Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, June 02, 1898, Image 12

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    yjrtcldjcn.
Bul fccai .oUänbi4n VSN v. .'ioi:
ti;S. Ucbeiikh, von Jjjtr.
öS ist ein bfrrltfr Lenzadend.
Kein und wolkenlos ist der Himmel
am Östlichen Horizonte zieht in mattem
Biolet da? denddunkel herauf, im
Westen, wo der tieft je Connenball sich
langsam senkt, erstrahlt der Himmel
noA in klarem Licbt. aufwogend in
aeld.arünen Nüancen.
Ler Wind, der am Tage den jungen
Weidendüschen am Abhang der Lamme
und auf den am Flusse liegenden mv
sen neckisch zugesetzt hat und ihre glän
zend grünen Blatter mattweiß zu der,
fildern schien, der den Strom wie muth
willig hemmte in seinem Lauf und ihn
in kleinen, wei aehauvten Wellen au
brausen machte, mäßigt seinen Flug
Eine Flotte von Segelsch'.ffen ist fett der
MoraenkrUhe vorudergefahren. Leben
und Berkehr an die stillen Ufer bringend
den üppigen Connenglanz in den weit
ausgespannten Lappen der hellen oder
braunen Segel fangend oder ihn unter
blendendem Funkeln von der glänzend
aetheerten Oberflache zurUckwer end
Getrieben von dem günstigen Wind,
find all die Schiffe gegen den Strom
aufgestaucht, wie große WafservSgel,
die die Brust im spritzenden Schaum
baden.
Wenn eS auch jetzt etwas stiller ge
worden ist. so behält die Gertrud
Marie" dennoch eine eilige Fahrt. DaZ
Schiff ist schwer mit Steinen beladen
und liegt so tief, daß daZ Wasser bis an
den Gangdord reicht. Wie große Flll
gel find die Segel gespannt.
Govert. der markige, etwa dreißig
jährige Schiffer, steht am Steuer. Er
würde gern vor dem Dunkel die Eisen
bahndrücke, deren drei mächtige Bogen
jetzt, bei dem Umsegeln der Krümmung,
fichtbar werden, im stücken haben.
ES würde ihm viel daran liegen,
wenn er morgen keine Zeit zu verlieren
brauchte mit dem Umlegen des MafleS.
Eine Plage für die Schifffahrt, diese
Brücken!" brummte er, indem er nm
sich blickt und am Steuer hinabspuckt.
Wenn der Wind nur noch eine halbe
Stunde so bleibt...."
Er verschiebt seinen Kautabak im
Munde und blickt dann wieder ununter
brochen in die Weite.
In der offenen Thür der kleinen Ka
jüte fitzt seine Frau, mager, mit einge
fallen Brust, geldblaffem Gesicht,
schwachen Lugen und scharfen Zügen
Sie ist unverkennbar nicht so alt, wie
sie aussteht.
Ihre langen, dürren Hände stricken
mit nerviser Haft an einem groben,
schwarzen Strumpf, indem sie immer
fort die Bewegungen zweier in ihrer
Nähe spielenden kleinen Knaben von
fünf und drei Jahren überwacht, die
wetteifern im Verzehren einer großen
Schnitte grauen Brotes.
.Was meinst Du. Geurt," ruft der
Schiffer seinem Knecht, der vorn be
schüftigt ist, zu. werden wir'S noch
fertig bringen?"
Ich glaub'S wohl.... daS heißt,
wenn S nur noch so bleibt."
Der Wind bläst in die Lappen, und
Geurt blickt nachdenklich, die knorrige
Hand über die Augen haltend, nach
Nordweften, als müsse ihm von dort die
Wahrheit kommen.
Govert, der Schiffer, blickt auf das
große, rundgeblühte Segel und darauf
nach der'Brücke, wie um den Abstand
zu meffen.
.Wir können gleich die Schote noch
etwas schießen lassen, Geurt: eS kann
nicht schaden."
Tann zu seiner Frau:
Mutter Du müßtest jetzt gleich
die Knaben in die Koie bringen; ich
hab' Dich nachher beim Maftumlegen
am Steuer nöthig, und fte sind dann
gut aufgehoben." Die Frau erhebt sich
langsam, als würde eS ihr schwer, und
stemmt die Hände eine Weile in die
Seiten, als ob sie Rückenschmerz hätte.
Dann sagt sie mit apathischer Stimme:
Komm, HanZ! komm Bartelchen,
ihr müßt hinunter."
.Wie Mutter, jetzt schon!" murrt
HanS mit vollem Munde, während er
durch die gesenkten Wimpern nach den
srühenden Funken starrt, die die finkende
Sonne auf die Wasserfläche zaubert.
Dann blickt er sich verdrießlich um und
blickt nach dem hohen Thurm deS Städt
chens, das rechts zwischen den Bäumen
sichtbar wird.
.Kommt, nicht zögern, vorwärts
eS ist Zeit komm. Bartelchen."
Bartelchen, ein vierschrötiger, kleiner
Kerl von drei Jahren, ein FlachSkopf
mit gebräuntem, schelmischem Gesicht
und frechen, kleinen Augen, schüttelt
lachend den Kopf und plant eine weitere
Promenade über daS Schiff.
Hinunter, ihr Buben, rasch!" klingt
eS jetzt laut vom Steuer herüber.
Hallo ! Geurt, halte den Kleinen mal
auf !"
Geurt, der große Spielgenosse der
Kleinen, greift rasch einen Schwabber,
taucht ihn in den Strom, legt ihn über
den linken Arm und dreht ihn schnell
um seine Achse, daß die Tropfen nach
allen Seiten stieben. So nähert er sich
Bartelchen, der kreischend vor Freude
auf seinen kurzen, dicken Beinchen zu
rlickwackclt und sich hinter daS ältere
Brüderchen versteckt.
Jetzt ist'S genug, vorwärts!" ruft
Govert ungeduldig.
Die Frau faßt die Knaben beim
Arm und führt sie zum Bater, der rasch
mit dem Lücken feiner gebräunten Hand
über den Mund fährt und sie dann zu
Gutenacht küßt.
Hübsch schlafen gehn, gelt? Beide!'
Im Fortzehen lachen sie noch einmal
herausfordernd, und Bartelchen ballt
die kleine, braune Faust gegen Geurt.
der ihm mit seinem trockenfreundlichen
Genchi zunickt.
Dann spielen sie noch einen Augen
blick Buguck'hie" über den obersten
Tritt der schmalen Treppe und der
schwinden dann in dem kleinen Raum.
auS dem BartelchenS helle? Lachen von
Zeit zu Zeit noch herauftönt.
Die .Gertrud Marie" verfolgt ruhig
ihren Weg.
Der Wind schwellt immerfort die Se
gel, wenn auch etwas weniger straff als
vor einer Stunde. In monotonem
Gemurmel schlägt daS Söasser an den
Bug und an die Seiten.
Langsam gleiten die Ufer an beiden
Seiten zurück.
Zur Linken der Schatten eine? hohen
stark Hellenden BasaltdammeZ. dessen
oderer Rand sich wie eine gerade Linie
scharf von dem nördlichen Horizont ad
hebt nur hier und dort unterbrochen
von einer bizarr geformten Baumgruppe
oder einem in steilem Treieck emporra
genden HauZdache.
Zur Rechten in dem üppigen Glänze
der niedrig stehenden Sonne da? Stüdt
chen in seinem breiten Kranze von f)tl
lern Grün. Der hohe Thurm in erha
bener Einsamkeit glüht rosig mit he
strahlendem Zifferblatt ; die rothen und
grauen Dächer, malerisch zerstreut.
schimmern m buntem gardenfpiel
durch die Bäume außerhalb des Stüdt
chenZ leuchtet hier und dort eine Gluth
wie von emer FeuerSdrunft. zurückge
werten von den Fensterscheiben, in
welche die Sonne ihre Strahlen fallen
läßt. Tief dringt die Gluth in die
breiten Kronen der Ulmen, in hellen
Streifen über Zweige und Blätter spie
lend. An dem Rande der am Fluss,
gelegenen Wiesen stehen ein paar Küh
bis an die Kniee im Wasser und blicken
mit ihren großen, dummen Augen über
den Fluß hinaus.
Die Luft ist von würziger Frische
immer glühender färbt die Abendröthe
den Horizont, in Harmonie mit der noch
junggrünen Färbung von Blättern und
WiesengraS, mit der Kühle und der
Klarheit des Stromes.
Die Schiffersfrau kommt wieder her
auf, tntt aufs Verdeck und sagt mit
einem von Ermüdung zeugenden Seuf
zer:
So ! Glücklich, daß sie auf 'm Ohr
legen. ES hält schwer. daS fertig zu
dringen."
Ja, eS sind Galgenstricke." flüstert
der Schiffer mit vergnügtem Gesicht.
indem er mit der rauhen Hand feinen
Bart streichelt.
Nicht der HanS mit dem ist leicht
erilg zu werden. . . aber Bartelchen. . ,
Solch ein Teufelsjunge muß noch gebo
ren werden: Ich habe ihm gedroht.
daß ich ihn in seinem Bette festbinden
würde."
War er wieder so wild?" sagt
ooert kopfschüttelnd.
Ja, er hat mir noch weh gethan."
Sie blickt auf einen rothen Flecken am
Handgelenk. Dann, mit dem schmerz
lichen Lächeln einer Frau, die an heftige
arperschmerzen zurückdenkt :
Aber daS bin ich von ihm gewohnt
. Sag haft Du mich jetzt nöthig
am fcteuerr
Der Schiffer blickt auf's Neue zur
Brücke hinüber, die sich immer größer
und massiver über dem Fluß erhebt,
Ja, eS wird letzt sachte Zelt. Ein
Glück, daß daS Wasser nicht gestiegen
ist, wir haben jetzt nicht viel zu streichen
und können ziemlich Segel halten. Wir
werden, um keine Kraft zu verlieren.
bis zum äußersten warten, denn der
Wind..."
Wie um seine Worte zu ergänzen,
wogt eS plötzlich in dem großen Segel
mit dumpsem latschen auf und ab.
Aber sofort schwillt eS wieder.
Die Frau steht jetzt am Steuer und
lehnt müde an dem Helmftock, dessen
Griff sie mit den mageren Händen feft
umfatzt.
Govert geht nach der Vorderseite.
und fc sagt noch zu ihm :
Rufe Du noch mal hinunter, daß
Bartelchen still liegen bleiben soll. Er
könnte noch mal auS seinem Bett lrie
chen er war so zappelig I Vor Dir ist
er dang."
Der Schwer beugt sich, vorüber
gehend, in die Oeffnung, und mit krüf
tiger, tiefer Stimme ruft er hinunter
Aufgepaßt, daß Du Dich nicht muckst !"
welchen Worten noch eine kräftige
royung folgt. Alles bleibt unten still.
Als der chlffer, nachdem er noch
eden hlngehorcht hat, fich wieder ouf
richtet und den Fluß hinaufblickt, sieht
er, wie nicht weit oberhalb der Brücke
ein Dampfdoot herankommt, worauf er
einer grau zuruft :
Halte letzt nur auf den rechten Pfei
ler ; das iß jedenfalls das beste, wenn
wir noch mit der Führganae vorwärts
müssen."
Sie sind letzt nahe an der Brücke.
und die beiden Männer fangen an. den
Mast umzulegen ; aber sobald dieser so
chrag liegt, daß er unter der Brücke
durch kann, machen sie die Winde feft.
Der große eiserne Bogen nähert sich
mehr und mehr, und endlich ist über
ihnen und mit schlaffem Segel arbeitet
da? Fahrzeug sich langsam und müb
am den Strom hinauf, der zwischen
den Pfeilern stärker ist. DaS Dampf
boot kommt jetzt heran und hält auf die
entgegengesetzte Seite derselben Brücken
abthcilung, indem eS seine Geschwin-
digkeit allmählig mindert, um das
schwer geladene Schiff vor dem Wellen
schlag zu bewahren. Einige Minuten
bleiben die Räder ganz bewegungslos,
und daZ schiff treibt auf dem Strom.
Jeft ist die diertrud Marie" unter der
Brücke durch.
Govert und Geurt greifen zur Winde
und fangen an zu drehen, um den Mast
so schnell wie möglich wieder aufzu
richten.
Ader der Wind. der. obwohl schwä
cher wie zuvor, dennoch hinlänglich mit
geholfen Hai, wird zunehmend schwül
cher. xai große Kegel schlappt ein
paar Mal dumpf hin und her und bleibt
dann hängen.
Einen Augenblick liegt daZ Schi
regungZlo. wie unentschlossen, wohin
dann fängt eZ an, in etwas schräger
Richtung mit dem Strome, der eZ an
den Pfeiler drängt, zurückzugleüen
Die beiden Männer fluchen erschreckt,
.Drehen!.. .. drehen!.. .." schreit
Govert feiner Frau laul zu. während er
schnell die Winde festlegt und m nervö
ser Eile nach der Ankerspille läuft.
Raffelnd schießt der Anker in die
Tiefe.
Geurt hat eine lange Stange ergri
fen, um damit von dem Quaderstein
abzuhalten, und die Frau, noch bleicher
als vorher, wendet vaS Steuer so viel
wie möglich.
Ader eZ nützt nichts. Das plumpe
Fahrzeug, von dem Strom ergriffen,
gehorcht dem Steuer Nicht mehr und
wird seitwärts nach dem Pfeiler ge
trieben.
Noch einige Sekunden ängstlicher,
ohnmächtiger Spannung ein heftiger
Stoß ein dumpfes, klagendes Krachen
aus der Tiefe Ent'etzenSauSrufe
O Gott, wir sinken! Frau, die Jun
gen!" klingt e heiser vom Vorderdeck
herüber.
DaS Schiff fängt sofort an zu sinken
Die Frau am Steuer erschrickt heftig
Ihr ist. als ob ihr Herz plötzlich stille
steht und dann schwer und schwerer häm
merte in ihrer Brust. Todesangst er
saßt sie. Sie will nach der Kajüte
aber ihre Berne sind plötzlich wie ge
lühmt, schwer, machtlos sie zittern
und können nicht von der Stelle.
Wie betäubt, leblos bleibt fte stehen
mit starren Blicken und halbgeöffneten
Lippen.
Sie fühlt sich mit dem Schiff sinken
steht Geurt wild, in ängstlicher Elle,
nach der Kajüte laufen dann in ei
nem Nebel noch ihren Mann hört
das laute Rufen von Stimmen,
fchwwächer schwächer dann nichts
mehr
Als sie wieder etwas Licht durch die
geschlossenen Augenlider dringen fühlt
ein Schimmer der Wirklichkeit in ihr
zurückkehrende? Bewußisein fällt, weiß
fte nichts von dem Geschehenen.
Wo ist fte?
Ihre Augenlider find so schwer ; sie
ann fte nicht aufheben. Sie fühlt fich
matt.... um fte herum Geschiebe von
Fußtritten Waffergerüusch wie im
Traume Sie riecht Kohlendunft und
Essig sie hört Stimmen Wie
auS weiter Ferne und dann schnell näher
ommend tönt GovertZ tiefe Stimme,
Zitternd :
.Gottlob sie erholt fich." Dann
noch näher, ganz nah an ihrem Ohr ein
weicher Laut.
Mütterchen, wirft du wieder besser?"
Jetzt fühlt fte eine kleine Hand in der
ihrigen. DaS treibt ihr das Blut etwas
nach den Wangen und fte hat die Kraft,
leise mit dem Kopf zu nicken. Jetzt
fitzt fte mit halbgeöffneten Augen ruhig,
cheinbar wieder zur Besinnung gekom
men da und starrt nach den streifen
auf den getheerten Brettern. Wieder
eine Stimme die Stimme GeurtS
. . Er steht an ihrer Seite. Ach Gott.
Meisterin, ich habe alles versucht, alles
aber ich konnte ihn nicht mehr enei
chen. ES ging so entsetzlich schnell."
Sie hört eS, aber fte begreift eS nicht
und bleibt regungslos.
Dann wieder die Kinderstimme
HänSchenS Stimme:
Ich war herausgekrochen, Mutter,
als ich den Stoß fühlte, und nach der
Treppe gelaufen. Geurt konnte mich
gerade noch greifen. Aber Bartelchen
wagte es nicht, aufzustehen. ..dann kam
plötzlich das viele Waffer."
Sie öffnet die Augen letzt weit und
blickt um fich. Der breite Schornstein
eines Dampfers, fremde schiffSmann
fchaft fremde Menschen, die fte an
ehn neben ihr HänSchen. dort Geurt
und etwas weiter Govert, der kopffchüt,
telnd, die Hände zusammengeballt, wie
verzweifelt über etwas Unersetzliches,
dasteht.
Sie hört nicht, was er flüstert, aber
fie fühlt, während fte verwundert uv.
ftch blickt, daß die Dämmerung von ihr
weicht, als löste ftch ein Band von ihrem
Geiste.
Dennoch faßt fie's noch nicht fte fitzt
auf einem Dampfboot aber
Sie führt ein paar Mal achwechfelnd
mit der einen und der andern Hand über
die Stirn wie um noch wegzuwischen.
was ihrem Denken im Wege steht.
Jetzt fängt fte an zu verstehen
fie stand am Steuer, unter der Brücke.
und dann ein Unfall. Govert, Hüns
chen. Geurt stehen bei ihr sie blickt fte
an wie zweifelnd. Dann mit einem Mal
ein Zug rathlosen Schmerzes in ihren
Mienen : Und Bartelchen ? Bartel
chen?!
Sie schnellt in die Höhe so plötzlich
und rasch, daß die andern erschrocken
zurückweichen. Sie stößt Hänschcn zur
Seite, eilt nach dem Rande deS EchiffeS.
biegt fich so weit über die Lehne, daß
man fte festhalten muß, und blickt mit
verwilderten Augen nach der Brücke,
wo in dem Mlttelfache, neben dem
Pfeiler, eine Maftspitze mit einer kle
nen Fahne über dem Wasserspiegel ficht
dar ,ft.
Jetzt weiß fie'S alleS alle?.
Sie denkt an ihr Kind dort in der
Tiefe ertrunken in seinem Bettchen
fte streckt in rathloser Verzweiflung die
Arme au? und stößt einen Schrei aus
so gellend, daß die Umstehenden vor
Rührung erzittern.
Das Boot gleitet beim regelmäßigen
Takt der Röder stromabwärts, läßt ein,
lange, schmale Rauchwolle zurück, die in
der regungslosen Atmosphäre still hän
gen bleibt, und entfernt ficy mehr und
mehr von der Brücke, bereu drei Bogen
die schwindende Adendröthe leicht färbt
Spiegelglatt ist der Fluß, kühl blau
der Himmel. Träumerisch liegt'S über
den Weidenbüschen am Ufer Stille
aberall die ganze Pracht eines fchö
ncn LenzadendZ.
Der bikbti Vertrag.
HmnoieSke von $ t o x g L ö t t i ch e i.
.JnS Leben jreifen und den Stoff
beleben müssen Sie! Berfteh'n Sie
wohl? Sonst mag ein Vortrag noch fo
zut fein : wenn der Stoff nicht aus dem
Leben jezr'.ffen und von Ihnen beleb
iS, so iS er nich jut. Der Vortrag
nämlich und der Stoff auch. Wenn
Sie fich das doch einmal merkten, Jrell
mann ! Und nun wollen wir schlie
ßen."
Und der Herr Professor Schollmeyer
er war aus der Gegend von Halle
und löttelte" deshalb, schloß seinen
Bortrag, nachdem er sich, wie immer,
dreimal mit der Hand über sein glatt
rastrteS Gesicht gefahren war, als wenn
er dadurch all den Aerger der Lehrftunde
wegwlfchen und völlig beseitigen könnte
DaS Klassenzimmer der Sekunda
leerte sich im Nu. Nur Grellmann.
begleitet von zwei feixenden Kommili
tonen, verließ anscheinend theils aus
Ehrerbietung, theils in seines Nichts
durchbohrendem Gefühle erst hinter
dem Professsr das Lokal.
Am Leben, am Lebendigen jebricht'S
Ihnen, Jrellmann, daS iS das inze !"
raunte der eine Grellmann zu.
Ach, halt Dein Maul I" brummte
der verdrossen.
Sie jlauben'S wieder nich, Jrell
mann, es m aber lan, lernife In "
flüsterte der andere. Na, ein ander
mal. lieber Jrellmann, ich jede die
Hoffnung nich auf !"
Und ich werde Euch jleich eine rein
langen, wenn Ihr nun nicht aufhört
Ich habe den echten Schollmeyer schon
biZ an den HalZ hier und nun
ommt Ihr noch mit Euern Imitativ
nen I"
Der Sekundaner Grellmann versank.
während er mit den Schritten eines
Heißhungrigen nach Hause stiefelte, in
tiefen Gedanken, die allmählich, nach
allerlei Anzeichen zu schließen, sehr
unterhaltende und heitere sein mußten :
er lachte wiederholt laut auf und mur
melte : FamoS famoS !"
Er hatte seinen Racheplan ! Jetzt
nur das Ganze nochmals überdenken
und die Einzelheiten feststellen. Und
niemand vorher was davon mittheilen,
auch den nächsten Freunden nicht I
Einen natürlich ausgenommen, Fritz
chen. seinen intimsten Freund. Dieser
mußte zur Mitwirkung herangezogen
und deshalb also vorher unterrichtet
werden. Aber weiter auch keinen!
Sehr gut traf eS fich. daß er noch nie
mand Fritzchen wieder auSaenom
men davon gesagt hatte, daß er seit
sechs Wochen einen TanzftundenkurS
besuchte. So würde eS umsomehr
überraschen.
Und nun wollte er sogleich an den
Vortrag" gehen, der ihm für nächsten
Morgen früh zehn Uhr von Scholl
meyern aufgegeben worden war. Die
Wahl deS Themas stand ihm frei
und das war'S ja eben, waS ihn auf die
Idee gebracht: DaS Thema, was er
diesmal behandeln würde, war janz
auS dem Leben jejriffen" daS sollte
selber Schollmeyer zugeben müssen I
Und für die Belebung deS Stoffes
ollte gleichfalls gesorgt werden.
Der Mittwoch und die zehnte Stunde
war herangekommen. Vollzählig und
summend wie ein Bienenschwarm saß
bereit? die Sekunda versammelt. Unter
der Bank deS PrimuS Fritzsche stand ein
dunkler, kaftenartiger Gegenstand, nach
welchem einigemale die Blicke deS etwas
nervös dreinschauenden Grellmann hin
rrten.
Die Thüre öffnete sich mit einem
Ruck eine plötzliche Stille trat ein
in der ihm eigenen haftigen Weise
chritt Professor Schollmeyer mit dem
üblichen Juten Morjen !" inS Zim
mer, begrüßt vom Eegenruf der gan
zen Klasse.
Er schien äußerst gut gelaunt, waS
ch dadurch zeigte, daß er nicht auf
dem Katheder verweilte, sondern vor
demselben auf und abwanderte, nach
dem er ftch mit der Hand dreimal übers
Geftcht gefahren, im freundlichsten Tone
begann : Jrellmann, wir wollen nun
Ihren Vortrag entjegen nehmen. WaS
ür ein Thema haben Sie jewählt k"
Unter der Spannung der ganzen
lasse erhob fich Grellmann. Sein
Haupt mit dem buschigen Haar voll
edlen AnstandeS zurückwerfend, erwi
derte er in verbindlichem Tone : Die
Tanzstunde I"
.Die Tanzstunde? Ich habe doch
richtig gehört?!"
.Jawohl, Herr Professor. Die
Tanzstunde." Und in gefälligem
Rhythmus entströmten die wohlgefüg.
ten Perioden dem Munde GrellmannS,
während die Spannung der Klasse, bei
dem, in einem Gsmnsium nie erhörten
Thema, inS Ungeheure wuchs, und der
Professor immer schnellere und größere
Schritte machte.
Grellmann war jetzt dahingingt,
unter lebhaften Gesten die Anfangsftu
dien deS Tanzunterrichts zu schildern,
und währenddessen wie im Eifer der
Rede auZ der Bank hervorgetreten.
.Und so bleibt mir denn noch übrig
eingedenk der ewig.giltigen Worte
des Herrn Professors Echollmeyer:
Theorie ist gar nichts, Praxis alles !"
Ihnen die drei wichtigsten Tanzarten
praktisch vorzuführen. Sie erlauben
doch. Herr Professor, da eS keiner von
den Herren kann? !"
Bei diesm Worten, auf welche ner
wartet schrilltönend eine Drehorgel
Eigenthum der Sekunda und bei den
Tilrnfreiiidungen zur Belebung deZ
rhytmischm Schwunges benutzt, ein
siel, so daß alle erftauut, sich umwan
den, sprang Grellmann auf den wie
erstarrt dreindlickenden Schollmeqer zu
und ihn schnell und feft gleich einer
Dame umfassend, flog er mit dem
Ausruf: ..Erstens Walzer!" wäh
rend die Drehorgel den Donauwalzer"
anstimmte, mit dem Fassungslosen
durchs Zimmer, ihn erst nach zwei
maligem Umtanz loslassend.
Ein ungeheurer Jubel war nach den
ersten Takten losgebrochen. Die schnell
begreifende Klasse sang die Weise deZ
Donauwalzers dröhnend mit.
WaS unterstehen Jrellmann,
hören Sie" keuchte der Professor
athemloZ. Aber schon hatte ihn Grell
mann wieder umfaßt. Zweitens
Polka!" Und von Neuem ging, von
der Drehorgel und den Brüllftimmen
der Sekunda begleitet, trotz allem
Sträuben Schollmeyer'S der Tanz
zweimal um daS Katheder herum.
Jewalt! Jrellmann ich laffe
Sie "
Drittens Galopp!" Und wieder
flog der Professor unter den Klängen
des DüpplerSchanzenMarfcheS und
vokaler Belleitung seitens der Klasse
zweimal die Sekunda entlang! Dann
schnappte die Musik plötzlich ad mit
ihr der Gesang und das Gelächter
Grellmann machte eine tiefe Verbeu
gung und trat in die Bank zurück.
Professor Schollmeyer bot einen be
klagenswerthen Anblick dar. Fritzsche. "
wandte er sich nach Athem schnappend
an den PrimuS, der blitzschnell den
Leierkasten weggestellt hatte, Sie noti
ren Jrellmann wejen jroßer Unje
bührlichkeit drei Tage Karzer
Jrellmann haben Sie waS zu
Ihrer Entschuldigung anzuführen, so
agen Sie eS vielleicht, daß das Un
eheure deS Unfugs etwas jemildert
werden möchte
Allerdings, Herr Professor. Ich
beabsichtigte ganz und gar nichts weiter
als erstens mal waS auS dem Leben
zu jreifen" und zweitens 'mal den Stoff
gehörig zu beleben" weil Sie doch
immer sagten "
Fritzsche! Noch drei Tage Karzer
echZ Tage Karzer!" schrie Scholl
meyer.
Jawohl. Herr Professor."
Und Sie, Fritzsche. und die Klasse
sollen mit einem Verweis davon
ommen. Ich habe eS wohl zesehen:
Sie haben jeorgelt, Fritzsche sagen
Sie jar nichts! Jott was iZ das
ür 'ne Jugend heute! Zu meiner Zeit
wäre so was Nich voriekommen. We
nigftenS iS mir kein Fall bekannt, daß
mit meinem Professor letanzt hätte
und nun lassen Sie uns schließen:
mir ist heute die Luft zu Weiterem Der
jangen "
B n'ehl
Lehrer: .Müller, wie ist der Spruch
zu verstehen: .Im Schweiße Deines
Angesichts sollst Du Dein Brod essen."
Müller nach einigem Bedenken):
.Der Mensch soll so lange essen, bis er
schwitzt!"
lindere Nrnder.
.Verehrer (einer jungen Wittwe zu
deren TSchlerchen): .Tu bist ein reizen
deS Geschöpf, Ella, in der That !"
T0chterchen (leise zur Mutter): Du,
Mama, den Sack schlägt er, und den
Esel meint er!"
Allsgcrechn?t,
Pnnzipl: .Wie ist denn daS. Sie
sagten mir. Sie hätten gekündigt: Ihr
früherer Ehef schreibt mir aber, daß er
gekündigt habe."
KommiS: Wirklich? Ach ja, ich be
sinne mich, wir kündigten uns gerade
gleichzeitig."
Immer derselbe.
Professor: Ich soll für meine grau
ein Pfund grüne Seife mitbringen."
Kaufmann: Grüne ist leider nicht
mehr da."
Professor: Dann geben Sie mir
irgend eine andere passende Farbe."
Schwer aiisfiü'rb.ir.
Feldwedel (in die Mannschaftsftube
tretend): Prrr ist das eine Luft!
Das wimmelt ja hier von Miasmen.
Macht doch die Fenster auf. KerlS!"
Nach einigen Minuten betritt der
Unteroffizier daS Zimmer: Warum
stehen hier die Fenster auf?"
ES waren Miasmen da, Herr Unter
offtzier."
So, die haben hier gar nichts zu
suchen. Wenn fie wiederkommen, werft
sie einfach hinaus!"
,7jvcrgckinmett,
Ehemann (bei dem zweiten Hahnen
schrei von der Kneipe heimkehrend, zu
der kampfbereiten Gattin): Ja. wie
gesagt, Eulalia. ich weiß schon, ich bin
ein rechtes Umhier, ich habe Dein ganzes
Leben verbittert; 's war ein wirkliches
Malheur, daß Du je mit mir bekannt
wurdest; hättest Du richtig gehandelt, so
wärst Du schon seit Langem inS Wasser
gegangen und hättest Dich ertränkt,
aber nur der armen Würmer wegen
hältst Du aus, und wenn'S nicht anders
wird, so schreibst Du Deiner lieben
Mutter. . . . ! So. Gott sei Dank, nun
habe ich Dir ja wohl Alle? von der
Lcder herunter geredet. Ich kann also
gleich einschlafen!"
Unverfrsren.
WaS, jetzt um 11 Uhr kommst Du
aus dem Wirthshaus nach Hause?!"
Ich hol' mir nur den Hausschlüssel
und geh' gleich wieder fort l"
Tie Moftrich.Villa" in Suffolk.
In eine höchft peinliche Lage aerieth
unlängst der neuangeftellte erste Schrifl
setz in der Druckerei eines Verlages in
Suffolk, wo augenblicklich das neueste
Werk des bekannten englischen Novel
listen Rider Haggard gedruckt wird
Haggard besitzt in Suffolk eine elegante
Billa, die aber onderbarer Weise mit
einer grellen, bräunlich. gelben Oelfarbe
gestrichen ist. Der oben erwähnt
Schriftsetzer, der nun dem Autor die
Corre!turBogen zuschicken sollte, erkun
digte sich bei einem jüngeren College,
dessen Eigenschaft als Spaßvogel ihm
noch fremd war, nach der Adresse Rider
Haggard'S. Mit ernsthafter Miene
schrieb der Jüngling auf ein Zettelchen
folgende Worte: ''Mustard-Potllall,
Bungay" (MostrichTopf Villa. Bun
gay). Genau so adressirte nun der
nichts BöseS ahnende Drucker die Eor
rekturen, die dann auch von der sindigen
Poft ganz richtig dem erstaunten Ver
fasser abgeliefert wurden. Bald dar
auf stattete aber der tiefgekränkte
Schriftsteller der Druckerei einen Besuch
ab und ließ sich den Absender der Cor
rekturdogen rufen. Nachdem sich der
erste ZornesauZbruch über das unfchul
dige Haupt deS bestürzten TypensetzerZ
entladen hatte, wurde der Irrthum auf
geklärt und der wahre Schuldige er
mittelt. Die Lektion, die dieser nun
erhielt, soll so gesenst" und gepfeffert
gewesen sein, daß dem ulkliebenden
Jüngling wohl für einige Zeit die Luft
zum Scherzen vergangen sein dürfte.
Das Weid ist nur dem Manne ge
horsam, der nicht befiehlt.
Unter lZaanern.
A. : Nanu, Mensch. Du haft ja eine
goldene Uhr wat kostet die denn?"
B. : Die ist sehr theuer, die hat mich
der Jerichtshof drei Monate gerechnet."
Sepp
mit
l?om lande.
Bauer: Jetzt ham aber der
und der HiaSl fcho' lang nimmer
anander g'rafft "
Wirth: Ja, woaßt denn net, daß die
feit 3 Wochen fpinnfeind aufanander
fan?"
Der lsichte Schneider.
Weift (zum Lehrling): Franzl,
reich mir einen Faden Zwirn!"
Lehrjunge: .Da ist er, ab Meister,
hängen? Jhna net auf!"
Etwas Anderes.
Frau: Ich habe Ihnen doch gesagt,
daß ich den Sergeanten nicht mehr im
Hause dulde, und er ist schon wieder
hier!"
Köchin: Aber, gnädige Frau, eS ist
ja ein anderer!"
Der entzückte pasi,igi.
Bliemchen (im Schnellzug): Ach,
Herr Gondugdär, gännen Sä nich änen
Ochenblig uffhalden? Ich will Se nüm
lich 'n Loggomotivfihrer an mei' Härze
driggen!"
Modern.
Tochter: .Ich habe jetzt meine Prü
fung in den Klassikern glücklich beftan
den, jetzt muß ich noch Physiologie,
Psychologie und Biologie ftudiren."
Mutter: O. nein, mein liebes Kind.
jetzt wirft Du noch Waschologie. Ab
ftaubologie und Strickologie ftudiren!
Komm', binde Dir 'mal eine Schürze
vor!"
Mütterlicher Rath.
Junge Frau: .Mein Mann ärgert
fich immer, wenn er beim Ausgehen so
lange warten soll, bis ich angekleidet
bin."
Mama: Ei, Du Nürrchen, da muß
man sich zu helfen wissen. Verstecke
vorher seinen Hut oder seinen Spazier
stock, und wenn Tu fertig bist, dann
hilf ihm suchen."
Ooke Stellung.
Hab die Ehre, Herr Professor."
Servus, Frau Magersupp. Wie
geht'S denn Ihrem Sohn beim Mili
tär?"
O, Herr Professor, der ist sehr hoch
gekommen!"
So so, das freut mich, welchen
Rang bekleidet er denn?"
Er ist Gefreiter bei der Luft chincr
Abtheilung."