Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, September 15, 1898, Image 9

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Teresina.
'JiODftloüf ven !,
v Die Vaterstadt der kleinen Terenna
Wt Venedig, einr elend, Tachlammer
fou und ihrer Mutter Wohnung, ein
Strohsack beider Bett.
.Zeresina wird noch einmal ihr Glück
machen in der Welt," sagte der Kunst
reiler Antonio, ein naher Verwandter
von Tereftna'S Mutter zu dieser, denn
sie ist schön und hat einen festen Willen."
.Die Madonna gebe ihr ein glück
liie? Leben!" seusite die Mutter. Ein
glücklicheres Leben alZ daS meine eS
war. Ich habe wahrlich nicht auf
Rosen getanzt."
.Du solltest mir die Kleine zur AuS
bildung übergeben," meinte Antonio.
Die Mutter schüttelte den Kaps.
.Nein. Antonio, lieber will ich mir
für Teresina die Hände blutig arbeiten,
als fie in kurzen Stückchen auf dem
Pferde sehen."
.Ader so denke doch an die Süfeig
leiten, die Bou,uetS und die Brillanten,
die sie bekommen wird."
.Nein, Antonio, ich gebe da! Kind
nicht her."
Zerestna'S Augen blitzten.
.Ich will aber." sagte sie. und sie
setzte ihren Willen durch.
Nun kam die Zeit deS Lernen? für
Teresina, und das war eine schwere
Zeit. Sie zog. von ihrer Mutter be
gleitet, mit Antonio'S (JircuS mit. aber
döi fte vorderhand noch nicht öffentlich
Auftreten durfte, verdiente fie auch noch
ni.it3.
Wo find die Süßigkeiten? seufzte
die Mutter. .Wo sind die Brillanten
und BouquetS?"
.Gedulde Dich nur!" lachte Antonio
und trieb mit der Peitsche da? Pferdchen
an. auf dessen Rücken Teresina tanzte.
.Hopp!" rief er der Kleinen zu, und
nun sollte sie durch den mit Papier der
klebten Reifen springen.
Sie hatte eS noch nie versucht, und
ängstlich pochte ihr kleine? Herz, aber da
sagte sie: Ich will l" und der Sprung
gelang.
.Brovo! Bravo!" rief Antonio und
klatschte in die Hände. Sie wird
etwa? Großes, etwas Bedeutende? wer
den. Bald wird die ganze Welt von
ihr sprechen."
.Mir wäre eS lieber, wenn man sie
mit Brillanten überschüttete." seufzte
die Mutter.
.Spricht man erst von ihr, dann
kommen auch die Brillanten." sagte
Antonio zuversichtlich.
In einer kleinen Stadt Norddeutsch.
landS tritt die kleine Teresina zum
ersten Male öffentlich auf. Sie reitet
auf einem niedlichen runden Schimmel,
der mit allerhand Flitterkram bunt her
ausgeputzt ist. Ihr rother Seidenrock
flattert, ihre schwarzen Locken flattern
und ihre dunklen Augen sprühen, wenn
fte durch die mit Papier beklebten Rei
fen springt.
l.Jch will!" sagt fte jedesmal und
iHcr Sprung gelingt.
AüeS jauchzte der kleinen Teresina zu.
Man macht ihr tausend Komplimente
über ihr hübsches Geficht und überfchüt.
tete fie mit Süßigkeiten.
.Von Konfekt allein kann man nicht
leben." seufzte die Mutter, aber ihre
Augen strahlten dabei.
Gedulde Dich doch nur!" sagte An
tonio. .Erst kommen die Süßigkeiten,
dann die BouquetS und zuletzt die
Brillanten."
Ich wollte, wir wären schon bei den
Brillanten!" seufzte die Mutter.
AIS Tcreftna am anderen Morgen
aus dem Stübchen trat, welches fte und
ihre Mutter bewohnten, so lange sich der
Cirkus in dem Städtchen aufhielt, sah
fte auf dem Flur einen mageren, schlecht
gekleideten Jungen stehen, der fte mit
seinen großen, wafferhellen Augen neu
gierig anstarrte.
Wie heißt Du? und waZ willst
Du?" fragte sie ihn keck.
Der blaffe Junge lächelte schüchtern.
Ich bin der Johannes, wir wohnen
hier im Hause in der Kellerwohnung.
Mein Vater ist Schuhmacher und
und ich wollte Dich so gerne sehen."
Teresina reißt vor Verwunderung die
dunklen Augen auf.
Warum denn?"
Weil Du mir gestern in der Vor
' Mutig so gut gefallen haft und "
.Du warft gestern im EirkuS. Du?"
unterbrach fie ihn und streifte seine
ärmliche Kleidung mit flüchtigem Blick.
v VMx daS blaffe Geficht deS Knaben
fl5u ein brennendes roth.
,iJa, ein Kunde meines LaterS
schenkte mir ein Billet zur Gallerie.
Ach, war daS schön im EirkuS! Aber
Du warft doch da? Schönste dort."
Teresina lächelte und schob ihr
braunes, rundes Händchen in die
magere Rechte deS Knaben. '
.Heute Abend sollst Du wieder in den
CirkuS gehen. Ja. heute und an jeden
anderen Abend auch, fo lange wir hier
bleiben, ich werde dafür sorgen. Aber
Du sollst nicht oben auf der Gallerie
stehen, sondern auf einer Bank sitzen
und alle BonbonS, die ich bekomme,
theilen wir." Sie lachte vor Vcr'
gnügen hell auf. C, daS wird sehr
schön sein!"
Ja, sehr schön," sagte Johannes
und seine Augen leuchteten.
Er durfte nun Abend für Abend im
CirkuS auf einer Bank fitzen und alleS
mit ansehen. Aber er machte fich nicht?
auS den Kunststücken der Erwachsenen,
nur wenn Tereftna auf ihrem runden
Schimmel in der Manege erschien.
Sonnt
llgögllfl.
V(
Jahrgang l!.
Beilage zum ?!ebraska 5taats-?lnzeiger.
No. 17.
klatschte er wie sasend und rief: Hur
rah!" Und Teresina lächelte und nickte
ihm zu und dann wurde er so roth
so roth.
Wie bebt sein Herz, wenn fie durch
die Reifen springt! Wenn fie einmal
siele sich Arm oder Fuß bräche oder
gar todt bliebe !
Der helle Schmeiß steht ihm auf der
Stirn, wenn er da? denkt. Aber
Teresina fällt nie.
Ich will !' sagt fie jedesmal, und
dann gelingt der Sprung.
So verging Tag um Tag, die Stunde
des Scheiden? war gekommen und Te
refina eilte in die Kellerwohnung hin
unter.
Ist Johanne? hier ? fragte sie den
Schuhmacher.
Ich will ihn nach oben schicken, hier
ist kein Aufenthalt für Sie." meinte
der Mann.
Als Teresina und Johanne? einander
im Flur gegenüber ftchen, da hat der
blaffe Junge Thränen in den Augen
und auch ihr ist das Weinen nahe; aber
sie hat gelernt, sich zu beherrschen, und
daher gelingt e? ihr. ein Aufschluchzen
zu unterdrücken.
Weine nicht!" flüsterte fie und ftrei
chelte seine bleiche Wange. Weine
nicht! Sieh, wenn ich groß bin, in
zwei, drei Jahren, dann komme ich wie
der und bringe viel Geld mit, und Du
bist dann ein Schuhmachermeifter wie
Dein Vater und nähst mir ein Paar
rothe Saffianschuhe, weißt Du, solche,
wie ich sie Abend? trage, wenn ich auf
dem Schimmel ftche, und dann
dann ", fte fuhr energisch mit dem
Rücken der Hand über die Augen,
dann haben wir uns sehr lieb und ich
werde Deine kleine SchuhmacherSfrau."
Ja, komme wieder!" schluchzte Jo
hanneS. Komme wieder!"
Direktor Antonio hat Recht gehabt,
als er sagte: Erst kommen die Süßig
ketten, dann die BouquetS und zuletzt
die Brillanten." Die kleine Tereftna
ist ein Stern ersten Rang:Z geworden.
Wo sie auch immer hinkommt, alle? ju
belt ihr begeistert zu. Man wirft ihr
Kränze und Bouauet? und bringt ihr
Blumen und Schmucksachen in'? Hau?.
Teresina aber nimmt nur die Blu
men an.
Warum weist Du die Brillanten
zurück?" seufzte täglich die Mutter.
Lg? solltest Du doch nicht thun."
Ich will fie aber nicht," sagte Tere
sina und warf da? Köpfchen in den
Nacken, dann deutete sie auf ein mit
Goldstücken und Papiergeld gefüllte?
Küstchen. Sieh nur, wa? ich mir schon
erspart habe. Mutter!"
Unterdeffen saß der arme Johanne?
in dem kleinen norddeutschen Städtchen.
Tag aus Tag ein auf dem Schemel in
seine? Vaters Werkstube und nähte
Schuhe. Seine Gedanken flogen dabei
weit hinaus in die fremd? Ferne, seine
Augen leuchteten und immer bleicher
wurden seine Wangen.
Unser Johanne? wird nicht alt wer
den." sagte der Schuhmacher. Ueber
Jahr und Tag werde ich ihm die Tod
tenschuhe anmessen müssen. Hörst Du,
wie er hustet, Frau ? Siehst Du die
rothen Flecke auf seinen Wangen? Da?
sind die Kirchhofkrosen! Uud wie sonder
bar seine Augen leuchten!
Wenn der Vater so sprach, dann
wischte er eine Thräne au? dem Auge
und auch die Mutter wenite, aber Jo
HanneS sah und hörte nicht? von dem,
waS um ihn herum vorging. Lächelnd
schaute er auf seine Arbeit, denn nun
mußte Tereftna ja bald kommen.
Aber Teresina kam nicht, so sehr er
fich auch nach ihr sehnte. Da nahte er
zwei wunderniedliche, rothe Safsian
schuhe und bei jedem Stich, den er
machte, dachte er: Wenn die Schuhe
fertig find, dann wird auch Teresina
hier sein." Doch nun standen die
Schuhe schon monatelang fertig im
Schrank und jeden Abend und jeden
Morgen drückte Johanne? sie an die
kranke Brust, aber Teresina wollte noch
immer nicht kommen;
Die Wangen de? armen Johanne?
wurden immer schmaler und dlaffer, die
Kirchhof?rosen auf ihnen blühten immer
schöner und immer seltsamer leuchteten
seine Bugen. Trotzdem aber schwand
da? Lächeln nicht, da? seinen Mund
umspielte. Teresina konnte ihn ja nicht
vergessen haben!
E? ist ein Cirku?in der Stadt."
sagte der Vater, al? er eine? Tage? von
einem Geschäftsgang nach Haufe zurück
kehrte. Heute Abend findet die erste
Vorstellung statt."
Da muß ich hin!" rief Johanne?
und er ging wirklich, so krank und elend
er fich auch fühlte.
Damen und Herren zeigten ihre Kunst
ftücke, aber Teresina war nicht unter ih
nen. Eine namenlose Angst überfiel
Johanne? plötzlich. Zum ersten Male
fühlte er, daß der Tod in seiner Brust
wühlte.
Sehe ich fie heute nicht, dann sterbe
ich," flüsterte er.
Dann sprengte auf einem schneeweißen
Pferd eine Dame in die Manege. Ihr
kurzer rother Rock flatterte, ihre Locken
umwogten sie wie eine dunkle Wolke,
ihre Augen sprühten, wenn sie durch
die mit Papier beklebten Reifen sprang.
Ich will!" schien der rothe Mund
jede? Mal zu sagen, und jeder Sprung
gelang.
Kein Brillantstem schmückte da? üp
pige Haar, keine Perlenschnur den schlan
ten HalS, wie sie fortgegangen war. so
war fie auch wiedergekommen, die kleine
Teresina.
Johanne? klatschte wie rasend und
rief wie einst als Kind: Hurrah!"
Und Teresina wandte den Kopf, ihr
Auge fand ihn und lächelnd nickte sie
ihm zu. Dann wurde er so roth so
roth!
Als Johannes nach Haufe kam,
mußte er sich sofort zu Bett legen.
Seine Augen glühten, fein Gesicht war
weiß wie da? Linnen deS Kiffens und
die Kirchhofsrosen auf seinen Wangen
blühten schöner denn je.
Ich habe Tereftna wiedergesehen,
Mutter," sagte er, .nun kann ich ruhig
sterben. Vater, bitte, gieb mir die ro
then Schuhe dort aus dem Schrank.
Teresina sollte sie an unserem Hochzeit;
tage tragen. Ach, daran ist nun nicht
mehr zu denken!"
Die Mutter schluchzte und auch der
Vater weinte. Johanne? aber stellte
selig lächelnd die rothen Schuhe auf
seine kranke Brust. Da wurde plötzlich
die Thüre leise, ganz leise geöffnet und
eS huschte etwas auf flinken, leichten
Füßchen herein.
Teresina!" flüsterte der Kranke.
Ja, sie war eS, die fein müdeS Haupt
an ihre Brust zog und eS mit Küssen
bedeckte.
Wie gut, daß Sie gekommen sind !"
schluchzte der Alte. Nun wird ihm
das Sterben leichter werden."
Da? Sterben !"
Teresina wurde blaß und ihre Lippen
bebten, aber fie hatte in der harten
Schule de? Leben? gelernt, fich zu be
herrschen. Thränenlo? küßte fie deS
Sterbenden bleiche Stirn, die schon kal
ter TodeZschweiß bedeckte.
Jktzt geh' ich nie wieder von hier
fort, Johannes," flüsterte fie zärtlich.
Siehst Du dieses Kästchen? Alle?,
wo? darin ist, bringt Dir Deine kleine
Braut mit in die Wirthschaft. Brillan
ten und Perlen habe ich nicht. Ich bin
rein geblieben, rein für Dich, Johan
ne? Du brauchst Dich meiner nicht zu
schämen."
Der Sterbende lächelte glücklich.
.Die rothen HochzeitZschuhe ich
habe sie für Dich genäht da
da ", er fuhr unsicher mit der
Hand umher. O Gott ich sehe sie
nicht ! E? ist zu dunkel ! Ist da?
der Tod?"
Teresina lächelte, obgleich ihr da?
Herz zerspringen wollte vor Weh.
Wa? svrichft Du da?" flüsterte sie
sanft. Meine fchwarzen Locken um
wogen Dich, daher ist e? so dunkel vor
Deinen Augen. Hier sind die Schuhe I"
Sie legte die Hand de? Sterbenden
darauf, dann bat fte : Schließe Deine
Augen, ich will fte lüffen!" und fie
küßte ihn leise, aber innig auf die ge
schlossenen Lider.
Die Glocken rufen zur Kirche.
Ziehe die rothen Saffian
schuhe an Tereftna ! Wir
wer den sehr glück lich fein
meine klei ne Schuhma cher frau.
Sehr glück lich !"
Tereftna richtete sich langsam empor.
Johanne?' Augen blieben geschlossen.
Der alte Schuhmacher schluchzte, seine
Frau schluchzte und auch Teresina weinte
jetzt, weinte, al? ob ihr da? Herz bre
chen wollte.
Nun gehe ich nie mehr von hier
fort, ich habe ja meinem Johanne? der
sprachen, bei ihm zu bleiben", sagte fie.
die alten Leute umarmend. Meine
Mutter ist mir gestorben. Laßt mich
Eure Tochter fein !"
Der
verhängnißrolls Rsgsiv
schirin.
jurnorc5fc von N. Ro i.
Der Referendar Erich Wallstein saß
in seiner eleganten Chambre garnie in
der BictoriaEtraße der königlichen
Haupt und Residenzstadt. Seine
Gliedmaßen, die gerade nicht zu den
kürzesten gehörten, hatte er weit von
sich gestreckt und ließ seine zu den sonst!
gen Körpertheilen verhältnißmößig klei
nen Füße sich'? im gegenüberstehenden
Fauteuil bequem machen.
Wahrhaftig, da? war ein Au?ruhen
nach dem ewigen Treppauf. Trepp
ablaufen, und dazu dieser fortwährende
Regen, der fich zeitweise in förmlichen
Kladderadatschcn zu gefallen schien.
Der schwarze Gebrock dort an der Thür
klinke schien auch ein Wörtchen davon
mitreden zu können, und erst der
Chapeau claque, der seinen gerechten
Unwillen darüber in borstiger Wider
ftandSfühigkeit seiner Eeidenhürchen zu
erkennen gab.
Ohne Regenschirm hatten all' diese
schönen Sachen, die in ersten Mode
Bazaren mit schwerem Geld erkauft
worden waren, den letzten Weg zurück
legen müssen. Im Hause deS Geheim
rath? W. in der Bendlerftraße mußte
den Besitzer derselben irgend etwa? ein
wenig alterirt haben, denn der Referen
dar Erich Wallstein war mit seinem
Regenschirm, ohne den er bei auch nur
mit winzigen Federwölkchen bedecktem
Himmel sonst nie zu sehen war, bei sei
nen AmtSkollegen schon sprichwörtlich
geworden.
Bald erfüllten dicke Rauchwolken
einer HavanaCigarette den Raum.
Da, ein Pochen an der Thür.
Herein", ließ fich eine kräftige Män
nerftimme aus den Wolken heraus der
nehmen. Gleich darauf trat ein behä
bigeS Männchen mit vielen Bücklingen
in da? Zimmer, der Referendar erhob
fich au? feiner komplizirten Stellung
und trat dem Eintretenden einige
Schritte entgegen.
Verzeihung. Herr Referendar!"
redete das dicke Männchen Herrn Wall
stein, komme eben von Geheimrath
W., hatte dort geschäftlich mitderGnä
digen zu thun und fand bei Suchen
meine? Regenschirme? in dem dortigen
Schirmständer nicht meinen, wohl aber
einen andern Schirm vor. Da? Mäd
chen meinte, derselbe könne nur Ihnen
gehören, da außer Ihnen heute kein
anderer Besuch dort gewesen wäre."
Erschöpft von diesem Redeschwall
nahm der also Redende auf einem
Stuhl Platz, und mit der einen Hand
Mittel? eine? röthlichen Taschentuches
seine Stirn von kleinen Perlen de
freiend, bot er mit der anderen einen
zierlichen Tamenregenschirn den der
wunderten Blicken de? Referendar? dar.
Da ertönte draußen die Glocke.
Nach wenigen Sekunden überbrachte
die Tochter der Wirthin dem Herrn
Rrferender mit verschmitztem Lächeln
einen Regenschirm mit dem Bemerken,
daß er denselben im Reisedureau stehen
gelassen hätte; derselbe sei eben von
einem Laufjungen hergeschickt.
Da ist ja mein Schirm I" rief da?
korpulente Männchen hoch erfreut und
verließ mit einer tiefen Verbeugung
gegen Herrn Wallfteiq hin mit dem
jungen Mädchen da? Zimmer, seinen
wiedereroberten Schirm mit fich neh
mend.
Der über diesen Vorgang sprachlos
gewordene Referendar nahm den feide
nen EntoutcaS in hie Hand, beschaute
ihn nach allen Himmelsrichtungen hin
und spannte ihn endlich auf.
Da ! fiel ein rosa Briefchen herau?.
Hastig bückle fich der Referendar dar
nach. Auf dem zart duftenden Couvert
standen die Worte : Herrn E. W."
Im nächsten Augenblick war der Um
schlag zerrissen.
Süße Rache !"
E? wünschet Ihnen viel Plaifir
Mit diesem Schirm fo klein,
Hingegen führet fort von hier
Jhr'n Schirm ein Mägdelein.
Zum Bergefteigen ist er gut,
Besonder? nach der Koppe,
Sinkt Ihnen nächste? Mal der Muth,
Dann denken Sie an Lotte I"
Nun ging dem jungen Mann ein
Lichtlein auf. Geheimrath? Töchter
lein Lotte, der blondgelockte Wildfang,
hatte fich also doch durch sein Beneh
men verletzt gefühlt, al? er bei der
letzten Abendgesellschaft im Hause seine?
Onkel? ihr allzu kecke? Auftreten ihm
gegenüber mit Verachtung strafte. Seit
dieser Zeit hatte sich zwischen diesen
beiden jungen Leuten, die man schon
zum nächsten Brautpaare gestempelt
hatte, ein gespannte? Verhältniß be
merkbar gemacht.
Erich Wallftein. der gern die alten
Beziehungen wieder hergestellt Hütte,
suchte oft mit fragendem Blick LottchenS
Augen, die ihn sonst so schelmisch an
blicken konnten. Aber vergeblich I So
kamen seine Ferien heran und noch im
mcr hatte fich die Gelegenheit zu einer
längeren Aussprache nicht finden kön
nen. Seine letzte Hoffnung hatte der
Referendar, der demnächst zum Assessor
befördert werden sollte, auf den Ab
schiedöbesuch bei GcheimrathS gesetzt.
Lottchen war jedoch heute nicht zum
Vorschein gekommen und aufgeregt
hatte er da? HauS in der Bendler
Straße verlassen. Seine Besuche vor
der Reise, die ihn dicZmal nach Tyrol
führen sollte, waren mit dem heutigen
Tage, an welchem er deren sech? gc
macht hatte, beendet.
Jetzt aber kam Herrn Wallstein eine
Idee; in wenigen Minuten eilte der
künftige Assessor unter strömenden
Regen nach dem Reisedureau. fein
ftrohdedecktcS Haupt mit einem zierlichen
Damenschirm beschützend. Er lächelte
vergnügt vor fich hin.
.Bitte, mein Billet für eine Rund
reise in'S Riesengebirge und nicht für
Zvrol zusammenzustellen !" lautete sein
kurzer Bescheid.
Einige Tage später wanderte eine
lustige Gesellschaft von Krummhübel
au? nach der Schneekoppe. Die Sonne
sandte warme Strahlen herab, die
ein fiocler, breitschulteriger Referendar
mit einem für seine Körperlichkeit gar
winzige EntoutcaS ein wenig von sich
abzuhalten suchte ; eS war unser Be
kannter auS Berlin, Herr Erich Wall
stein. In der Riesenbaude, wo die
Anderen eine Ruhepause machten,
trennte er sich von ihnen. Oben auf
der Koppe wollte er fie erwarten. Mu
thig begann er jetzt feinen Aufstieg.
Endlich kam er oben erhitzt an und
wollte sich gerade in die österreichische
Restauration begeben, als er von hin
ten auf die Schultern geklopft wurde.
Haben Sie Ihren Reiseplan noch
im letzten Augenblick geändert? Wir
vermutheten Sie in Zurol !" tönte e?
an sein Ohr, und sich umdrehend, sah
er Geheimrath W. mit Frau und Toch
ter vor sich stehen.
Ah. guten Tag, Herr Geheimrath I
Verehrte gnädige Frau I"
Lottchen hatte sich bei dieser gegen
seitigen Begrüßung schleunigst zurückge
zogen und ihr Ferngla? au? dem Be
hülter ziehend, schien fie ihren Blick
in'S Weite schweifen zu lassen, während
fie hinter dem Glase verstohlen auf die
Gruppe blickte. Zu ihrer großen Freude
gewahrte fie in der Hand de? Referen
dar? ihren Schirm. Flink wollte sie
feinen Schirm, den sie den Eltern
gegenüber al? neuesten Gebirg?schirm
auS irgend einem Geschäft präsentirt
hatte, hinter ihrem Plaid verbergen,
doch da war schon Erich Wallstein an
ihrer Seite.
Guten Tag, mein gnädiges Fräu
lein Lottchen !" Habe die Ehre, Ihnen
einen alten Bekannten au? Berlin vor
zuzeigen I" Mit diesen Worten spinnt:
er den Schirm auf, denn ein plötz
licher, wolkenbruchartiger Regen strömte
hernieder, und geleitete da? erröthcnde
Mädchen in da? Häuschen, wo die El
tern bereit? einen Tisch reservirt hatten.
Viele vergnügte Partien wurden nun
gemeinschaftlich unternommen und un
gern sah mn dem Abschiede au? dem
schönen Schlefierland entgegen. Eine
Uederraschung wurde den gegenseitigen
Bekannten aber zu Theil. Auf Lott
chen? innigsten Wunsch wurde noch ein
mal die Koppe bestiegen und von dort
au? der erstaunten Mitwelt die Ver
lobung der einzigen Tochter de? Ge
hcimraths W. mit dem Referendar
Erich Walstein mitgetheilt.
Bange machen gilt nicht.
Unter dieser Spitzmarke berichtet die
Carole" über folgende amüsante Bahn
Wärterprüfung: Ein treuer, biederer
und zuverlässiger Bahnbeamter wird
von seiner vorgesetzten Behörde aufge
fordert, an einem bestimmten Tage be
Huf? Ablegung der Weichenftellerprü
fung auf Zimmer 9 im DirektionS
gebäude zu erscheinen. An dem be
treffenden Tage ist er wirklich da und
wartet der Dinge, die da kommen
sollen. Zuerst wird er einem Betriebs
Kontrolleur vorgestellt, welcher ihn auch
alsbald über Sachen des äußeren Be
triebSdienfteS prüft. Zwischen Beiden
entspinnt fich folgende Unterhaltung:
Kontrolleur: Was würden Sie
thun, wenn Sie Ihre Strecke begehen
und eS kommt ein Zug vorbei, und Sie
bemerken am Zuge etwas Ordnung?
widrige?, welche? die Weiterfahrt de?
ZugeS gefährlich erscheinen läßt?"
Bahnwärter: Ich würde dem Zug
sofort daS Haltesignal geben mit mei
ner rothen 'Fahne."
Kontrolleur: Womit würden Sie
denn da? HalteSignal bei Dunkelheit
geben?"
Bahnwärter: Mit meiner rothen
Laterne."
Kontrolleur: Wenn Ihnen nun ober
das Licht ausgeht, was machen Sie
dann?"
Bahnwärter (zieht aus der linken
Hosentasche eine Schachtel schwedischer
Streichhölzer): Dann nehme ich diese
hier."
Kontrolleur (nimmt ihm die Streich
Hölzer fort): Nun, jetzt find Ihre
Streichhölzer fort, wa? würden Sie
jetzt thun?"
Bahnwärter (zieht au? der rechten
Hosentasche eine zweite Schachte! her
vor): Dann nehme ich diese hier, Herr
Kontrolleur."
Kontrolleur (nimmt ihm auch diese
Schachtel weg): Nun, lieber Mann,
haben Sie lein Feuer mehr, was thun
Sie in diesem Fall?"
Bahnwärter: .Oho, man immer
sachte. H?rr Kontrolleur, dann nehme
ich diese hier !-" (fiii? der hinteren Tasche
wiederum eine Schachtel zum Vorschein
dringend).
Kontrolleur (greift nochmals zu, fich
der Heiterkeit kaum erwehrend):, .Na,
und jetzt?"
Bahnwärter: .Nein. Herr ttontrol
lcur, Sie fangen mich doch nicht so
leicht!" (Greift in die rechte Westen,
tasche und dringt ein einzige? Streich
bolz herau?, welche? er aber mit den
Fingern fcft umklammert.) .Dann
nehme ich meinen eisernen Be
stand, davon habe ich die Tasche voll,
die bekommen Sie aber nicht, die be
kommt nicht mal meine Frau."
Der Bahnwärter hat seine Prüfung
glänzend bestanden.
Napoleon und sein englisches
Studium.
Unter die riesigen Begabungen deS
ersten Napoleon gehörte da? Sprach
genie nicht. E? fiel ihm in der Krieg?
schule zu Brienne recht schwer, neben
seiner korftsch-italienischen Muttersprache
da? Französische zu lernen und er sprach
letzteres stet? mit italienischem Accent.
Aber zu behaupten, er habe nicht richtig
französisch gekonnt, ist Unsinn.
Sein unerbittlichster Beurtheiln: und
Verurtheiler Hippolyte Taine, der aber
stet? wieder sein wunderbares Genie an
erkennt, giebt sogar zu, daß Napoleon
die französische Sprache mit einer Menge
der urwüchftz geistreichsten AuSsprüche
bereichert habe. Und wie wußte er
gar zu feinen Soldaten französisch zu
sprechen !
Zu den dierunddreißig Ouartbänden
Napoleonischer Briefe sind kürzlich zwei
neue Bände getreten, und jetzt hat man
noch 1500 Briefe von ihm entdeckt,
worunter auch solche von St. Helena.
In einem Briefe auS seiner Wohnung
Longwood in St. Helena von 7. März
1316 sagt der gewaltige Gefangene:
Seit sechs Wachen lerne ich Eng
lisch, mache aber keine Fortschritte.
Sechs Wochen machen 42 Tage. Könnte
ich 50 Wörter täglich lernen, so wüßte
ich .jetzt 220 Wörter. DaS Wörter
buch enthält 40,000 Wörter; sagen wir
nur 20,000; 120 Wochen wären also
nöthig, um diese zu erlernen; daS macht
mehr als zwei Jahre. Daraus können
Sie sehen, daß Sprachen zu erlernen
eine schwierige Sache ist, die man be
ginnen mnß, wenn man jung ist."
Seinen englischen Unterricht auf St.
Helena erhielt Napoleon von dem edel
ften freiwilligen Begleiter in die Ver
bannung, dem Grafen Las CafaS. der
die englische Sprache in England selbst
erlernt hatte. Nachdem der Graf durch
Napoleon'S Kerkermeister Hudson Löwe
vertrieben war, hörte der englische Unter
richt auf.
Wie man sieht, war Napoleon keine?
weg? gegen die Erlernung mehrerer
Sprachen; aber er wollte dieselbe in die
Jugendzeit verlegt wissen.
jrn Vermiethungö'Bureau.
Dame (zum Dienstmädchen): Ge
füllt Ihnen die Straße, in der wir
wohnen?"
Das Mädchen: Gewiß. Madame."
Dame: Wir haben aber eine große
Familie."
Da? Mädchen: Je mehr, desto
besser."
Dame: Sieben Kinder, darunter
zwei noch sehr jung."
Da? MäZchen: Ich habe kleine Kin
der sehr gern."
Dame: Sie müssen auch waschen
und bügeln. Da? Abstäuben besorge
ich selbst."
Da? Mäochcn: Wenn Sie nicht?
dagegen haben, stäube ich auch ab."
Dame: Ich kann Ihnen nur alle
vierzehn Tage frei geben."
Da? Mädchen: O. ich gehe garnicht
au?; die Hauptsache ist für mich, tücktia
zu arbeiten und die Wirthschaft in
vtand zu halten, damit Sie immer mit
mir zufrieden find."
Dame: Al? Lohn erhalten Sie 180
Mark."
Da? Mädchen: Ich bin schon mit
15 Mark sehr zufrieden."
Dann nehme ich also "
Herr (erregt hereinstürzend): ,.Ent
schuldigen Sie. Madame, aber Sie
sprechen mit einer unheilbar Kranken,
die mir entsprungen ist. Ich bin Di
rektor de? Central.Jrrenhause?."
Auch ein Jubiläum.
ES find jetzt, wie ein holländisches
Blatt au? Amsterdam zu berichten weiß,
25 Jahre, seitdem die Mode der söge
nannten Ponylöckchen in der Frauen
Welt Eingang gefunden hat. Ursprung
lich wurde hierbei daS Haar vorn kurz
abgefchitten und nur glatt ausgekämmt,
und erst langsam bürgerte sich in der
Folge daS Kräuseln dieses HaareS ein.
Niemand Anders al? die Kaiserin Eu
genie ist eS, die die Mode der Ponylöck
chen schuf; nicht aber, um damit wieder
einmal als die Königin der Mode zu
glänzen, sondern um damit ihre Trauer
um den Tod ihre? Gemahl?, de? Kai
ser? Napoleon de? Tritten, an den Tag
zu legen, der am ?. Januar 1873 starb.
Ursprünglich wurde die Mode auch le
diglich in diesem Sinne befolgt und erst
späterhin, mit der wachsenden AuSbrei
tung. verlor sie ihren ursprünglichen
Charakter.
Modern.
Tante: ..,Elli. ärgere Deinen
Mann nicht zu sehr I Er kehrt sonst am
Ende zu seinen Eltern zurück !"