Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 22, 1898, Image 9

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    Der Stiefelknecht.
Won M a i t I, o R e n a ! k ch c i .
Ttx AmtZrichter that den letzten Bür
ftrnftrich an seiium Kopfe und sazte bj
iei ficnttuy.:!$: ,?cl tttax ein regel
tY)r: Uederfall ! Ich bfr.se, tu bist
mdeßenS f au jifl VltiUn von mit ent
fernt, da thut sich die Thür aus und tu
sinkst in meine brüderlichen Arme."
.Ja, ja! sputk Dich! T;e Herrschaf
ten warten."
Herrschaften? Xf.ni fälligst l"
.Mutter, Vater. Tochter."
Rana und Stand?"
.Der Alte ist Kaufmann. -'
.Alter?'
.Vierzig und Fünfzig."
.Und die Techler fa wohl Znrnnrg?"
.Ja ungefähr. Adcr räche, daß
Du fertig wirft. "
.Erlaube theurer Bruder. Du
überfällst mich, um mich sogleich in die
Ausstellung zu verichlcppen. wo ich
meine zukünftige Schmazerin kennen
lernen soll denn so fteht die Cache
ja wohl?"
.Ungeführ!" sagte der Bruder ein
wenig verlegen.
.Da muh ich mich doch schön machen,"
sprach der Amtsrichter mit Wurde.
.Mache Dich! Du solltest übrigens
auch heirathen."
.vm."
.Das Alter hast Du. Zlchtur.d
dreißig, nicht wahr?"
.Neununddreißig."
Nach einer Weile sagte der AmtZrich
tdr. .Weißt Du. alter Junge, zum
hl irathen fühle ich noch kein Bcdürf
tlifc"
.Ja. eZ steht merkwürdig ordentlich
bei Dir auS. Du wohnst Shamdre
garnie?"
.Im Gegentheil, der (Fernhält geht
auf meinen Namen."
.Wie denn?"
.Sieh' mal ! die Wohnung hat fünf
Etüden. Davon habe ich drei für
meinen Gebrauch. Zwei und das Ne.
bengelaß habe ich abgegeben für Auf'
Wartung."
.Ordentliche Leute?"
.Wittwe einis RcktorZ."
.Kinder?"
.Eins."
.Sohn oder Tochter?"
Sohn."
iWie a'lt ist denn die Frau?"
.Ja. lieber Mensch, daS kann ich Dir
so genau nicht sagen."
.Ist sie jung - hübsch?" fragte der
Bruder mit Nachdruck.
Da fuhr der Amtsrichter kurz herum
und sprach mit klingender Stimme:
.Sie ist respektabel."
Er zog den Ueberzieher an, nahm den
Hut und schritt seinem brüderlichen Gast
vorauf in den Korridor.
Hier sagte er: St l Du, geh' ein
bischen facht."
.Ist Einer krank?"
Der Amtsrichter flüsterte zurück:
.Nein. Aber mein Stiefelknecht
,fchlüft."
) Die Antwort kam erst auf der ober
Treppenstufe und klang ein wenig
grämlich: Du bist doch immer noch der
Alte, mit Deinen Alfanzereien im lang
famen Tempo."
Die Herren kehrten spät heim, eS war
schon elf Uhr vorüber.
Der Bruder schwelgte in ZukunftS
bildern. Er hatte seinen LiedeShandel
mit der Tochter abgeschlossen, und die
war ein hübsches, gefcheidteS Mädchen
mit siebzigtousend Mark Mitgift.
Auch der Amtsrichter hatte sich amü
sirt.
Er war neben den beiden Alten her
gepilgert und hatte seine Freude gehabt
an diesen, die auf Tochter und zukünf
tigen Schwiegersohn mit athemftockender
Besorgnitz achteten, als wären sie zwei
Angler, und der Fisch stände dicht vor
dem Köder. Aber daS traf insofern
nicht zu, als des Amtsrichters Bruder
sich ohne ihre Einmischung angefunden
hatte.
Kaum waren die beiden Herren nun
wieder in deS Amtsrichters Wohnge
mach, so machte sich dieser auch an das
Büffet und pflanzte eine Reihe Flaschen
auf den Tisch.
.AIS er dann prüfend daS erste
Gläschen hob, klappte die Klinke, zog
sich herab, wie wenn ein tüchtiges Ge
wicht daran hinge, und schnappte zu
rück. Darauf wurde der Ritz zur
Spalte aufgeftoßen, und ein Hemden
matz erschien auf der Schwelle.
ES war ein Jungchen von zwei bis
drei Jahren, und sein Hemdchen hatte
en Schnitt eines SchürzchenS mit Hei
Yen Aermeln; denn eS stand hinten in
ganzer Länge auf.
Der kleine Kerl trabte heran, schnitt
sein Fratzchen von schlaftrunkenen Au.
gen. und rieb mit den Fäustchen.
Dann war er beim Amtsrichter, faßte
zärtlich mit beiden Armen um dessen
Bein und sagte mit dem kleinen, befeh
lenden Ton deS guten Rechtes: Tiedeln
ausziehen!"
Der Amtsrichter lockerte sofort den
Stiefel, stellte sich fest gegen den Tisch,
und der kleine Bengel spannte sich vor.
Er faßte den Stiefel bei Hacken und
Spitze und zog mit aller Gemalt !
Ein klatschendes Geräusch: patsch!
und der Junge saß auf der Erde und
hielt den Stiefel im Schooß.
Ebenso machte er eZ mit deS Amts
richterS zweiten Bein, dann pustete er,
wie nach schwerer Arbeit, rappelte wie
eine kleine Dampfmaschine und machte
sich auch an den Bruder heran.
Der sah auf den drollen Hemdenmutz
'Tl.
rn f!.
V 1.4
0r - j
Zahrgang 11).
Beilage zum Ncbraska Ztaats ?ln;cigcr.
?lo. I.
halb de!!ft!t, halb unbehaglich herab
und fragte: .Wer ist da?'
.M'in Stu-f Unecht," sate der
Amtsrichter.
Er süßte daZ Jun,ch?n bei den Hän
den, !i:ß eS an sich emporkletlern, wobei
er sich bog. um bequemere Linie zu dil
den. trudelte den jauchzenden Strick
zwickte ihn in die Waden unZ gab ihm
einen schallenden Kuß.
DaZ schönste Einvernehmen herrschte
auf diese Weise, als eS an die Korridor
thür klopfte.
Auf daS Herein" erschien eine noch
junge Sran an der Thür.
Sofort ging der Amtsrichter hinaus,
und entschuldigte sich bei der Mutter,
daß ihr Eöhnchcn bei idm war. Wahr
schernlich sei er mit seinem Gaste so ge
rüuschdoll eingetreten, daß daS BÜdlein
davon erwachte, Er hielt das Kind in
beiden Armen vorn im Rock, so wohl
verwahrt, daß nur deZ Jungen Nasen
spitze zu sehen war, und machte der
Mutter drei Verneigungen in einem
Athem.
Die grau stand ihm höflich, freund
lich und reservirt gegenüber. Dann
langte sie, und der Amtsrichter legte ihr
den zappelnden Stiefelknecht in die müt
terlichen Arme.
Als er mit dem verbindlich strahlen
den Gesicht in'S Zimmer trat, sagte der
Bruder, der bis dahin auf der Schwelle
gestanökn hatten, trocken: .Sie scheint
ja ehrliche Absichten zu haben." Aber
der Amtsrichter beachtete weder Wort
noch Ton und machte sich wieder mit
seinen Flaschen zu schaffen.
Der andere Nachmittag fand die bei
den Herren wieder in der Ausstellung.
Diesmal hatten die Eltern, die lieber
unbeobachtet waren, vielleicht auch noch
aus anderem Grunde, als Partnerin
für den Amtsrichter, ein Nichtchen mit.
gebracht. Das Mädchen war hübsch
und aufgeweckt, plauderte über Kunst
und verwandte Dinge und wußte auch
in allen Haushaltungsfragen Bescheid.
Da ste sich auf keinen großen Ton
stimmte, sondern natürlich und gemüth
lich blieb, gefiel sie dem Amtsrichter
ganz gut.
Die Familie brach zeitig auf. Auch
die Brüder begaben sich heim.
Als der Amtsrichter in seinem Zim
mer war, ging er unruhig umher,
brummte: WaS ist denn das bloß
heute?" Dann schien er erleuchtet zu
werden und drückte auf die Klingel.
Das eintretende Mädchen fragte er:
Sagen Sie mal, Rosaura (sie hieß
Bertha). ist etwa der Junge krank?"
.Nein. Herr Amtsrichter."
Ich hab' ihn doch den ganzen Tag
nicht gesehen."
Frau Rektor hält ihn in der Stube.
Er soll nicht immer beschwerlich fallen."
Ja, wag ließ sich da thun! Der
Amtsrichter zog verdrießlich feine Stiefel
aus, holte Cigarren und ließ sich von
seinem Bruder über dessen ZukunftS
bilder unterhalten.
Dieser war in hohem Schwünge;
denn er wollte am nächsten Vormittag
feine Werbung machen.
Am anderen Morgen fing er zeitigst
mit der Toilette an. Auch der Amts
richtn legte seinen Frackanzug zurecht,
denn ein Diner war durchsichtig an
gekündigt worden.
AIS der Bruder zu dem AuSgang
fertig war, trat er vor den Amtsrichter
hin und sagte, gleich beiläufig, wie ein
dringlich: Eigentlich solltest Du die
Nichte heirathen. Sie hat zwanzigtau
send Mark nicht viel! aber sie ist doch
auch eine sehr angenehme Persönlich
keit."
Ja. sie ist ein netteS Mädchen."
Die Wohnung haft Du ja schon."
Er rechnete die Eintheilung der Zim
mer vor. Du brauchst bloS zu kündi
gen."
.Wieso?
Wenn Du heiratheft, brauchst Du
doch die sämmtlichen Räumlichkeiten für
Deinen HauSftand. Und dann lieber
Amtsrichter, sei nicht naiv! kannft Du
Deine Frau nicht mit der interessanten
Wittib in Berührung bringen. Dage
gen protefiire auch ich auS Ver
wandtschaftSrückfichtennach jener Seite."
Proteftiren?" dachte der AmtSrich
ter, da der Bruder nun gegangen war.
Interessante Wittib. WaS fiel denn
dem Menschen nur ein ? Die Frau Rek
tor war gar nicht interessant! aber ste
war eine prachtvolle, brave, respektable
Frau! nur durch ihr Stückchen gemeiner
Armuth wurde sie preisgegeben!
Das wäre ja noch schöner! Durch ihn
kommt die arme Frau in schlechten Ruf
und daS ist dann gleich ein unsaube
reS, Gewand für den kleinen Stiefel
Inecht. Sein Bruder hätte gar
nicht herzukommen brauchen. Denn er
hatte ihm nur die Laune verdorben und
hier die Situation verschoben.
Na ja jetzt war der Musternicnsch
vielleicht schon am Ort und würde wohl
bald mit den Schwiegereltern einig
sein. Denn der Eilbote konnte ja kom
inen, um den Herrn Schiraer hinzu
schleifen.
Der Amtsrichter zog gerade die Stie
fel an. als die Klinke klappte daZ
uncht daran hing und der Schnoppton
erfolgte. Er drehte sich sogleich mit dem
G.ftcht dahin.
Junge," sagte er zu dem heran::?:
tenden öengelchen, .wo bist T.l denn
gestern den ganzen Tag gewesen ?"
Der Kleine zog in trauriger Erinne
rung ein Schnippchen und brummte :
.Mutter hat nich gelassen " umfaßte
dkZ AmtZrich!e:S Beine und befahl
Tiedel ausziehen !"
Nee, mein Sohn, die habe ich kaum
angezogen."
,Na Onkel Ziebel ausziehen!
.Wird nichts daraus der Onkel
geht aus." Und er setzte das Jungchen
auf den Tisch und stellte sich davor.
Nun suchte der Kleine in deS AmtSrich
terS Westentaschen und drehte die Ehe
misettenkröpfe.
Als der Amtsrichter den Frack an
zog. fragte der Stiefelknecht: WaS is'
deZ?"
.Las tn ein LochZtttZrock. mein
Sohn!"
DaS Wort verstand daZ Kerlchen
zwar nicht, aber eS antwortete trotz
dem. ES sagte: .Und nun Tiedeln
auZiiehn !'
Der Amtsrichter hob den Kleinen
herab, lockerte den einen Stiefel und der
Junge spannte sich vor und nel damit
um. Er war heut im Kleidchen mit
Wadeklftrümpscn.
AIS der fcnesel wieder angezogen
war. drohte der Mann: Tu, mein
Sohn, der Or.Icl gcht jetzt auZ und
kommt überhaupt nicht wieder.
Nee?"
Ader gewiß !"
Ich komm' mit."
Du bleibst da und der Onkel geht
allein."
,Aber Du kommst wieder und ich
denn Deine Tiedeln ausziehen."
Nein, mein Sohn, die Scheidung
geschieht für'Z Leben und ich komme nie
malz wieder."
Der Junge reckte ftch im Kleidchen,
zog ein fürchterliches Mäulchen und
brach in Thränen aus. Ein Bach ent
sprang an jedem Auge und lief über die
pralle Wange.
Der Amtsrichter nahm daS Kind
empor. daZ sogleich beide Arme um sei
nen HalZ schlang. Und da weinte und
schluchzte daS Kerlchen ganz still zu sei-
nem großen Schmerz.
Herrgott ! er konnte sich doch von
dem Stiefelknecht nicht trennen! Tag
war la garnicht möglich !
Wenn er heute heirathete, wo würde
dann wohl der Stiefelknecht mit seiuer
tapferen Mutter em neues Unterkom
men finden? Er hatte Erkundigungen
eingezogen und erfahren, daß die Frau
zuvor gehungert hatte.
Und was denn nun? So schutzlos
die Beiden! Diese prachtvolle stolze
Frau, und das kleine, warme prächtige
Bengelchkn !
Wie eine Wärterin ging er mit dem
Kind in der Stube umher, summte da
bei und beruhigte es. Und des KindeZ
Wärme strömte an seinen Körper, und
seine Wärme an deS KindeS Körper.
Dazu nun sein festlich Gewand.
Eine selige HeirathSftimmung kam
über ihn.
Er ging ftrackS an der Frau Rektor
Wohngemach, klopfte an und trat ein.
Die Frau kam ihm entgegen mit der
stillen Würde in Blick und Haltung,
und er machte ihr drei Verneigungen
in einer Minute stammelte kam
ganz auS dem Text bis er in heraus
brechendem Gefühl schnell ihre Hand
faßte und ihr sagte, daß er sie schon
immer geschätzt habe t- er verbesserte
sich eifrig : geliebt habe. Danach trug
er sich ihr zum Gatten an, dem Stiefel
knecht zum Vater. Denn eS war ein
doppelter Antrag. Der kleine Stiefel
knecht wurde nicht blos als Zugabe be
trachtet.
Die Frau lächelte und daS war
nun wieder ein doppeltes Lächeln
den daS Strahlen der Mutterliebe
und der Weibesliebe trat bezwingend
auf ihr Angesicht. Und schließlich lachte
sie wie ein übermüthiges Mädchen.
Ob sie ihn wollte? Aber gewiß ! Sie
hatte ihn nicht umsonst kennen gelernt.
Jeder, wer ihn kannte, mußte ihn ja
verehren.
Mr. ward aus Amerika.
Humoreske von Arthur N o e h l.
Es kommt alles darauf an. wie man
eine Sache aufzufassen versteht. Wenn
ein Mann bescheiden mit einer kleinen
Reisetasche in der Hand in einem Hotel
Portal erscheint und um ein einfache?
Zimmerchen. gleichviel, in welchem
Stockwerk, bittet, kann er, wer er auch
sein mag. nicht verlangen, daß man
vor ihm tiefe Bücklinge macht. Er
wird cerem."!i!e!zZ auf sein Zimmer ge
führt und diUl bei erster Gelegcnhk't
seine Rechnung. Einem Manne, der
nicht gilt, gedühlt auch kein Kredit.
DaZ w'ßte der Inhaber der schön
ften Zimmerreihe im elften Stock de?
fashionadlen HotelZ .zum Kaiser von
Oesterreich". Ihr Kaiser von Oester
reich" hatte, so lange Wirth und Per
sonal denken konnten, ein so exclusiver
und anspruchsvoller Gast, der mit
nicht? zufrieden zu fteuen war, über
alles die Nase rümpfte und Jedermann
verächtlich über die Achsel ansah, noch
nicht logirt. Und Wirth und Personal
waren der unumstößlichen Uederzeu.
gung. daß eine sz?che Impertinenz de?
Benehmens nur der Höhe des Range?
und dem Reichthum deS Fremden ent
sprechen sonnte. Darin aber lag eben
die ganze Berechnung deS vornehmen
Fremden auZ dem Hotel zum Kaiser
von Oesterreich". Denn hätte er sich
unter dem simplen Namen Steinicke.
den er im E'.vilftandZregifler trug, und
unter dem er auch schon manch eine un
liedsame Bekanntschaft mit der hohen
Polizei gemacht, in dem Hotel vorge
stellt und weiter kein Wesen von sich
gemacht, so wäre ihm gewiß längst
feine, wenn auch noch so geringfügige
Rechnung prüfentirt worden. Und er
hätte zahlen müssen, oder er wäre mit
Schimpf und Schande auZ dem Hause
herauZgeflozm und a!Z Zechpreller
dingfest gemacht.
So aber hatte er sich, als er in dem
Kaiser von Oesterreich" abstieg, in
dem Fremdenbuch a'Z Mr. Ward auZ
Amerika" eintragen und eZ dem Wirth
und dem HauZpersonal zu rathen über
lassen, ob er ein Eisendahnkünig auZ
New Jork oder ein Petroleum kkniz auZ
Pennjylvanien wäre.
DaZ Eine schien festzustehen, er
mußte ein Nabod sein. Die eleganteste
Equipage deS Hotels beanspruchte er
von früh bis in die Nacht. Die erqui
fiteste Küche und der theuerste Sekt
schienen ihm kaum zu genügen, und
gegen den Wirth schlug er einen hoch
fahrenden Ton an. daß derselbe, ob
gleich die Zeche deS Amerikaners schon
in'S Ungeheure lief, immer noch nicht
wagte, ihm die Rechnung vorzulegen.
Steinicke. der, abgesehen davon, daß
er ein Hochstapler, kein schlechter Kerl
war. fing selbst für sein Opfer Mitleid
zu fühlen an. ES "war ein Bomben
geld, um daS er ihn brachte, aber er
konnte eS wirklich nicht billiger machen.
Seine Sicherheit erheischte den Auf
wand. Er wollt leben und mußte,
wollte er leben. Komödie spielen, nur
daß fein Komödiespielen gefährlicher alZ
das anderer Schauspieler war. Jene
wurden, fielen sie aus ihrer Rolle, nur
ausgezischt ; er ward hinter Schloß und
Riegel geworfen. Konnte man eS ihm
verdenken, daß er sich Mühe gab, bei
seinem Spiel nicht mit der Wimper zu
zucken? Seine Rolle war eine fest vor
gezeichnete.
Er hatte so lange herrlich und in
Freuden gelebt und den Wirth genau
so schwer gebrandschatzt, wie er eS ftch
vorgenommen. Seine Rolle schrieb
ihm letzt vor. ftch ferne Zechschuld tn
Güte niederschlagen zu lassen. Wenn
möglich, mußte er dabei sogar noch
etwas verdienen.
Er wartete also in Geduld ab, bis
ihm der Wirth doch endlich glaubte, die
Rechnung zusenden zu müssen, dann
zitirte er den guten Mann sofort in
seine Gemächer.
Schmunzelnd und katzenbuckelnd traf
er dort em:
Mylord werden die RechnunqZzu
ftellung vrzeihen", sagte er. ES ift
in meinem Hause so Sitte, spätestens
alle zwei Wochen den Rechnungsauszug
vorzulegen."
Sehr vernünftig !" unterbrach ihn
der Amerikaner. Ich hätte längst schon
von selbst um meine Rechnung gebeten.
Ich habe in meinem Leben stets Pein
lich Promptheit geübt"
.Ich bin ganz überzeugt !" glaubte
der Wirth süßlich zustimmen zu müssen.
Um so unangenehmer berührte eZ
mich, daß ich wegen unerwartet aus
bleibender Zahlungen in Ihrem Haufe
meinen Prinzipien untreu werden
mußte und es so lange gesäumt habe"
WaS aber gar nichts auf sich hat.
Mylord, wirklich gar nichts auf sich hat.
das Geld kämmt auch heute noch zu
recht !"
Zu meinem Bedauern !" fuhr Mr.
Ward fort, find die erwähnten Gelder
indeß auch bis heute noch nicht einge
gangen. Eine Depesche, die ich heute
Morgen erhielt, läßt mich auch kaum
noch hoffen, dieselben richtig eingehen
zu sehen. Ich sehe alle? über mich zu
sommenftürzen, und daher habe ich be
schlössen '
Der behäbige Wirth prallte zwei oder
drei Schritte zurück, als Mr. Ward
plötzlich seine Rechte, die er so lange
auf dem Rücken gehalten, mit einem
Redoloer bewaffnet hervor
rief er. .Gnade
Mifw.de
ftrkck:e.
Allmächtiger !
deS HirnmeiS r
seine Angst. Herr!" sagte der falsche
Ämeriküner gklassen. Ich plane kei
nerle: Anschlüge gegen Ihr kostbare?
Leben. Sie können ganz unbesorgt
sein. Die Kugel in diesem Lauf gilt
mir und keinem Anderen. Ich bin.
wie gesagt, von der Höhe des Glücke
einerlei wie. nehmen Sie an, durch
mißzlückte Spekulationen. in den
Abgrund menschlichen Elends geschleu
dert. Ich bin ohne die moralische
Kraft, diesen Umschlag meine? Geschickes
zu ertrazen. Verfitzen Sie sich selbst in
meine Lage ! Ich, ein Mann, der über
Millionen geboten, und der nun plötz
lich so mittellos dasteht, daß er nicht
einmal diese plunderige Wirthshaus
zeche" er nickte kläglich, die Achseln
zuckend, auf die ihm am Morgen
präsenrirte. auf feinem Schreibtisch
liegend: Hotelrechnung hin bezah
len kann. Ehe ich jedoch zu mei
nem traurigen Vorhaben schreite, bade
ich an Sie. den einzigen Menschen,
den ich im Ledn geschädigt habe, noch
eine Bitte: Krollen Sie mir nicht.
Herr, um den Verlust, den Sie durch
mich erlüden ! Glauben Sie nicht, daß
ich ein schlechter Mensch bin ! Seien Sie
überzeugt, ich bin nur zu bedauern!"
Dem verdutzten Wirth deS Hotels
zum Kaiser von Oesterreich" schien eS,
als er so weit gekommen war. klar ge
worden zu sein, was ihm geschehen
sollte. Die Rechnung Mr. WardS auS
Amerika sollte unbeglichen bleiben, er
sollte die ganze Zeit bei ihm umsonst
gewohnt, gespeist und den hohen Herrn
gcspiclt haben. Von allen den AuS
lagen, die der Wirth für ihn gemacht,
sollte er nicht einen Kreuzer wieder
sehen. Und nun schien Mr. Ward sich
gar auch noch in seinem Hotel vor
seinm Augen crschießeu zu wollen.
Jedenfalls hob er plötzlich den blinken
den Stahllauf in seiner Hand wie in
leidenschaftlicher Verzweiflung an seine
Stirn. Er fetzte die Waffe an, im
nächsten Augenblick konnte sein Finger
den Hahn abgedrückt haben.
Der Gafiwirth sprang entfetzt auf
,hn zu : Mister Ward", rief er. .hat
ten Sie ein! Im Namen deS Him
mels ! Ist eS nicht genug, daß ich Ihr
Konto an Ihnen verliere? Wollen Sie
mich ganz und gar ruiniren?"
Der falsche Amerikaner hatte auf eine
ähnliche Antwort gerechnet. Er hatte
den Lauf der Ereignisse haarscharf im
Voraus berechnet, aber er machte, als
er jetzt wie widerwillig die Waffe ab
setzte, ein unbeschreiblich erstauntes
Geflcht. Er war, wie gesagt ein gro
ßer Mimiker. indeß, er mußte zu eS sei
nem Gewerbe auch sein.
.Jq le ruinnenk" lachte er m
grimmig. Wenn ich mich erschieße?
WaS kann Sie mein Leben, was kann
Sie mein Sterben bekümmern?"
Lichts!" rief der Wirth. .Ob
Sie sich erschießen wollen oder nicht.
mir soll eZ gleich sein. Nur sollen
Sie sich Nicht hier unter meinem Dach.
m meinem yauie. :m Hotel zum
alter von Oesterreich" erschießen,
Begreifen Sie nicht, ein Selbstmörder
in meinem Hause I? Und daS kurz vor
Anvruch der hohen saison !"
Der Amerikaner grinste. Hm".
brummte er, allerdings, wer wird in
ein Hotel ziehen wollen, in dem eben
erst Jemand durch Selbstmord geendet?
Die ganze Saison lang kann Ihr Hotel
teer ottiven."
Also machen Sie mich nicht un
glücklich !" bat der geängstigt Hotelier.
Gehen Sie, wenn Sie durchaus fter
den müssen, anderswohin sterben ! Ich
lasse Sie ungehindert aus meinem
Hause. Ich erkläre Ihnen hiermit,
daß Sie mir keinen Kreuzer schuldig
sein sollen, die Rechnung ift niederge
dergeschlagen. und ich verspreche Ihnen,
deß ich. sobald Sie meine Schwelle
verlassen. Ihrem äußersten Entschluß
nicht daS geringste Hinderniß in den
Weg legen will. Wir find, hier haben
Sie eS schwanauf weik ." er reickte ibm
dabei eine mit seiner Unterschrift ver
sehene Note, wir sind quitt. Nur
müssen Sie sich an einem anderen Orte
erschießen, nicht hier."
Aber wo?" wollte der Andere wissen.
,Soll ich mich auf der Straße er.
schießen, soll ich. nachdem mich mein
ganze? Leben lang Luxus und Wohl
fahrt umaebcn. wie ein frnnd h'mtn
dem Zaun verenden? Unmöglich Herr!"
rief er. ich brauche, um mein Lebens
licht aufzublasen, eine meiner würdige
Umgebung."
Wohlan, so ziehen Sie in ein an
der?S HauS. Ich empfehle Ihnen zur
Ausführung Ihres Vorhaben? daS
Hotel zum russischen Kaiser", gleich
um die Ecke. Sie finden dort denselben
Komfort wie im Oesierreichischen Kai.
ser". also gehen Sie hinüber!"
Der Z.tneri?aner zeigte sein leere
Portemonnaie.
Weh mir!" sagte er. .Wie gern
thäte ich Jhne diesen Gefallen. Sie
waren edel gegen mich. Ter Troft
nieiner letzten Stunden ist eZ. daß Sie
mir Sympathie mit meinem Geschick de
wiesen und nicht einen Augenblick einem
unedlen Verdacht gegen mich Raum
gaben. Soll ich nun auf meine letzten
Minuten mich wirklich noch einer mit
dem Gewissen eine? khrrnmanneZ un
vereinbaren Handlung schuldig machen?
Uederlegen Sie selbst. Herr, wenn ich
heute auZ dem Ocfterrnchischen Kaiser"
auZzieh' und morgen im .Russischen
Kaiiei" alZ Leiche gefunden werde, und
in meinem Portemonnaie kein Kreuzer
liegt, wie wird eS dann heißen? Wird
nicht Jedermann uns zwar dann mit
Recht sagen können: Er ift ein Zech
preller gewesen. Soll ich diesen Schimpf
mit in mein Grad hinein nehmen?
Ter Hotelier hielt eZ für gernthen.
eine Banknote auS feinem Portefeuille
für ihn herauszunehmen.
.Gut," meinte er. .Es will ich so
gar auch noch für Ihr letzte? Quartier
die Kosten tragen."
Er HZndigte ihm den Kassenschein
ein. ES war kein Schein über Tau
sende, aber Mr. Ward war zufrieden.
Der Wirth de? Hotels .zum österreicht
schen Kaiser" hatte den verarmten Na
dob auch nicht gerade die kleinste Note
anzubieten gewagt.
Er wünschte vor allem, den Eelbft
mörder aus seinem Hause zu entfernen.
Dabei erhoffte er übrigens auch noch,
daß sich die Banknote, die er ihm auf
seinen letzten Erdenweg mitgab, lohnen
würde, denn wenn Mr. Ward sich
drüben im .Russischen Kaiser" eine
Kugel durch den Kopf jagte, war der
Russische Kaiser' für den Sommer
ein verbehmteS Hotel, wovon natürlich
der Oefterreichische Kaiser" nur Nutzen
ziehen konnte. Die Anlage war am
Ende also gar keine so üble.
Leider entzog Mr. Ward im letzten
Augenblick diesem Konkurrenz.Mcnötr
seine Begönftigung. Jedenfalls ward
er am nächsten Tage nicht als Leiche im
Russischen Kaiser" aufgefunden. Man
hatte den Amerikaner überhaupt dort
nicht gesehen. Er war verduftet, und
der Besitzer deS HotelZ zum öfterreichi
schen Kaiser" fing an, zu ahnen, daß
der Revolver, mit dem Mr. Ward sich
so wüthend vor der Stirn gefuchtelt
hatte, nicht geladen gewesen sein mochte.
ostbare Hundthalsbünder.
Hundeliedhaber sind gewöhnlich sehr
geneigt, hohe Ausgaben für das Wohl
lyrer ledlmge zu machen, am weitesten
darin scheint aber ein englischer Eentle
man gegangen zu sein, der im Jahre
1806 in London ein Halsband im
Werthe von ZOO Pfund Sterling, d. h.
11.000 Mark herftellen ließ, um damit
den Nacken feines edlen Rassehundes zu
schmücken. DaS Halsband bildete einen
starken, schweren Reif auS reinem
Golde, ohne weitere Verzierungen. Ein
silbernes Haisband wurde 1832 von
Lady Mackin für ihr kleines Schooß
Hündchen gekauft; vier Diamanten, die
eZ schmückten, gaben ihm den Werth
von 40Q0 Mark. In Frankreich war
eS vor einigen Jahren Mode, den ge
liebten Vierfüßlern Armbänder um die
Vordcrfüße zu legen, während den Hatt
ein entsprechende? kostbares Band zierte.
Der Preis für die .Armbänder"
schwankte zwischen 4 und 1000 Mark,
ein Halsband kostete ungefähr 400
Mark, doch wurde der Preis gewöhnlich
durch angebrachte Edelsteine bedeutend
erhöht. Ob sich wohl solche gut situir
ten Hunde in ihrem Schmuck behaglich
gefühlt haben?
Ttubenarrest.
Besonders streng mit der Verhängung
von Stubenarrest über seine Verwand
ten war König Friedrich Wilhelm III.
von Preußen, und mehr als einmal er
hielt namentlich der geistvolle Krön
Prinz, spätere König Friedrich Wilhelm
IV., diese Strafe, weil er seinen Witz
nicht im Zaum hielt. Zwei solcher Ver
gehen, die Stubenarrest nach sich zogen,
sind noch bekannt. Das erste geschah
auf dem Congreß zu Wien.
Bei einer Hoftafel, bei welcher der
gutmüthige Kaiser Franz von Oester
reich den Vorsitz führte, wurden Räthsel
aufgegeben; als aber die Reihe an den
Kaiser kam. sagte er: .Mir fallt halt
nix ein!" Als nun die Reihe an den
Kronprinzen kam. stellte er die Frage,
wer der beste Baumeister sei. und aab
die Lösung: Kaiser Franz, denn dem
Ml nichts eml"
Die Belohnung für diesen Scherz
waren drei Tage Stubenarrest.
Ein andermal scdte es ioaar aihi
Tage, weil der Kronprinz die Parade
soldaten verspottet hatte. 3u den Na.
roden erschienen damals die Soldaten
10 neis tn Unform. Gamaschen, Leder
zeug und dergleichen eingezwängt, daß
sie sich nicht bücken konnten. Der Krön,
Prinz, der auf der Parade vor Eintref
fen de? König; erschienen war. legte ein
Goldstück neben den rechten Flügelmann
und forderte ihn auf. dasselbe aufm.
heben, was derselbe im Paradeanzug
eoeniowcnlg tonnte, wie alle übrigen.
Darüber bemerkte der Kronprinz sar
küstisch: DaS find nun Eoldatkn nd
können nicht einmal ein Goldstück auf
ycoeni
Die Bemerkung wurde drrn S?s?:n
binterbracht und trug dem Spötter acht
Tage Stubenarrest ein.
Wer vom Leben nichts lernen will,
wird vom Leben belehrt.