Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 13, 1898, Image 9

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"JicmUtf v?n v. ' I u !
Auf dein Anger am "Vuk lärmte das
Oilslnticj.t'ii. Wie br.nl da-: nun!
Gunter als der Sommer nnt all feiner
BtutbeiH'rada. Ais schützen mit ihren
Frauen iinD Mindern im Id-miiden
Sptniuentaai. und Die ('lautier, b:e
Weittdiulen. das .Mai-perle2beater, die
TirMetUinger-Alles bunt. "Jlbi-r doch
verschieden in feiner Buntheit - hier die
grellen Farben der Jöetmatbio'en. der
Schinbriidnaen, dort der abaetoute Pt:p
der ordentlichen Veute.
Amtsrath Beraemann sagte zu feiner
Frau: Eigentlich sollte man die Minder
von so ctuuH fernhalten, und Burger
Meisters Minna raffte ihren rosa Bar
latan zusammen, damit er den Flitter
staat der Frau nicht berühre, die re
ßiimilos bor der Mufikhalle stand,
Kerfe Person, dachte die hübsche
Minna, wie sie unseren neuen Amts
rath ansieht! Als sei er der cinznic
Mensch aus dein weiten Plan.
Ta schien auch cr den starren Blick zu
spüren, er sah auf und der fremden
Fnni gerade in'S Eiefidit.
Sofort senkte sie die Augen a den
Kindern, die Papa und Mama mit
niedlichern (-.(trappel solgten. Ihm
aber kam cinc Eiinnerniig.
Weid)' winzige Aebnlidikeiten solch
eine Erinnerung wecken könne! Ein
zweiter Blick sagte ihm, das; dies der
kommene Weib nicht den leisesten Zita,
von seiner Schwester habe, und doch
war ihm bei seinem Anblick die Serjwc
I ster eingefallen, an die cr so lange nicht
l gedacht hatte.
Bekannte drängten sich heran mit
Vorschlägen, wie der Bogelschier.plun
der auszukosten sei. Bcrgemann schickte
die Kinder zum Kasperle, ließ sich zu
den falschen Tirolern verfuhren, die
man anhören nüine, um einmal so recht
gewahr zu werden, wie tief der Mensch
hcrabgleitcn könne, wenn cr einmal die
gesicherte Höhe der Ordnung verlassen,
und sah dabei nichts als Erinnerung
bilder, die das verkommene Weib in ihm
geweckt hatte.
Er dachte seiner Jugend, cr dachte
seiner Schwester. Wie lustig sie gewesen
war, und wie schön mit ihrem lachenden
Mund und den grünen Nirenaugen!
wie sie jedes Spiel zu strahlender i'uft
gesteigert und später jeden Ball und
jede Landpartie über das Masz des All
tags emporgehoben hatte, so daß cr den
Mann haßte, der sie. gar so jung noch,
aus dem Elterntjaiife lockte. Karl Ber
gemann suchte damals die Schwester
festzuhalten durch Schauergeschichten
vom bösen Ehemann, sie lachte nur mit
ihrem süßen, girrenden Lachen und
schüttelte die braunen Locken: Ich hab
ihn doch lieb. Karl! Als der Mattn
aber bald darauf starb, meinte der
Bruder, wcnig diivon zu mcrkcn. Nach
kurzem rasenden Schmerz war sie wicder
die lustige Thea. von einer wilderen
Lustigkeit noch als sonst, und die braven
Leute begannen die Köpfe über sie zu
schütteln!
i Nach einer Weile starb auch das Kind
J die braven Leute sagten, durch Tliea'S
Schuld: Mütter seien dazu da, für ihre
kleinen Kinder zu sorgen, nicht um auf
Tilettanten-Bühnen alberne Stücke zu
spielen. Aber das machte die kleine
Lucy nicht wieder lebendig. Tie schöne
Thea versank abermals in maßlosen
Schmerz, nach einem Vierteljahr aber
war sie unter die Komödianten" qc
gangen weil sie die Einsamkeit nicht
ertrüge, sagte der Adschiedsbrief
Narrenpossen.
Alles das sah und bedachte der Amts
rath, während er mit den ordentlichen
Leuten in der vcrgrüntcn Brctterhalle
beim Kaffee saß. aber nur aus tiefem,
eigensüchtigem Zorne heraus.
Was das für eine Zeit gewesen war
voll Scham und Gram! Er hätte sich
vor Allen verstecken mögen dazumal.
Nun, diese neue Heimath lag weit ab
von der alten hier wußte Keiner, daß
er eine Schwester besessen hatte, hier
konnte er ruhig schlafen.
Er trank seinen Kaffee und hörte mit
halbem Ohr nach den Sängern.
Da trat ja auch die Frau auf, die
seine Erinnerung geweckt hatte; sie stand
lassig da in ihren bunten Fahnchen und
sang. Die Stimme war matt, nur
manchmal suchte sie einen wirkungsvoll
len Ton grell aufzusetzen und doch war
in diesem Jodeln ein Klang, der Karl
Bcrgcmann's Erinnerung heftiger schüt
telte als vorhin der Anblick des Weibes
da ertönte er wieder barmherziger
Gott sie war's! sie war's wirklich!
dies verkommene Weib, diese vcr
' .-Icbminktc. verwüstete Eouplct-Sangerin
war seine Schwester.
' Der Schrecken rückte an seinem
Stuhl: sie hörte das Geräusch und der
leere Blick, mit dem sie die Tische ent
lang kokettirte, wurde zum bewußten
Sehen.
Was solche Person nervös ist," sagte
Doktor Wcndt, wird kreideweiß von so
einem bischen Stuhlrückcn. Nun, das
mag wohl erbärmlich leben."
Erbärmlich? Ja, zum Erbarmen für
alle ordentlichen Leute."
Der Amtsrath saß wie auf Dornen:
sobald sich's thun ließ, rettete er sich
aus dieser Nähe. Draußen kam ihm
eine neue Angst und überschüttete ihn
mit Scham und Sorgen: Thea hatte
ihn ja auch erkannt, wenn sie ihn bc
suchte? oder wenn sie den aufhorchenden
Leuten erzählte: Euer neuer Amtsrath
ist mein Bruder.
Er umkreiste die Musikhalle just, als
die Schwester durch ein hinteres Pfört-
Sonntagsgast.
Jahrgang 11).
Beilage zum Ncbraska Ztaats-?ln;eiger.
No. 21.
dien heraus trat. Aber sie entfloh, als
er ans s:e zuging.
cie will mir nichts versprechen, sie
will reden, dachte er, und eilte ihr nach
durch das Bogelichießgedrange, bis in
die buschigen Anlagen am Flu'ie. wo
der Jasmin blühte und die binden dnf
teten.
Aber Theo Bergemann floh nicht vor
dem. was er ihr etwa abverlangen
könnte, sie floh vor ihrer Jugend, vor
ihren goldenen Tagen, vor ihren ver
wüsteten Gaben, die sich alle in des
Bruders Gestatt vorwurfsvoll vor ihr
aufrichteten.
Als sie merkte, daß es kein Entrinnen
gab. blieb sie stehen. Der Athem ging
ihr kurz, si? fetzte sich auf einen Baum
stumpf nahe dem Wasser und erwartete
den Bruder in finsterem Trotz.
Was willst Du von mir'"
Er stürmte mit zornigen Borwürfen
auf sie ein, deren jeder endete: Und
Du wagst es. hierher zu kommen?"
Sie rührte sich nicht, und unterbrach
ihn nicht, erst als er fertig war, ant
wortete sie spöttisch: Konnt' ich wissen,
daß Du gerade hier der Ordentlichste
der ordentlichen Leute bist?"
Du mußtest die HeiittathS-Geaend
überhaupt meiden."
Mußte ich?"
Er sah, daß der Zorn eindruckslos an
ihr vorübcrrauschtc, und versuäztc es
auf anderem Wege. Ob das denn ein
Leben sei, was sie führe? Ob sie jemals
fröhlich sei? Ob sie nicht gemieden,
werde? Ob er ihr das nicht vorausge
sagt Habe? Sie solle bereuen und von
dem Irrweg ablassen, sonst werde sie
noch auf der Straße sterben.
Sie hörte nicht der PHarisaer-Tvn.
der da sprach, sie hörte nur die Worte,
und der satte Sommer ringsum, das
friedliche Wasscrgcrinsel, das Plaudern
der Kinder seitwärts ans der Bank cr
weckten in ihr ein heißes Heimathvcr
langen. Ja," sagte sie plötzlich, ich bin
elend. Unrast in Leib und Seclc, Noth
um den Groschen und ungestillte Sehn
sucht nach einem reinen Athemzug.
Hilf mir! Ich sehne mich nach Hciinath
frieden, laß mich bei Euch bleiben."
Entsetzt streckte er beide Hüude gegen
sie aus. Um Gotteswillcn!"
Sie sah ihn an wie ein Mensch, der
aus einem Traume geweckt wird, aber
noch nicht recht wach werden kann.
Hastig fuhr er fort: Ich habe es selber
knapp, aber ich will versuä)en, ob ich
irgendwo, wo Dein Leumund nicht vor
Dir hcrgclaufen ist, eine Hospitalstcllc
für Dich finde."
Langsam wachte sie aus, aber noch
verwirrten sich Traum und Wirklichkeit,
wie sich das Kindergcschwätz neben ihr
mit dem Rauschen des Flusses mischte.
Das hülfe mir nichts, Karl, das wäre
Einsamkeit, vor der mir graut, und
Oede, die mir Unruhe macht. Bei Euch
laß mich bleiben: ich sah vorhin Deine
Kinder, was wollte ich sie lieb haben,
die kleinen Menschen; Dich und mich
noch einmal auf die Erde geschickt, es
klüger zu machen wie wir zwei."
Wie wir zwei das verletzte ihn
schwer. Du vergißt meine Stellung!"
sagte er hochfahrend.
Der Traum wurde blasser; hastig,
als wollten die fliehenden Wellen ihr
etwas Köstliches entreißen, sagte sie:
Ja, Deine Stellung dann nicht als
Schwester, als irgend etwas als
Haushilfe, als Kindsmagd "
Tu? Du!" rief er zornig und lachte
hell auf.
Jetzt war sie ganz wach. Ich gehe
zu Grunde, Karl."
Das klang so matt, fast wollte es
sein Herz rühren, aber die Rinde war
zu fest.
Und wenn Tu zu Grunde gingest,"
sagte er kalt, so zahltest Tu nur Deine
Schuld. Das müssen wir alle. Wer
rettet wohl einen verbrauchten Menschen,
wenn er dabei die hoffnungsvolle Zu
kunft in Gefahr bringt? Du, meine
Kinder! Tu. die Tu Tein eigenes
durch Pflichtvcrgeffenhcit umgebracht
hast !"
Thea stieß einen Schrei aus. Er
meinte, weil sie sich getroffen fühle und
wurde doch wieder irre, denn ihre aus
gestreckte Hand deutete auf ein Bübchen,
das in's Wasser gestürzt war; sein Auf
schrei hatte sie mit dem ihren vcrdun
den. Hilfe!" rief der Amtsrichter in die
Luft hinaus. Barmherziger Gott,
warum ist er solch ein schlechter Schwim
mcr! Tcr Gedanke daran lähmte ihn
völlig, da war die Schwester schon die
Böschung hinab, in den Fluß hinein
sie erfaßte das Kind, aber das Waffcr
riß. beide gcricthen in seine Gewalt.
Karl Bergcmann schlug das Herz bis
zur Kehle hinauf; sie schwamm immer
gut, war das Einzige, was er zu denken
vermochte.
Thea kämpfte inzwischen gegen die
Fluth, die sie nach dem Strudel reißen
wollte, die Linke hielt das Kind empor,
die Rechte theilte das Waiser. aber wo
waren die Kräfte vergangener Zeiten ?
Ich kann nicht mehr, denkt sie, wer lost
mich ab? ich kann nicht mehr,
Ta kam einer heran und schob ihr
eine Stange zu. Aniaffen! festhalten!
schrie eine Stimme, die sie kaum noch
horte, der aber ihre Hand gehorchte,
Sie griff und hielt und wnrdc an's
Land gezogen.
Das Kind war so munter, daß cS
gleich zn weinen begann. Seine Mut
ter riß es an's Herz und überströmte es
mit ihren thränen, die Menschen
rannten herbei, der Anger wurde leer,
Alles fragte wie und was? Einen
Augenblick lang war die Retterin ver
gessen. Sie lehnte am Weidenstainnt und
lächelte; irgend etwas Liebliches war ihr
geschehen, aber sie wußte nicht was: sie
tonnte nicht denken, das Herz arbeitete
in rasenden Schlägen, sie fühlte nichts,
als dies Herz, aber sie lächelte, dann
sagte sie plötzlich: Aus und glitt in
das Gras.
Mit Wehklagen bemühten sich die
Leute um sie. der Arzt ließ das Kind,
horchte und klopfte an ihrem morschen
Leibe, konnte aber nichts thun, als den
Tod bestätigen. Schreck, Temperatur
Wechsel, Kampf mit dem gewaltigen
Gegner Wasser, wie soll ein Körper das
überstehen, der so wie so nur noch müh
sam zusammenhält.
Die Leute waren sehr ergriffen dar
über, daß cinc Spielerscke" so brav
sein könnte. Der Bürgermeister er
klärte, die Stadt werde sie begraben 1.
Klasse, denn das wäre ein Heldentod,
aber der Bater des geretteten Kindes
wollte es ganz allein bezahlen.
Karl Bergemann stand noch immer
auf derselben Stelle, blaß und athcm
los unter der Gewalt einer bitteren
Reue. Nun war sie todt, und das
Letzte, was ihr das Leben gebracht
hatte, waren seine grausamen Worte
gewesen.
Und diese Reue war so heiß, daß sie
all sein Tugcndstolj und all seine
Lügeneitelkeit zerschmolz. Mit zwei
Schritten stand cr neben der Todten,
schob dcn Bürgermeister bei Seite und
sagte sehr laut: Das Begräbnis; ist
meine Sache, sie war meine Schwe
ster." Der Trauring.
Humoreske von o h a n n a . ra u ß.
Das junge Mädchen war kaum von
dem Eoupizfenstcr wegzubringen. Mit
großen Augen sah es hinaus in die
prää)tige Berglandschaft, durch die der
Zug brausend und rasselnd dahinschoß.
Die grüne Steiermark war doch noch
viel schöner als Mizzi sie sich vorgestellt
hatte.
Mizzi!"
Ja. Onkel schau nur die Burg
ruine da drüben auf dem Berg. Wie
wunderschön! Da haben wohl Raubrit
tcr gcscsscn ?"
Du, Mizzi, ich hab' jetzt zu reden
mit Dir!"
Die großen blauen Augcn in dem
frischen Mädchcngcsicht sahen jetzt bang
lich auf den weißhaarigen Mann. Was
hatte der sonst so lustige Onkel nur?
Er machte ja ein ganz grimmiges Gc
sicht. Bist.. ..bist Du böse. Onkel?"
Ach was böse, keine Spur. Wenn
man mit Euch Weibern ernsthaft reden
will, habt Ihr immcr gleich Angst
Ich habe Dich gern mitgenommen in's
Bad, sehr gern. Aber was mir nicht
taugt, das ist, die Gardedame zu spie
len. In so einem Badeorte sind die
Laffen dreimal so arg hinter einem hüb
scheu Gesicht her. als anderswo, also
muß man ein Mädel dreimal so scharf
hüten als in der Stadt. Das ist mir
zu strapaziös. Und darum steckst Du
diesen Ring an."
Auf das Aeußcrste verblüfft sah
Fräulein Mizzi auf den kleinen, glat
ten Goldreif, den der Onkel ihn dar
reichte. Dabci sah sie an dem vierten
Finger seiner rechten Hand einen ganz
ähnlichen Ring leuchten Verwirrt
stotterte sie:
Aber Onkel, das das sind
ja Eheringe?"
Na natürlich!" antwortete der Alte.
Wenn ich Dich als meine Nichte führe,
muß ich überall hinter Dir herlaufen.
Und das ist mir zu anstrengend, wie ich
eben qcsagt habe. Also giltst Du ein
fach für meine Frau. Eine junge Frau
darf viel mehr Freiheit haben als ein
Mädel."
Das Fräuleinchen wurde roth, dann
blaß, dann wieder roth, und dann siegte
der übermüthige Humor der zwanzig
Jahre, die sie gerade vor drei Tagen er
reicht hatte. Sie brach in ein hellcs,
lustigcs Mädchcnlachcn aus.
Deine Frau, Onkel! Das ist zu
drollig! Ich Deine Frau!!" ,
Die grauen Augcn des alten Herrn
l'I'tzten schalkhaft unter den buschigen,
weißen Brauen hervor.
Mir scheint gar. Tu lachst mich aus,
Du Kröte? Glaubst wohl, ich bin ;n
alt. um den Herrn Gemahl von so ei
nem jungen Ting martiren zu können?
Da möcht' ich doch bitten! 'Wenn ich nur
will, bab' ich in vier Monaten eine
wirtliche Frau, die noch um ein, zwei
Jahre junger ist als Tu und ein ganzes
Theil hübscher.
las Madchen fiel ihm um den Hals.
Aber gewiß. Onkel! Tu bist doch ein
so ein prachtiger alter Herr. Wenn Tu
nicht schon mein Onkel warft, würde ich
Tich selber beiratben. Alle meine
Frenndinmen sagen ja. daß mir weiß
am besten steht. Her mit dem Ringel!
Das toll ein Spaß werden."
Hell lachend und dock? mit einem tlet
neu Schauder im jungen Herzen, als
thäte sie etwas äußerst Bedenkliches,
schob sie den Reif auf den rosigen Fhi-
gcr.
In dem kleinen Badeorte gab cs ein
mächtiges Ansuchen, als das ungleiche
Paar aufzog. Er war ja ein schöner
Mann von strammer Haltung, dem
man den ehemaligen Offizier ansah.
aber gcwin schon über die sechzig. Und
sie so jung, kaum zwanzig. Und so
märchenhaft hübsch. Das konnte doch
kein Ehepaar lein?. . , .
Als die neue Eurliste herauskam.
'kürzte man nch ordentlich darauf. Rich
tig, da stand's: Hauptmann a. D. Fa
ber und Frau aus Wien.
Unglaublich!
Die arme junge Frau!" fügten die
Herren hinzu.
ES ist beinahe unmoralisch, einen
um so viel älteren Mann zu haben,"
sagten die Mütter.
Frau Fräulein oder Fräulein Fran
Mizzi suhlte sich natürlich pudelwohl in
ihrer Rolle, sobald sie erst die ansang
liche Befangenheit überwunden hatte.
Sie war der Mittelpunkt der Badege
sellschaft: wo immer sie sich zeigte, hatte
sie sofort eine Gruppe von dienstbcflis
scnen, sich in Aufmerksamkeiten erschö
pfenden jungen Herren um sich. Dazu
genoß sie eine Freiheit, wie noch nie zu
vor, cinc geradezu köstlichc Freiheit.
Jeden Abend hatte sie ihrem Pseudo
qcmahl etwas Ncucs zu berichten.
.Du. Onkel Herr Dornbusch,
weißt Du. der Dünnbeinige mit der
großen Glatze, will uns durchaus in
Wien besuchen. Er kommt immer auf
Urlaub hin. sagt cr."
Das hat nichts zu bedeuten, Kind.
Solche gesellschaftlichen Beziehungen
werden in den Badeorten immer vcrab-
redet. Und wenn man abgereist ist,
denkt man nicht mehr daran."
Du. Onkel, Herr Rosenberg, der
mit dem schwarzen Spitzbart, cr soll ein
Dichter sein, der behauptet, ich hätte
ihn zu einem großartigen neuen Roman
begeistert. Er hat mich um die Erlaub
niß gcbctcn, mir das Buch zu widmcn.
Dazu hat cr so melancholische Augcn ge
macht! Und ein Gedicht hat cr mir vor-
gelesen das war ganz schauerlich
schön!"
Die Widmung des Romans kannst
Du ruhig annehmen. Ter Kerl bringt
doch keinen zu Wege. Die Gedichte
hör' aber nicht mehr an. das bitt' ich
mir aus!"
Nach einiger Zeit aber begann der
Redefluß des jungen Mädchens zu
sickern, um schließlich gänzlich zu vcrsie
gen. Mizzi wurde nachdenklich und
hattc manchmal cincn so sonderbaren
Glanz in dcn Augen.
Tcr alte Herr ließ sie eine Wcilc ge
währen, und beobachtete blos scharf ihr
verändertes Wesen. Tann fragte cr sie
eines Abends:
Tu erzählst mir ja gar nichts mehr,
Kind. Wie unterhältst Tu Tich denn
jetzt eigentlich?"
Tas junge Mädchen wurde roth und
ließ das Köpfchen hängen. Onkcl
ich ich möchte am liebsten ab-
reisen."
Ter alte Herr machte eine erstaunte
Bewegung,
Oho? So auf einmal? Was ist
denn los?"
Nichts, Onkcl. Ich möchte nur
fort. Ich habe solche Sehnsucht nach
Mama, und nach Anna und Minna."
Jctzt hatte sie richtig Thränen in den
Augcn. Bestürzt zog sie der Onkel an
sich.
Aber Kind! Tu hast mir doch
versprochen, mir Alles zu erzählen. So
sprich doch, ich bitte Tich."
Mizzi weinte eine Weile still in sich
hinein; dann zog sie mit resoluter Bc
wcgung ihr Taschentuch hervor und
trocknete sich die Augen.
Warum soll ich's nicht sagen. Es
ist da Einer, Friß Tobcrbcrg heißt cr,
der macht mir dcn Hof in einer Weise,
wie ich nie geglaubt hatte, daß man es
bei einer vcrhcirathctcn Frau thut.. ."
Tas hat nichts z bedeuten, Herz
chen." Aber cr schwört mir, er liebt mich."
bat auch nichts zu bedeu
. aber ich ich hab' ihn
Tas
ten."
Aber,
auch lieb.
Ter alte Mann fuhr zusammen.
Mit gepreßter Stimme sagte cr:
..Das ist sreilich schlimm. Er ist ja
offenbar ein schlechter Mensch, sonst
konnte cr nicht, ..."
Mizzi richtete sich jah empor, und
suchte sich dein Anne des Onkels zu
entwinden. Ihre blauen Augen snn
kelte. Nein, Onkel das darfst Tu nicht
sagen! schlecht ist der Fritz nicht."
Wenn er einer verheirathetcn
Frau "
Tas ist ganz anders gekommen als
Tu denkst. Onkel. Im Anfang hat er
sich ganz fern gehalten von mir. Und
als cr dann doch Herankam. Hat er mir
auch nicht, die Kur geschnitten, wie die
Andern. Ich sah. wie gut er mir war.
und wie cr mit sich kämpfte, um kalt zu
scheinen. Ta hat mir dcr Spaß, dcn
wir trieben, schon leid gethan. Und
dann stellte er mir vor. daß ich doch
nicht glücklich sein könne neben einem so
alten Mann..,, und und ich
solle mich scheiden lassen , . . . Und
und ich mußte das Alles anhören
und konnte ihm nicht sagen, wie die
Tinge liegen, ich schämte mich so sehr
vor ihm und kam mir vor wie eine Ber-
brccherin Onkel !" schrie sie auf,
laß uns abreisen! Gleich morgen, ja.
Onkel?"
Sichtlich aufgeregt streichelte der alte
Herr den blonden Scheitel des Mad
chens. Ja, wir reifen, Herzchen, wir reifen.
Uebcrinorgen, wenn Tu dann noch
willst. Und morgen nehm' ich mir die
fen Herrn Toberberg vor. Hast Tu
ihn denn wirklich, so gern?"
Ja, wirklich, Onkel!"
Tann tröste Tich nur Mizzi. Es
kann ja noch Alles gutwerden .... Aber
jetzt geh' schlafen."'
Ter Herr Hauptmann a. T. ging die
ganze Nacht rauchend und gestikulircnd
in seinem Zimmer auf und ab.
Am frühen Morgen machte cr dann
Toilette und ging fort. Zwei Stunden
spater kam er sichtlich aufgeräumt zurück
und brachte cincn jungen Menschen mit,
bei dessen Anblick Fräulein, Mizzi erst
die Flucht ergreifen wollte. Als ihr
das Unverständige dieses Beginnens
recht eindringlich vorgehalten wurde,
sah sie es gegen die sonstige Gepflogen
heit der Tamenwelt auch sofort ein und
war so eifrig bemüht, ihren ansäng
liehen Fehler wieder gut zu machen, daß
sie nun Herrn Fritz Toberderg gerade
wcgs an dcn Hals flog.
Wahrend das Pärchen Hand in Hand
und eifrig tuschelnd in der Tivanccke
saß, schricb der Herr Hauptmann ver
gnügt schmunzelnd folgenden Brief:
Liebe Schwester! Ucbermorgcn kom
inen wir zurück und bringen einen hüb-
schen, braven, in behaglichen Bcrhalt-
innen lebenden jungen Mann mit, der
Tich um die Hand unserer Mizzi bitten
wird. Damit habe ich Tir die Ucbcr
Icgcnhcit dcs Mannes sogar auf dem
weiblichen Gebiete des HeirathsstiftcnS
schlagend bewiesen. Tu wirst vor Neu-
gier platzen, wie ich das anstellte und
darum sei Tir dies Geheimniß ver
rathen, aber nur Tir, hörst Tu? Ich
calculirte einfach so:
Wenn unsere jungen Leute von heut
zutage, die so fürchterlich klug sind, sich
in Gefahr fühlen, sich in ein Mädel zu
verlieben, so besehen sie sich die Um
stände, in denen die Huldgöttin lebt.
Sind die nicht glänzend, so reißt der
Romeo einfach aus. um sich nicht hin
reißen zu lassen. Einer jungen Frau
aber machen sie ganz arglos den Hof,
wenn daö Gemüth sie dazu treibt. Tas
ist ja ungefährlich. Tarum gab ich
Mizzi hier im Bade für meine Frau
aus.
Als der Köder so zubereitet war. legte
ich mich auf die Lauer, um das Netz zu
schnappen zu laen, sobald der richtige
Bogel erst hineingegangen wäre.
Tiefer richtige Bogel ist eben der
Toberberg. Ein äußerst netter Mensch.
Es macht mir ordentlich Gewinensbisse,
ihn hineingelegt zu haben. Tenn hin
eingelegt hab' ich ihn doch. Wie un
bändig er sich freute, als ich ihm sagte,
Mizzi sei ein ganz und gar lediges
Fräulein. Trei Wochen früher wäre
er ihr eben deshalb ans dem Wege ge
gangen Wer war also wiedcr einmal dcr
Schlaue?
Natürlich Tein treuer Bruder
Gustav."
Eine Kntifgcschichte.
Tcm 33. L.-A." wird das folgende
hüdfchc Erlebniß erzählt: Eincin in
Berlin in Garnison stehenden Stabsof
fizier hatte kürzlich ein Unteroffizier
verschiedene Ordres zur Unterschrift vor
zulegen ; cr begab sich zu diesem Zwecke
in dic in der Potsdamcr Straße be
findliche Wobnnng des Borgcfepkcn.
Auf fein Lauten wurde ihm dann von
einem jungen nn'il'lichfn Wesen geoff -net,
das ein Kind ant den: Arm trug.
Ist der Herr Caerft zn Haute, mein
Schatzchen, fragt der galante Uüterof
nzier und knin das Sdiatzchen iz'uichzei
tig tüchtig in die Wangen. Was
unterstehen Sie sich !" war die entrüstete
Antwort, doch zeigte ihm das Schatz
dien" die Thur des Tienstzimmers,
verfugte sich selbst aber in ein Neben
zimmer ; der Unteroffizier schwitzte Was
ser und Blut vor Angst ; denn daß e
die Frau Oberst und nicht ein Kinder
madchen war. die er gekniffen, daß sah
er mir zu deutlich.
Ich niodite Tich bitten," sagte die
Taine im Nebenzimmer zu ihrem Gc
mahl, dem Unteroffizier zu sagen, er
solle, wenn rr wicder einmal kommt,
unsere Mädchen draußen in Ruhe las
seit ich kam gerade hinzu, wie er eine
ganz tüchtig in dic Wangen kniff."
..Wenn Tu cS wünschest will ich's
ihm verbieten," erwiderte der Oberst
lachend, aber eigentlich, was ist denn
viel dabei?"
Tarnit begab cr sich wieder in sein
Tienstziniiiicr, wo der Unteroffizier voll
banger Ahnungcit ihn erwartctc.
Hören le, Unteroffizier, diese Knci
fereien im Borziminer lassen Sie küits
tig bleiben !"
Entschuldigen Sie, Herr Oberst,
aber ich wußte nicht, daß cS dic Frau
Cberft "
Ja. daß es die Frau Oberst ge
sehen hat," ergänzte der Oberst : einer
lei. es schickt sich unter keinen Umstän
den. hauptsächlich nicht, weint Sie sich
im Tienst befinden !" Eiligst verschwand
nun der Unteroffizier. Tie Frau
Oberst hat aber diese kleine Geschichte
ihren Bekannten zur großen Erheiterung
zum Besten gegeben.
tit praktische Hahrradwärtkri.
Folgende tragikomische Radler-Ge-schichte
wird aus einem französischen
Badeort berichtet: Madame L ,
ein reizendes junges Frauden und ntthu
siasmirte Radlerin lud eines schönen
Nachmittags ihre sämmtlichen dem
edlen Radfahrfport ergebcnen Freunde
und Freundinnen ein, mit dem Rad
zu ihrer romantisch gelegenen Billa
hinauszukommen, das Souper bei ihr
einzunehmen, und dann bei Mondschein
nach Hause zu radeln. Mit heller Be
gcisterung wurde die freundliche Ein
ladung angenommen und pünktlich um
sechs Uhr erschienen einige vierzig Pedal
tretende Menschenkind beiderlei Ge
schlechts. Tamit keine Verwechselung
dcr Maschinen stattfinden konnte, hatte
die liebenswürdige Wirthin einen ab
gelegenen iiartenpavillon zur Auf
nähme der Räder hergerichtet und eine
Frau beauftragt, die Räder mit nume
ritten Zettclchcn zu versehen und sorg
sam zu bewachen. Tie Gäste erhielten
ihr Nummern und für das richtige
Abliefern jedes Rad versprach die gut
müthige Wächtcrin aufkommen zu wol
lcn sie sei nicht umsonst lange Zeit
Garderobiere an einem Theater ge
wcsen. Man vertrautc also der Alten
ganz arglos sein kostbares Eigenthum
an und gab sich allgemeiner Lustigkeit
hin. Tas zur Aufsicht der Rädcr be
orderte Mütteräicn war nun zwar eine
sehr ordentliche Frau, aber das Ge
hcimniß dcs pncumatischcn Gummi
mantels war ihr völlig fremd. Sie
hatte zuerst dic Zcttclchen mit den
Nummern auf dic Sättel gelegt, doch
als ein kleiner Windstoß eines der
Kürtchen beinahe fortgeweht hätte, kam
sie auf den genialen Gedanken, die
Nummern mit einer Stecknadel am
Vorderrad zu befestigen. Mit der er
forderlichen Kraftanstrengung steckte sie
die Nadeln so tief wie möglich in den
mühevoll aufgepumpten Schlauch und
blickte zuletzt befriedigt auf ihr Werk.
Tie pathetische Szene, dic sich abspielte
als die Gäste gegen zehn Uhr in animir
tcr Stimmung erschienen, um ihre
Stahlrößlein in Empfang zu nehmen,
laßt sich bcer in Gedanken ausmalen
als mit Worten schildern.
Ter zerstreute Amtsrichter.
Zu dem Thema Heiteres aus dem
Gerichtssaal" theilt ein badischer An
walt Folgcndcs mit : Am 2. Januar
war Schöffengerichts-Sitzung. Der
Amtsrichter eröffnete die Sitzung
augenscheinlich unter dcn Wirkungen
eines Katers" und vielleicht auch ün
vorbreitet mit dcr Fragc an die Schöf
fen :
Haben Sie dieses Jahr schon
Schöffendicnste geleistet?"
Die Antwort war natürlich k,'i? s-
jahendc.
Unmittelbar darauf ruft der Amts
richtcr die Zeugen auf, darunter ein
fünfjähriges Mädchcn, das weinend
vor die Rampe tritt. Der Amtsrichter
fragt die Zeugin, in den Akten blstt-
. on:. -ii. r- r-' i
iciiiu . .neun ino ter
Antwort unter erneutem Thränen
ausbruch : Fünf Jahre."
Frage: Ledig oder vcrheirathct?"
Keine Antwort. Tas Kind schien
in der That ledig zu sein.
wie sich die ,?citcu ändern.
Mutter : Was ist denn los, Klara,
Tu siehst ja so verzweifelt aus !"
Tochter (Braut) : Ach, denke Tir,
Mama, Karl muß verreisen und wird
vor zwei Tage nicht zurückkommen."
Zehn Jahrc spätcr.) Mutter:
Tcin Mann ist verreist, wie lange
bleibt cr denn fort?"
Tochter: Ach, weißt Tu, darnach
habe ich ihn gar nicht gefragt."