Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, May 26, 1898, Image 12

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    Es muß dcch Frühling uvrccn.
IMitf j, !!Ngizc'chichlt eil . taSt.
(S ist IN einem enzen i2ßch?n der
alten Haniaftavt. wohl vier oder fünf
Treppen doch. Ein bescheidenes, ja saft
cmlufyS Gtübchen, aber doch freundlich
und sauber. Wie morgengoldiz huscht
die jungfräuliche Psingftsonnk zwischen
den baldaeöNneten piegelvianien tfen
Lerchen herein, vor denen draußen.
durch eine schmale Schnur vor der Tiefe
ocschlldt. Roömarm und eseda blühen,
Vülzrend innen blüthenmeißk Vorhänge
eine freundliche Umrahmung geben
Ten ganzen GiebelauSbau erfüllt ein
breiter, mehrftufiger Jenftertritt mit
Tisch und Stuhl und oben an der
Wand hängt ein großer braune
ftrichener Holzküfig. Aber er steht leer
und die Thür ift geöffnet. Sein In
fasse, ein bunter Vogel, der wohl früher
mal ein Waldvogel gewelen ein mag.
sitzt jetzt draußen, in Licht und Luft
badend, frank und frei auf dem irdenen
RoSmarintopfe und wiegt sinnend daZ
KövschkN. Vielleicht denkt er vergan
oener Seiten, da er noch ein freier.
fröhlicher Singvogel war und Lenzer
wachen im grünen WaldeSdom Kiene
Armer Vogel I Warum Tu wohl nicht
davonfliegst Hat man Dir vielleicht
grausam die Flügel gestutzt? Oder haft
Du daZ Fliegen m der jahrelangen w
wohnheit des KerkerS verlernt?
Was liimmert'S uns! 6? ift so sonw
täglich heute! so pfingftlich! Eben noch
tiefste Sabathftille und nun die feiet
lichen Klockeiillänge, die zugleich mit
dem goldenen vollen Sonnenftrome her
einfluthen in daS trauliche deutsche
Stübchen. Fast sieht e? aus wie ein
Dichterstüdchen! Und doch ist der alte,
weißhaarige Mann, der dort, tief über
gebeugt und das müde Haupt wie ftN'
nend gegen die gekrümmte Hand ge
stützt, im altvaterischen Sorgenstuhle
vor dem braunen ttachelofcn hockt, kein
Dichter und Denker, ja nicht einmal ein
Hungerleider, der ftch glücklich schätzen
muß, kann er zu seinem Stücklein Brod
auch einmal einen Apfel beißen! ES ift
der alte Wicgand. Bor Jahren war
er Geiger bei der Stadtkapelle; nun
kann er mit den steifen Fingern kaum
hin und wieder noch seltsame Träume
dem alten Flügel entlocken, der schon zu
Urgroßvaters Zeiten das Prunkstück deS
vorsintfluthlichen Familien-HausratheS
ausmachte.
Woran mochte er wohl denken, der
alte Mann? Ift er auch so ein gefan
gener müder Vogel, der nicht mehr da
vonfliegen - kann, weil er sich die
Schwingen der Jugend am rauhen
Leben, an seinen Ecken und Kanten,
allmülig abgestoßen bat? O ja! Auch er
ift einmal jung und frei gewesen, freier
wie draußen in der Freiheit sein Zeisig,
der daS Fliegen verlernt hat. Auch er
hat einst Schwingen gehabt, Schwingen
so stark und jugendkühn wie nur Einer!
Und nun, was ist geworden aus seinen
Träumen? Winter auf Winter ift der
gangen, Lenz auf Lenz ift gekommen
und daS liedliche Pfingsten, das wie mit
luft und duftgewebten HoffnungSfal
tern golden in die Menschenherzen ein
zieht und Jung und Alt erfüllt mit
neuer Lust und LebenSmuth: ihm bringt
eS keinen Frühling mehr. Seine Ju
gendträume meinte er doch, ein
großer Künstler zu fein, ein zweiter
Beethov.'N o, nein, nein, nein
ein erster Wiegand! ein Tonheros, der
Bach und Beethoven in sich vereinigte!
der mit den Offenbarungen feines
Genius in Tönen die Menschen erschüt
tern und mit dem Ruhme seine? Na
menS eine Welt einft erfüllen wollte. ..
seine Träume sind Schäume gewesen:
nichts hat sich erfüllt von alledem. Ein
Genie zu fein und das Kainszeichen auf
der Stirn zu tragen das ift nichts,
denn daS Genie weiß, wofür eS dieses
Brandmal trägt. Aber ein verkanntes
Genie zu sein armer Alter! , daS
ist traurig, furchtbar! Nun, er hat sich
ja den Ruhmdurft abgewöhnt feit Iah
ren, feit Jahren! Und sie, die treue Ge
fährtin feines verfehlten Lebens, um
deren Glück er gearbeitet und gerungen
hat die ruht längst da draußen unter
dem stillen Hügel. Und nun soll er
auch sein Letztes verlieren fein ein
ziges Kind, feine Tochter, den Trost
und die Stütze feines Alters. Sie liebt
einen Künstler. Einen Künster! Was
ift ein Künstler? Ein Genie! Vielleicht
ein verkanr.teS Genie wie er! Ein Ein
famer. der um so Größere? der Mensch
heit leistet, j? mehr er Unglück hatte,
je tiefer er daS Elend deS Lebens aus
kostete und hinabtauchte in die Abgründe
deS Dasein?. Denn das Auge nur, daS
den Grund deS MeereS erschaute, der
mag auch die Wunder der Tiefe zu spie
geln, daS Herz allein, daS die Nacht
schauer deS Schmerzes und der Ver
zweiflung fühlte, die Räthsel der Seele
zu enthüllen. Auch Heinrich hat daS
Glück" deS Künstlers gehabt ein
UnglückSpilz". ein armer Pechvogel zu
sein. In Sorgen und Noth, ja in
trüben Stürmen seiner Jugend ift ihm
sein Talent geboren und gewachsen, sein
Charakter erstarkt. Er ist ein echter
Künstler. Und wenn ein Vater fein
Kind so einem echten jungen Künstler
blute anvermählt, so vermählt er'S
ebenso oftmals dem Mißgeschick. Dann
ift der alte Mann allein, ganz allein!
Und wenn er auch nicht Hunger und
Noth leiden muß. waS hat er noch
von der Welt? Aber still davon! DaS
sind keine Pfingstgedanken!
Wie blitzen im Sonnengolde draußen
die grauen Schieferdächer, wie leuchtet
die goldene Luft, wie zwitschert und
judil.rt eZ unten in den blühendkN
Gärten, daß auch ihm er mag nun
wollen oder nicht daZ alte treue Hcrz
ünttt dem fadenscheinigen Rocke lauter
als sonst wohl pocht. Er erhebt sich
mühselig und wankt an Fenster
Wclche stolze, bunle Schaar reich
gektkioier Kirchzänger. die fiA
rechts vom Marktplatze herein n
die stille Gaffe ergießt. Sieh', daist
auch sein Töchterlein darunter! Ha.
wie ist er floh auf sie! WackereS Ma
del! Wie sie da an der Rolandsäule
vorüber so psingstlich sittsam über die
(esse schwebt ist sie nicht daS ganze
Mutwarme Ebenbild der Mutter?
Ader wen trifft sie da? Ei. ift daZ
nicht der Hein,,. ihr Verlobter? Kuckuck
aber, was hat der Bursch ift ja ganz
außer Rand und Band, führt und such
telt da in der Luft herum, c!3 wollt' er
waZ. einen Brief?! .... na. daZ
scheinen schöne Nachrichten zu sein
Wetter und Element! TaZ Nase!
füllt ihm um den HalZ!! Da schlag'
doch daZ Donne:EKii r drein siebzehn
Jahre erst alt und auf offener Straße?
Was sollen die Leute vom alten Wie
gand denken!!.. .. Und letzt HM
mel und Kontrabaß! sie lacht und
klatscht ibm mit beiden Händen ms
Gesicht, giebt ihm und nicht pianis
simo"! eine Ohrfeige, daß ihm wohl
sein edleZ Haupt wie em Resonanzboden
brummt .... Und er? er lacht sie
an. freut sich noch ob diese? LiedeZbe
weise?! Das heißt doch eine Pantoffel
Generation! Und jetzt jetzt dreht sie
um und läßt ihn stehen, wie einen
Schulbuben stehen, und stürmt mehr
als sie läuft auf'S HauS zu. Gleich
muß der Wildfang oben fein! Tick.
tack tick, tack tick, tack nur noch
wenige Schlüge wart' wart'
gleich muß sie eintreten. O, wie er die
Sekunden zählt, der wackere, gute
Mann! Ift doch das wilde Müdcl fein
ganzer Stolz, feine einzige Freude auf
der Welt. Jetzt knarrt e? draußen auf
der Stiege zwei, drei Schritte die
Thür fliegt auf da ift sie. da liegt sie
an feinem Halse. Aber, Gretelchen,
waS ift mit Dir? Du weinft ja.
schluchzest, als wär' Dir Dein Herzlein
zerbrochen . .?
ES waren ffreudenthranen. um es
kurz herauszusagen: Heinrich hatte sich
an einem PreiSauZschreiben betheiligt
und war glücklicher Sieger. Nicht allein,
daß ihm der Ehrenpreis zuerkannt und
er mit der Ausführung feines Entwurfs
betraut worden: nein, das Werk deS
jungen unbekannten Bildhauers hatte
in der Hauptstadt ein Aufsehen erweckt.
daß ihm gleichzeitig eine Fülle von Auf
trägen zuging, die ihm Arbeit, Ehre
und Brod nicht allein für sich und sie.
die Psingsten über'S Jahr fein Weib
werden sollte, nein, auch für den alten
Vater auf lange hinaus gewährten.
Nun kam auch Heinz. Da konnte der
wackere Alte nicht länger den Griesgram
herausstecken: er schüttelte ihm die
Rechte, gab feuchten AugeS fein Se
genswort und legte ihre Hand in die
seine. Nun war Pfingsten, daS so oft
an ihm vorübergezogen, doch noch ge
kommen und hatte auch bei ihm einmal
Halt" gemacht. Und wenn die schönen
Hoffnungskeime, die ihm das Schicksal
einst in die Bruft gelegt hatte, auch
längst in deS Lebens Sonnengluth und
Sturmestagen verdorrt und verwest
waren, so blühte vielleicht in seinen
Kindern und Enkeln auf, was ihm
selbst eine Laune deS Geschicks verwei
gert hatle. Und als die Dämmerstunde
kam und die Kinder ihn baten, zur
Feier deS TageS sich doch auch eine
Freude zu gönnen, da setzte er ftch an
seinen geliebten Flügel und spielte daS
schöne Geibel'sche Lied an die Hoff
nung ES muß doch Frühling
werden!" DaS war feine Pfingft
freude.
Gute Jagdbeute.
Novellette von M. Berg.
Ich freue mich unendlich, daß Du
doch noch gekomvien bift, Hilda. Nun
wird'S doch etwas lustiger hier werden."
Elly von Falkenberg blickte mit zärtlicher
Bewunderung in daS frische, ein wenig
sonnverbrannte Gesicht ihrer liebsten
Freundin. Hilda Welling war erst
vor wenigen Stunden nach einer langen,
ermüdenden Eisenbahnfahrt auf dem
Landsitz deS Herrn Falkenberg ange
langt. Um noch ein wenig allein plau
dern zu können, hatten sich die beiden
Freundinnen etwas früher als die übrige
Gesellschaft für die Nacht zurückgezogen.
Ihr habt, wie eS scheint, sehr nette
junge Leute hier," meinte Hilda, indem
sie ihr langes, braune? Haar sorgfältig
bürstete. Allerdings, eme Ausnahme
ist da der Assessor Hermstedt
" setzte sie etwas zögernd hinzu.
Magft Du Kurt Hermftedt denn
nicht?" fragte Elly enttäuscht. Wir
sind alle so eingenommen von ihm."
Hm, der Geschmack ift verschieden.
Ich für meinen Theil kann die Sorte
Männer nicht ausstehen, die sich ein
bilden, daß Frauen nur dazu da find,
um sich den Herren der Schöpfung un
terzuordnen, und die sich entsetzen, wenn
ein Mädchen eine Cigarette in den Mund
nimmt oder gar zu radeln wagt, ge
schweige denn sonst einen Sport mitzu
machen sich untersteht. Und da?
Schlimmste ift, daß ich diesen grüß
lichen Pedanten überall treffen muß,"
ereiferte ftch Hilda immer mehr.
Das Gespräch der Mädchen wurde
in diesem Augenblick von lauten Man
nerftimmen übertönt, die sich plötzlich
im Souterrain erhoben, l.t beiden
Mädchen traten an da ha'.dgk!ffi,ltt
Fenster und horchten hmauZ.
öS war ein sehr warmer Ceptcmbkr
Abend. Die verschiedenen, glühenden
Pünktchen auf dem Tennisplatz unt.n.
welche durch diS Dunkel leuchteten.
zeigten an, wo ftch'S die jungen Herren
mit ihren inzarren und (Zigaretten be
auem gemacht hatten.
Ein famose? MiCchen, diese Hilda
Welling." tönte e? da ganz deutlich zu
den Laiifchcrinnen hinüber.
Ellv ergriff den Arm der Freundin.
um sie vom Fenster fortzuziehen. T'ieU
ließ eS jedoch nicht geschehen, sondern
bat die ängstliche, kleine Blondine nur.
da? Licht auZzulöschcn.
Ach. geh mit Deiner Pedanterie.
Hermstedt; Du bleibst wirklich hinter
der Zeit zurück," ließ ftch wieder der
erste Sprecher vernehmen. Ich srhe
nicht ein. weshalb ein Mädchen:,! Allem
zurückstehen soll. Wenn sie llug, c,f
wandt und furchtlos ift. hat sie daffllde
Recht, Sport zu treiben und an der
harmlosen, frischen kröillch!eit d-i
Leben? teilzunehmen, wie jeder Mann
ApcopoZ. Hilda Welling soll sogar ein
vorzüglicher Schütze sein ich bin
riesig gespannt, auf morgen. Jedc:r
fall? ist Fräulein Welling eine? der in
terefsantestcn. witzigsten Mädchen, die
ich kenne. Auch wnd cS Niemand ftre.
tcn wollen, daß sie ausnehmend hübsch
ist.'
.Hübsch ! Wer daS behauptet, dem
spreche ich überhaupt jeden Geschmack
ad. Eckig und mager ,ft sie und ver
brannt wie eine Mulattin l"
O Hilde, komm fort. Höre nicht
mehr, waS der abscheuliche Mensch da
sagt, ich bitte Dich." Elly flehte so
inständig, daß die Freundin endlich
nachgab.
Nun. Elly, wunderst Du Dich noch.
daß ich den Mann hasse?" rief sie, mit
gerötheten Wangen und sprühenden
Bugen zu der Freundin wendend.
Der Elende ! Wie kann er eS wagen,
so von mir zu sprechen !"
Elly suchte die Aufgeregte zu beruht
gen, doch vergebens.
DaS soll er mir büßen ich
schwöre eS !" stieß Hilda zornig hervor
und ging hastig in ihr Zimmer.
Sobald sich die beleidigte Schöne un
beachtet wußte, trat sie dicht an den von
mehreren Kerzen beleuchteten Pfeiler
spiegel.
Mager und eckig braun, toi"
eine Mulattin " sagte sie bald
laut, indem sie ihrem Spiegelbilds
spottend zunickte.
In den großen, grauen Augen glühte
und funkelte cS in verhaltenem Zorn ;
eine warme Röthe leuchtete auf den
leicht gebräunten Wangen, braune,
glänzende Löckchen umrahmten eine
hohe, wohlgediloete Stirn, und die?
alles im Verein mit der schön geform
ten Nase und dem frischen, rothen Lip
penpaar gestaltete sich zu einem mehr
als gewöhnlich hübschen Gesicht. Dann
streifte Hilda den fpitzenbesetzten Aer
mel des ToilcttenmantelS zurück und
betrachtete mit kritischen Blicken ihren
vollen, weißen Arm. Auch da? Stück
chcn HalS, dessen schimmerndes Weiß
gerade zwischen dem wallenden Haar
und dem Ausschnitt ihres GewandeS
sichtbar wurde, musterte sie prüfend.
Zornig blitzte eS dabei wieder in den
grauen Tiefen der schönen Augen auf.
DaS Frühstück wurde bereits ehr
früh am nächsten Morgen eingenom
men, da man schon zeitig zur Rebhüh
nerjacht aufbrechen mußte.
Hilda Wellmg war die einzige
Dame, die ftch der Jagdgesellschaft an
schließen wollte. DaS junge Mädchen
sah in dem schmucken JügerlnnenCoftüm
von rostbraunem Tweed ungemein chic
und reizend auS. Sie war eifrig damit
beschäftigt, ein elegant ausgestattetes
Gewehr einer genauen Musterung zu
unterziehen; daher bemerkte sie auch
nicht, daß ein Herr, der eben in die
Halle trat, sie höflich grüßte.
So werden wir rauhe Jagdgenossen
also das Vergnügen Ihrer Gesellschaft
haben, gnädiges Fräulein?" sagte plötz
lich eine tiefe Männerstimme neben ihr.
Hilda blickte gleichgültig auf. Warum
geben Sie sich die Mühe, unauf
richtig zu sein?" fragte sie kühl. Ich
weiß eS ja doch, daß Sie zu jenen Fof
silen gehören, die noch glauben, der
Mann fei für die Jagd und die Frau
für den Kochherd geschaffen."
Ich fühle mich sehr geschmeichelt.
daß meine Meinung von so großem
Interesse für Sie ift". entgegncte Asses
sor Hermstedt mit ironisch tiefer Ver
veugung.
Trotz der in äußerlich freundschaft
lichstem Tone gewechselten Worte muß
ten die beiden jungen Leute doch, daß
sie geschworene Feinde waren, und in
Anbetracht dessen konnten sie sich eine?
peinlichen Gefühls nicht erwehren, als
man sie auf dem Jagdterrain am
nächsten zu einander placirte.
Hilda hielt sich sehr tapfer. -Sie
handhabte ihr Gewehr vollkommen
ordnungsgemäß und traf ebenso sicher
und häufig wie jeder Andere. Alle
Jagdtheilnehmer merkten aber, daß die
Beiden gegenseitig eifersüchtig auf die
Zahl ihrer Treffer achteten.
ES war beinahe Zeit zum Frühstück
geworden, und man hatte nur noch
eine kurze Strecke bis zu der Hütte zu
rückzulegen, wo die Damen mit dem
Eßkorbe auf die tapferen Schützen war
teten. Seltsamerweise hatten Hilda
und der Assessor genau die gleiche An
zahl Vögel geschossen. Da schwirrte eZ
plötzlich hinter einer Erdscholle auf und
strich dicht an der Gewehrlinie vorüber.
Ziel Schüsse blitzten im seiden Moment
, auf und mitten Zwilchen den beiden
sich feindlich gesinnten Parteien lag ein
Häuschen glfträudter brauner Federn.
.Mein Schuß, glaube ich." sagte
Hilda ruhig.
.Ich bitte um Verzeihung, ich schoß
zuerst und sah die Beute fallen." ent
eignete Hermstedt. .Ader, da eine
Tarne den Vogel beansprucht, trete ich
da? Vorrecht selbstverständlich ad. Wir
betrachten also die Bente cl? die Ihrige,
gnädige? Fräulein !"
.Unter solchen Umständen verzichte
ich." erklärte Hilda. mit stolzer Be
wezung einen Schritt zurücktretend.
Ich verlange nur Gerechtigkeit."
Der Gedanke an dieses Streitobjekt
verfolgt: die Beiden den ganzen Nach
mittag. Sie schössen in ftnstercr
Schweigsamkeit aufmerksam und be
horrlich weiter, doch mit dem und?
friedigenden Resultat, da sie nach
Schluß der Jagd wieder auf gleichem
Standpunkte waren, allerdings mit
Ausnahme dc? einen, heftig bcsiriltenen
VogclZ.
Der Tag war ausnahmsweise warm
gewesen, und Jagdfticft! müssen, wenn
sie elegant und derb zugleich lein sollen.
ziemlich prall fisien. Da die? nun auch
mit Hilda'? Fußbekleidung der Fall
war. sing sie an. etwa? hinter den An
deren zurückzubleiben. Auch der Assis
sor schien keine besondere Eile zu haben.
Ich fürchte. Sie sind sehr ermüdet."
begann er mit ausgewühlter Höflichkeit.
Der Tag war doch etwas zu anftren
gend für Si?!"
Nicht im Geringsten. Ich will nur
den schönen Abend in Muße genießen.
Lassen Sie sich jedoch nicht zurückhal
ten."
EZ fängt aber bereits an, dunkel zu
werden; es ist somit nicht rathsam für
eine Dame, allein zu gehen."
Welche gewähren Ausdrücke Sie ge
brauchen! Eine Dame! Ich bin ein
furchtloses Mädchen und kein verzärtcl
te? Dämchen," sagte sie mit kurzem La
chen. Ader darf ich Sie nun ersuchen,
weiter zu gehen und mich allein zu
lassen?"
Selbstverständlich, wenn Sie eS
wünschen." entgegnete er, lüftete den
Hut und schritt haftig vorwärts.
Ein Feld hatte er bereits durchkreuzt
und war eben im Begriff, da? angren
zende zu betreten, al? er hinter sich ei
nen Schuß hörte, dem ein kurzer Auf
schrei folgte.
Von Entsetzen gepackt, wandte er sich
um und stürzte in fliegender Eile durch
die dichter werdende Dämmerung zu dem
jungen Mädchen zurück.
Da sah er am Rande eme? schmalen
GrabenZ etwa? Dunkles liegen, und
als er mit rasender Eile darauf zu
stürmte, vernahm er em schmerzliches
Aufstöhnen.
Großer Gott, waS ist geschehen?
Sind Sie verletzt?" rief der junge
Mann angstvoll und warf sich neben die
ausgestreckte Mädchengeftalt auf die
Knie.
Nein der Schuß hat mich nicht
getroffen ich glitt aus, und da ging
mein Gewehr von selbst lo?," sagte
Hilda mit zitternder Stimme in abge
brochenen Lauten. Aber ich glaube,
mein Fuß ift verstaucht oder verrenkt,"
setzte sie schmerzlich hinzu.
La en Sie sehen " bat Hermstedt
und ergriff mit zartester Sorgfalt den
kleinen, in braunem Lederftiefel stecken
den Fuß, den ihm Hilda als den ver
letzten bezeichnete.
Vorsichtig knöpfte er den unteren
Theil der Gamasche auf und schnitt
dann mit seinem Federmesser dieSchnür
senke! deS Schuhes entzwei. Als er die
fen behutsam entfernt hatte, tastete er
mit den Fingern um einen ftark ge
fchwollenen, von seidenem Strumpf be
kleideten Knöchel.
Schmerzt eS sehr ?" fragte er leise.
O ja," flüsterte sie. leicht auf
schreiend.
Ich ürchte. daS Gelen! ift recht
böse verstaucht, " bemerkte der junge
Mann.
Würden Sie dann so gut fein und
Hülfe herbeiholen? Ich glaube nicht,
daß ich gehen kann."
Ich möchte Sie nicht gern allein
lassen. Man kann nicht wissen, welche
Strolche hier um diese Zeit umherschlei
chen mögen. Sie müssen mir schon ge
statten, daß ich Sie bis zum Förster
Haufe trage."
Mich tragen ? DaS könnten Sie ja
gar nicht," entgegncte Hilda mit mrvö
fem Auflachen. Ich bin centnerfchwer,
und eS sind noch mindestens zwei Kilo
meter bis dorthin. Außerdem scheinen
Sie gerade kein HerculeS zu sein,"
meinte sie etwaS verächtlich.
Nun, versuchen wir e? doch. Sehen
Sie. eS ift ganz leicht." Damit hatte
er sich aufgehoben und sicher in feine
Arme genommen.
Sie sträubte sich noch ein wenig, doch
als sie merkte, daß er entschlossen war,
hielt sie eS für vernünftiger, ihm feine
Aufgabe nicht unnöthig zu erschweren.
AuS demselben Grunde legte sie auch
auf sein Geheiß den rechten Arm um
feinen Nacken.
Sie sind wirklich sehr gütig," sagte
sie dann leise und zögernd.
Keineswegs ich thue nur meine
Schuldigkeit," entgegnete er, und einige
Minuten lang herrschte Schweigen.
Ich fürchte, mein Haar belästigt
Sie," begann Hilda wieder, als ein
plötzlicher Windstoß eine sich loslösende
Locke in sein Gesicht wehte.
Durchaus nicht. Aber mein grober
Jagdrock reibt Ihre Wange, nicht
wahr?"
Wird eine Paule.
Wa5 ist da? Ah. ein Zaun. Setzen
Sie mich nieder, bitte, bis S:e die Thür
ousi'macht haben."
ES geht auch so." entgegnetc Herrn
ftcdt. doch machte er keinen Ber'uch
daS ltter zu öffnen. Sein Kopf neigt
sich tiefer itin seine Last, und plötzlich
eriönie ein schrei auZ Hilda Munde
O, wie können Sie eS wagen! Wie
verächtlich von Ihnen, einen solchen
Vortheil auZ meiner momentanen Hülf
losigkeit zu ziehen." sprudelte eZ heslig
über ihre Lippen. Sie bemühte sich
mit aller Kraft, sich auS feinen Armen
zu befreien.
Er dielt sie nur noch fester. Wir
sind Gegner, und im Kuege ift alle?
erlaubt. Hilda, w.Shald hafcn Sie
mich lo i
Weshalb hassen Si? mich ?"
Ich Dich hasse?! Ich liebe Dich ja
.. .llcbe ?ich wahnsinnig. . .Tu süßcS.
anbetungswürdiges Mädchen Du!"
Anbetungswürdig! Ha. ha
Magcr und eckig und braun wie
eine Mulattiü." pottetc sie.
So hast Du also gehorcht, süßer
Schatz? Ich dach'.e eZ mir gleich, als
ich etwas Wißs am Fester erblickte
und bann daZ Licht plötzlich verlöschen
iah."
Welch ein unrüterlichc? Betragen
von Ihnen! Ich hasse Sie!"
Wirtlich? Ich gtaube c-Z nicht ganz
Hilda. Du hast mich jetzt fast zwei
Jahre schmachten lassen; aber nun bist
Du in meiner Gewalt, und ich gebe
Dich nicht eher frei, als bis Tu mir
sagst, daß Du mich liebst."
Ich liebe Sie nicht !" rief sie trotzig
Nicht?" Er küßte sie ungestüm.
..Hilda. leugne e? nicht länger, Du
Hebst mich doch!"
Wir würden nur unglücklich werden.
Sie hassen alle?, was ich gern habe.
und ich verabscheue daS, waS Sie be
wundern."
Wir können uns ja darüber verftän
digen. Bestimme Du, welche Dinge ich
aufgeben soll," sagte er innig.
Eine ganze Menge von Vorurthei
len. Ja und und Deine satiri
schen Redensarten."
Ich verspreche eZ. Fortan werde ich
mild und sanft wie e:ne Taube fein.
Sie sagte nichts weiter. Ein inniger
Kuß schloß ihre Lippen.
--
Sigenihamlichkkitt großer Mä,
er.
Die Gewohnheit ist eine grausame
Tyrannm diese Erfahrung haben ge
miß schon die meisten Äenschcn an sich
oder Anderen gemacht und so leicht man
sich die? oder jenes angewöhnen kann,
so schwer, ja, bisweilen unmöglich er
scheint eS oft, die betreffenden Gewöhn
heiten aufzugeben. Mit welcher be
wundernswcrther Treue selbst große
Geister hüung an nichtigen Aeußerlich'
leiten hängen, darüber ließe sich ein
ganzes Buch schreiben. Der große eng
lische Staatsmann SaliZbury kann
beispielsweise keine Rede halten, wenn
fein linker Ellenbogen nicht auf einer
ganz bestimmten Anzahl Bücher ruht,
die sich stets an feinem Platz befinden.
Als vor Kurzem eines dieser Bücher
fortgenommen war, blieb der sonst sehr
redegewandte Mann gleich im Anfang
seiner Rede stecken und konnte nicht eher
weitersprechen, bis man schleunigst daS
fehlende Exemplar herbeigeschafft hatte.
JuleS Michelet. der berühmte fran
zösifche Gefchichtöfchreiber, der während
feines langen Lebens ein überaus
fleißiger Ardeiter gewesen ift, besaß eine
sonderbare Vorliebe sür große Kisten
und Käften, in denen er seine Papiere
aufzubewahren pflegte. Sie standen 40
Jahre in seinem Studirzimmer, ohne
daß er jemals daran dachte, sie durch
neue zu ersetzen, WaS thatsächlich inzwi
schen nothwendig geworden war. Ein
Blick auf diese treuen Zefährien seiner
Arbeit da? Bewußtsein ihrer Gegen
wart allein schien feinen Gedankenflug
zu beschleunigen. Vornehme Damen
machten sich ein Vergnügen darau?, ihn
in dieser Eigenthümlichkeit insofern zu
bestärken, al? sie ihm zierliche, kunstvoll
gearbeitete und bisweilen sehr werthvolle
Kästchen als Geschenk übersandten, die
Michelet jedoch ohne Weiteres zurück
schickte oder unbenutzt umherstehen ließ.
In gleicher Weise blieb er der mit
Löchern und unzähligen Tintenklecksen
versehenen Decke auf seinem Arbeitstisch
treu.
Joseph Haydn'S Talisman soll ein
einfacher Ring gewesen sein, den er ftetS
am Finger trug. Hatte er ihn einmal
verlegt, so konnte er beim besten Willen
nichts schaffen. Er selbst hat oft er
klärt, daß er sich ohne den Ring eigen
thümlich dumm vorgekommen wäre;
wenn er sich an daS Instrument setzte
und er sah daS Kleinod nicht an seiner
Hand, so hatte er die Empfindung, als
sei jede schöpferische Kraft in ihm total
lahmgelegt. Im Schmerz äußerte er
einft zu einem Freunde, daß alle seine
Werke nur dem Ringe ihre Entstehung
verdankten.
In der Schlecht.
Artillerist: Herr Lieutenant, eben
hat mir 'ne Granate im Vorüderfliegen
die Haare versengt."
Lieutenant: Na. hoffentlich daS
Stroh in Ihrem Kopfe auch!"
Le,nem.
Fremder: Ich habe verschiedene
Schulden angekauft, die Sie hier in der
Stadt cntrirt haben...."
Student: Sehr angenehm, da
brauche ich wenigsten? nur einen her
auszuschmeißen!"
Bavkrliuö u Maderspras.
Von jjhanit Situt
Ü'aderhuZ im Modersprak !
Lct mi't nflnm un let rni't roden k.
VaderhuS, du hellig Sted,
Modersprak. du frame Red'.
SchönreS klingt dar Rix tohopenk
VaderhuS un Modersprak !
Beste twee dun alle Gaben !
WüsS dar Nix. so schön, so schön!
Mehr. öS Gold un Edelstem.
Liggt in bilfte Wör vergraben!
VaderhuS un Modersprak!
Kinnerglück tin Oellernfreuden!
Ach. wer köff se wull för Geld?!
Weer't ock för de ganze Weit,
Lt ick tii de leewen beiden!
VaderhuS un Modersprak !
Lat mi't nömn t:n lat mi t ropen!
Ward mi doch bat Hart fo fla'n.
Ward mi gar de hellen Thran
Llsen iit de Ogen lopen!
Hans VUthtl.
Der HanS Michel, wird berichtet.
Eine deutsche Kernnatur.
Hat natürlich auch gedichtet.
Doch dreimal im Leden nur.
AIS Student in der Mansarde.
Wo'S im Winter friert und zieht,
Hat er. wie ein echter Barde
Hingehaucht ein FrühlingZlied.
ES war dreißig Jahre später.
Wasser trank er nur allein.
Streng gebrauchte die Diät er.
Da besang er laut den Wein.
immi . . .. - r '
zu er in oen rtiiknialren,
Ganz und gar die Welt vermied.
Hat geschrieben mit den starren
Händen er ein Liedeölied.
3, Zorn.
Professor (zu feinen Schülern):
Senn Sie meinen, Sie können mir
hinter meinem Rücken auf der Nase
herumtanzen, dann sind Sie aber sehr
im Irrthum!"
Aufrichtig,
öbef: .Keine Summe stimmt bei
Ihnen. Herr Mever! 5aben Sie denn
nie in der Schule gerechnet?"
Lehrlina: sehr viel aber immer
falsch!"
Vvm Hörensagen.
Fremder (im Eisenbahn Eoupee):
Sie haben ein ganz vorzügliche? Trink
Wasser in München beneidenSwerth!"
Münchner: Ja, la unser Trink
Wasser soll sehr gut sein!"
Dilemma.
Bräutigam (dessen Verlobte Klavier
dielt): ..Jetzt weiß ich wabrdaftia nickt.
waS ich machen soll I Lob' ick ibr Sviel.
dann spielt sie mir sicher noch etwas
vor, und sag' ich gar nicht?, dann spielt
sie erst recht I"
Heimgezahlt.
Herr: Sagen Sie, mein Fräulein,
Kmh.h zL l Gi.h ..lsX..H
uuuwi ic uy ciuuicu, luuium UiC
Herren eigentlich in den meisten Fällen
größer sind, al? die Damen?"
Dame: Da? ift sehr einfach, weil
eben da? Unkraut die Blumen stets
überragt !"
Herr (ironisch): Ah, besten Dank für
da? schöne Kompliment, ich bemerke
aber, daß e? auch unter den Blumen
manchmal recht giftige geben kann!"
Die gute alte Zeit.
Arzt: Nun. hat da? Mittel gehol
en? Kann ihr Mann jetzt schlafen?"
Frau: Mein Mann kann noch
immer nicht schlafen, Herr Doktor. Ich
weiß auch nicht, waS daS heutzutage
alles für Medikamente find! Unsere
Großmutter streute un? Kindern ein
ach etwa? Insektenpulver in'S Bett
und dann schliefen wir alle wie die
Bären."
Sparsam.
Professor: (zu seinem Diener, welcher
eben den Ofen füllt): Haushälterisch
em, Johann, haushälterisch sein; nach
den Berechnungen wird der Kohlenvor
rath der Erde in längstens fünftausend
Jahren erschöpft sein."
Unverändert.
A.: In Ihren früheren Jahren war
Ihre Frau immer sehr sonniger Laune,
ft sie retzt auch noch so?"
B.: O la. sie macht mir jetzt auch
noch machmal recht warm."
Z'm Schlauberger.
Fremder: WaS ift denn daS für ein
Schein um den Mond herum?"
Sachse (nach längerem Ueberlegen):
Hären Se. das wird Ee wohl der
Mondschein fein."
Theure Lekauxtung,
Frau:.. Und ich behaupte, dak
ch mit diesem Hute nickt mehr ausgeben
kann, und nicht ausgehen werde."
Mann: ..Lad S la aewukt. dak mick
schließlich Deine Bebauvtuna wieder
Geld loftm wird."
Ein dchlauberger.
m! er:. i.
luiuuu. uiuiyicu &ic ucilll
r'hvn ,, . x SM . v . . c. ; :
OV" uluu luuuci jurn Cluiugiictil,
nachdem sie Ihnen zum ersten Male in
.0FMMrt, fyafiTlA b.rt.?"
i4l.miukyi y4tuuiu WUU
Junaer Edemann: O. sebr einfa!
ich flüsterte ihr zu. sie hätte sich mit
ihrem neuen Kleid in einen Tinten
flecken hineingesetzt; da hätten Sie 'mal
sehen sollen "