Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 05, 1899, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    mm
in Adenteuer in vier Stocf
werken
Hiiiuoieskk v l m i l seid fall.
In einer ra-;c.;fiiic:i Nc.'j.-iiuvrnacht
gegen 12 Ul)r Nachts stand der Setre
iar Johannes Lüdenscheidt. der Ver
zweislungnahe, vor einem Hausthor dcr
Villen Jakobstraße in Berlin. Er hatte
zwar zur Feier seiner Uebersiedeliing
nach der R-ich-Z Hauptstadt etwas über
den Tnrst getrunken, aber er war doch
so weit bei iVrnimst, um ein Schloß
ausschließen zu können. Ta die Lache
trotzdem nicht gelang, so mußte ihm
seine Frau beim Weggeben einen fal
schen Schlüssel gegeben haben ein
fürchterlicher Gedanke für ihn. da er ja
im vierten Stock wohnte und die segenS
reiche Einrichtung dcS Berliner Nacht
wächters noch nicht kannte.
Uni so größer war seine Ueber
raschung, als endlich einer dieser Wohl
thater der Männlichkeit auf ihn zutrat
und, nachdem er das Unglück erfahren
hatte, mit seinem Aintsschliissel das
Thor öffnete. Die Folge war für den
Nachtwächter selbstverständlich ein sehr
reichliches Trinkgeld, und für Herrn
Lüdenscheidt ebenso selbstverständlich ei
Kesühlsaufschwuiig, als ob er aus einer
Lebensgefahr befreit worden wäre. Er
hatte ja feiner Frau das feierliche Per
sprechen gegeben, längstens um zwölf
Uhr zu Hause z sein, und er war nicht
bloß ein etwas ängstlicher Herr, er hing
an seiner Olufte ebenso herzlich, wie sie
an ihm hing.
So eilte er denn jetzt auch fröhlich,
neugekräftigt, ohne nur im Geringsten
zu schwanken, nach dem Treppenauf-
gang, und waurend der Nachtwachter
von draußen das Thor wieder schloß,
sprang Johannes Lüdcnfcheidt im Dun
kein die ersten Stufen empor. Plötz
kich aber hielt er erschreckt an. Die
Mauer, an der er sich mit der Hand
hielt, hatte ein Ende Er fühlte
wohl, etwas wie ein Geländer, aber
sonst sonst ging doch die Mauer
weiter! Und er war ja ganz bei Ver
nunft! Rasch suchte er sein Feuerzeug her
vor, im nächsten Augenblicke blitzte das
Licht auf und er erkannte, daß die
Treppe wirklich anders aussah als die
zu seiner Wohnung führende.
Und nun lief ein Fieberschauer über
seine Glieder, und sein Herz begann
heftig zu klopfen. Offenbar befand er
sich in einem fremden Hause! Seine
Frau hatte nicht den Schlüssel vergessen
er, er hatte das Haus verwechselt. . .
Und wie nun wieder hinauskommen?
Rasch, am ganzen Körper zitternd,
kehrte er nach dem Thor zurück und
dann horchte er. Aber draußen blieb
alles ruhig, nur der Regen rauschte
leise, der Nachtwächter hatte sich längst
entfernt. Er konnte also nichts anderes
thun, als ruhig abwarten, bis ein Haus
dewohner heimkehrte und öffnete.
Und wenn dieser kam? Wenn er
bis zum Morgen so dastehen mußte?
Seine Frau würde ja krank werden vor
Angst! Wieder ein Fieberschauer, wie
der das stürmische Herzklopfen. Da
kam aber auch schon ein rettender Ge
"danke. Vielleicht war oben noch irgend
Jemand auf. Vielleicht wohnte auch
Jemand im Hause, der es gewohnt war,
Nachts herausgeklingelt zu werden. Ein
Arzt vielleicht oder eine Hebamme!
Rasch entschlossen stieg er die Treppe
wieder, empor, und als er das erste
Stockwerk erreicht hatte, opferte er ein
neues Streichholz. Aber nun durch
fuhr auch ein neuer Schreck seine Glie
der. Eine eiserne Thür mit mächtigen
Riegelschlösscrn starrte ihm entgegen,
und daneben las er auf einem Mes
singsschilde die Worte: Simon Katzen
stein, Bankier". Er war also in einem
Haus, in dem sich ein Bankgeschäft be
fand! Wenn man ihn erwischte, und
ihn für einen Einbrecher hielt!
Aber vielleicht wohnte ini zweiten
Stock ein Arzt oder eine Hebamme.
Also klopfenden Herzens weiter! Wie
der ein Streichholz und wieder eine
Enttäuschung! Gicseckc, Polizei
Lieutenant", stand neben der Thür.
Rasch warf er das Streichholz weg, ehe
es noch ausgebrannt war, und dann
stieg er noch vorsichtiger als bisher,
während ihm der Angstschweiß auf die
Stirn trat, abermals eine Treppe höher.
Als er den Absatz erreicht hatte und im
Begriff war, Licht zu machen, schien es
ihm, als bewegte sich in dieser Wh.
nung etwas. Er blieb eine Weile ganz
ruhig stehen. Nichts regte sich mehr,
und so konnte er ein neues Streichholz
wohl wagen. Es war jedoch kaum
aufgeflammt, als hinter der Wohnungs
thür Schritte hörbar wurden. Das
war keine Täuschung mehr. Halb
sinnlos vor Angst huschte er ein paar
Stufen zum nächsten Stockwerk empor,
und dann krachte plötzlich eine Thür.
Aber nicht unter ihm, sondern über ihm
und von oben her fiel ein Lichtstrahl
auf die Treppe.
Tu treibst's ja wieder schön, Fritz!"
jammerte eine Frauenstimme. Ich
habe noch kein Auge zugemacht, und
fttzt ist es gleich ein Uhr. Na, komm'
och endlich wo bleibst Du denn?"
Herr Lüdenscheidt rührte sich nicht.
Er stand im Dunkeln und drückte sich
dicht an die Mauer. Dcr Schweiß
rann ihm über die Schläfe herab, und
er preßte die Zähne zusammen, damit
sie nicht klapperten.
Fritz was soll denn das!" be
gann die Frau oben von Neuem und
jetzt. Herr Lüdenscheidt erwog schon
den Gedanken, ob er sich nicht in's
TreptenhauS hinabstürzen sollte jetzt
ging auch unter ihm eine Thür, und
auch inner ihm wurde eine aufgeregte
Frauenstimm: hörbar.
Wa4 i't denn los, Fra- Ha'sel
blatt?" och weis, nicht," klang es zögernd
zurück, mir war's, als käme mein
Mann."
Ich warte auch auf den meinen
Treibt's denn der Ihre auch so?"
Ei tiefer Seufzer wurde hörbar.
Ach Gott, Fran Jürgensen. er ist ,a
sonst ein guter Mensch, aber wenn ihm
die Kollegen Fritz, bist Du 's
eigentlich oder bist Du's nicht?"
Herr Lüdenscheidt bemühte sich wie
der den Athem einzuhalten, und es
blieb ein paar Sekunden lang ganz
stille.
Das ist sonderbar", sagte endlich die
Stimme von oben, ich möchte darauf
schwören, daß Jemand heraufgekom
men ist."
Mir war s ja auch so", antwortete
es von unten. Ich glaubte, es sei der
meine. . . aber Sie standen wohl schon
vor der Thür?"
O nein, Frau Jürgensen, soweit
vergeb ich mich doch nicht. Ich bin in
meinem Entree und hab die Sicher
heitskette vor."
Die hab ich ja auch vor Frau Haf
selblatt. Ich weiß auch, waS ich mir
fchüldia bin."
Können Sie das Treppenknie nicht
ehen?"
I wo denn! Aber Sie meinen doch
nicht?"
Die Stimme klang plötzlich ganz
ängstlich, und die von oben antwortete
eben so ängstlich. .
Heraufgekommen ist Jemand..
Und solche Dummheiten macht mein
Mann nicht."
Herr Hasselblatt", kreischte nun
Frau Jürgensen auf. wenn Sie da
sind, so gehen Sie hinauf. Und wenn
Sie so voll sind, daß Sie nicht mehr
gehen können, so sagen Sie wenigstens
ein Wort. Sollen wir Ihnen helfen.
Herr Hasselblatt?"
Herr Lüdenscheidt regte sich nicht,
und oben und unten krachten die
Thüren. Nur ganz schmale Lichtstreifen
fielen jetzt auf die Treppe hinaus.
Nach einer Weile begann wieder die
Stimme von unten:
Sehen Sie doch nach, Frau Haffcl
blatt. Vielleicht hat Ihren Mann der
Schlag getroffen."
Aber Frau Hasselblatt merkte die
Absicht und wurde verstimmt.
Einen Mann, wie meinen Mann,
trifft nicht der Schlag", antwortete sie.
Mein Mann ist jung und gesund.
Ihm schadet das Trinken auch nicht,
wie Herrn Jürgensen, er kommt immer
ganz vernünftig nach Haus."
So glauben Sie vielleicht, daß
Jürgensen da oben steckt?" unterbrach
der dritte Stock. Das möcht' ich mir
doch verbitten!"
Herr Jürgensen wird sich beim
Treppenzählcn geirrt haben, und jetzt
schämt er sich." '
Und das sag' ich Ihnen, daß das
bei meinem Mann nicht vorkommen
kann."
Wer ist aber denn auf der Treppe?
Es wird sich doch nicht "
Wenn es Ihr Mann nicht ist. dann
ist's ein Einbrecher"
O mein Gott was machen wir
da ? Herr Jürgensen ?"
Herr Hassel blatt ?"
Herr Lüdenscheidt blieb still und
preßte sich immer dichter an die Mauer.
Das ist keiner von unseren Män
nern," erklärte endlich Frau Jürgensen
bestimmt. Wenn ein Betrunkener da
läge, würde er ja auch stammeln oder
wenigstens stöhnen. Es ist also etwas
nicht ganz richtig. Bleiben Sie nur
an Ihrer Thür, Frau Haffclblatt, und
passen Sie auf. Ich bleibe auch da.
Sie haben doch Ihren Revolver?"
Frau Hasselblatt merkte diesmal die
Absicht nicht, und weinend entgegnete
sie, daß sie keinen Revolver habe, und
daß sie ja auch gar nicht schießen
könne."
Na, das macht nichts," erwiderte
heldenmüthig Frau Jürgensen. Nach
oben kann er ja nicht davonlaufen.
Und Ihre Sicherheitstette ist doch fest
wie? So, und jetzt warte, Kerl
einen Schritt und ich schieße!"
Wieder wurde es ganz still. Plötzlich
aber schrie Frau Hassclblatt auf:
Frau Jürgensen... Wär es nicht
besser, wenn Sie hineingingen und auf
Ihren Fußboden klopften? Vielleicht ist
der Herr Polizcilieutenant Giesecke zu
Haus "
In diesem Augenblick krachte wieder
eine Thür, und vom zweiten Stockwerke
rief eine Männerstimme:
Was giebt's denn da oben, wer will
etwas von mir?"
Herr Lüdenscheid sah keinen Ausweg
mehr.
Ich bin kein Einbrecher, Herr
Lieutenant," ächzte er hinunter, las
len Sie mich hinunter!"
. Dabei taumelte er ein paar Stufen
hinab, aber Herr Giesecke, der bereits
mit erhobenem Revolver im dritten
Stock angelangt war, kommandirte:
Still gestanden, oder ich schieße."
Inzwischen war auch sLon Frau
Giesecke mit ihrem Dienstmädchen auf
dem Flur erschienen, und in drei Stock
werken schrieen vier weibliche Stimmen
auf:
O Gott! O Gott!"
Der Polizcilieutenant aber senkte jetzt
seine Waffe er mußte lachen. Eine
solche Jammergestalt hatte er noch nicht
gesehen. Herr Lüdenscheidt war ein
langaufgeschosiener Mensch mit einem
ehrsamen bescheidenen Spießbürgesge
licht und goldener Brille. Und die'
Mann, dem selbst ein Polizeibeamler
nicht mißtrauen konnte, stand da mit
schlotternden Beinen, klappernden Zah
neu und ängstlich gefalteten Handen
Ein Einbrecher war der Mann njchl
mit Simon Katzenstein hatte er nichts
zu thun:
Was machen Sie denn sur Lireiche ?
fragte Wiese. Und dann lr.unte er
von Neuem laben. Kleine; Liebes
abenteuer wie?"
Herr Lüdenscheidt holte tief Athem
und stammelte dann mühsam hervor
was er zu sagen hatte. Inzwiichen
kamen die Frauen von oben und unten
näher. Das Lachen Giesecke hatte
ihnen Muth geinacht, und das Wort
Liebesabenteuer versetzte sie von Neuem
in Aufregung. Sollte die Hasselblatt
vielleicht ?" dachte Frau Jürgensen,
und tfnni Haiielblatt wieder dachte
Sollte die Jürgensen?" Frau Giesecke
aber erwog, ob die üraenfen oder die
Hasselblatt da hereinfallen werde, und
spöttelnd flogen ihre Blicke nach den
beiden grauen.
Der Lieutenant lieg inzwischen seinen
Kopf hin und her pendeln und seine
nrn saneie sieg.
Das Alles kann ich glauben," sagte
er, und ich kann es auch nicht glauben.
Na, Männeken, Sie gehen mit mir
auf's Revier und morgen Iverden wir
la weiter sehen."
Das war für Herrn Lüdenscheidt ein
neuer Schlag! Er dachte an seine rau
was würde sie sagen, wenn er die
ganze Nacht nicht nach Hauie käme?
Und wieder faltete er die Hände.
Herr Lieutenant," sagte er flehend
ich habe eine Frau. Ich versprach
ihr. um zwölf Uhr zu Hause zu sein.
Und Punkt zwölf Uhr war ich auch
wirklich unten. Was wird sie jetzt
denken, wenn ich die ganze Nacht nicht
heimkäme!"
Den Lieutenant belustigte die Sache
immer mehr. lr machte das grim-
mlgste Gesicht, dessen er fähig war, und
so schnauzte er sein Opfer an:
Was kümmert mich Ihre Frau!"
Jetzt aber wa?te sich Frau Giesecke
in's Gespräch.
Willy," sagte sie fast begeistert, so
etwas kommt selten vor. Ein Mann,
der es mit dem Nachhauseqehcn so
genau nimmt, der kann gewiß nicht
schlimm sein. Der darf nicht auf die
Polizei ! Laß ihn zu seiner Fiau!"
Und nun hoben auch Frau Jürgen- undzwanziq nicht
scn und rau Haiielblatt ihre Hände.
Sie sahen Herrn Lüdenscheidt mit be
wundernden Blicken an und dann Herrn
Giesecke mit bittenden.
Lassen Sie den Herrn zu seiner
Frau!" baten sie. Ein solcher Mann
verdient es, daß Sie eine Ausnahme
machen."
Der Lieutenant zog nochmals seine
Brauen . matialisch zusammen, dann
fragte er den noch immer am ganzen
Körper zitternden Eindringling, ob er
irgendwelche Papiere bei sich habe.
Herr Lüdenscheidt schöpfte neuen Muth,
und sofort breitete er den Inhalt seiner
Brieftasche aus. Sein Anstellungsver
trag, sein Meldeschein, Visitenkarten
und Briefe mußten dem Beamten die
Ueberzeugung beibringen, daß der Un
glückliche vor ihm wirklich der Sekretär
Johannes Lüdenscheidt war.
Na," sagte er endlich lachend, denn
packen Sie Ihren Kram nur wieder zu-
sammen und gehen Sie zu Ihrer Frau.
schließen Sie dem Herrn das Thor
auf Minna. Meine Damen "
Er verneigte sich lächelnd vor Frau
Hasselblatt und Frau Jürgensen, Herr
Lüdenscheidt aber stammelte noch ein
paar Worte des Dankes und der Ent-
schuldigung und dann stolperte er hin-
ter dem Dienstmädchen des Polizellleu
tenants die Treppen hinab, während
sich die Hausbewohner wieder in ihre
Wohnungen zurückzogen.
Aber es wurde in dreier Nacht noch
lange nicht still im Hause. Erst stellte
Frau Giesecke Herrn Lüdenscheidt als
Ideal eines Mannes auf. dann kam
Herr Hassclblatt heim . und jetzt feierte
tyxau Haffclblatt dieses Ideal, und zu
letzt mußte noch Herr Jürgensen eine
lange Rede über den herrischen Mann
vernehmen, der selbst der Polizei gegen-
über nur an das seiner an gegebene
Versprechen dachte, pünktlich nm zwölf
Uhr Nachts nach Hanse zu kommen.
Von diesen Triumphen hat Herr
Lüdenscheidt freilich heute noch keine
Ahnung, aber heute noch liegt ihm sein
nächtliches Abenteuer so schwer in den
Gliedern, daß er zur Zeit geradezu als
den Gipfel idealer Männlichkeit gelten
kann: er geht ohne seine Frau über
Haupt nicht mehr aus
Wollfaden dinier sich her. Der letzt
reparaturdeountige trumpf l i&cnn
oer fertig ist, giebt's nichts mehr zu
thun. Alles ist in dem Haushalt für
Fest mit sorgender Liebe vorbereitet
Wasser- und Seifenbäder baden ihre
reinigenden Flutden bis in den klein
sten Winkel des Hauses ergossen, fleißige
Hände danach neues Behagen geschane
und nun durchzieht ein wohliger
ieiertag-sriede das traute vini.
Im Weihnacht-zimmer sind Fenst
und Tküren geschlossen. Aus langen
Tischen liegen die Festgaben, und de
würzige Tannenduft mischt sich mit dem
Aroma der Honigkuchen und Christ
stollen. Wie Vielen ist ein Plätzchen
eingeräumt ! Manches Einsamen ist ge
dacbt. Auch die wilden Zungen im
Hos, die durch ihr Lärmen manch
stillen Gedanken der Sehnsucht gestört
sind nicht vergessen alle Unart ist an
diesem ,reudensest vergeben. Sie
sollen es Alle fühlen, daß dem Hans
besondere Freude widerfahren, daß der
-ohn heimgekehrt ist.
Tann wird es endlich Abend und
endlich Morgen. Noch ein Tag!
Ter Nähtisch bleibt geschlossen; ein
paar Bücher liegen ausgeschlagen da.
aber die ganze Theilnahme dcr Mutter
gilt einer Kalendertabelle, die, mit
allerlei Zeichen und Anmerkungen ver
sehen, eine stille Sprache mit ihrem
Herzen sührt.
Am 27. Juni fängt es an. Ter
Tag ist mit einem dicken Strich gezeich-
net. Ta zog der Sohn hinaus in die
Welt gluckstrahlend in seines Königs
jfock. Das war das erste stille Opscr
des Mutterherzens, das das Kind dem
Vaterlande abtrat.
Den Kalender in der Hand, hatte sie
sehnsüchtig so oft die Tage bis zum
ersten Urlaub gezählt. Ta die Punkte
sind seine Postkarten und die kleinen
Fähnchen seine Briefe. Tann Doppel
triebe: der Anfang des Manövers.
Danach weist der Kalender eine Zeit
lang nur spärliche Zeichen auf wie
viel Bangen und Sorge wohl zwischen
ihnen liegt ! Endlich ist auch das xmt
wunden, und nun fängt das Hoffen
aus die paar Tage Urlaub an.
Tag reiht sich an Tag Wochen
werden zu Monaten der lange Otto
der vergeht, der düstere November, in
dem die frühe Lampe so wohlthätig
über seine Tauer tauscht nd dann
ist's Dezember endlich! Dreiunb
zwanzig Striche noch! Wenn man 10
Tage gelöscht hat, sind diese letzten drei-
Urlaub.
Irin? 2fi;ze von iyriii Schott.
Noch zwei Tage! Zwei Mal noch auf-
wachen und dann ist er da! Ob es über
Haupt dazu kommen wird? Nun, wo
der Zeitpunkt des Wiedersehens so nahe
rückt, erscheint es dem sehnsüchtigen
Mutterherzen immer zweifelhafter, ob
es ihn wirklich erleben wird.
Was kann noch Alles dazwischen
treten! Dringende Berufspflichten
Sinnesänderung des Vorgesetzten
Urlaubseutziehung ein Unfall
Mütterchens Herz steht beinahe still bei
diesen Gedanken!
Sie sitzt im Lebnstuhl am Nähtisch
die Stopfnadel, an flotteS Tempo ge
wohnt, zieht ljfcit zeitig den grauen
'
Und nun ist nur noch ein Strich
ein Tag noch morgen! Der Abend
sinkt, endlich ist es Schlafenszeit. Das
Mutterauge erquickt keine wohlthuende
Ruhe. Jetzt ist er schon langst auf der
Eisenbahn! Fünf Stunden schon
gleich nach dem letzten Dienst, um keine
Minute des kostbaren Urlaubs zu ver
lieren, hat er sich auf die Bahn gestürzt
und nun geht's Meile um Meile
vorwärts heimwärts, immer näher
und näher.
Zwölf Uhr Nachts! Jetzt ist er in
Koblenz! Der Mutter Hände falten
sich. All' die Tunnel auf jener Strecke
die vielen Eisenbahnunsälle der letz
ten Zeit das Herz klopft ihr in ban
ger Erregung. Endlich ist es sechs
Uhr Morgens.
Karline erhebt sich nach festem Schlaf.
Besen und Staubtuch spüren den Druck
hrer kräftigen Hände. Nun das lang-
ame Drehen der Kaffeemühle der
Duft des Morgenqetränks dringt bis in
Mutterchens Schlafzimmer und nun
tritt sie heraus und durchwandert noch
einmal prüfenden Blickes ihr kleines
Reich.
Ta sem tübchen Alles blitzt vor
auberkeit. Tie weichen molligen
Kissen des schneeigen Bettes sollen ihn
ur das harte Lager in der Garnison
entschädigen!
Ter vollbesetzte FrühstückÄlsch. die
reichlichen Vorräthe der Speisekammer,
die all' seine Lieblingsspeisen birgt,
reden eine stumme Sprache. Und
überall Tannenrciser Wachslichter
zum frohen Willkommen!
Endlich ist es Zeit zur Bahn. Tes
Troschkenkutschers Grauschimmel hat es
nicht so eilig wie das ungeduldige Mut-
tcrherz aber reichlich früh langt das
Geführt dennoch am Bahnhofe an.
Noch eine halbe Stunde zwanzig
Minuten zehn Minuten jetzt noch
uns nun
Langsam, pusten, fauchend, mäch-
tiqe Tampfwolken ausstoßend, rollt der
Zug in die Halle. Ein Gewühl drän-
gender, mit Kisten und Kasten belade
ner, stoßender Menschen und dann
-er!
Er überragt die Meisten sein
uchender Blick irrt enttäuscht über die
Menge.
Die Mutter hat sich tief in eine Nische
zurückgestellt, sie sieht ihn ja längst
aber das Herz ist still geworden die
Spannung hat nachgelassen. Nun ist
der ersehnte Augenblick da sie braucht
nur die Hand' auszustrecken aber
Mütterchens Hand zittert und unter
das heiße Glücksgefühl mischt sich ein
anderes, das ihr gleich einem bitteren
Tropfen die Kehle zuschnürt. Das
weiche, runde Kindcrgesicht ist schmal
und lang gcwordcn und um dcn
Mund. den. wie ein Hauch, der erste
Flaum beschattet, ziehen sich zwei scharse
Linien.
Der Menschenschivarm hat sich vcr-
aufm da wendet er sich noch einmal
und jubeln l liegt er m den
Armen dcr Mutter. Er klopft und
streichelt sic und kann sich nicht genug
thun in unbändiger Freude. Mütter-
cken nickt bloß und druckt feine sehnige
Hand. Was ihr Inneres bewegt. si
det schwer den Weg über die Lippe,!.
Als sie im Wagen sitzen und das
Mutlerauge ängstlich den kleinen Hand
toner als einziges Gepack'iuck mustert,
da quillt ihr aber doch daS Herz über.
Wie lange?" sragt sie. ilrn Angst
schlecht verbergend.
Er lacht fröhlich, und seine Auge
scheinen durch das Straßendilo völlig
in Anitzruch genommen, denn er wendet
sie fort, als er antwonet: Zehn
jsliip!"
Tie beiden Reisetage mitgerechnet?
..'natürlich. Mama!!" Das ist do
aber eine riesige Zeit noch mehr als
acht Tage."
Mehr als acht Tage! Sie hatte ja
gar nicht auf mehr gerechnet, aber nun
erscheint es ihr plötzlich eine so schrecklich
kurze Frist. Und weil mit jeder Mi
nute die Trennung schon wieder näher
ruckt. ,st das OilückSgenihl nicht unqe
trübt, die Angst des Wiederhergeben
mu'sens beeinflußt es schmerzlich.
Auch der Sohn ist nicht ganz srei da
von. Er möchte keinen Augenblick ver
lieren. und so hat sich seiner eine ge
wie unrnye bemächtigt, mit dcr er
sehen und genießen und sich für das
enge Kafernenleben entschädigen möchte
Mütterchen weicht nicht van seiner
-eite.
Noch sechs Tage!
In wechfetreichfter Folge eilen sie da
hin.
Nur noch zwei!
Tie Hand der Mutter zittert, als sie
dem Sohn den Morgenkaffee reicht; und
... ; , - . ti . . .. . .n . 1. 1
u' i ci ? mein uiiu hui uic ut'Eiiuinnini
Thränen sieht, da nimmt er f?!n Alt
chen" zärtlich in die Arme und tröstet
lächelnd. Aber das Lächeln, das dem
Mutterherz noch weher thut!
Er hat noch Tausenderlei aus dem
Herzen, was er ihr erzählen möchte von
einen Planen und Hoffnungen so
viel Lustiges wußte er noch von dcr
winzig kleinen Grenzgarnison und von
erlebten Kasernengefchichten aber ihm
fällt jetzt nichts ein so sehr er sich
besinnt.
Noch ein Tag!
Sie hat ihn zu Bett gebracht, wie zu
seiner Kinderzeit. Er schlingt den
Arm um ihren Hals, dehnt und reckt
sich ,n vollem Behagen im alten Bett
und die Augen fallen ihm zu. noch ehe
sie das alte Kinderqebet gesprochen. Die
letzte Nacht zu Hause! Sie bleibt noch
an seinem Lager. Ten Lehnftuhl an
sein Bett rückend, lauscht sie mit qe-
spanntem Ohr seinen regelmäßigen
Athemzügen. Einmal richtet er sich
chlastrunken aus.
Mama bist Du noch bei mir?"
Ja, mein Junge!" Und sie glättet
orglich das Ki sen.
Wie wunderschön es ist Dich so
nah zu wissen," flüstert er. legt sich auf
die andere (seile und schlast weiter.
In ihrem Herzen hört das Klingen und
Singen seiner Worte aber nicht auf:
wie wunderschön es ist Dich nah' zu
wi cn!
Patfchnef.
Schwiegersohn (bet seine liebe Schwie
germama veranlassen will, ihren Bet"j
abzukürzen): . . O. die Gegend biei"t
unsicher und gefährlich!"
Schwiegermaina: Gut, baß 1 3ie
mir das sagen da werde ich keinen
Schritt mehr aus dem Hanse geben!"
Nun ist es Zeit zum Packen. Er
reicht ihr jedes Stück und mit beben
er Hand legt sie eins zum andern
Der Inhalt des Koffers ist reicher ge-
worden, was geeignet war, des Soh
nes Behagen in der Ferne zu erhöhen.
st dem Bestand hinzugesugt. Wie
gern legte Mütterchen noch viel mehr
hinein ! Jedem Soldaten der ganzen
Garnison möchte sie ein sichtbares Zei-
chen ihrer warmen Zugehörigkeit geben.
Fühlte sie sich doch als rechte Soldaten-
mutter und wie verbunden mit jedem
Einzigen, der die Regimentsfarben des
geliebten Sohnes trägt.
Wieder sitzen sie im Wagen, der sie
zur Bahn bringt sind wieder ver
stummt das Wort. Sie hält seine
Hand fest umschlungen wenige Minu
ten noch, und das Glück ist zu Ende.
.Meine einzig geliebte. Mama,"
aqte er, sie stürmisch umfassend, ehe sie
aussteigen und dann stehen sie vor der
.hür des Eisenbahnzuges, der ihn wie-
der fortträgt in die weite, weite Ferne.
Im Sommer komm ich ja wieder
vielleicht Pfingsten schon," tröstete er
die Mutter, als er in ihr blasses, ver-
grämtes Gesicht sieht. Noch einmal
trinkt sie sich satt an seinem Anblick,
noch einmal fühlt sie den Druck seiner
Hand, und dann setzt sich der Zug in
Bewegung. Aus allen Fenstern wehen
Tücher ein Grüßen und Winken
der Zurückbleibenden Mütterchen ist
wohl nicht die Einzige, die von dem
Liebsten, was sie besitzt, Abschied ge
nominen hat.
Wahrheit.
Mag alles Gute dir erspricßen:
Tu nennst das Glück erst wirklich dein,
Verstehst du mäßig im Genießen
lud im Genusse froh zu sein.
Gemüthlich.
Hausfrau (hat einem Bettler Essen
gereicht): Nun, wie hat es Ihnen ge
schmeckt, lieber Mann?"
Bettler: ..Tanke, sehr gut, was
abcn Sie denn morgen ?"
Die gute öppe.
Frau (welche Mehlsuppe gekocht hat):
Nä. 's awwer doch äune Schande, kee
Mensch will üsse, nun schmeiß ch das
cheene Aessen Widder wack."
Mann: Iß Du D'ch nur satt,
Garline, und das andere braustü ooch
ich wäck ,e warfen, da kann m r
nachher gleich de Tapete d'rmit feste
glawe."
?e feimt ihn.
Bewerber: . .Also eine bestimmte
Zusage wolle 2ie mir heute noch nicht
machen; darf ich dann wenigstens
honen ?"
Frau lein: ..Gewiß aber gehen Sie
daraufhin weiter keine Verbindlichkeiten
ein!"
sächsisch chinesisch rchisfcrlici.
Aüf des Jantsekiangs Wellen
Fahrt a tleencs Blumenschiss;
Ob'S vielleicht nich nnrd zerschellen
Tort an jenem Felsenriff?!"
Nee. ihm scheinen ginst'ge Sterne.
'S ziehd ganz sicher seine Bah
Tenn der Fährmann war in Barne
Eabdcdähn vom grcßtcn Kahn!"
Doppelsinniges Kompliment,
Gnädiges Fräulein, bin wahrhaftig
entzückt, daß Sie mich vom Subsirip-
tionsball her wiederzuerkennen die
außerordentliche Liebenswürdigkeit ha
den!" Herr Baron, das ist doch sehr be-
greiflich! Sie haben eben eines von den
Gesichtern, welche wir grauen vergebens
zu vergessen suchen!" ' .f
Macht der Gewohnheit.
(Eommis Meyer, der in einem Ge-
schüft? das Telephon zu bedienen hat,
geht an der Schildwache beim Pulver
thurm vorüber.) Wer da?"
Hier Meyer wer dort?"
Zerstreut.
Gelehrter mit feiner jungen Frau
von der Trauung aus der Kirche kom-mend):-
So, jetzt gehören wir für
immer zusammen, liebe Emma!"
Junge Frau: Ja, Ferdinand
aber schreib' Dir es doch lieber auf, da-
mit Du es nicht vergiß't!"
Auch eine Speculation.
Ich gratulire Dir. liebe Elly!. . Du
haft Dich ja mit einem Marineoffizier
verlobt! Wie kommt das eigentlich
Tu schivärmtcst doch immer nur für
availerlek"
Tas schon aber ein Marineoffi
zier kommt durch die ganze Welt und
da freue ich mich schon auf die verschie-
denen Ansichtspostkarten!"
Fatal.
Der Aufführung eines Bauernthea-
ters. dessen Hauptdarsteller ein wackerer
Dorfschustcr. wohnt ein berühmter Hof-
chau pieier bei. Vom spiel des bäuer
lichen Künstlers entzückt, sucht er nach
der Vorstellung dessen Bekanntschaft zu
machen. seien sie mir qeqrukt. He
ber Eollcge!"
A so ie fan aa a Schuster!"
heimgezahlt.
Ihre Ohren, Herr Karl, werden
aber jeden Tag größer!"
,o?! Ich glaube, meine Ohren
und Ihr Verstand, das gäb' einen
amoscn Esel!"
liochster Triumph.
Eine Theatergcscllschaft gibt in einem
Torfe Schillcr's Räuber". Ter
Eharaktcrdarstcller Reißer spielt den
kZsranz" so realistisch, das; die darüber
empörten Bauern ihm nach der Vorfiel
lung auflauern und ihn ordentlich
durchhauen.
Ganz entzückt über diesen schauspiele-
rischen Triumph, ruft Reißer, während
die Schläge noch auf ihn niederregnen:
,.ch danke hncn, meine vcrren! Sie
bereiten mir die schönste Stunde meines
Lebens!"
ZZgerlatein.
Förster: . .Ja, meine Herren, bei '
einem Pirschgang machte ich einmal
einen fehltritt und stürzte in eme
Schlucht! Mein braver Dackl sprang
mir nach, packte mich im Fallen an der
Brust und zog mich zurück da er
wachte ich aus meinem Traume, deiur.
es war, Gott sei Tank, nur ein solcher;
das arme Vieh selbst aber blieb todt
unten liegen!"
Gesalzen.
Gast: Hören Sie, Herr Gasthofbe-
slcr, ie haben da fünfzig Pfennig
ür Tinte, neder, Papier und Radir-
gumini aufgeschrieben! Ich habe aber
nichts von Tein benützt!"
Hotelier: Aber 'Ich zu Ihrer Rech
nung
i"
nf jnt terrihlc.
. . Also am Mittwoch Abend sollen
wir kommen!,. Aber um welche Zeit
erwartet uns Teine liebe Mama V
Tas weiß ich nicht! Tie Mama hat
ir gesagt: sie möcht' die Geschichte so
bald wie möglich los sein!"
Weine Miszoerita'ttdiiiß,
Karlchen, das von der Mama Schläge
bekommen soll, flüchtet in fein Zimmer
und verkriecht sich unter das Bett.
Mama ruft Papa, Karlchen hervorzu-
holen. Papa eilt herbei,, den Auftrag
auszuführen.
Karlchen: Papa, will Dich Mama
auch hauen? Komm' 'runter, komm'
runter!"
I