Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 18, 1898, Image 12

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    3 der Rosenzcit.
hat heitere Seichichit vv" Hugo lein,
Turnn' i a o imim.
Und , !ft Oi r (0 woW.
Wcn me, m chMc dftuäl.il
H Iruijle ,ch toi'.
Me u Hirz Ihul sich frratii
Und ti dliitil mu au tar.n....
Man konnte sich kein angenehmeres
Erwachen denken als bei dem frischen
lange dieser Stimme, bei der erquick
lichen Sommerluft dkg alten, deutschen
LiedeS. Der österreichische Eisenbahn
deamte Clementi rieb sich die Augen
und blickte nach dem Fenster. daS der
Hausdiener geöffnet hatte. Abends
vorher war er an dem neuen Orte feiner
Wirksamkeit. Tetschen an der Elbe,
glücklich angelangt und ziemlich der
drießlich zu Bett gegangen. TaS Städt
chen war ihm noch kleiner erschienen,
als er sich vorgestellt hatte. ES war
ein trüber, regnerischer Tag gewesen.
Himmel! hatte er gedacht, wird eS in
dem Neste langweilig fein!.... Und
nun. beim Erwachen, grüßte ihn die
Rosenzeit mit warniem Hauche und
lachenden Liedern. Ei, Blumen, Son
nenschein und hübsche Madchen wird eS
auch in Tetschen geben eS wird sich
damit auskommen lassen!. . . .
Die frische Stimme klang weiter, und
Clementi erhob sich, um an'S Fenster zu
treten der Vorhang verbarg ja den
Spüher und feine mangelhafte Toilette.
Der junge Mann sah ein graues, alter
ihümlicheS, einstöckiges Gebäude aber
dem seinigen gegenüber ein anderes
Fenster, in dem die Rosen blühten.
Anfangs hörte man nur die Stimme,
dann aber erschien im Blumenrahmen
der reizendste Blondkopf ein nied
licheS StumpfnöSchen gab dem ganzen
Gesichte den Ausdruck lieblicher Schel
merei
.Ausgezeichnetes Quartier!" mur
Hielte der junge Mann.
.Wer ist das blonde junge Mädchen
hier gegenüber?" fragte er die Haus
frau, bei der er gemiethet hatte, als er
sich in seiner hübschen neuen Beamten
uniform, den vergoldeten Degen an der
Seite, zum Ausgehen rüstete.
.Gerade gegenüber ? Das ist unsers
Telegraphistin."
Telegraphistin l Großartig ! Da
brauchte man doch nur zu telegraph:
ren, um
In der Früh' singt sie wohl wie eine
Lerche," für die Alte fort, aber dann
bleibt sie den ganzen Tag im Amte.
Sie stört in keiner Weise."
Stört? Solche Störung hätte man
leicht verwinden können l
Rasch setzte er sich vor dem Ausgehen
noch an den Tisch, um eine Depesche zu
oncipiren. An wen sollte man denn
telegraphiren ? An den Oheim natür
lich. Er wird sich sehr geschmeichelt
fühlen. An solche Aufmerksamkeiten
war er gar nicht gewöhnt.
Wohlbehalten angelangt. Wohne
Echiffgaffe 4. (Die Adresse vermerkte
er eigentlich nur, um die Aufmerksam
seit der Telegraphistin zu erregen.)
Leben hier schrecklich theuer. Schicke
Geld!"
Wenn man schon telegraphirte, sollte
eS auch einen praktischen Zweck haben!
Dem Oheim mochte eS allerdings seit
sam erscheinen, daß daS Leben in Tet
schen schrecklich theuer war. Aber viel
leicht schickte er trotz der Verwunderung
einen kleinen Nachtrag
Noch bevor Clementi seine Vorstellung
M den Vorgesetzten machte, suchte er
das Telegraphenamt auf. Richtig, da
saß sie, mit einer ganz lieben Amts
rniene, die sie sich zurechtgelegt hatte.
Als sie die Worte der Depesche zahlte
(natürlich las sie dabei auch den Text),
erhob sie bei der bewußten Adreffe den
Kopf, und eS streifte ihn ein flüchtiger
Blick....
.Ich habe die Ehre, mein Fräulein."
'sagte er nun, mich Ihnen als Nachbar
vorzustellen: Joseph Clementi, von der
österreichischen Nordweftbahn, gestern
hier eingetroffen."
Einen Augenblick war sie ganz er,
blüfft, dann wurde sie sehr roth. Ohne
eine Antwort abzuwarten, fügte er
hinzu :
Ich habe Sie heute früh wider Wil
lcn belauschen müssen und Ihr schönes
Liedel gehökt. Sie waren meine erste
schöne Vifion in Tetschen. Dafür will
ich dambar sein und einen guten Nach
barn abgeben."
Höh?!" sagte sie und lachte. Da
muß man sich ja hüten! Ich will künftig
daS Fenster geschloffen halten "
O, bitte, thun Sie das nicht! Laf
fen Sie sich bewundern das kostet ja
ferne Mühe. Und da ich bemerkt habe,
daß Sie eine Blumenfreundin sind, fo
erlaubte ich mir, diese Rose für Sie
mitzubringen.
Er reichte ihr dabei eine schöne Rose,
die er in der Hand hielt. Das Mädchen
wurde noch verlegener und nahm die
Blume mit einem dankbaren Kopfnicken
entgegen. Die Bekanntschaft war ein
geleitet, und zwar in einer Weise, die
ihr sein besonderes Interesse kund that.
Nun galt eS. die Schüchterne zum Reden
-zu bringen. Auf dergleichen verstand
'er sich, da war ihm nicht bange. Er
begann, ihr zu erzählen, daß er aus
Wien käme, daß er sich vor der kleinen
Stadt und ihrer Langeweile sehr fürch.
tete. Er bat sie um einige Aufklärun
gen. wie sich ein armer Beamter nach
seinen Dienftftunden daS Leben in Tet
fchen unterhaltend gestalten könne. An
fangS antwortete sie sehr zurückhaltend,
der bald kamen sie doch in'S Plaudern j
und die Scheu wich von dem Mädchen.
Sie huttt ja sonst so wenig Gelegenheit,
zu reden, sie war immer allein, und te,
legraphirt wurde in Tetschen nicht viel.
Element: erfuhr, daß die blonde Tele.
rtrniftin 9Ienren trifte, dak ihre El
tern in Prag lebten und daß sie sich
selbst ihr Brot verdienen muffe.
haute seien naA andere Kinder. C
rnnfrni in ?etsck?n bei einer bekannten
Dame, deren Töchter ihre Freundinnen
waren. Unterhaltungen? m sonniag
in usgua. an ArdeitStaaen höchstens
ein Epazierganz am Abend Auch
heute?.... Vielleicht uns wogm.
gegebenenfalls ? . . . . Wahrscheinlich zur
KaiserauZsicht auf dem Ouadenderg.
.Werde Ihnen ick) hoffe zufällig
begegnen und bitte, mich dann Ihren
Freunden vorzustellen."
Sie erröthete wieder und wurde von
Neuem verlegen. Er verabschiedete sich
aber schon, ohne weiter m sie zu drm
gen.
Noch EinS!" sagte die blonde Tele
graphiftin er war schon bei der Thür
Die Depeschengebühr müssen Sie auä
bezahlen I ES macht einundfünfzig Kreu
zer!"
Ein füßer, kleiner Roman, was ist
darüber viel zu sagen? Er verliebte sich
in die kleine Schelmin hinter den Rosen,
ftöcken nach allen Regeln der Kunst,
Ach. diese kleinen Städte mit ihren lic
den stummen Mädchen! Sie find dem
verwöhnten Großstädter mit dem über
reizten Gaumen immer gefährlich!
An einem warmen Sonntag, an dem
er sich freigemacht, machte Clementi mit
Aennchen und den Damen, bei denen sie
wohnte, einen Ausflug nach dem lud
lichen Herrnskretfchen, die Elbe hinab,
und dann weiter durch den Wildroman
tischen, vom Kamnitzbach durchrauschten
EdmundSärund zur EdmundS'Klamm.
Beiläufig eine Stunde währte der ge
meinsame Spaziergang neben dem lla
ren, reißenden Wasser, das von Stein
zu Stein hüpfte, zwischen den grünen
Felswänden, überdacht vom dtauen
Himmel. Ebenso lange dauerte die
Bootfahrt von der Stelle, wo der m
Pfad aufhörte und der Bach schiffbar
wurde... O, wie schön bist du. holde
Rosenzeit, wenn man sein Mädchen im
neuen Sommerhut ins Grüne führt!
Wie lacht da die Sonne herrlicher, wie
zwitschern die Vögel melodischer, wie
hämmert das Herz in der Brust hoher
und glücklicher!
Schöne Rosenzeit, denkt man an dich,
so wird das trübe, traurige, grau
farbige Leben zu einem Gedicht. Welche
Blumen blühen auf, und im Herzen
summt wieder eine schon langst der
gessene Weise, da Lied von Jugend und
Liebe.
Doch zurück zu unserem Pärchen
Ein böseS Gewitter störte gegen Abend
das Vergnügen der Gesellschaft. In
eiliger Flucht strebte man heim. Der
Kamnitzbach schwoll förmlich zum Strom
an, die Boote schössen pfeilschnell dahin.
ES goß und goß von der Höhe nieder,
ungeahnte Quellen brachen aus dem
Gestein, die steilen Felswände glichen
Wasserfallen.
Die Damen hatten doch wenigstens
ihre Mäntelchen, aber die Herren ! Die
waren schutzlos dem Unwetter preiS
gegeben. ES that dem Humor nichts
an. Unier Lachen und Scherzen ging
eS vorwärts. Auf dem durchweichten
Walddoden stützte Clementi fein triefen
deS Liebchen, und fie nahm ihn dafür
unter ihrem nassen Sonnenschirm.' Da
streichelte er zum ersten Male AennchenZ
kleine Hand, die auf seinem Arm ruhte,
und bei einer Biegung deS WegeS drückte
er sogar emen Kuß auf die feuchten,
blonden Locken.
BiZ auf die Haut durchnäßt und
von Seligkeit durchschauert, langte der
junge Mann auf seiner Stube an . . .
WaS war das! Auf dem Tisch lag eine
geschlossene telegraphische Depesche. Die
Haare sträubten fich Element! zu Berge.
Nur eine einzige Person gab eS in der
Welt, die ihn telegraphiren konnte
Bin untröstlich, verzweifelt über
Dein Schweigen. Treffe morgen früh
ln Tetschen ein. Ouva."
Olida! Sie war'S! Der schöne ge
Heime Grund, weZhalb ihn sein Oheim
nach Tetschen hatte versetzen lassen! Die
gefährlichste, entzückendste, kostspieligste
Chansonettensängerin der Welt, die in
den letzten Wochen ganz vergessen wor
den war !
Und wenn Aennchen an diesem Tage
Dienst gehabt hätte, wenn sie selbst diese
Depesche hätte ausnehmen und auSsertl
gen müssen! Grauenhaft!
Da klirrte ein Fenster gegenüber.
Clementi ließ die Depesche fallen und
schob den Vorhang zur Seite.
Gute Nacht !" tönte eS ganz leise her
über.
Gute Nacht, mein Lieb!" klang eS
zärtlich zurück.
Um daS Maß deS Unheils voll zu
machen, wurde der arme, sorgenvolle
Beamte m der Nacht von einer furchter.
lichen Grippe befallen. Vergebens mühte
sich der Hausdiener um ihn mit heißem
Grog, Tüchern und Decken.
Der Schüttelfrost ging in Fieberhitze
über, ein bohrender Kopfschmerz quälte
ihn, er brachte keinen Ton aus der hei
feren Kehle hervor. Und dabei nieste
und nieste er entsetzlich!
Eine ganz nette Influenza." sagte
der Eisenbahnarzt am Morgen. Sie
müssen geduldig sein, einige Tage im
Bette bleiben, wanne Limonaden trin
ken. Der Schnupfen ist bös'. Na bis
Weihnachten baden Sie den auch
weg Ich habe Ihnen da etwas An
tgperin verschrieben. Im Amte melde
ich schon Ihre Krankheit an."
Natürlich war nicht daran zu denken,
zum Empfang Oliva'S auf den Bahn
Hof zu gehen.
Er ichicktf den Hausdiener dahin,
einen klugen Burschen, der leicht zu be
lehren war. WaZ sollte auS dieser Ge
schichte werden?.. ..
Endlich kam der Bursche nach quäl
voller Wartezeit zurück allein. Die
pikante Sängerin war in'S Hotel ge
zoen. Dem Himmel Dank! Die Grippe
lzaite ihn gerettet. Wie. wenn sie selbst
die Influenza bekäme? Acht Tage in
Tetschen bleiben mußte, während fU
nur auf zwei Urlaub hatte? Selbst
heiser würde, nicht singen könnte, viel
üicht ihr Engagement verlöre? Zu ge
fährlich war der Gang zum Geliebten.
So wollte sie nun einige Stunden in
Tetschen ruhen und dann nach Wien
zurückdampfeil
Ein Alp siel dem armen Patienten
von der Brust Schöner hätte eS sich
wirklich nicht fügen können!
Und knapp nach 6 Uhr um diese
Stunde wurde das Telegraphenbureau
geschlossen erschien Aennchen bei ihrem
kranken Freunde, um ihn zu pflegen.
Alles hatte sie vergessen, als fie von sei
ner Erkrankung hörte, alle gebotene
Zurückhaltung, die Gefahren für ihren
guten Ruf, den hungrigen Magen, der
fein Abendbrot verlangte, die In
fluenza aber fürchtete fie schon gar nicht !
Fräulein Anna, mein liebes Fräu
lein Anna hapzüh! Nie werde ich
Ihnen hapzüh ! daS vergessen
Ich liebe Sie hapzüh I Ich werde
Sie ewig lieben ! Hapzüh, hapzüh.
hapzüh! "
Sie lachte und kam herbei.
Sie find ja stockheiser man kann
nicht einmal Ihre Schwüre hören!
Warten Sie doch, bis Sie gesund sind
dann werden wir sehen "
.Hapzüh!..."
Auch die böseste Grippe wird einmal
bewältigt. Und eines Tages stand
Clementi an der Seite seiner kleinen
Telegraphistin und sah ihr zu, als fie
eine Depesche an seinen Oheim abklap
perte, die er eben aufgesetzt :
Habe mich mit reizendster Blondine,
!. k. Beamtin Anna Funck, verlobt.
Giebst Du Segen und Geld? Rückant
wort bezahlt."
Der schlaue Junge wußte wohl, daß
der Oheim begeistert zustimmen würde,
da es sich um den endgültigen Bruch
mit Oliva handelte. Aber Aennchen
bangte sehr. Und er konnte ihr den
Grund nicht sagen, der ihn hoffnungS
freudig machte. Zusammen harrten
sie der Rückantwort. Und ihre Erre
gung steckte ihn nach und nach an. Sie
schwiegen schließlich beide, er hielt ihre
Hand in der seinigen. . .
Endlich erklang das Zeichen. Sie
fuhren zusammen. Dann eilte sie zum
Apparat und las jubelnd die Worte
von der Schleife, wie sie sich abklap
perten :
Sende Segen, Geld bringe
selbst zum VerlobungSfefte.
Nachricht hat mich sehr er
freut."
Ach. war daS ein Jubel... Und
war'S nicht schön gewesen, die Freuden
botschaft selbst ablesen zu können? So
gut hatte eS keine Prinzessin wie die
kleine, blonde Telegraphistin in Tetschen
an der Elbe....
Die Mühle.
Novellctte von Jean Nameau. Aus dein
Französischen von Heinr. Sandow.
Karl war fünfunddreißig Jahre alt
und Clara dreißig. Sie wohnten in
Paris und waren kinderlos. Karl war
Beamter deS Credit foncier, Clara
arbeitete bei der Banque de France und
beider Gehalt betrug zusammen 400
Francs, wovon sie sich so manchen
LuruS erlauben konnten: emen The
terbesuch in BatognelleS. ein Rennen
in Samt Quen oder einen Ausflug
nach Anteuil.
Eine? Abends, als fie von den Höhen
des. Montmartre die Hügel der ButteS
Chaumont betrachteten, seufzte Clara :
Ach, wie schön muß eS im Gebirge
sein. Weißt Du was, besuchen wir
einmal die Pyrenäen, Deine Familie
stammt ja von dorther, und wenn ich
nicht irre, haft Du sogar eine Tante
inPan."
Ja wahrhaftig!" Karl erinnerte
flch sogar ihreS NamenS, TagS darauf
schrieben sie der Tante, daß sie ihre
nächsten Ferien m Pan verleben woll
ten. Natürlich mußten sie, um die
Reisekosten zu erschwingen, auf ihre
bisherigen Zerstreuungen verzichten.
Aber die Pyrenäen !
Endlich nahte der August. Am
Sonnabend reiften sie ab und waren
24 Stunden später in Pan. Die Tante
aufzufinden war ein leichtes, denn fie
bandelte knapp vor dem Thor des
Schlosses mit Zuckerwerk. Sie wieg
ihnen ein gutes Hotel an, da eS aber
regnete, bekamen sie von den Bergen
nichts zu sehen. TagS darauf war der
Himmel ebenfalls bewölkt, und die
Berge versteckten sich beharrlich.
Komm, wir wollen das Gebirge
aufsuchen," sagte Karl.
Zu ihrem Unglück aber schlugen sie
eine falsche Richtung ein und statt sich
den Pyrenäen zuzuwenden, gingen fie
die Poullonger Ebene entlang. Der
Himmel heiterte sich auf, und plötzlich
erblickten fie linkS eine Hügelreihe.
DaS sind die Berge," jauchzte Karl
auf, und seine trunkenen Blicke suchten
den ewigen Schnee.
.Glaubst Tu?" fragte Clara.
Freilich! freilich !"
Die Wolkenschleier zerrissen, und der
tiefblaue Himmel schimmerte lachend
hervor. Bald strahlte auch die Sonne
empor, und die feuchten Dämpfe er
flatterten vor den siegreichen Pfeilen
gleich in die Flucht geschlagenen
Armeen. Die beiden Städter setzten
kopfschüttelnd ihren Weg fort. Da
plötzlich blieb ihr Blick an einer Wind
mÜhle hasten. Wie. also giebt aus
den Berggipfeln auch Windmühlen?
Ei! Eil
.Weißt Du was, Karl? Mit Deinen
Pyrenäen ist auch nicht viel los."
Aber fie fetzten dennoch unentwegt
ihre Wanderung fort, b:S fie endlich
ermüdet stehen blieben und fich um
wandten.
Karl !
Clara l"
Ein Schrei des Entzückens ranz fich
von ihren Lippen. Denn in weiter
Ferne schauten in gigantischen Ketten
die Rlesenkronen der Pyrenäen empor,
immer ätherische Umrisse zeichnend.
Und die höchsten Firnen ragten schlank
und stolz in den Himmel empor, als
böten fie der Sonne die Eisblumen
ihrer Gipfel dar.
.Ah, wie wunderschön," flüsterten sie
Beide, einander selig mit feuchtschim
mernden Augen sich zulächelnd.
O diese zackigen Felsen, diese spitzigen
Gipfel, diese Gletscher, diese welligen
Linien, diese schimmernde Farbenscala
der Lufttöne, diesen goldigen, strahlen.
den Nebeldunft, der daS Thal durch
wogt.
Tag um Tag kehrten sie hierher zu,
rück. Ach nur einmal diese Berge auS
der Nähe betrachten zu dürfen. Aber
dazu langte das bescheidene Reisegeld
nicht. Ein andermal ! Ein andermal
Sie kauften Photographieen und Land
karten, lernten die Namen aller Gipfel
auswendig und trauerten bet dem Ge
danken an'S Scheiden.
Ach. wären wir doch hier geboren
Welche Wonne, hier im Freien, Ange
sichtS jener hehren Berge zu gehen ! O,
welche Seligkeit, ein Landmann zu
fem und Gottes Erde zu bebauen, an
statt in dumpfer Schreibstube Ziffern
an Ziffern zu reihen.
Am Tage der Abreise, als fie von
den Pyrenäen Abschied nahmen, trat der
Müller auf die Schwelle feines Hauses.
.Grüß Gott, Herr !"
Gott zum Gruß. Freund ! Wessen
ist diese Mühle?"
Mein eigen, Herr !"
Haben Sie auch Felder?"
Ja, vier Hiktar."
Ist auch daS Befitzthum feil?"
Hm l Ja, das hängt von den Um
ständen ab," erwiderte der schlaue
Bearner, den Fremden musternd.
WaS verlangen Sie dafür?"
Fünfzshntaufend Francs."
Ach, was denn nicht. Aber her
geben würden Sie'S auch für zehntau
send?"
Nie, zwölftausend ist der äußerste
PrciS."
Damit wandte er fich zum Gehen,
als Beweis dessen, daß er zu weiteren
Concessionen nicht zu haben fei.
Da er aber sah, daß auch die Frem
den fich entfernten, lief er ihnen nach.
Sagen Sie mir ihrr Adresse, Herr.
ES kommt manchmal vor, daß man
Geld braucht und da könnte eS
wohl möglich fein "
Karl gab ihm feine Adresse und fetzte
feinen Weg fort.
Aber Karl, bist Du toll." begann
endlich Clara.
Warum?"
Du willst diese Mühle kaufen?"
Ja, ich !"
Und daS Geld?"
Wird auch da fein. Wir werden
Tag und Nacht arbeiten und sparen.
In vier Jahren haben wir die Summe
beisammen. Anfangs werden wir fie
verpachten, aber wenn wir penstonZ
fähig fein werden, ziehen wir uns zu
rück und werden auf unsere alten Tage
MüllerSleute. Und werden jeden Tag
die Berge vor Augen haben. Gelt,
Frau Müllerin. Gieb mir einen Kuß."
Und er streckte die Arme aus. als
wollte er sammt seiner Frau auch die
ganzen Pyrenäen an die Brust drücken.
In'S alte Joch geschmiedet, arbeiteten
sie voll Begeisterung. Nalürllch mußte
nun gespart werden, um den schönen
Traum zu verwirklichen. Adieu Forel
len ! Adieu Theater und Ausflüge l Sie
suchten Nebenbeschästizungen für die
Mußestunden. Clara schrieb Bdreß.
schleifen und Karl führte einem Klein
Händler die Bücher. Am Jahresschluß
zeigte er ihr ein Päckchen Banknoten.
Das ist der erste Windmühlenflü
gel, Frau Müllerin."
Im zweiten Jahre arbeiteten sie
noch emsiger. Nur Abends, wenn ihnen
die Feder aus der Hand fiel, holten
fie ihre Landkarten und Photographien
hervor und versenkten fich in den An
blick ihrer Berge.
Blieb ihnen im Amt ein Augenblick
Zeit, so zeichneten fie auf jeden Papier
streifen die Gipfel der Pyrenäen, Clara
wußte den GabuoS naturgetreu zu ent
werfen. Karl den Zinken deS Midi
d'Ossan. Sie zeigten den College die
Zeichnungen, schilderten daS Panorama,
und luden fie ein, später einmal die
Ferien bei ihnen zu verleben.
Frau Müllerin, der zweite Wind
mühlerflügel." frohlockte Karl am Syl
defteradcnd, wieder ein Päckchen Bank
notcn vorweisend.
Beide waren etwa! adgemazert.
Karl ging augenscheinlich gebückt und
Clara hüstelte eizenkhümlich.
Aber all' ihre Gedanken galten der
Mühle, all ihr i-ehncn ging nach den
Pyrenäen. Am Sonntag schmiedeten
sie Pläne: hier wurde ein Zudau auf
geführt. Im ein Obstgarten angelegt.
recht? ein Weingarten gepflanzt. Dann
besprechen sie die Möbel und stritten
über die Einrichtung.
Schon war die Summe nahezu voll
zählig. Da erkrankte Clara und der
Arzt erklärte, fie fei lungenkrank und
dlllste nicht in i Bureau gehen.
O, ich Elender," jammerte Karl
verzweifelt, .ich bin daran schuld.
Sie hat zu diel gearbeitet und sich zu
schlecht genährt. Gott hat meinen Hoch
muth gestraft."
Wie. seine Frau Müllerin sollte
sterben? Sterben, ohne die Mühle zu
besitzen. Nein, nein, unmöglich." Auf
Alles wollte er verzichten, nur
feine Clara, feine Frau nicht
sterben ach. nur nicht sterben!
Du wirft nach Pan reifen, das süd
liche Klima wird Dir Genesung brin,
gen, der Anblick der Berge wird Dich
heilen. Du bleibst den Winter Über
in Pan. Freilich wild ein Windmüh
lenflügel d'raufgehn. Doch waS thut
daS. Werde nur gesund, Frau Mül,
lerin."
Clara weigerte fich anfangs.
Nein," nur nicht das schwer erworbene
Geld vergeuden; man kann auch in
Paris, im Nebel und in der Kälte ge
fund werden." Sie flüsterte dies mit
kaum vernehmbarer Stimme, aber
Karl zwang sie, zu reisen, begleitete fie
nach Pan, miethete eine Wohnung und
blieb acht Tage bei ihr. Die Mühle
besuchten fie nicht. Wozu?
Dann reifte Karl ab und Clara blieb
allem. Ihr Mann schickte ihr monat
lich dreihundert Francs und fie schrieb
ihm wöchentlich zwei Briefe, in denen
fie ihn ob dieser Verschwendung aus
zankte. Wenn er das Geld in die
Sparkasse trüge, so könnte man die
Mühle schon ankaufen.
Im Mai erhielt er ein Telegramm
Komme sofort!"
Zu Tode erschrocken reifte er mit dem
nächsten Zug nach. Am Bahnhof er
wartete ihn Clara, zur Unkenntlichkeit
abgemagert. Schluchzend - umarmte
er sie.
O Clara, fo haft Du mich also ge
täuscht. Dir ist nicht wohler."
Oh ja." flüsterte sie. viel wohler.
freilich bin ich nicht stark und auch
etwas mager. Aber jetzt wird Alles gut
werden. Oh Karl, sie ist unser
unser ! I"
Unser? Wer? WaS?"
Die Mühle."
WaS redest Du?"
Schau her, da ist das Geld, das Du
mir geschickt haft. Zweitausend sieben
hundert Francs. Und da ist das
llebrige" fuhr fie fchwerathmend fort.
eine Handvoll Goldstücke aus der Tasche
langend. .Ich wollte Dich damit über
raschen. Siehst Du, ich bin nicht
in dem theuren Hotel geblieben, wozu
auch? Anstatt dessen habe ich bei einer
englischen Famlilie einen Posten als
französische Lehrerin angenommen, fo
daß mich mein Aufenthalt im Süden
nicht nur nichts gekostet, sondern mir
noch Geld eingebracht hat. Und jetzt
kannst Du die Mühle kaufen. So
küsse mich doch, Karl, küsse mich, küsse
mich."
Und ohnmächtig sank fie in feine
Arme.
AIS fie wieder das Bewußtsein er
langte, konnte fie fich kaum mehr auf
recht halten.
Bin ich wirklich ernstlich krank?"
flüsterte fie verwundert.
Trotz der aufopferndsten ärztlichen
Pflege ward fie täglich schwächer, und
eines TageS fühlte fie das Nahen des
TodeS.
.Karl." flüsterte fie. Karl, lebe
wohl. Weine nicht. Ich wäre ja so
auch gestorben. Weine nicht, Geliebter.
Siehst Du dort die Berge. Wie schön
sie sind. Rücke meinen Sessel an'S
Fenster! So! Nicht wahr, Du
wirst mich hier öegraben? Von
meinem Grabhügel wird man die
Pyrenäen sehen. Und Du kaufst
auch die Mühle und wirft jeden Abend
die Berge betrachten und Dich meiner
erinnern. Nicht wahr. Geliebter?"
Und Clara hauchte ihren letzten
Seufzer aus. indeß die fernen Felsen
gipfel im Glänze der finkenden Sonne
zu wachsen schienen, als böten fie dem
Himmel den rosigen Schnee ihrer Zin
ken dar.
Beschauliches Dasein.
Was macht denn Ihr Herr Papa
den ganzen Tag ?"
Nischt!"
Und Sie?"
Ich sehe ihm zu!
Kasemenhofblüthe.
Unteroffizier: .Stockmaier. stieren
Sie doch nicht verzweifelt den Erdboden
an, als hätten Sie den Giftbecher des
alten SokrateS geleert."
Am lchschta Tag voarn Urlaub.
(Schwäbischer Ulmer Land Dialekt.)
O, Matterle, thua macha
Haint d' Knöpfla net so groß,
So'scht wer' i. noch 'm Urlaub,
As Hoimwaih gar net laoS."
Dir Ingelbeimck Trapien.
Zu Jnzelheim am Rhcine.
L'ächft mancher Tropfen Wein,
Von allen Elixiren
Lob ich mir dici allein.
Wenn mich die Grillen Plagen.
Wenn öd und leer der Kopf.
Nehm' ich vom Jngclhcimcr
Ein Flüschchen ftllgS v;i'm Schöpf
Hab' ich. waS eS geborgen
Sodann mir einverleibt.
Lob' ich den Mediziner.
Der solchen Trunk verschreibt.
Rasch schwinden da die Grillen.
Hell wird der Kopf und klar.
Die Jngelheimer Tropfen
Thun Wunder doch fürwahr.
Spruch.
Wenn Schlechtes man Dir mitgetheilt
Von dem. der Deinem Herzen werth.
So handle niemals übereilt :
Verdamme ihn nicht ungehört.
Denn vielen giebt der Neid eS ein,
Verwandte Seelen zu entzwei'n ;
Sie scheu'n vor Lügen nicht zurück,
Um zu zerstören zweier Glück.
Gegenseitig.
Hausfrau: Minna, ich sage Ihnen,
daß in früheren Zeilen ein Mädchen
zehn bis zwanzig Jahre im Dienste au?
gehalten hat!
Minna (einfallend): Ja. Madameken.
et jiedt jetzt aber keene Herrschaft mehr,
die det aushält!
Abgespeist.
Student: Lieder Onkel, ich bin Über
zeugt. Du würdest mir das Geld be
stimmt geben, wenn Du Dich nur ein
mal in meine Lage versetzen würdest."
Onkel: Mag fein, aber ich habe
eben nicht die Uebung im Versetzen, wie
Du."
Zu verlockend.
In einer schlesischen Dorfschünke ift
Keilerei entstanden und der OrtSvor
fteher wird verständigt, zu kommen und
den Streit zu schlichten. Nee," sagte
daS Oberhaupt der Gemeinde, ich zieh'
lieber niche. sunft krieg' ich am Ende ä
noch Luft zum raufen!"
Ach so I
A. : Der Herr Feldmann ift Wohl
ein großer Kaufmann?"
B. : Ja, er ift ein reicher Fabrikant,
und doch wird seine Waare mit Füßen
getreten."
A. : .Nicht möglich, waS ift er
denn?"
B. : Er ift Teppichfabrikant."
Ausreden lassen,
' SchlüchrmeifZer (zu eirem Kunden,
den er in der Wohnung aufsucht):
Mein Herr, Sie haben einen Kalbs
köpf, ein paar Schweinsohren und zwei
Eisbeine.."
Herr (auffahrend): Mein Herr, was
wagen Sie sich mir zu sagen. . "
Schlächtermeister: Bitte lassen Sie
mich doch ausreden, zu befahlen, welche
Ihre Frau bei mir gepumpt hat."
Dann freilich.
Räuberhauptmann: Warum wollt
Ihr den Jörg nicht mehr in Eurer
Mitte haben?"
Räuder: Weil er nichts von unserem
Geschäfte versteht.
.Wieso?"
Gestern hat er Studenten angehal
ten und von ihnen Geld haben wollen."
Aus der Rolle gefallen.
Parvenü (zum Hausmeister, der ihm
die Stiefel bringt): Das sollen ge
wichste Stiefel sein? Da hätten Sie die
Stiefel sehen sollen, die ich immer ab
lieferte!"
Ein Sicherbeitskommissarius.
A. : Kennen Sie mich denn nicht,
verehrter Herr ? Wir waren doch Schul
kameraden."
B. : Ja, ich weiß nicht recht, ob ich
Sie erkennen soll oder nicht? WaS
wollen Sie denn eigentlich von mir ?"
Erklärung.
A. : Warum wird das Radfahren
eigentlich als ein Vergnügen betrachtet?"
B. : Weil eS den meisten Leuten
Spaß macht, wenn fie einen stürzen
sehen."
Naiv.
Vater: Du darfst heute nicht mehr
fort, haft Du mich verstanden ? Artige
Kmder bleiben überhaupt zu Haufe!"
Max: Muß ich denn dann in die
Schule auch nicht mehr, wenn ich artig
bin, Papa?"
Sächsisch-chinesisches Lchnadahüpfel.
Mädchen vom Gelben Meer",
Reich mer Dei Mindchen her,
Du allerliebstes Ding :
Tsching, Dsching, Dsching. Dfching l
Studentensang.
"Delectat variatio",
So sagt ein alter Spruch,
Der Wechsel macht uns froh.'
Fürwahr, Ihr habet recht genug.
Ihr Herr'n Lateiner, daS ift wahr.
Denn niemals bin ich mehr beglückt.
Als wenn zum neuen Vierteljahr
Mein Alter meinen Wechsel schickt.
Die gute Medien.
Doktor: ES geht Ihnen also besser
heute."
Patient: Mir schon, aber unser
Jüngster ift jetzt so krank, der hat mir
meine ganze Medizin auSgetrunken."
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