzeitsreisenden in dem
freundlichen schlesifchen Badeorte an.
Die erste Uederraschung. welche ihrer
harrte, war die Entdeckung, daß das
vorausgesandte" Gepäck noch nicht an
gekommen war. sie also keine Gelegen
hcit hatten, ihre defekt gewordene Klei
dung mit anderer vertauschen zu kön
nen, und daß sie der Wirth des Ho
tcls, in dem sie abgestiegen, infolgedes
sen mit etwas mißtrauischen Blicken
musterte. Dennoch fühlten sie sich
ziemlich behaglich und machten gegen
Abend einen Spaziergang durch den
Ort. Lenchen äußerte den Wunsch,
einen Kricmstechcr zu besitzen, um das
prächtige Gebirgs-Panorama besser
mustern zu können und der galante
Ehemann verfügte sich sofort mit fei
nein Weibchen in das einzige und ziem
lich bedeutende Galantcriewaarenge
schüft des Ortes, um daselbst den
Wunsch Lenchens zu erfüllen. Bald
war man handelseinig, erfreut hing
das junge Weibchen das erstandene
Fernschau-Jnstrument" um die Schul
ter und hüpfte hinaus, um dessen Güte
zu erproben, während Guido sich an's
Bezahlen", machte. Da er hierbei be
merkte, daß sein kleines Geld ausge
gangen sei, griff er in die Brusttasche,
um seine Brieftasche mit dem großen
Gelde hervorzuziehen, aber o Schreck !
Laß mich kurz sein, der Aermste
machte die Entdeckung, das; er tn der
Haft, dem Wirrfdl der Abreise seine
Brieftasche. mit dem Geld und allen sei-
nen Papieren bei Noltes vcrgcncn,
zurückgelassen haben mußte ! Zögernd
und scheu gestand er dies dem Laden
inhaber ein, dieser aber, der ihn sei
nes durchaus nicht sehr eleganten
Neunern halber von vornherein inisz-
iranisch angesehen hatte, nannte das
eine faule Finte", einen Schwill-
bei", den er bereits ösler kennen gelernt
habe und machte Miene Guido
am Arme festzuhalten, während sein
Kommls aus dem Laden sprang, dem
armen Lenchcn nachlief, die Erschrockene
mit wüthendem Zuruf am Arm crgrin
und sie-nach den Pertaufslokal zurück
zog ... .
Das Ende vom Liede war. daß die
HochzeitSreisenden in Begleitung eines
dramardasirenden Gendarmen zu dem
Amtsvorsteher befördert wurden, wo-
selbst Guido sich natürlich nicht aus
zuweisen vermochte. Zwar gestattete
man thin, eine Tepeiche mit der Vine
um " sofortige Znsendung der Brief-
tasche an feinen Schwiegervater abzu
senden, aber bis zum Eintreffen der
Gelder und Papiere müsse er auf dem
Amtsbureau verbleiben !" Kein Bit
ten, keine Auseinandersetzungen halfen
und so verbrachte Guido Betterlein
die zweite Nacht auf feiner Hochzeitsreise
im Amtsbureau des Badeortes, arg-
wöhnisch vorn Amtsdicncr bewacht,
während man der jungen Frau gnü
diglt gestattete, währenddessen in ihrem
polizeilich verschlossenen" Zimmer zu
verbleiben !
Bereits am Nachmittage des anderen
Tages kam das Portefeuille an aber
leider nicht allein, sondern in Bcqlei
hing Mutter Noltes! Mußte ich
selbst Euch nicht die Erlösung brin
gen?!" rief sie freudestrahlend ans. als
ste an der Seite ihrer Tochter daS Amts
lokal betrat, in dem Gnido zusammen
geknickt wie ein armer Sünder schinach
tcte. Seht Ihr wohl, daß es nicht
ohne uns geht! Friede, Bersöhnnng.
Schwiegersöhnchen! Nun bleibe ich
bei Euch, verlasse Euch nicht mehr!
Wir machen gemeinsam alle Partien
brauchen- ja nur ein Zimmcrchen
mehr eins für Dich. Schwicgcrsöhn
dien, das andere für mich und mein
Lenchen!" Selbstverständlich ward
Guido nun unter vielen Entschuldign
gen und großer Höflichkeit aus seiner
Haft enlasscn. Der Besitzer des Galan
tcriewaarengcschäfts wollte ihm, nach
dem er Bezahlung erhalten, sogar noch
als Entschädigung einen Briefbeschwerer
mit einem prachtvollen Huudckopf scheu
ken! Aber konnte sich Guido der er
langten Freiheit wahrhaft freuen, nach
dem seine Gattin nun wieder eine Ge
fangene ihrer Mutter geworden war?!
Düster und unwillig, grollend mit dem
Geschick, starrte er 'vor sich hin auch
Lenchen vermochte ihre Mißstimmung
nicht zu verbergen, als die Mutter ihr
den Vorschlag machte, mit ihr in ein
anderes, stiller gelegenes Hotel umzusic
deln, während Guido in dem von ihm
bezogenen verbleiben follte und wie
derum kam es zu einer Szene! Die
überspannte alte Dame nannte sich un
glücklich verlassen, aber sie rächte
sich edel sie reiste wieder ab!
Endlich endlich schienen sich die
düsteren Wolken des jungen Ehehim-
mels zu lichten! Das Pärchen war
nun allein das Geld war da das
Gepäck ebenfalls inzwischen angekommen
und begeistert rief Guido aus: Nun,
Frauchen, laß uns das Leben genießen!
Nun werden wir Entschädigung fin
den für die trüben, aufregenden Stun
den, welche wir erlebt!" Er umschlang
sein selig lächelndes, bildhübsches Weib
chen und zog dasselbe zärtlich an feine
Brust da klopfte es und der Kell-
ner des Hotels überbrachte dem beglück
tcn Ehegatten eine Depesche. Ahnüngs
voll, mit zitternder Hand, erbrach Guido
dieselbe, um, nachdem er den Inhalt
überblickt, zu erbleichen. Sie rührte
von dem Ehcf der Abtheilung des Kul
tusministeriums, in welchem Vcttcrlein
beschäftigt war. her und lautete also:
Ihre sofortige Rückkehr nach hier un
bedingt nothwendig. Ihr Stellver
treter plötzlich erkrankt. Ihre Anwe
scnheit dringend nöthig. Erwarte Sie
bestimmt...."
Da gab es keinen Ausweg, wenn
anders der Arme nicht seine ganze Exi
stcnz auf's Sliiel setzen wolltet Binnen
wenigen Stnnden befand sich das junge
Paar auf der Rückreise.... Das,
liebe Leserin, war die Hochzeitsreise des
armen Guido, und Sie werden es be
greiflich finden, wenn er jetzt, nachdem
er freilich in feiner überaus glücklichen
Ehe reiche Entschädigung für jene Stun
den der Enttäuschungen empfangen, bei
der Erinnerung an seine Hochzeitsreise
klagend seufzt: Ein Vergnügen eigener
Art war doch meine Hochzeitsfahrt!"
D: ricr Heinriche.
Viiiori'rte ;Hrnini(itn; von .ari 'l:etft4.
Eines Abends, als der Regen in
Strömen herabfloß, hörte eine Frau,
welche beim Volke als Zauberin galt,
und eine armselige Hütte in dem Walde
von St. Germain bewohnte, an ihre
Thüre klopfen. Sie öffnete und sah
einen Reiter, der um Ausnahme bat.
Sie brachte sein von Nässe triefendes
Pferd in einen Stall und ließ den
Mann eintreten. Beim Schein einer
kleinen Lampe sah sie. daß es ein jun
gcr, vornehmer Herr war. Die alte
Frau schürte das Feuer an und fragte
den Fremden, ob cr etwas essen wolle.
Ein Magen von sechzehn Jahren ist,
wie ein Herz von demselben Alter,
immer hungrig und leicht zu bcfricdi
gen. Der junge Mann bejahte die
Frage, und die Alte brachte ihm weißen
Käse und ein Stück Schwarzbrot
alles, was sie hatte.
Das ist alles, was ich armen Reisen
den bieten kann, denn der Zehnte, die
Steuern und wie die Abgaben alle
heißen, die man uns abzwingt, nehmen
das Meiste, unö was noch übrig bleibt,
rauben mir die Nachbarn, welche mich
für eine Here halten, und mich deshalb
ungestraft bcstchlcn z können meinen."
Nun," sagte der junge Herr, wenn
ich einmal König von Frankreich werde,
will ich die Abgaben abschaffen und das
Volk ausklären und belehren lauen."
Gott gebe es!" seufzte die Alte.
Der junge Herr rückte an den Tisch,
um von dem kärglichen Mahle zu essen,
aber in demselben Augenblicke klopfte
es wiederum an der Thür. Die Alte
öffnete und erblickte einen anderen
durchnäßten Reiter, der ebenfalls um
ein Nachtlager bat. Seine Bitte wurde
mit derselben Bereitwilligkeit gewahrt,
er trat ein es war ein uiiiger, vor
nehmcr Herr, , wie der bereits Anwe-
fende.
Bist Tu es, Heinrich?" sagte der
Erste.
Ja, Heinrich!" antwortete der An-
dere.
Beide hießen Heinrich. Die Alte er-
fuhr aus dem Gespräche, das; sie zu
einer Jagdgesellschaft Karls IX. ge
hörten und durch das Gewitter zerstreut
worden feien.
Hast Tu weiter nichts, Alte?"
Nicht das Mindeste!" antwortete sie.
Nun, so theilen wir das Mahl."
Ter erste Heinrich machte ein ver
drießlickcs Gesicht, sagte aber, als er
das entichlosscnc Auge des anderen sah:
Gut,- wir wollen theilen."
Sie sehten sich also einander gegen-
über, und schon wollte der Erste das
Brot mit dem Tolche auseinander
schneiden, als er zum dritten Male
klopfte. Es war seltsam, es kam noch
ein Reiter, em iunqer, vornehmer Herr
ein dritter Heinrich. Die Alte sah sie
überrascht an. Der Erste wollte Brot
und Käse verstecken, der Zweite stellte
aber alles wieder auf den Tisch und
legte sein Schwert daneben. Der dritte
Heinrich lächelte und sagte:
Ihr wollt mir aber nichts geben?
Ich kann warten, ich habe einen guten
Magen.. .."
, Tas Gericht gehört dem ersten Be-
siker." sagte der Erste.
Nein, dem, welcher es am besten
vertheidigt," setzte der Zweite hinzu.
Vielleicht gehört es dem, welcher es
erobert," meinte der Tritte.
Kaum war dies gesagt, so zog der
Erste den Dolch und die beiden anderen
entblöszsen ihre chwerter. Als si
eben handgemein werden wollten.
klopfte es zum vierten Male; ein vier
ter Heinrich erschien in der Hütte.
Bei dem Anblick der gezückten Schwer
ter zog auch er das seinige, stellte sich
auf die Seite des Schwächsten und griff
sogleich an.
Die Alte versteckte sich, und die Degen
zerschlugen alles, was sie trafen. Die
Lampe fiel um und verlosch und die
vier jungen Herren fochten im Finstern.
Das Degengeklirr dauerte eine lange
Zeit, wurde sodann schwächer und hörte
endlich ganz auf. Da wagte sich die
Alte wieder hervor, zündete die Lampe
von neuem an und sah ihre vier Gäste
verwundet auf dem Boden liegen. 'Sie
untersuchte sie und fand, daß sie mehr
ans Ermattung, als wegen Blutverlust
gefallen waren. Einer nach dem anderen
richtete sich auf; sie schämten sich dessen,
was sie gethan hatten, lachten und sag
ten: Laßt uns verträglich zusammen
essen."
Aber Brot und Käse waren herunter
gefallen, mit Füßen getreten und mit
Blut gemischt.. Man bedauerte es.
Dagegen war die Hütte verwüstet, und
die Alte saß im Winkel und heftete ihre
grauen Augen auf die jungen Leute.
Warum siehst Du uns so stir an?"
fragte der erste Heinrich.
Ich seh Euer Geschick auf Eurer
Stirn aef.t!rieben." antwortete sie. Der
Zweite' befahl ihr, höhnisch lachend,
ihnen die Zukunft zu enthüllen. Tie
Alte antwortete:
Wie lir alle vier in dieser Hütte
zusammen seid, werdet Ihr alle vier
dasselbe Schicksal haben. Wie ,r das
Brot, das Euch die Gastfreundschaft
gab. mit Füßen tratet, und mit Blut
beflecktet, so werdet Ihr die Macht,
welche Ihr theilen könntet, mit Füßen
treten und mit Blut beNecken. iine
Ihr diese Hütte verwüstet und in
Armuth bringen tonntet; wie Ihr alle
vier in: Tnnkel verwundet wurdet, so
werdet Ihr alle vier durch Verrath eines
gewaltsamen Todes sterben!"
Die vier lunaen Leute lachten über
diese Prophezeiung der Alten, und sie
lackiten noed lanae, nachdem stc mit-
einander die verwüstete Hütte verlassen
hatten.
Es waren die vier Helden der Ligue:
zwei als deren Häupter, zwei als deren
Gegner: und wie, die Alte prophezeit,
so ist's ihnen ergangen:
Heinrich bondtt, vergiftet zu üalnt
Jean d'Angely durch seine Gemahlin;
Neinrich von Gnisc. ermordet zu
Blois durch die fünfundvicrzig;
Heinrich Balois Heinrich in., er
mordet zu Saint Eloud durch JagucS
Element;
Heinrich von Bourbon 'Heinrich
IV.), ermordet in Paris durch Rci-
vaillac.
' Von bekannten 211 iift fern.
Tie Wiener Musik- und Musikanten
liebe mit ihrem Einschlag von sinnlicher
Grazie und lebensfreudigem Humor
hat in öer Person deS 189:? verstorbe
nen. Hostapcllmcisters und Hofopcrn
dircktorS Joseph Hcllmcsberger verkör
perten Ausdruck gefunden. Er war der
musikalisch hochbegabte, leichtlebige
Urwiencr, wie er leibt und lebt. Es
kursiern in der Wiener Gesellschaft eine
Menge geflügelter Witzworte, von denen
wir hier einige wiedergeben - wollen.
Als Richard Wagner's 'Tristan und
Isolde" an der Wiener Hofopcr zuerst
aufgeführt wurde, gab es sclbstvcr
ständlich eine Unzahl von ermüdenden
Proben. Bei einer der letzten Haupt
proben drückte sich Hcllmcsberger, der
damals Primgeigcr im Orchester war,
ging in das nahe gelegene Eaf dc
l'Overa und las behaglich seine Zcitun
gen. Einer seiner Freunde tritt in's
Eaf, erblickt HellmcSbcrgcr und fagt
ganz erstaunt: Du, Pcpi! Drüben
im Opernhaus ist die Probe von
Tristan und Isolde" und du sitzest da?
Da solltest du doch auch dabei sein!?"
Mit tragikomischem Ausdruck erwiderte
Hcllmesberqer: Ja, ja, Frenndcrl,
hast recht!' I sollt' (Jsold) wohl,
aber es verdrießt an! (Tristan)!"
nra) einen witzigen Einfalt versetzte
Hellmcrsberger seinen Kollegen, einen
Mmiaturparagraphen schuldiger Tanl
barkeit für einen reichen Gönner, wel
cher der Gesellschaft der Musikfreunde
eine Orgel geschenkt hatte, die leider
sehr oft verstimmt war. Tarob ditto
Verstimmung und scharfe Kritik der
Direktoren. Meine Herren!" sagte
Hellmcrsberger lachend einer ge
schenkten Orgel schaut man nicht in die
Gorgel!" In Wien tagte eine Lch-
rcrversammlung und dlcselche besuchte
am Abend die Bestellung rn der Hof
oper. Hellmesdergcr faß als Konzert
meister am ersten Pulte, und im Zivi
schenakte sagte er zu seinen KoUeacn
Ich habe die Oper schon voller gesehen
als heute, ich habe sie auch schon leerer
gesehen aber voller Lchrcr sche ich sie
heute zum erstenmal."
Eine echt wienerische Künstler-Erschei-
nung, war auch die Sängerin Marie
Wilt. Als sie mit 31 Jahren sich ent
schloß, zur Bühne zu gehen, war ihc
Mann, der Baumeister Franz Wilt,
darüber empört, daß die plumpe, häß
liche Frau Licbesrollcn singen und spie
len sollte, und er prognostizirte ihr das
größte Fiasko. Wenn du beim Thea
ter einen Erfolg hast, dann häng i mi
da an den Kronleuchtcr auf !" sagte er
in höhnischer Wuth. ,Und wenn ich
mit mein,' Singen Hundcrttauscnde ver
dien', so schwör ich dir, daß ich dir nicht
zwei Kreuzer auf ein Eigarrcnspitzcl
geb' !" war ihre Antwort. Hr. Wilt
bat sich nicht aufgehängt, aber seine
Frau hat buchstäblich Wort gehalten.
Es hat wohl keine zweite Sängerin ge
geben, die den Stimmungfang, die Ko
loratur und die Kraft des Ausdrucks
gehabt hätte, wie die Will, keine,
welche die Donna Anna und die Elvira
im Don Juan", die Partien der
Königin von Saba und der Sulamith
mit gleicher Bollendung hättc singen
können wie sie aber auch keine, die
durch die häßliche, grobe und unkünst
lcrische Erscheinung jede Illusion so zer
stört hätte. Und ihrem äußeren Wcscn
entsprachen ihre Charaktereigenschaften.
Sie war kleinlich, geldgierig, geizig,
grod und unempfindlich, und verfeinerte
LebenZgewohnhelten erschienen ihr als
das überflüssigste von der Welt. Eines
Tages lud d.'r Fürst Liechtenstein die
Kün'tlerin er:, tn einer 3oiree bei
ihm zu singe::. Ter . Kammerdiener
des Furtten brachte die schriftliche Ein
ladung in die Wohnung der Sängerin.
Er schellte an der EingangSihür. es
wurde ihm sofort geöffnet und vor ihm
stand ein großes, dickes Frauenzimmer
mit rothen, nassen Armen, den Kopf
mit einem Tuch verbunden. Der Fuß
boden des Vorzimmers war zur Hülste
naß. inmitten stand ein großer Wasser
zu der mit Bürste und Wischlappen zum
Schrubbe::. ' Was wollen's?" fragte
die Frau den eleganten Diener. Bon
seinerDurchlaucht dem Fürsten Leichten
stein habe ich einen Brief abzugeben an
die gnadige Frau von Wilt !" Gcb'S
her !" und mit der nassen Hand riß sie
dem erstaunten Diener das Billet aus
der Haud, der sich gar nicht erklären
konnte, wieso diese ordinäre Waschfrau
(denn dafür hielt er sie) eS wagte, den
Brief zu öffnen und zu lesen, worauf
sie ihn mit den Worten : Js scho'
recht ! I wer' scho' klimmen !" zur Thür
hinausschob, um ihr Vorzimmer wn
ter anfzuwaschcn. Als sie nach einer
solchen Soiree bei hohen Herrschaften,
welche sie durch ihren iiesang entzückt
hatte, am anderen Morgen als Hono
rar ein Paar werthvolle Ohrringe zu
geschickt erhielt, öffnete sie das Etui in
Gegenwart des Lakaien und sagte
barsch : Na also ; das sein die Ohr
ringeln wo ist die Brosch'?"
sollte nicht ski.
In dem Hause eines reichen Fabri
kanten sollte eine Verlobung gefeiert
werden. Nachdem man allerlei sinnige
Ucberraschungen für den betreffenden
Abend ersonnen, machte der Hausherr
seinen Kindern folgenden Vorschlag,
der mit einstimmigem Jubel von ihnen '
aufgenommen w'urdc : Ihr Lehrer.
ein bescheidenes, altes Männchen, das
seit mehr als zwanzig Jahren tagtäglich
zu einer bestimmten Stunde erschien.
um die ohne des Hauses vie auch das
zur Braut erwachsene Töchtcrchcn in
mehreren Sprachen zu unterrichten,
hatte nach seinen Schilderungen, in sei
nein ganzen Leben noch niemals eineir
Glücksfall kennen gelernt. Er versuchte
es in früheren Jahren mit dem Lotterie-
spiel, lief; aber davon ab, als cr es er
leben mußte, daß ein Haupttreffer just
auf das Laos fiel, das cr nach mehr
jährigem Spicl einem Nachbar über
ließ. Heute wollen wir dem alten
Weber ein Glück aufzwingcn," schlug
der Hausherr vor. Wir legen, sobald
er das Haus betritt, schleunigst ein
Säckchcn mit Thalern auf die Treppe.
Daß muß er finden und, da sich kein
Eigenthümer melden wird, behalten !"
Gesagt, gethan. Zur bestimmten
Stunde sah man bom Fenster aus den
alten Weber ins Haus treten. Im
nächste,: Augenblicke war auch schon das
bereitgchaltcne Söckchen auf der Treppe
der Portier aber hatte die Weisung er-,
halten, nicht etwa einen Fremden' mit
dem Funde aus dem Hause zu lassen.
Weber klingelte und trat ein; aber
vergebens suchten die Blicke des Fabri-,
kanten und seiner Kinder nach dem
Säckchen. Mit seinem gewöhnlichen
melancholischen Eesichtsausdruck brachte '
er dem Hausherrn seine Gratulation
dar. Der Fabrikant, der sich vor
Neugierde nicht länger halten konnte
platzte nmt mit der Frage heraus, ob
er denn auf der Treppe nichts gefunden
hätte. Da sah Weber dem Frager
ganz verlegen ins Gesicht und gab
dann leise die Antwort : Sehen Sie,
verehrter Herr, feit 2 Jahren steige ich
täglich Ihre Treppe herauf, da' wollte
ich heute einmal den Versuch machen, ob
ich nicht mit geschlossenen Augen herauf
finde und es gelang mit glücklich !"
lvink. :' ' : ,
Verehrer : So muß ich Ihnen also
gute Nacht sagen?"
Vater (aus dem Nebenzimmer rufend) :
Ach nein, das haben Sie gar nicht '
nöthig, eigentlich könnten Sie ihr guten
Morgen sagen."
. Einstich, ' '
Bursche (cntsctzt hereinstürzend)
Herr Lieutenant, die Erde bebt !"
Lieutenant: Maul jchalten!
Wird einfach nich' niitjcwackclt !"
" Nicht glaubhaft. . '
Miether (zu einem Herrn, der soeben
von seiner Frau tüchtig abgekanzelt,
wird) : Entschuldigen Sie, ich möchte '
hier gern den Hausherrn sprechen."
Vcrmicthcr: Das bin ich, mein
Herr."
Miether: Na, na, nur nicht auf
schneiden !" ;
Anspruchsvoll.
Fremder (der die Nacht betrunken in
einer Gaffe gelegen, früh ärgerlich auf
wachcnd): Das ist doch eine heillose
Unvcrfchämthcit in dem Neste, daß einen
Niemanden hier aufgehoben ; ich werde
mich beim Verein zur Hebung des
Fremdenverkehr beschweren !"
Maliziös.
Jraulcin (zum Herrn, der eben ein
Bild betrachtet, auf 'welchem sie mit
ihren beiden Möpsen photographirt ist).
Nun haben Sie mich auf dem Bilde
gleich erkannt?"
Herr: Gewiß, ich habe Sie
fort herausgefunden."
1
,
V
v i.
vmv'-Tr--m
" , I