Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, October 06, 1898, Image 9

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    c. M
Der Sonntagbgast.
Jahrgang 19. Beilage zum Ncbraska Ztaatö-Anzeiger. No. 20.
5s stimmt.
Kad) ciucr wahren frqtbtiibcii txabt von
i i ch k a m x.
Das Leben ist idion, die Jugend ist
schon und die Welt ist prachtvoll !'
Tiefe Gedanken lachten aus den dunk
leit Augen einer etwa zwanigjadrien
und sehr elegant, nicht auffallend ge
kleideten Dame, welche schnellen Sehnt
teS den Parade-Platz passnen wollte.
Zie war liier nicht einheimisch, aber
sie kannte die Großstadt durch öfteren
wochenlangen Aufenthalt daselbst und
liebte sie, die sich ihr stets nur von der
angenehmsten Seite gezeigt hatte.
Plötzlich legt sich eine Hand auf ihren
Arm und die untersetzte Gestalt eines
Schutzmannes taucht vor ihr auf.
Was wollen Sie?" fragte sie und
schüttelt die Hand, die sich breit auf
ihren Aermel gelegt hat. ab.
Kommen Sie 'mal mit" sagt der
Wächter des Gesetzes, aber die junge
Tame macht keine Miene, der linbe
gräflichen Einladung zu folgen.
sofort sammelt sich eine chaar
neugieriger Menschen um daZ seltsame
Paar.
Sie miiffen mir folgen", sagt der
Schutzmann und die junge Tame thut
es mechanisch, weniger aus Gehorsam,
als um der gaffenden Menge zu ent
fliehen, deren Zischeln und Hohnlachen
ihr folgt.
Was wollen Sie von mir?" fragt
sie noch einmal mit thränenschwerer,
zornbkbendcr Stimme.
Tas werden Sie gleich erfahren",
sagt phlegmatisch der Schutzmann und
weiter ist von ihm nichts mehr zu ersah
rcn, trotz der wiederholten Versuche des
jungen Mädchens.
(is zittert und er sieht sie von der
Seite an seine Opfer gebärden sich
immer unschuldig.
I5r führt sie auf die nächste Polizei
wache, wo sie zwei weitere Polizei
beanitc in Empfang nehmen. Triiim
phircnd steht der, welcher sie verhaftet
hat, daneben, über sein finsteres, bar
tigcs Gesicht fliegt ein stolzes Lächeln,
während er sich die Hände reibt und
sagt: Ich habe sie."
Wen?" fährt die Verhaftete jetzt
empört auf. Was denken Sie sich
eigentlich von mir und was wollen
Sie?"
Na, na, man sachte, sachte", sagt
überlegen einer der beiden anderen Po
lizisten. Tas wird sich alles finden.
Wie heißen Sie?"
Erna Weitzrecht", ist die widerwillig
gegebene Antwort.
'Hm, hm, wirklich?" sagt der Poli
zeibcaintc. Wo wohnen Sie?"
Erna giebt das vornehme Pensionat
an, in dein sie schon mehrmals gewesen,
ferner das Gut ihres Vaters, sowie
Geburtsort und Jahr, was alles ganz
sorgsam auf einem Zettel notirt wird.
Ich möchte endlich wissen, auf roel
chem Irrthum meine Verhaftung be
ruht", fragt sie erregt.
Irrthum?" Ter Polizei . Beamte
lächelt sie pfiffig an. Ist das mög
lich?" In Thränen ausbrechend, sinkt Erna
auf eine Bank nieder und schluchzt herz
brechend. Tie Polizcibeamtcn, an
allerlei Schmerzensausbrüche bei den
Delinquenten gewöhnt und dagegen
abgestumpft, unterhalten sich leise mit
einander. Erna erhebt nach einer Weile wieder
den Kopf und fragt: Was haben Sie
eigentlich mit mir vor? Wohin wollen
Sie mich bringen?"
Auf das Polizeipräsidium vor allen
Dingen, Madamchen", wird ihr eut
gegnet. Tort werden Sie alles au
dcre erfahren."
Nennen Sie mich nicht immer Ma
damchen", verweist Erna, bebend vor
Zorn, ich bin nicht vcrhcirathet."
Auch nie gewesen?"
Nein!" ist die heftige Entgegnung.
Ich möchte aber wissen, auf welche
Weise ich nach dem Polizeipräsidium
gelangen werde. Noch einmal mit
einem Schutzmann durch die Straßen
zu gehen, können Sie mir doch nicht
zumuthen."
In diesem Augenblick tritt ein Poli
zeilieutenant in das Zimmer. Eine
schlanke, elegante Gestalt mit jener
strammen, schneidigen Haltung, die den
gewesenen Offizier kennzeichnet. Auf
seinem sehr hübschen Gesicht liegt ganz
offenbar Freude und Genugthuung,
denn man hat ihm gemeldet, daß die
langgcsuchte Gattenmördcrin Jda Satt
ler endlich gefunden worden und der
haftet ist.
Mit schnellen Schritten geht er auf
die Delinquentin zu. Dieselbe hat sich
erhoben. Der Offizier bleibt vor ihr
stehen, fixirt scharf ihre Gestalt, ihr
kurz a la Titus gehaltenes Haar, dann
das Gesicht, auf bellen rechter Wange
sich ein kleines, braunes Mal von der
rosigen Haut abhebt, und nachdem er
alles in Augenschein genommen, wen
bet er sich zu seinen Ünterbeamten und
sagt:
Es stimmt!"
Was stimmt denn?" fragte nun
Erna.
Das Signalement", entgegncte der
Polizcioffizier. Sie werden mir auf
das Polizeipräsidium folgen."
Nein, das werde ich nicht thun",
protcstirt die als Gattcnmörderin An
geklagte. Aber ich werde mich beim
Polizeipräsidium über die Behandlung,
die einer Tame widerfährt, beschweren."
Hm", lächelt der Polizcioffizier
das Selbstbewußtsein der Delinquentin
amüsirt ihn offenbar, Sie gehen ja
sehr energisch vor, aber ehe Sie solche
Gewaltmaßregeln ergreifen, muffen Sie
doch aus der Haft befreit werden."
Das muffen Sie veranlassen vor
allen Dingen mir erklären, wessen man
mich beschuldigt, worauf der offenbare
Irrthum beruht?"
Wenn es ein Irrthum ist," der
Offizier flicht ein ungläubiges Lächeln
ein so wird er sich auf dem Polizei
Präsidium aufklären, wo eine Photo
graphie derjenigen, die wir suchen, vor
Handen ist."
vUnd da wollen Sie mich verglei
chen '" Erna lacht höhnisch auf. Und
Sie meinen, ich würde darauf gutwillig
eingehen ? Wenn Sie mich im Leben
verkennen, kann eine schlechte Photo
graphie und eine, gute werden Sie ja
nicht besitzen erst recht den Irrthum
vergrößern." '
Woher wissen Sie so genau, daß
wir nur eine schlechte Photographie be
sitzen." fragt der Offizier und ärgert
sich dabei, daß er sich in eine Unterhal
tung mit der Delinquentin einläßt.
Aber es liegt etwas verblüffend Jmpo
nireudes in dem Auftreten der jungen
Dame, das ihn freilich in seinem Arg
wohn noch mehr bestärkt, da die gesuchte
Mörderin die Polizei durch ein gewand
tcs, wie elegantes Auftreten schon oft
irre geführt hat.
Es stimmt alles," bestätigt er im
Stillen, und dennoch entsteht in seinem
Innern ein seltsames Gefühl der
Schwäche gegenüber dieser Persönlich
keit. der ein Hauch von Unschuld und
selbstsicherer Ruhe nicht abzusprechen ist.
Haben Sie irgend welche Papiere,
die Sie legitimircn, bei sich ?" fragt er
weicher.
Papiere? Seit wann müssen Damen
mit Papieren" versehen sein, wenn sie
über die Straße gehen?" fragt Erna
trotzig. Aber zufällig besitze ich einen
Paß nach Rußland, da ich dahin zu
Verwandten zu reisen gedenke. Genügt
der?"
Gewiß mein Fräulein, zeigen Sie
ihn mir."
Ich habe ihn nicht bei mir. sondern
bei meinen Sachen in dem Koffer."
Den müssen Sie uns auf alle Fälle
verschaffen."
Ich werde ihn holen und Ihnen zu
senden." Ter Offizier wechselt mit den Unter
beamten einen Blick, der soviel sagt,
als: Sie stellt uns eine Falle." Laut
sagt er wieder in barscherem Tone: Ich
werde Sie begleiten!"
Ich bitte Sie," fährt Erna auf.
Sie werden mir doch diese Schmach
nicht anthun! Was soll die Inhaberin
des Pensionats denken, wenn ich, von
der Polizei eskortirt, bei ihr erscheine?!"
Tann bedauere ich," ist die kalt
lächelnde Entgegnung. Ich kann Sie
keine Sekunde aus den Augen lassen.
Also...."
Erna schluchzt laut auf sie ist
außer sich.
Wieder geht in dem Polizcioffizier
etwas ganz Merkwürdiges vor. aber
kühl und geschäftsmäßig sagt er: Be
ruhigen Sie sich, mein Fräulein. Wenn
es wirklich ein Irrthum sein soll, so
wird derselbe sich auch ganz sicher auf
klären! Haben Sie keine Verwandte oder
Bekannte am Ort, die Sie recognosci
ren können ?"
Gewiß!" Erna hebt den Kopf und
über ihr thränenüberströmtes Gesicht
gleitet ein hoffnungsfreudiges Lächeln.
Mein Onkel, der Bankier Z., wird
jede Bürgschaft für mich übernehmen."
Bei Nennung dieses bekannten und
hochangcsehcnen Namen werden die Ge
sichter der Polizcibeamtcn langer, der
Offizier zieht finster die Augenbrauen
zusammen die Situation fängt an,
äußerst fatal zu werden. Ein Miß
griff der Polizei wird von der Presse so
leicht ausgebeutet, und es sieht beinahe
so aus, als habe sie hier einen schlim
men begangen.
Die Bürgschaft dieses Herrn wird in
der That völlig genügen," sagt er um
einen Grad höflicher und Erna unter
bricht ihn, indem sie Miene macht, sich
zu entfernen: Ja, gehen Sie nur
hin Herr Lieutenant, und fragen Sie
nach seiner Nichte Erna Weitzrecht. Er
wird Ihnen die gewünschte Auskunft
geben."
Sie will gehen. Der Schutzmann
aber, der sie verhaftet hatte, vertritt
ihr den Weg so leicht läßt er sich
seinen Fang aber doch nicht entschlü
pfen. Auch der Offizier wird wieder irre
durch die Eile, die die Delinquentin an
den Tag legt. Es ist nicht zum ersten
Mal vorgekommen, daß Verbrecher die
Namen bekannter Personen angegeben,
was dann auf leere Ausflüchte heraus
gelaufen ist.
Pardon, mein Fräulein!" sagt der
Offizier ernst und verweisend, trotz des
höflichen Wortes. Ich muß Sie noch
einmal auffordern, mir nach dem Po
lizeipräsidium zu folgen, wohin wir
Ihren Onkel telephonisch berufen wol
len." Folgen Ihnen auf das Polizei
Präsidium ?" und um Ernas Mund
Winkel zuckt es wie Hohn, wahrend die
Thränen schon wieder die Wangen her
abrollen. Sie irren sich, Herr Licu
tenant, wenn Sie glauben, ich würde
mit einem unnornnrten Polizeibeamten
durch die Straßen gehen."
Ueber des Offiziers Gesicht fliegt eine
dunkle Rothe, die ihn noch hübscher er
scheinen läßt.
Mein gnädiges Fraulein," sagt er.
und Erna konstatirt mit Genugthuung,
daß er endlich die richtige Anrede ge
funden, Fremde könnten leicht denken,
daß wir gesellschaftlich zusammen ver
kehren und Sie brauchen meine Beglci
tung nicht als Eskorte zu empfinden,
wenn Sie so sicher sind, daß dcr Irr
thum sich aufklären wird."
Bedaure," sagt Erna erzürnt und
zitternd, ich weise eZ ganz entschieden
zurück, mit Ihnen gesellschaftlich zu ver
kehren, Herr Lieutenant, und ich begebe
mich nicht einen Schritt in die Ocffent
lichkeit in Begleitung eines Polizei
beamten wagen Sie es, Gewalt an
zuwenden!?" In dem Offizier dringt immer cncr
gifchcr die Ueberzeugung durch, daß er
es in der That mit einer Unschuldigen
zu thun hat, und das Fatale der Lage
wird immer größer. Ich mache Sie
darauf aufmerksam, gnädiges Fräu
lein, daß ich nur meiner Pflicht folge,
die mir verbietet, da Sie nun einmal
als diejenige, die wir suchen, bezeichnet
sind, Sie auch nur eine Sekunde ohne
Aufsicht zu lassen, bis Sie uns nicht
Beweise unseres Irrthums gegeben."
Eine merkwürdige Auffassung in
dcr That." ruft Erna erbittert, aber
es sei, ich will Ihnen ja in dcr Bürg
schaft meincs Onkcls die untrüglichsten
Beweise Ihres Irrthums geben."
So lassen Sie uns Ihren Onkel
aufsuchen, gnädiges Fräulein! Ihre
Weigerung, sich in meiner Begleitung
zu zeigen, könnte ich als Beleidigung
auffassen."
Klassisch!" lacht Erna bitter.
Aber legen Sie mir meinetwegen
Handschellen an, um das Maß voll zu
machen. Gutwillig gehe ich als die
von Ihnen polizeilich Bewachte nicht
über die Straßen."
In dem Offizier kämpfen Pflicht und
Mitleid einen heftigen und entscheiden
den Kampf. Er darf sie nicht frei
geben, bis sie nicht als die, die sie zu
sein vorgiebt, sich ausgewiesen, aber er
beschließt auch, ihrem Willen, so weit
es seine Pflicht zuläßt, nachzugeben.
So müssen Sie sich hier noch eine
halbe Stunde aufhalten, bis ich Ihren
Onkel persönlich aufsuchen und herbrin
gcn kann," sagte er schnell und Erna
willigte ein.
Der Offizier verläßt das Zimmer
um unten in einem Tezameter so schnell
wie möglich das Bankhaus Z. u. Eom.
zu erreichen, während Erna die Pein
lichsten Minuten ihres Lebens verlebt.
Von zwei Polizeibeamten wie eine Tie
bin bewacht ach, sie verwünscht die
Großstadt, die ihr plötzlich als ein So
dom erscheint.
Es währte genau 25 Minuten, bis
sie unten eine Troschke vorfahren
hörte. Sie will an's Fenster eilen,
um zu sehen, ob der Onkel es sei, aber
einer der Polizisten vertritt ihr den
Weg sie könnte sich ja durch ein
Zeichen mit irgend jemand verständi
gen. Aber noch ehe Erna dazu kommt,
sich von neuem zu ärgern, wird die
Thür geöffnet und ein vornehm aus
sehender Herr mit wcißcm Haar tritt
in's Zimmer.
Kind, was machst Tu denn für Ge
schichten?" Erna antwortete nicht sie lacht und
wcint abwechselnd ; dann wendet sie sich
zu dem Offizier, dcr mit den peinlich
sten Empfindungen neben dem Kom
merzienrath steht, und fragt mit einer
vernichtenden Fülle von Spott im Ton
und um die Lippen : Nun, stimmt es,
Herr Lieutenant?"
Vollkommen! Taß heißt, Ihre
Angaben, gnädiges Fräulein. Und
ich muß im eigenen, wie im Namen
unserer Polizei tausendmal und unter
thänigst um Verzeihung bitten, daß
Ihnen diese Unannehmlichkeit bereitet
werden konnte."
Unannehmlichkeit? Eine Schmach
hat man mir angethan und nicht wahr,
Onkel, dcr Polizeipräsident muß mir
Genugthuung verschaffen, oder "
Ihre großen, schwarzen Augen blitz
tcn, vor Zorn. Sie sieht sehr hübsch
aus, erscheint dem Polizeioffizier ent
zückend, aber daß sie ihm derartig fcind
lich gegenübersteht, erfüllte ihn beinahe
mit Verzweiflung.
Ich möchte in Ihren Augen nicht
dcr Verbrecher sein, der Ihnen so viel
Schmerz zugefügt hat. Ich bitte Sie,
Herr Kommerzienrath," wendete er sich
zu diesem, wollen Sie bei Ihrer
Fräulein Nichte mein Fürsprecher sein
und ihr "
Klar machen, daß Sie nur Ihrer
Pflicht gefolgt find. Gewiß, Herr
Lieutenant, daß will ich thun," lächelte
gutmüthig dcr alte Herr. Damen
fassen jede Berührung mit der Polizei
als eine persönliche Beleidigung auf.
Aber du mußt das nicht so tragisch neh
inen, Kind. Sied, dcr Hcrr Lieutenant
hat nur feine Pflicht gethan und jcdcr
Staatsbürger muß sich das gefallen
lassen, wenn eine fatale Achnlichkeit
mit einem Verbrecher ihn in den Ver
dacht bringt, dieser zu sein."
Ter Offizier verneigte sich dankend.
Wollen Sie mich Ihrer Fräulein
Nichte vorstcllcn, Hcrr Kommerziell
rath?" Herr Liculciiant von Salden
meine Nichte Erna Weitzrecht. Abc?
nun komm, mein Kind, wir fahren
nach Hause."
Lieutcliant von Saldcn begleitete
den Koinmerzicnrath und seine Nichte
an den Wagen, was letzterer nicht
mehr als ehrenrührig" auffiel, aber
sie war doch noch so aufgebracht gegen
ihn, daß sie ihn keines Wortes, keines
Blickes würdigte. Zerknirscht blieb dcr
Lieutenant zurück und schon wollte sich
über des armen Schutzmannes Haupt
ein schreckliches Gewitter zusammen
ziehen. Aber plötzlich hellte es sich auf
Saldens Stirn wieder auf. Ohne den
Mißgriff hätte er ja das reizende, tcm
peramcntvolle Kind gar nickst kennen
gelernt. Taß sie sich so tapfer gchal
tcn, anstatt in hysterische Krämpfe zu
verfallen, wie manche andere bei dem
Schreck gethan hättc, war über alle
Begriffe schneidig. -
Saldcn befand sich in Feuer und
Flamme er strich seinen Schnurrbart
und faßte einen Entschluß !
Unterdcß mußte Erna im Hause
ihrer Verwandten Ehinawein trinken
und sich zu Bette legen, da die Er
rcgung sie doch ermattet hatte. Ihre
Sachen wurden aus dem Pensionat
geholt man ließ sie nicht mehr fort.
Am nächsten Morgen wurde ein
mächtiges Füllhorn köstlicher Orchideen
und Rosen für Erna abgegeben. Mit
tags erschien der Geber selbst, Licute
nant von Saldcn, Fräulein Weitzrecht
seine Bitte um Vergebung noch einmal
zu Füßen legend. Erna, noch etwas
bleich, war heute doch gnädiger im
merhin glaubte sie sich die Genugthuung
schuldig zu sein, den, der sie gestern
zur Gattenmörderin hatte stempeln wol
len, heute als Verbrecher zu behandeln.
Salden ließ sich das nicht anfechten
und wußte sich so die Gunst des Kom
mcrzienrathes zu setzen, daß er ein häu
figer und gern geschcncr Gast in dessen
Haus wurde.
Nach vier Wochen trat er vor Erna
hin und fragte sie, ob sie sich so weit
an seiner Seite in dcr Oeffcntlichkeit
zeigen wolle, um seine Frau zu werden.
Ich habe mir allerdings ein ganz
bestimmtes Ideal gemacht, das ich zu
heirathen gedenke," sagte sie ernst, in
deß ihr dcr Schalk im Nacken saß.
Nun, und trifft diese Vorstellung
die Wirklichkeit in etwas?"
Sie musterte mit finster zusammen
gezogenen Brauen seine schlanke, ele
gante Gestalt, das schwarze, glänzende
Haar, wie das kecke Bärtchen in dem
hübschen Gesicht, und sich leicht in den
Hüften biegend, sagte sie mit schelmi
schein Lächeln in dem blühenden Gesicht
endlich: Es stimmt!"
Mit einem Jubelruf schloß er sie in
die Arme und küßte das braune Mal
auf der rosigen Wange, das besondere
Merkzeichen", das hauptsächlich zu ihrer
Verhaftung geführt hatte.
Wenige Monate später fand die Hoch
zeit des jungen Paares statt. Am
Hochzcitsdiner flüsterten die Gäste von
einer Devise in den Ringen der Beiden
und man fragte endlich bei ihnen an,
wie jene wohl laute. Lachend wiesen
sie ihnen die Ringe, die in der Innen
feite neben dem Datum des Ver-lobungs-
und Hochzeitstages zwei
Worte trugen nichts weiter als: Es
stimmt."
Der Absagebrief.
Am 2. Oktober 1343 eroberte der
Fürst Windischgrätz das aufständische
Wien, und gleich in den nächsten Tagen
wurden viele Verhaftungen und zahl
reiche standrechtliche Hinrichtungen vor
genommen. Ein gewaltiger Schreck
war in dic Wiener Bürgerschaft ge
fahren. Niemand, fühlte sich vor dem
Kerker sicher, und viclc zitterten für ihr
Leben.
Unter den politisch Verdächtigen be
fand sich auch dcr Advokat G., bei dcm
auf eine Denunziation hin eine Haus
suchung vorgenommen wurde. Grund
los war der Verdacht nicht. G., ein
sonst sehr besonnener und vorsichtiger
Mann, hatte sich von dcn hochgchcuden
Wogen der revolutionären Stimmung
Wiens hinreißen lassen, sich mit Wort
und That an dem Ausstände zu be
thciligcn. Nach der Eroberung Wiens
freilich kam ihm die Große dcr Gefahr,
in der cr sich befand, zum Bewußtsein.
Er war Vater einer zahlreichen Familie,
dic, wenn cr ihr geraubt wurde, in
Elend zurückdlicb.
Die Haussuchung, welche unter Lei
tung des Hauptinanns v. Z. ausgeführt
wurde, fetzte den Advokaten in Schrecken,
jedoch beruhigte ihn dcr Gedanke, daß
man nirgends etwas Kompromittirendes
finden werde. Er hatte sogleich bei der
Nachricht von dem Einzüge des Fürsten
Windischgrätz auch das kleinste Erinne
rungszeichcn an die Revolution vernich
tet. Die Haussuchung schien auch in
der That keinen Erfolg zu haben, und
schon wollte der Hauptmann den Befehl
zum ückzuge geben, als einer der Po
lizisten, der sich am Papierkorbe des
Advokaten zu schaffen machte, plötzlich
cin kleines Stück Papier triumphirend
seinem Vorgesetzten übergab. Auf die
sein zcrrisscnen Fetzen las man die
Worte: zu den Waffen", und
darunter: Verschwörung theilneh
men ."
Sogleich befahl der'Hauptmann, den
Papierkorb weiter zu durchsuchen, und
wirklich wurden noch zwei kleine Papier
stücke gefunden, auf deren einem man:
arrikad ", auf dem anderen: Er
oberung " las.
Diese Bruchstücke rührten in der That
von einem Manifest her, welches der
Advokat entworfen, und in welchem er
zur Fortsetzung der Empörung aufge
fordert hatte. Bleich und zitternd sank
er auf den Stuhl vor seinem Schreib
tische. Er war keines Wortes mächtig,
und dcr Hauptmann erblickte in seinem
Benehmen ein Zugeständnis seiner
Schuld. Mit lauter Stimme erklärte
er ihn für verhaftet. Weinend eilte die
Gattin des Unglücklichen zu ihm hin,
die Arme um ihn schlingend, als wollte
sie ihn zurückhalten. Blaß und dcn
Offizier finster anblickend, stand Heb
wig, die älteste Tochter des Verhafteten,
neben ihrem Vater.
Plötzlich aber tiat sie auf dcn Haupi
mann zu und sagte: Den Brief, dessen
Fragmente Sie im Papierkorb gefun
den haben, mein Herr, habe ich ge
schrieben." Tie Blicke aller richteten sich verwun
dert auf das junge Mädchen. Der Ad
vokat, in dem Glauben, feine Tochter
wolle sich für ihn opfern, erhob sich und
wollte sie zurückweifen, aber der Offizier
verhinderte ihn am Sprechen und be
fahl mit scharfer Stimme allen zu
schweigen, bis er das junge Mädchen
verhört habe.
Auf feine Frage fuhr Hedwig fort:
Ter Brief, dessen Stücke Sie hier
sehen, hat nicht das geringste mit Poli
tik zu thun, sondern ist nichts weiter,
als dcr Entwurf eines Absageschrcibens
an einen Freier."
Das klingt doch etwas zu unglaub
lich," lächelte der Hauptmann. Was
haben Worte wie Verschwörung" und
Barrikaden" in einem Liebesbrief zu
thun?"
Es war eben kein Liebesbrief, son
dern ein Absagebrief." erwiderte Hed
wig, und wenn Sie gestatten, Herr
Hauptmann, schreibe ich Ihnen diesen
Brief auswendig nieder."
Darum wollte ich Sie bitten, mein
Fräulein."
Hedwig setzte sich und schrieb:
Geehrter Hcrr! Nach Ihrem letzten
Schreiben halte ich jede weitere Vcrbin
dung zwischen uns für ausgeschlossen.
Sie nehmen zu den Waffen dcr Ein
schüterung und Drohung Ihre Zuflucht,
um mich umzustimmen. Aber selbst
der Umstand, daß meine Eltern an der
gegen mich gerichteten Verschwörung
theilnchmen, wird mich gar nicht man
kcnd machen. Geben Sie alle weiteren
Versuche auf, ich werde mich gegen jede
Aufdringlichkeit zu verbarrikadiren
wissen. In der Hoffnung, daß Sie
bald eine andere Eroberung machen
werden, die sich Ihren Wünschen ge
fügiger zeigt, verbleibe ich Ihre
Hedwig G."
Tas ist überzeugend." sagte der Of
fizier, nachdem er die Niederschrift ge
lesen hatte, und sich zu seinem Gefolge
wendend, fügte er hinzu: Die Haus
suchung ist beendet, die Schuldlosigkcit
des Herrn Advokaten liegt klar zu
Tage "
Einige Wochen später, als allmäh
lich Ruhc und Ordnung in dcr Haupt
stadt wicder eingetreten waren, erhielt
dcr Advokat G. das folgende Schreiben:
Hochgeehrter Hcrr! Sie erinnern
sich meiner wohl von der Haussuchung
hcr, bei welcher die Geistesgegenwart
Ihrer Tochter Ihnen das Lebcn rettctc,
denn Sie werden selbst nicht glauben,
daß ich mich durch diese rasche Erfin
dung täuschen ließ. Ich habe damals
meine Pflicht verabsäumt, weil ich es
nicht über das Herz brachte, eine so
zärtliche Tochter, eine so kluge junge
Tame unglücklich zu machen. Es
wurde mich freuen, wenn Sie mir ge
statteten. Sie besuchen und eine so
werthvolle Bekanntschaft fortsetzen zu
dürfen. Ihr ergebener
v. 3"
Tie Besuche des Offizier wurden
angenommen, und nach einigen Mona
ten schon führte er Hedwig G. als seine
Göttin heim.
Icr Sikrtlt einer Stimm,.
In franzosischen Blattern tursirt
augenblicklich folgende nette Anekdote
von dem berühmten Baritonistcn Faure,
dessen besondere Vorliebe für allerlei
Statuetten und Bronzen dcn Parisern
sehr bekannt ist. AIS Monsieur eincS
ZageS aus dcr Probe kam und seiner
Gewohnheit gcmaß vor dem Schau
fenster der Firma Barbedicnne auf dem
Boulevard Poiffounnicre stehen blieb,
gewahrte er unter den ausgestellten
Kunstgcgcnständen auch eine zierliche
Bronzestatue, die ihm so gefiel, daß er
sie gleich zu kaufen beabsichtigte. Er
betrat das Geschäft und fragte nach dcm
Preise. Tcr Prinzipal kam selbst zum
Vorschein, als er dcn Sänger erkannte,
und gab die gewünschte Auskunst. Tie
für die Statuette geforderten 100 Frcs.
schienen Herrn Faure doch etwas viel
zu sein, und unschlüssig, ob er daS
Ting kaufen sollte, ließ er sich in eine
Unterhaltung mit M. Barbedienne ein,
die dieser auch bald auf den Beruf oder
vielmehr die Kunst feines berühmten
Kunden lenkte. Ich möchte Sie zu
gern einmal ganz für mich allein fingen
hören," meinte der Bronzefabrikant
und lud den Baritonistcn ein, ihm in
das an dcn Ladcn stoßende Zimmer zu
folgen. Ich sehe, Sie haben Noten
bei sich und hier ist ein gutes Jnstru
mcnt. wollen Sie mir nicht ein Lied
vortragen?" Monsieur Barbedienne bat
so liebenswürdig, daß dcr Künstler
nicht abzuschlagen vermochte. Meine
Töne sind unter diesen Umstanden aber
sehr theuer," bemerkte er scherzend und
folgte dem Fabrikanten lachend in des- ,
scn elegante Privaträume. Nun, wir
werden schon einig werden." entgegncte
dieser, öffnete den Flügel und machte
es sich dann in einem Armstuhl bequem,
entschlossen, jede Note des Sängers in
Ruhe zu genießen. Als der Gesang
beendet war. langte der Zuhörer nach
dem Notenblatt und vertiefte sich eine
ganze Weile in den Anblick der zahlrei
chen Punkte und Striche. Tarauf
klingelte er einem Gehilfen aus dem
Ladcn herbei und hefahl ihm, die be
wußte kleine Bronzestatue einzupacken
und an Monsieur Faurcs Adresse zu
senden. Tann wandte er sich an den
erstaunten Baritonistcn mit den Wor
tcn: Kommen Sie, bitte, zu meinem
Kassircr, der Ihnen das Uebrige aus
zahlen wird. Sie haben mir 450 Töne
vorgesungen, macht 450 Francs: die
Statue kostet 100, folglich erhalten Sie
noch 35 Francs. Sie sehen, Mon
sieur, ich weiß eine , Stimme wie die
Ihrige schon richtig abzuschätzen."
Starkes und schönes Geschlecht auf
dem Zweirad.
Ein norwegisches Blatt macht seinem
Unwillen Luft über die schlechte Körper
Haltung, die die Herren der Schöpfung
auf dem Rade beobachten, und bemerkt
dabei u. a.: Wenn man einen Krüp
pel krumm und gcbeugt durch die Stra
ßen wandern sieht, wird man von Mit
leid erfaßt. Aber wenn man hundert
und aber hundert kräftige und gerade
gewachsene junge Leute mit krummen
Rücken und schlechter Haltung auf dem
Rade reiten sieht, wird man ärgerlich.
Unsere Jugend sollte viel zu viel Schön
hcitssinn haben, als daß sie sich dazu
versteht, wie ein Heer von Bücklingen
auszuschauen, die man auf Zmeiräder
gesetzt hat. Wir wissen sehr wohl, daß
die Herren Radler glauben, daß es
sportmännifch aussieht, wenn man wie
ein lendenlahmer Pavian im Sattel
sitzt; denn die Professionals auf der
Rennbahn befleißigen sich ja auch dieser
Haltung, ' wenn es einen Rekord von
1M0 Sekunde gilt. Aber es ist doch
etwas anderes, wenn man durch die
Straßen einer Stadt fährt, da ist das
Raisonncment nicht mehr stichhaltig.
Es ist mchr als thöricht, wenn die Rad
ler zum Spazierenreiten einen Sijj
wählen, dank dessen sie sich kaum von
Meerkatzen unterscheiden. Auch hier
heißt es: Kopf hoch! Brust heiaus!"
Das ist gesünder und sieht auch weit
schneidiger aus, als die , abscheuliche
Haltung mit vornüber gebeugtem Kopf
und krummem Rücken. Nehmt Euch
ein Beispiel an den Damen,
ihr Herren dcr Schöpfung, sie sitzen
weit eleganter im Sattel als Ihr!"
Oerschnappt.
Wie alt sind Sie. mein Fräu
lein?" 23 Jahre!"
Und Ihre jüngere Schwester?"
Die ist 20 Jahre alt!"
Summarisch.
Hausfrau: Aber Marie, ich habe
Ihnen doch gesagt. Sie sollen die Tasten
abstauben und jetzt spielen Sie wicdcr!"
Stubenmädchen: Ach. gnädige Frau,
ich verbinde gleich das Angenehme mit
dcm Nützlichen!"
Zutreffende Crslärung.
Was sind eigentlich Nixen?"
Weiber, mit denen man zu
Grunde geht!"