Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 28, 1898, Image 11

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    Unrcdit 6ut.
1
"X.
i.
' . i
T Rueppenzenzl hat heute seine
HauSiviese gemüht und fitzt jttzt. so um
zehn Uhr Vormittag, hinter dem fcau'e
und tangelt seine Eense. Kämmt ein
Bursche daher, nicht recht im Sonntag,
gewand und nicht recht in der Werk
tagSkluft. an den ftüfe'N hatic er nicht
mehr ganz gute Echuhe und auf der
Achsel ein Paar sast neue Stiefel. Ter
Bursch bleibt stehen. .Thut'S tangeln
ein wenig."
.Ja l thu tangeln ein wenig."
..Ja. 'S Futter steht schön Heuer."
Ja. aber ein bißle Regen lhSt gut."
Freili. Regen that schon gut."
Ler Rueppenzenzl tangelt weiter,
der Bursch spuckt auZ und meint : Ja.
waZ ich noch sagen möcht ob Ihr
mir nit die Etiesel da abkaufen wollt?
Mir find'S ein wenig zu klein."
.So, zu klein sein'3 Tir ich
meinet, daß Tir die zu groß find."
Ich wollt sagen, zu groß finZ'Z mir
ein wenig, und dann, einrücken muß i
auch, und da brauchet i ein Geld."
So einrücken muht'?' sagte der
Rukppenj?njl. jffct im Sommer ein
rucken?"
Ja. ich bin halt krank gewesen, und
so musz ich halt jetzt erst einrücken."
Da denkt ftch der Ruepvenzenzl: Der
Lump hat die Stiefel gewiß gestohlen,
so schone Stiefel, und ausschaun
thun's, als o'bs für mich gemacht
würcn." Er schaut aber doch um d',e
Stiefel und fragt, waö fte kosten.
No. weil'S so nothig ist mit dem Geld
halt vier, Gulden." Denkt stch der
Ukppen,enzl : Jetzt sein'S gewiß ge
stöhlen, so schöne Stiefel, zehn alden
Habens gewiß gekostet, und dec Hader
lump wills um vier Guld-n hergeben."
Ader so zum Spaß bietet er halt drei
Gulden, der andere verlangt drei Gul
den achtig Kreuzer, der Rueppenzenzl
kommt in die Hitz und inS Handeln,
und auf einmal findS mit drei Gulden
fünfundvierzig Kreuzer gleich gewor
den, wahrend deZ Handelns hat
der Rueppenzenzl auch mit seinem Ge
wissen gehandelt und jetzt ist er seft
überzeugt daß d;t Stiefel nicht gestoh
len stnd."
Er geht inS HauS und bringt einen
Fünfer zum Vorschein, aber der Bursch
kann nicht herausgeben. , Sie reden
eine Weile herum und kommen dann
auf die Idee, daß der Wirth in der
Mhe wech eln wird. Der Zenzl stellt
die Stiefel inS HauS neben die Thür
und letzt gehen fte tnS Wirthshaus
Der Wirth wechselt, der Bursche kriegt
sein Geld und geht; der Zenzl meint
aber, der Wirth war so gefällig, da
muß man ihm was zu lösen geben,
warm ist'S auch, und ein so gute? Ge
schüft, wie daS heutige mit den Stie
feln. das tragt chon ein Biertel Wem
Er trinkt also eins und ein zweites
auch, und dann geht er heim.
Vor dem Hause steht ein Weib mit
einem Besen in der Hand und schaut
recht bösartig auS: Wo kommst her.
Du Lump, Du elendiger, am hellen
Vormittag geht er saufen, und mich.
fein armeS Weid, läßt er stch schinden
und Plagen und nichts vergunnt er ihr
no wart I
..Sei still. Alte." sagte der Zenzl,
..ich hab so viel ein gutes Geschüft ge
macht." und jetzt erzählt er ihr den
Kauf der Stiesel und setzt sofort bei,
.daß fte gewiß nicht gestohlen lein."
.Wo haft denn die schön' Stiefeln?"
fragte die Alte, und der Zenzl geht die
Stiefeln holen. Haft mir'S verpeclt.
Alte?" fragt der Zenzl. aber die Alte
fährt ihn an: Lump, lügen auch och
Du willst Stiefel gekauft haben? A
Lug und alles miteinander!" Aber
der Zenzl schwört, die Geschichte sei
wahr, und offenbar hat der Vagabund
die Stiefel noch einmal gestohlen, wäh
rend der Zenzl im Wirthshaus sitzt.
Dabei passirt ihm daS Malheur, daß er
immer von den schon einmal geftohle
nen" Stiefel redt. Na wart, Rau
bersbua," schreit der Zenzl, nimmt
einen rechtschaffenen HaSlinger und
lauft dem Weg untenauS, dem doppel
ten Stiefeldieb nach. In jedem Haus
fragt er, ob fte nicht einen gesehen
haben, mit einem Paar gestohlene Stie
fel? Die Leute schauen den Zenzl groß
an und glauben, eS wackelt bei ihm
unterm Hut. Endlich steht er einen
Burschen mit ein paar Stiefel über der
Achsel, rennt was er kann, und wie
er ihn hat, haut er zu, waS er kann.
Der andere wehrt ftch was möglich ist,
reißt dem Zenzl den Rock in Fetzen,
giebt ihm ein paar Kleschen und jetzt
sieht der Zenzle, daß eS der Gefehlte ist.
er hat dem Stegbücken fein Gaifchütz
geprügelt, der feine Stiefel vom Schu
ster heimtragt. Er erzählt ihm feine
traurige Geschichte, aber der kriechen
blau geprügelte Gaifchütz verlangte zehn
Gulden Schmerzensgeld oder er geht
klagen. Da kommt er dem Zenzl grad
recht, der sagt ihm was, nicht grad
einen Segenswunsch, und lauft seinem
Stiefeldieb weiter nach. Hübsch spät
kommt er bei einem Bahnwachter vor
bei und fragt wieder : Da kommst
eben recht vor einer Stunde war
der da, und ich hab' ihm die Stiefel
abkauft um drei Gulden." Ter Zenzle
will seine Stiefel gleich nehmen, der
Bahnwachter gieb'S aber nicht her und
will seine drei Gulden eher haben. Jetzt
rechnet der Zenzl: Drei Gulden fünf
undvierzig Kreuzer hab ich 'S erstemal
zahlt, noch drei Gulden macht sechs Gul
den fünfundvierzig Kreuzer zehn
Gulden sein'S aber werth, und wenig
ftenS glaubt mir die Alte dann die Ge
schichte' und so giebt er dem Bahn
Wachter drei Gulden, nimmt seine Elie
fel und geht heim. Die Alte hat'S ihm
vielleicht wohl glaubt, hat ihn aber ein
Rindvieh hin und einen lksel her gehet
ßen. und ihren Bksen bat sie den Adend
nicht gra) zum AuSfehren derirendkt.
Am anderen Zage kommt der Ge
richtZbote und bringt eine Vorladung
zum Gericht, weil er dem Etegdücken
sein Kaischtitz so geprügelt hat.
Bei der Verhandlung kriegt er acht
undvierzig Stunden Arrest wegen Kör
prdkschüoigung. und außerdem muß er
dem Gaischütz noch zehn Gulden Schmer
zensgeld zahlen. GlücklicherweiS kriegt
er für die achtundvierzig Stunden noch
einen Strafaufschub von vierzehn Ta
gen. so daß er heut noch heimgehen
darf, ünterweg? trinkt er drei Viertel
Wein auf den Zorn, und wie er heim
kommt, steht die Alte schon wieder da
mit dem Besen. Dann habcnZ eine
Weil stch unterhalten mit einander und
dann sagt die Alte : Und waZ ich noch
sagen wollt, der Gendarm ist da gewe
sen. Deine Stiefel find richtig gestohlen
morden, in Brudersegg drüben, und da
hatS der Gendarm gleich mitgenommen,
die Stiefel, und Du wirft eine neue
Vorladung kriegen, wegen Ankauf
verdächtiger Waare", oder wie er schon
gesagt hat na wart, ich werd Dir
lernen. Stiefel kaufen wo iZ mei
Besen?"
Auf die Nacht, wie der Rueppenzenzl
im Bett gelegen ist, hat er vor dem
Einschlafen zusammengerechnet, was
ihm das gute Geschäft getragen bat.
und so hat er ganz still, daß eZ die Alte
nit hört, gezählt: Zuerst drei Gulden
fünfundvierzig Kreuzer, und den Rock,
den der Gaischütz mir zerrissen hat. fünf
Gulden, macht elf Gulden fünfundvier
zig Kreuzer, dann zehn Gulden Schmer
zenSgeld, macht einundzwanzig Gulden
sünfundvicrzig Kreuzer, dann achtund
vierzig Stunden Arrest macht auch waS.
nit um zehn Gulden that ich'S, macht
einunddreißig Gulden fünfundvierzig
Kreuzer, und zwei viertel Wein, macht
einunddreißig Gulden fünfundsechzig
Kreuzer, uuo einen neuen Besen, und
nachher noch eine Verhandlung wegen
verdächtiger verdachtiger und noch
drei Viertl Wein. Viertl Wein. Viertl
Wein, Viertl Wein Wein der.
düchtiger" dann hat der Zenzl einge
schlafen.
)olm Ritsch in Chicago.
Chicago, Jll.. Aepril de verte.
JvningS StaatS'NuhZpüper, Greater
Neu.York.
Ich fein mit der Familie hier in Chi
cago ürrcivt. Unser Tripp hängt nct
mit dem War zesamme. Mer thun
ReletiffS vun der Alti wifltte. Ich
weeß noch net. wie lang daß mer
bleiwe. Wann der War diklärt werd,
iS eS möglich, daß mer länge bleiwe.
Mei Alti Hot nämlich die Racky Moun
tänS noch net gesehe un da gehn mer
verleicht uf e paar MonthS in die Racky
MountänS. Ich for mein Part that
natürlich besser gleiche, in Neu.York ze
fein wahrend dem War. efpeschelli wann
die EpäniardS NeuZ)ork dombarde.
Awwer Sie wiffe ja, wie ich sein.
Mister Editer. For die Fämili thu ich
Einiges, da geh ich sogar in die Racky
MountänS.
Hier in Chicago iS Alles for War.
Die Leit sage, schlechter wie'S BiSneß
allewell gewesen iS, könnt eS cach nim
mer wern. Ich hen jedes Mal, wann
ich Een miet. wo ich Prapperti daM
verlauft hen, Angscht, eS werd e
Lynchgericht üwwer mich gehalte.
Ich hen eS Niemand in Chicago wiffe
lasse, daß ich Srreiv. ES iS also kee
Reseptschen am Dipot gewese. Alwer
Sie hätte emol sehe solle, wie die Boy?
getschiert hen. wie ich beim Bill? an der
Rändolph Striet eneigekimme sein.
Z)eS Sir l Ich hen glei e ganze Klscht
voll Battelcher kalt stelle loffe.
OwendS fein ich mit der Fämilie im
Mackquicker Tiäter gewese. In der
Bax of course. DeS Publikum Hot
mich erst net rikoneift. Erst wie de
Kortähn fchun geräft war, hen mich die
Chicagoer rikoneift (eS war grad wie
die Sorma uf der Stüdfch ihr Beppie
renz gemacht Hot) da hätte Sie emol
den AepplauS un den EntuftäZm sehe
sehe solle und die Owäschen, wo die
Chicagoer mir gebracht hat. Die
Sorma Hot gedenkt, eS thSt ihr gelte un
Hot als en Knix um de annere gemacht
un Hot geschmeilt. ES Hot awmr mir
gegolte. Die Leit hen all uf mei Bax
geguckt, efpeschelli wie ich ufgeftanne
bin un dorch e wördevolle Verbeugung
mich for die Owäschen bedankt hen.
Mer wohne im Palmer HauS. Vorne
erauS of course. Ich erpekt, daß der
Bürgermeister an mich kalle werd. Ver
leicht kimmt auch der Gouverneur vun
JllinoiS un will alles ebaut de Situ
Wäschen von mir hören. Die Leit
wisse, daß ich in der Jhft ziemliche In
flurenz den, wenn ich aach kee höhere
AfsiS eksepted hen. Ich hen's auch die
Leit alli gesagt, daß ich for Sekreteri of
Stät ausgepickt war, awwer refjuft hen.
Ich fein wirklich disgöfted. Uf was
warte mer denn noch?
Tu ArmS ! An die Gewehre. Boys,
un net gefercht. Wann mir wolle, da
könne mir Spain infeit vun drei Woche
gewippt hawwe. Ich möchte am erste
Mai wieder in Neu-?)ork sei, Wege die
RcntS ze lollclte. Also. Korrädsch !
IS deS wahr. Mister Editer, daß e
Prafesscr in Weiennä e Jnwentschen
gemacht Hot,, wo mer bei Telcgrüff ohne
Weier um die Eck un um die ganze
Welt erum schieße könnt? Die Bu?e
den der Gestern bier erNblt. Ich
glaad'S owmer net. daß BombZ un
KännondallS dorch die Racky Moun
tänS dorchgehen. Ich meen dloS for
zämpel. Wie sein in die Racky
MountainZ die SSf Drl'osit WohltZ?
Ich hen bei Käsch' un die DeimandS
vun Neuv7)oik mltzenomme un will
se in Süf Depostt Wchlt? thun.
ZlenSwer bei Weier zu
Jodn Ritsch Ekq ,
Palmer HauS
Chicago. Jll..
Kehr of U. S. of N. A.
Tit Ersteigung de önigsteins.
Eine eigenartige Erinnerung ver
knüpft sich, wie die Magdedg. Ztg."
schreibt, sür den allbekannten Königftcin
in der sächsischen Schweiz mit dem 19.
Mär,. Am 19. März 1848 wurde der
steile und hrhe Felsen, auf dem die Fe
ftung stch erhebt und der für völlig un
zugänglich galt, auf einem anderen als
dem gebahnten Wege erstiegen. fein
damals 18jähriger Echornfteinfegerge
selle. Sebastian bretzki aus MahliS
unweit Mügeln in Sachsen, kam arbeit,
suchend in da? am Fuße der Bergfeftung
liegende Städtchen Königftein. Ta er
weder Arbeit fand noch Mittel besaß,
wollte er seinen zur Besatzung der Fe
ftung gehörenden Bruder aussuchen und
begab sich auf dem gewöhnlichen Wege
bis zum FeftungZthore, wo man ihm
jedoch den Einlaß verweigerte. Beim
Umkehren fiel ihm ein. daß er früher
einmal gehört hatte, in einem sehr ftei
len Felscnvorsprunge deS KönigfteinS.
der sogenannten KönigSnase. befände
ftch ein Spalt, durch den für einen
schmächtigen und gewandten Menschen
vielleicht ein Ausstieg möglich wäre, und
weil er als Schornsteinfeger das Klet
tern verstand, so faßte er den Gedanken,
auf diesem Wege sein Heil zu versuchen.
Er fand den Spalt, der etwa 1 Ellen
breit war. beim Höherkommen jedoch
bald schmülcr, bald breiter wurde, und
begann am genannten Tage um 9j
Uhr Morgen? ohne Ucberlegen den toll
kühnen Ausstieg. Sehr bald konnte er
nur noch mit den unsäglichsten An
strengungen vorwärts. Hünde und Füße
bluteten ihm, 'eben Augenblick schwebte
er in Gefahr, herabzustürzen. Doch ge
lang daS Wagniß und um 12 Uhr Mit
tags zog er ftch mühsam über die Brust
wehr, die das Felsplateau und die Fe
stung umschließt. Hier bemerkte ihn
eine Schildwache, er wurde verhaftet
und in strengem Gewahrsam mit Fe!
feln an Handen und Füßen, gehalten
Indessen überzeugte ftch daS KriezSge
richt der Festung, das ihm jede üble
Anficht fern gelegen halte, und begnügte
ftch. ihn nach zwölftSgiger Hast am öl
März 1848 mit ZwangSpaß über DreZ,
den und WillSdruff nach seinem Her
mathsdorfe MahliS abzuschieben. ES
ist dieS, soweit bekannt, die erste und
letzte unbefugte Ersteigung des König'
fteinS gewesen; der Spalt in der Kö
nigZnase wurde alsbald derart Der'
mauert, daß jedes Emporkommen aus
geschloffen ist, ein Herablaffen auf ähw
lichem Wege soll jedoch noch später meh
reren FeftungSgefangenen geglückt sein,
Abretzki lebte vor etwa zehn Jahren und
lebt vielleicht noch jetzt in Zcrdft ; 1886
besuchte er einmal wieder den Königftein
und wurde dem Commandanten von
Lasso vorgestellt, dem er die Stelle d:S
Aufstiegs zeigte. Sein hier mitgetheiltes
Erlebniß hat er selbst ,n einem ecynst
chen geschildert.
Photographie und Kriminalistik.
Einen intereffanten Fall aus seiner
GerichtSproxiS theilte der Berliner Ge
richtSchemiker Tr. Jeserich in der letzten
Sitzung der Deutschen Gesellschaft von
Freunden der Photographie" mit
nämlich wie ein unsauberer
Finger zum Verräther wurde.
Ein Uhrmacher, der einer Großfirma
400 Mark schuldete, sandte an diese
Firma einen angeblich die genannte
Summe enthaltenden Geldbrief, der
aber bei der Oeffnung nur Löschpapier
enthielt. Eine Untersuchung ergab,
daß der Umschlag an einem Rande vor
ftchtig geöffnet und der Rand dann
durch Zwischenlegen von gummirtem
weißem Papier kaum sichtbar wieder ge
schloffen war. ES ist dies ein bekannter
Trick der sogenannten Pofträuber. Auf
der photographifchen Vergrößerung deS
im Umschlag befindlichen LöschpapierS
konnte man ohne Weiteres den Eindruck
deS Stempels des AufgabepoftanitS er
kennen; dies Löschpapier mußte somit
schon vor der Abstempelung im Um
schlag ftch befunden haben. Dies legte
den Gedanken nahe, daß eS sich gar
nicht um einen Poftraub, sondern um
einen Betrug durch den Uhrmacher han
delte. Jeserich photographirte nun die
jenige Stelle aus dem Innern deS Um
fchlagS. an der daS zum Verschluß deS
aufgeschnittenen Rande? dienende weiße
Papier haftete. Auf dem vergrößerten
Bilde sah man ganz deutlich einen
Schmutzfleck, der über den Rand des
weißen Papiers hinaus auf die Innen
fläche des Umschlags überging. Dieser
Schmutzfleck war. wie man erkennen
konnte, beim Andrücken deS weißen Pa
pierS entstanden. Der ausgeschnittene
Rand konnte also nicht etwa geschloffen
worden sein, indem man daS weiße Pa
pier von außen eingeschoben und dann
von Außen sestgcdrückt hatte; daS An
kleben deS weißen Papieres mußte viel
mehr in der Weise erfolgt sein, daß
man noch vor Schluß deS Umschlags
den Schnitt gemacht und die Schnitt-
fläche dann durch Aufdrücken des weißen
Papier? auf die noch offen liegende
innere Seite der Klappe geschloffen
hatte. DaS ganze Versahren. welches
den Verdacht eines PostraudeS hervor
rufen sollte, war somit vor Aufgabe
deS Briefe? erfolgt. So war eZ denn
möglich, den Uhrmacher selbst als den
Betrüger zu entlarven.
Originelle Böget.
Einen merkwürdigen Kolkraben besaß
der Naturforscher PieltruwSkg. Der
Vgel hatte einmal zufällig auf mehrere
läge eine Elster zur Gesellschaft in den
Käfig bekommen, seitdem zeigte er eine
merkwürdige Vorliebe für diese bunten
Schmätzerinnen. Al! sich im nächsten
Wmtcr mehere Elstern in der Nähe sei
ner Wohnung niederließen, begann er
förmlich Jagd darauf zu machen. So
bald der Wärter ihn herausließ, fing er
eine Elfter, hielt sie mit den Klauen auf
dem Boden fest und schrie, bis sein Wär
ter erschien. Ließ dieser nun die Ge
angene frei, so ging Jacob" unauS
gesetzt weiter auf die Elfternjagd und
wiederholte daS Spiel stets von Neuem.
Erst wenn man ihm die Beute in den
Käfig setzte, spazielte er freiwillig hinein
und unterhielt sich mit der neuen Ge
nosftn. Aehnlich betrug ftch ein Papa
gei, von dem Wood berichtet. Im
Garten seine? Besitzers befanden sich
mehrere Rosenbüsch., in denen ein Fin
kenpürchen nistete. Die Bewohner deS
Hauses streuten den Thierchcn öfter
Futter, und diese? hatte sich Polly",
der Papagei, gemerkt. Sobald er sei
nen Käfig Verlagen durfte, flog er gleich
falls in den Rosenhain und trug den
jungen nmken ganze Schnäbel voll von
seinem Futter zu. Die Kleinen nahmen
die neue Pflegemutter dankbar auf; die
Alten aber flogen vor dem großen Vogel
erschreckt von bannen. Jetzt war .Polly'
überhaupt nicht mehr in den Käfig zu
rückzubringen. Sie blieb im Rosen
Hain und zog die durch ihre Schuld ver
waiftcn Jinklein groß. Keine Mutter
konnte die Jungen sorgfältiger pflegen
und füttern als sie. Als die Kleinen
flügge waren, saßen fte oft auf Kopf
und Rücken ihrer Stiefmama und ließen
stch von dieser durch Hof und Garten
spazieren tragen.
Japanische Schuhe.
Im Gegensatze zu der unsinnigen
Fußverkrüppelung der Chinesinnen tra
gen die Japanerinnen daS denkbar be
quemfte Schuhzeug. ES find hölzerne
Sandalen oder aus Stroh geflochtene
Pantoffeln. Die Sandalen sind so ge
arbeitet, daß die große Zehe ein Plütz
chen für ftch hat. Bei jedem Schritte
verursachen diese sehr bequemen Holz
schuhe ein klapperndes Geräusch, das
dem Japaner ebenso wohltönend er
scheint, wie dem europäischen Cavalier
daS Klirren seiner Sporen. Desto leiser
schreiten die Japaner und Japanerinnen
auf den aus weichem Stroh gefertigten
Schuhen einher, die mit besonderer Vor
liebe von den Leuten getragen werden,
die weitere Reisen zu machen haben.
Allerdings hält ein Paar nicht allzu
lange vor; gewöhnlich versieht man sich
gleich mit zwei bis drei Ersatzpaaren,
vonjdenen jedes nach unserem Gelde etwa
li CentS kostet. Trotz dieses wohlfeilen
Preises find diese flachen Schuhe sehr
gut gearbeitet, und zwar für den rechten
und linken Fuß paffend. Originell ist
eS, daß die Japaner ihre Echuhe nicht
anbehalten, wenn fie in ein HauS tre
ten. ES gewährt einen urkomischen
Anblick, wenn man die Straßen TokyoS
hinabschreitet und vor jedem Hause ein
oder zwei Paare, oft eine ganze Reihe
größerer und kleinerer Schuhe stehen
sieht. Ob ftch unsere eleganten Damen
je dazu entschließen würden, ihre reizen
den, wenn auch weniger bequemen
Schuhe gegen japanische Strohpantöffel
chen einzutauschen, bleibt wohl sehr ab-zuwarten.
Bös 'reingefallen.
John Everett MillaiS kam bei einem
Festmahle so erzählte einmal der jüngst
verstorbene Künstler selbst neben ei
nem jungen, hübschen und sehr gesprächi
gen Fräulein zu fitzen, ohne ihm jedoch
vorgestellt zu werden. Sofort eröffnete
die Dame ein Kreuzfeuer von Fragen:
Waren Sie auch in der Akademie und
haben Sie dort die Bilder von MillaiS
gesehen?" Als ich bejahte, fuhr fie fort:
Finden Sie nicht auch, daß dies
grauenhafte Patzereien sind? Ich begreife
nicht, wie man solche Machwerke aus
stellen mag."
In diesem Tone sprach fie noch lange
fort, während ich ftumm blieb, bis da
Lächeln und das vielsagende Stillschwei
gen der Nachbarn fie plötzlich in ihren
Ergüssen unterbrach. Sie wurde über
und über roth und flüsterte mir leise
in's Ohr: Um'S Himmels willen was
hab' ich denn angestellt? Bitte, sagen
Sie mir's doch!"
Jetzt nicht," erwiderte ich. Effen
Sie ruhig weiter, nachher werd' ich'S
Ihnen sagen."
Noch ein paar Mal versuchte fie, Et.
waS aus mir herauszubringen, doch
vergeblich, und erst als der Nachtisch
aufgetragen wurde, füllte ich ihr Cham
pagnerglaS und sagte zu ihr: Bitte,
trinken Sie es aus, bis ich Drei gezählt
habe."
Sie gehorchte ohne Widerrede, und
während fie nicht sprechen konnte, ergriff
ich die Gelegenheit, ihr zu sagen: Nun
denn, ich selbst bin MillaiS, deswegen
wollen wir aber doch gute Freunde
bleiben!"
Ttt Schaumwein des eneral
Buller.
Kürzlich gab der englische UnterftaatS
Eecretür deS Kriege. Mr. Brodrick.
zum Lobe der KriegSoerwaltung in einer
öffentlichen Rede ein Gcschjchtchen zum
Besten, welche? lebhaft an to manüen
Streich erinnert, den man sich von der
PoiSdamer Oderrechnungskammer er
zählt. Vor etwa zwölf Jahren, unmit
tkldar nach dem Falle Khaitums. er
klärte in Kha,tum Sir Revers Bullcr.
der GeneralftädSchif des englischegypti
schen Operation'corpZ gegen die Mah
diften, seinem OberbeschlZhader Lord
Wolselcy, daß er sich außer Stande
fühle, eine längere Depesche an da?
Kriegsministerium aufzufitzen. Seit
drei Tagen sei er nicht in'S Bett gekom
men. noch habe er während dieser Zeit
seine Augen auch nur sür einen Moment
zum Schlafen geschloffen Lo:d Wo!
seley rieth ihm zu einer Flasche Schaum
wein als AuffrischungZmitlcl, und Bul
ler that hiernach. AlZ er dann acht
Monate später in London wieder an
langte, war er sehr erstaunt, im Krieg?.
Ministerium sein Conto mit dem Preise
dieser Flasche belastet zu finden, und
nicht nur daZ auch die Unkosten deS
Transports der Flasche bis zu dem Orte,
wo der General fte sich genehmigte, hatte
man ihm angerechnet! Mr. Brodrick
fühlte diese Geschichte als Beweis für die
Gewissenhaftigkeit und Sparsamkeit der
englischen KriegSvcrwaltung an. Wir
meinen aber, daß man füglichcr Weise
nur den BureaukratiZmuS anstaunen
kann, der sich darin kundgiebt.
Die Lehrerin der Armuth.
Eine sehr reiche Dame der hohen ruf
fischen Aristokratie, die Gräfin Vera de
DerwieS, hat in den Quartieren der
Armuth m St. PeterZbung ein großes
Gebäude errichti.: lassen zur Belehrung
und Zerstreuung des Volkes. In dem
Hause bzfindet sich ein großer Saal, in
welchem die Armen an der Hand von
Experimenten und Lichtbildern in die
Geheimnisse der Wissenschaft eingeweiht
werden sollen. Der Raum faßt unge
führ 600 Personen. Hier werden auch
ein big zweimal in der Woche Volks
conzerte gegeben. In einem anderen
Saale werden weibliche Handarbeiten
gelehrt. Ein dritter Raum enthält
eine größere Anzahl von Klavieren, an
denen die unbemittelten Schüler und
Schülerinnen deS ConservatoriumS und
anderer Petersburger Musikschulen ihre
Studien machen können. Die Biblia
thek umfaßt eine stattliche Anzahl
Bücher, die nicht nur in den Lesezim
mern benutzt, sondern auch gegen
Sicherheit nach Hause mitgenommen
werden können. Im zweiten Stock be
finden sich Maler und Bildhamr
Ateliers, wo unter Leitung bewährter
Meister in zwei Sälen die Schüler,
nach dem Geschlechte getrennt, arbeiten.
Alle Räume sind elektrisch beleuchtet und
mit Luftheizung versehen. Der Besuch
deS Instituts ist für die arme St. Pe
tersburger Bevölkerung vollständig
kostenlos.
Ter verführte Don Juan!
Ein köstliches Geschichtchen ist einem
bekannten Warschauer Lebemann paf
firt. Stand da gegen Abend eine vor
nehm gekleidete Dame in der Vorstadt
ftraße LeSzno, einen Pferdebahnwagen
erwartend. Ein schmucker Don Juan
näherte sich ihr und begann fte mit
seinen Anträgen zu belästigen. Die
Dame würdigte ihn anfangs keines
Wortes. Als ihr aber die Sache doch
zu bunt wurde, sagte fte plötzlich, einer
originellen Eingebung folgend: Bitte,
gehen Sie mir nach, aber in einer ge-
wissen Entfernung!" Ter vergnügte
Cavalier folgt nun der Dame willig bis
an ein HauS in der Solna, wo fte im
Thorwege verschwindet er steigt ihr
bis in das oberste Stockmerk nach und
befindet sich, nachdem er die Thür einer
Dachwohnung, etwas zögernd schon,
passirt hat, mitten in einer Handwerker
familie, deren stämmiges Oberhaupt
ihm sofort den Ausgang versperrt l Die
Same stellt ihm nun zur Wahl: ent
weder sofort für diese arme Familie,
für die sie sich interessirt, 10 Rubel zu
hinterlegen, oder auf daS Polizei
bureau zu spazieren. Der sprachlose
Don Juan zieht feine Börse, entschul
digt sich stockend, daß noch etliche Rudel
fehlten, und verschwindet I Die Luft zu
Abenteuern ist ihm vergangen, zumal
er in der Dame die Frau eineS hohen
Beamten erkannt hat.
lilkintr rrllziim.
Madame (zum neuen Dienstmädchen) ;
...Uno dann. Bertha. dringe auch
kikien ÄtjeS Hering mit!"
Beria (nach kurzer Zeit wicderkom
r.uiid): .Madam', ich hab' den Vor
amen von dem Hering vergessen !'
Sche I
Hausfrau (zum Colporteur, der daS
10. H?ft eines RomanS abliefern will):
DaS Heft kann ich Ihnen nicht adneh
men Herr Meier ist gestern geftor
den !"
Colporteur: Ach. wi, schade ! Jetzt
wird der Roman gerade so spannend I"
Dit wilden Helfen liabr's arich'n.
Die Wilden Nelken habcn'S geieh'n.
AiS ich den Mund dir bet.
Und seh' ich am Rain nun Nelken stch'n.
Werd' ich wie Blut so roth.
ES läßt mir nicht Rast. eS läßt mir
nicht Ruh'.
Ich pflücke fie olle ab
Darf Keiner .'S. wissen als ich und du.
Daß ich geküßt dich hab'!
Umschreibung.
...Sehen Sie. Fräulein Bertha,
die Comtesse Mitterftein hätt' ich auch
heirathen sollen aber ihre ganze ga
milie war gegen diese Verbindung!"
Nun. und das Mädchen ?"
Die gehört doch auch zur Ja
milie!"
Das Haushaltungsbuch.
Ein junger Ehemann, der zu seinem
Leidwesen bemerkte, daß seine hübsche
Frau weit mehr ausgab, als die Ver
hültnisse deS Ehepaars gestatteten,
brachte dieser erneS Tages ein hübsches
Haushaltungsbuch mit. DaS übergab
er ihr, gleichzeitig ein Buch mit S50,
mit den Worten: Siebst Du. mein
Kind, bier auf die eine Seite wirst Du
nun Alles einschreiben. waS Du von
mir erhältst, und auf die andere DaS.
waS Du ausgibst. In 14 Tagen wirft
Du wieder Zuschlag erhalten." Nach
Verlauf dieser Zeit fragte er nach dem
Buche. O, ich habe richtig Buch
und Rechnung geführt!" rief die junge
Frau. Hier, überzeuge Dich selbst."
Dabei fand ihr Mann aus der einen
Seite die Worte: Von Willy erhalten.
850," und auf der andern die lakonische
Inschrift: Alle? ausgegeben."
Zu viel Demuth ift noch wioerwärti.
ger, als zu viel Hochmuth.
llWbcx ricib.
Anna (Tochter einer reichen Erbin):
Du, Emmy. im Vertrauen: soeben
hat mir der Baron einen HeirathSan
trag gemacht !"
Freundin: So! Da Z ift aber noch
lange keine Liebeserklärung!"
Ti guter Sobn.
Vater, man hat heute über Dich ge
schimpft und hat gesagt, Du lebst aus
schließlich vom Schwindel ! Ich hab'
mich Deiner aber angenommen I"
Nun, waS haft De gesagt, Moritz
chen?"
Ich hab' gesagt. Du lebst nicht
ausschließlich davon!"
Sprüchl'n.
Für All'S gibt'S a' Eprüchl.
An' Reim und a' Red';
Wer nix woaß, sagt : Ja. ja !"
Und verred't s i' oft net.
,.Wo Drei mal essen.
Ta ißt aa' der Viert';"
So rechn't d' Familie
Do' anders der Wirth.
verräthcrijche Steigerung.
Besucher: Sie fürchten sich wohl vor
Ihrer Frau?"
Pantoffelheld: Ich, was fällt Ihnen
ein! Nicht im Entferntesten. Am we
nigften heute, wo Besuch da ift."
Lacksischfhanwsic.
Ach. Grethchen, wie schön war die
Parade und gar Herr Schulz, mein
Verehrer, als Flügelmann! So muß
Apollo als Einjähriger aus
gesehen haben !"
Eine gemachte Sache.
Man warnte ihn vor dem Mädchen
Man warnte sie vor dem Mann
Wenn d a S nun nicht zur Hochzeit führt,
Dann weiß ich n'cht, was dann I
Ll?rlich.
A: Das Lottcrieloo, welches Du
gefunden, haft Du doch zurückgegeben?"
B: Seldßverständlich.. gleich nach
der Ziehung !"
In Gedanken
Räuber: Geben Sie mir sofort
Ihre Börse und Ihre Uhr I" 0,111
Professor : Aber, mein Herr ich
kenne Sie ja gar nicht !"
kzöchfte Vereinsmeierei.
In Großfchwabbelburg hat ftch ein
Verein der Vereins Vorstände ge-bildet."
Unverbesserlich.
Milchhändler (der weaen Vantsckerei
zu 100 Mark verurtheilt wurde, zu fei
ner Frau): Du. Alte, letzt heißt'S aber
fest Waffer 'neinschütten, bis wir die
103 Mark wieder 'rauShab'n !"
Eine Unmöglichkoit.
Mama: ..Nun oib Dir teM hier
Mühe, mein Liebling, dann wirft Du
auch höher hinauf kommen ick nnfu
in der Schule stets den ersten Klaffen
platz gehabt !"
Elschen (nachdenklich das SÄhf,.
schüttelnd): Merkwürdig! Alle Mamas
Haben den ersten Platz gehabt !"
Ltzrlich.
Bankier (m einem nk ; mm
reflectirenden Käufer, während der Be
fichtigung) : . . Das Gewächshaus allein
kostet 10.000 Mar!. . 6000 Mark be
schwör' ich !"
Unter Freundinnen.
Warten Sie nur. warten &t nur
Ihnen will ich einmal ungeschminkt die
Wahrheit sagen I"
Ha. ha. ha. ffrau A-ffr,r. hnm,
müßten Sie aber heiter aussehen !"
G wch I
Frau A.: ..Hat Ihr Mann aeliern
von der Jagd einen 5iasn minie
bracht?"
Frau B.: Nein einen Asien."