Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 03, 1898, Image 6

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9"12 Uht Vormittags; 3--ö .Uhr Nachmittags.
"rer Agent schrieb zahllose ?ele
gramme, on sämmtliche Berivcindie de
Äräuligams, an hlislian, an da
Tkauklmaga;in, alle Zieundinncn der
Äraut und an die unmöglichsien Mtult.
Ten ganzen Abend saß natürlich taS
Brautpaar neben einander und küßte
sich, was bis gegen halb zwölf Uhr der
Tante jedesmal einen Ctich in' Herz
gab. üxt da begann sie Al'cS in
rosigem richte zu sehen, und beim Auf
bruche hatte sie Zettchen zärtlich unter
gefaßt und geleitete sie in daS wunder
hübsche Schlafzimmer, daS mit dem
ihrigen durch eine offene Thür verbun
den war.
Der Agent und der Bräutigam kneip
ten noch bis Morgengrauen und der
Letztere war der glücklichste Mensch der
Welt. Sollte er etwa hingehen und
seine Million mit einer Zweiten ver
heiralhcn? Wahrhaftig nicht! ör
wuchs förmlich vor Stolz und Glück
und schwur, heute über drei Monate
Ehemann zu sein.
Was Jeltchen betrifft, so verbrachte
sie die himmlischste Nacht ihres Lebens.
Sie lachte und weinte abwechselnd in
die Kissen, und erst als die nebenan
liegende Tante, die auch nicht einschla
fen konnte, die Rede auf die Aussteuer
brachte, die sie selbst mit einzukaufen
versprach, kam JettchcnS kleiner Kopf
auf leidlich praktische Gedanken, und
ihre Träume schwankten dann zwischen
Leinen, Spitzen und dem Herzliebsten
wirr hin und her.
14. Kapitel.
Als die Tante aufwachte, hatte die
allmälig aufdämmernde Erinnerung an
JettchcnS Verlobung zunächst auf sie
annähernd den gleichen Eindruck, wie
gestern bei der Erslickungögefahr. Es
war unglaublich und unerhört. Sie
stand auf und ging in das Ncbenzim
mer, Iettchen war aber bereits seit
vielen Stunden unten. Franz hatte sie
natürlich sclion auf der Tcrasse er
wartet. Er führte die ganze Tasche voll
großer Banknoten, die in der Frühe
aus Hamburg angelangt waren, und er
halte in seinem Glück bereits den Leicht
sinn" begangen, dem Agenten fiinfhun
dert Francs zu leihen. Alle Drei früh
stückten in der schönsten Laune, dann
wurden in der Stadt VcrlobungZkartcn
bestellt, die der Agent nach Ausschreiben
aller Adressen zu expcdircn sich vcr
pflichtete.
Gegen Mittag kam die Tante her
unter, war aber im Vergleich zu gestern
wie ausgetauscht und ließ sich mit
Jettchen nur in die nothwendigste und
kühlste Unterhaltung ein. Sie wünschte
nunmehr zu erfahren, wo der berühmte
Spielsaal sei, und war verwundert,
daß man dorthin noch mit der Eisen
bahn zu fahren habe. Sie drängte zum
Aufbruch und alle Vier unternahmen
die Fahrt gemeinsam.
Jetlchen kam aus dem Staunen nicht
heraus, als ihr Liebster ihr klar zu
machen suchte, was da auf den grünen
Tischen eigentlich vorgehe, und sie
wollte zuerst gar nicht glauben, daß
die Herren und Damen die Massen
Geld weggeben müßten, wenn sie die
falsche Farbe gewählt hatten. Sie ließ
sich die Summen nennen, die da bis
weilen auf dem Spiele standen, und
rechnete insgeheim aus, daß Fräulein
Mödling, die Direktrice im Trauer
magazin, in zwanzig Jahren nur so
viel verdiene, als die gelbe Dame
gegenüber in einem Moment gewonnen
hatte. Der kleine Bräutigam wollte
ratürlich auch setzen, aber da befiel sie
eine so große Angst, daß sie ihn instän
big bat, das nicht zu thun. Schließlich
versprach er es denn auch und war nach
her bei der Heimfahrt riesig stolz, daß
er vermittelst der Liebe den Spielteufel
in die Flucht geschlagen hatte. Außer
dem hätte er auf Roth," das er beslän
big zu besetzen sich vorgenommen hatte,
ein kleines Vermögen verloren. So
hatte also seine süße kleine Braut ihm
heute mindestens zwanzigtausend
Mark" gerettet, und er behauptete, zum
Aerger der mißgelaunten Tante, die
daö kindisch fand, Jettchen bringe ihm
zwanzigtausend Mark Mitgift.
Tief niedergeschlagen warderAgcnt,
der.nicht nur die geliehenen fttnshun
dert Francs zum Teufel gejagt, sondern
auch der Tante durch seine unglücklichen
Rathschläge schwere Unheil zugefügt
hatte. Ihr Verlust betrug nach seiner
Schätzung allermindestens zwölfhundert
Francs, und Neffe und Tarne lehnten
bei der Heimfahrt düster und trübe in
ihren Ecken. Daß JettchcnS munteres
Vachen, die bodenlose Verliebtheit deS
Hamburgers und Beider ewiges Geküfse
die Laune der Anderen nicht just vcr
besserten, läßt sich begreifen.
Am nächsten Nachmittag fuhr daS
Brautpaar nicht mit, sondern rüstete
zu Herrn MelnikS Abreise, die bereits
am zweitfolgenden Tage vor sich gehen
sollte. Er hatte im Glück der Liebe dem
Spielteufel den Abschied gegeben und
wollte nach Hamburg vorauseilen, um
dort Alles für die baldige Hochzeit vor'
zubereiten. Jcttchcn sollte in Obhut
der Tante zurückUeiben und in deren
Begleitung die Rückreise antreten.
An diesem und dem nächsten Tage
kam die würdige alte Dame immer erst
sehr spät nach Nizza zurück, war aber
auf dem besten Wege, der Bank einen
Hieb ersten Ranges zu ertheilen und
zeigte sich deshalb von der freundlich
sten Seile. Am Abend vor dcö Ham
burgcrs Abreise waren alle Vier noch
einmal vergnügt zusammen, und die
Tante hatte sich letzt so an JettchcnS
Rangerhöhung gewöhnt, daß sie mit
dem früher verachteten Geschöpf wie
mit einer durchaus glcichwcrlhigcn,
ja sogar ziemlich hochstehenden jungen
Dame verkehrte.
Der Bräutigam hinterließ für Jett
chcn ein Depot von Kassenscheinen,
dessen Anblick den Agenten in Vcrwir
rung setzte, dann nahm er unter j!üj
sen, Thränen und gegenseitigen Liebe
schwüren Abschied. Alle nächsten Tage
veroracyle cliazen von nui, vi? zur
sinkenden Sonne mit Briefschulden.
Sie bckleckjie so viele Bogen, daß sie
leben Brief mindestens sechs bis acht
mal abzuschreiben halte, ehe er versandt
fähig war. Dann freilich präsenlirle er
sich sauber und wie gestochen, und
machte dem guten Franz in Hamburg
bodenlose Freude. Im Stil war dieser
selbst schwach und er legte mehr Werth
auf die Viedesbcthcucrungea und auf
eine saubere Handschrift. Natürlich
kamen auch von ihm täglich Briefe,
und ihre Lektüre veränderte Jeltchen
von Tag zu Tag mehr. Sie wurde
ganz still und mädchenhaft. las und
lernte Gedichte, die Frau; ihr geschenkt
hatte, und schaute milder tiefsten Rüh
rung aus den goldenen Ring. Die
Liede wirkt Wunder, dachte die Tante
in den ersten Tagen, als sie noch bis
weilen Zeit hatte, Jeltchen zu be
dachten. TaS Unglück regnete aber
mit so unausgesetzten Schauern auf die
arme alte Dame ein, daß sie bald auf
hörte, sich mit anderer Leute Jntercs
sen zu beschäftigen.
Ganz jämmerlich gestaltete sich die
Sachlage für den Agenten. Je rascher
die großen Banknoten aus der Tante
Verwahrsam wo dieses Versteck sich
befand, war ihr Geheimniß hinaus
wanderten, um so mehr Hagelle ihr
Zorn aus den Agenten. Die Tante
verpflegte sich und ihn mit der elen
besten Sparsamkeit, und als es ihm
gelungen war, mit heiligen Schwüren
und unglaublichen Lügen aus JettchcnS
Depot eine Hunderlmarknote zu locken,
ging diese mit größter Promplheit am
selben Tage futsch.
Vierzehn Tage nach iher Ankunft
war die Tante so radikal ausgeplün
z, rt, daß selbst Jcttchcn ein herzliche
Äitleid erfaßte. Sie waren alle Drei
zbcn im Salon. Der Agent brütete vor
ich hin und fühlte einen kannibalischen
Hunger,"Jeltchen lehnte verlegenem
Fenster und die Tante lag aus dem
Kanapee. Ihr Gesicht war ganz spitz
geworden und der schwache Versuch, sich
Jettchen gegenüber noch eine gewisse
Würde zu geben, brachte in dieses Ge
sicht ganz seltsame und bemilleidenö'
werthe Grimassen.
Gegen Abend ft.ßte sie endlich den
großen Entschluß und bat Jettchen um
ein Darlehen. Nun muß erwähnt wer j
oen, vag oice mit einer saveiyasien
Sparsamkeit die große Summe vcr
waltet hatte und bei jeder Apfelsine
und Ehokoladentasel ängstlich über
legte, ob sie da Geld angreifen dürfe.
Daß Alles das ihr gehörte und ihr zum
Geschenk gemacht war, konnte sie nicht
glauben. Die hundert Mark, die sie
dem Agenten geliehen hatte und die
nicht wicder kamen, verursachten ihr
schon die größten Gewissensbisse, nun
aber aar nocb einmal davon kieracben
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in.ui, vll luiiuit it inuji, u;i:ie ic
nicht.
Die Tante blieb bei dieser Er
Lffnung ziemlich gefaßt. Sie hätte ja
nach Berlin depejchiren können, aber so
viel Halt bewahrte sie doch noch, um
sich zu sagen, daß damit der Anfang
vom Ende kommen würde.
Schließlich erbot sich Jettchen, so
viel der Tante zu leihen, um die
Hotelrechnung und die Reisekosten zu
bezahlen. Das freundliche und eigcnl
lich selbstverständliche Anerbieten wurde
denn auch acccptirl und der Agent be
kam warmes Abendbrod.
Unter den Verwünschungen des
Hotelpersonals, da keinerlei Trinkgeld
erhielt, nahm das Trio von Nizza Ab
schied, und aller Drei wichtigste und
ufregcndste Lebensperiode war damit
abgeschlossen. Wieder fuhr man durch
Tunnels und über Abgründe, aber die
Tante saß mit geschlossenen Auge
apathisch, Jcttchcn las einige hundert
Male Franzens Liebesbriefe und der
Agent fuhr mit einem anderen Zuge
hinterdrein, da er natürlich die billigste
Fahrgelegenheit mit Personenziigen und
dritter Klasse zu benutzen hatte. Wie
er mit den drei Mark und zwei Francs
Reisespesen bis Berlin gelangen sollte,
war ihm ein Räthsel.
In Deutschland blühten die Obst
bäume, alle Felder und Wälder waren
grün, und als der Zug in daS große
Berlin cinfulir, lachte auch über der
Hauptstadt Frülilingelonne.
Ueber dem Traucrmagazin hing ein
Kranz mit Willkommen." . und als
die düstere Tante in ihre Wohnzimmer
verschwunden war, sielen die sieben
Ladenfräulein Jettchen um den HalS
und schwuren ihr ewige Freundschaft.
15. Kapitel.
Es waren Tage vergangen seit dem
Abende, wo Clara Hänisch Braut ge
worden war. Richard kam jeden Tag
und schuf damit der Gcheimräthin be
deutende Unkosten. Die Fleischerrech
nung schwoll in bedenklicher Weise, und
dieser Bräutigam vertilgte Mittags
und Abends Flcischschciben in Ouan
titälen, als ob es sich um Schnitten
Brod handle. Er hatte immer noch
nicht den Muth gefunden, sich Clara
anzuvertrauen und seine wahre Lebens
läge ihr mitzutheilen. Die Sache war
indessen nicht mehr hiutanzuhalten,
denn am zweitfolgenden Tage hatte er
seine Stelle im Gcnua-Hotel anzntre
ten, und dann war es mit den häufigen
Besuchen zu Ende. Man würde fragen,
weshalb er nicht mehr so ost komme,
ob er ein Amt übernommen habe, wcl
ches und Alles würde an'S Licht kom
mcn. So faßte er sich denn ein Herz
und beschloß, Clara endlich rcincn
Wein einzuschenken. ES traf sich sür
ihn äußerst glücklich, Clara war allein
zu Hause. Sie flog ihm in die Arme,
geleitete ihn in'ö Zimmer und war in
jeder Bewegung, in jeder Miene und
jedem Wort das glücklichste Mädchen.
In dem blauen Hauekleide mit der
weißen Schürze sah sie hübsch und
frisch anö, und die wellen Wangen
waren im Glück wieder blühend ge
worden. Richard schien ihr merkwürdig besan
gen. War er krank? Hatte er einen
Kummer gehabt? Sie umfing und
küßle ihn so zärtlich und angstlich, daß
ihm sehr weh wurde, diesem vertrauen
ven Geschöpf eine Unwahrheit gesagt zu
yaven. Lr dlacöle die groize Vtlltkzr,.
lung nicht über die Nxpen, und ert
dann, als sie in Angst ihn beschwor, zu
sagen, wa ihm fehle, begann er siol
tnd und unzusammenhängend sein
Bekenntniß. Auch jetzt war er noch
nicht ganz ehrlich. Er sprach von sei
ncm Vater als einem Manne mit hoch
fliegenden Ideen, der als Künstler
als Photograph wohl nicht seinen
rechten Wirkungskreis gesunden habe,
der dann der Sache des gcdrualcn Vol
tcS sich angenommen habe und diese
hohe Mission mit einer politischen Be
strafung büße. Groß und sicberhast
glänzend waren Claras Augen auf ihn
gerichtet, als er das in mangelhaften
Sätzen vorbrachte, und als Gegenstück
führte er nun rasch den amerikanischen
Onkcl in'S Tressen. Der war Millio
när in Miliruukee oder irgend sonst wo
dort drüben und konnte, wenn er ein
mal Lust Halle, niit einer Hand
bewcgung die ganze Familie Kreiser
auf eine hochanständig: Hohe heben.
Das Alles war nur die Vorrede, nun
ober kam das fiirchtetliche Gesläntniß,
daß er Clara gegenüber betreffs seiner
selbst nicht ganz die Wahrheit gesagt
habe.
.Nicht?" Ihre Stimme zitterte,
und sie mußte sich fest an die Tisch
platte klammern, um nicht allen Halt
zu verlieren.
Was irgendwie an Glanz über die
kleine soziale Stellung eine Kellner?
gelegt werden kann, brachte er glücklich
zusammen. In der schweren Ungunst
der Verhältnisse habe feiner Zeit Herr
Kreiser senior sich entschließen müssen,
den Sohn in eine praktische Laujbahn
zu stellen. Der habe in allen Muße
stunden gelernt und gearbeitet, fremde
Sprachen sich angeeignet und die
deutsche Literatur fleißig gelesen. Noch
immer sei freilich sein Ziel : ein cige
neS Hotel großen Stils, nicht erreicht,
aber als Leiter eines solchen, des
Genua-HotelS, dürfe er hoffen, auf der
großen Uebcrgangsstufe angelangt zu
sein.
Die schöne Gabe, kleine Thalsachen
in ein merkwürdig gutes Licht zu stel
len, war jedenfalls die vortheillafteste
Mitgift, die Herr Kreiser senior sei
nem Sohne gegeben halte, und nur
diesem Unistande verdankte es der
wackere Richard, daß er sich in dieser
schrecklichsten Stunde seines Lebens
leidlich aus der Schlinge zog. Von sei
ner kümmerlichen Laufbahn als kleiner
Lehrling bei Liephold und von Liep
holds gemeiner Grobheit war nicht die
Rede. Auch nicht von der weiteren Ent
Wickelung in feinen und minderwer
thigen Restaurants, endlich auch nicht
vom Kafe Royal und dessen Details.
Und wirklich schien die arme und
einfältige Clara zu glauben, daß gleich
PallaS aus Zeus' Haupt ihr Bräuli
gam sofort als Leiter des Genua" in
die Karriere gesprungen sei. Was
wußte sie von Hotels und deren Lei
tung! Und, als Richard mit Emphase
versicherte, daß er dort ein gutes AuS
kommen finden werde und fest überzeugt
fei, als reicher Mann seine Tage zu
beschließen ja, da biß sie die Zähne
zusammen und fand Alles gut. Sie
herzte ihn und küßte ihn, strich alle
Falten aus seiner Stirn und sagte, sie
wolle sein gutes treues Weib werden.
Wie ein Alp fiel es ihm von der
Brust und in dieser Stunde empfand
er zu dem hingebenden Mädchen eine so
dankbare und innige Liebe wie nie.
Aber zu einem reichte diese Liebe doch
nicht aus: die nächste und schwerste
Stunde mit Clara zu theilen, ihr bei
zustehen, wenn nun Mutter und ichire
ster kommen würden und sie das Ge
ständniß ihres Bräutigams denen mit
theilen sollte. Er hatte es sehr eilig,
er mußte schnell fort und Geschäftliches
besorgen. Sie, Clara, solle ihrer Mut
ter den Sachverhalt mittheilen und vor
Allem betonen, daß die Stelle im
Genua" eine einkömmliche und gute
sei. Er fand sehr schnell Paletot und
Hut und nahm mit so eiligen, wenn
auch zärtlichen Küssen von seiner Braut
Abschied, als ob die schweren Schritte
der Gcheimräthin schon die Treppe
herauf kämen. Am BelleAlliance
Platz ging er in ein Restaurant und aß
vornehm zu Mitlag, und es machte ihm
Spaß, daß die Kellner um seinetwillen
laufen mußten, ohne von seinem Stande
eine Ahnung zu haben.
Elara saß derweil daheim mit ver
schränkten Händen, ließ die Suppe in
der Küche überkochen und daö Fleisch
verbrennen und redete sich Muth ein.
Sie war tapfer gewesen, so lange
Richard da vor ihr saß und sie sich
hilfesuchend an ihn lehnen konnte, als
aber sein Tritt aus der Treppe vcr
hallt und sie nun allein war, da siel
sie in sich zusammen, und aus acht
sonnige Tage war schauerliche Finster
niß gefolgt.
Mein Gott, wie hatte sie in dieser
Stunde da eben die Kraft gefunden,
ruhig zu bleiben, zu lächeln, zu küssen,
ihn gar noch zu beruhigen?
ES war daö Ende. Das jämmcr
lichstc, lächerlichste.
Sie strich sich leise über die Stirn,
als wäre da ein dummer alberner
Traum, den man mit einer flüchtigen
Bewegung fortwischt. Sie schrumpfte
förmlich zusammen, die glühende
Glückserregung war verschwunden, und
in schwerer Reaklion trat eine sahle
Blässe über ihr Gesicht, die sie um
Jahre alterte.
Belogen! Von ihm! Von wem?
Von einem Kellner, der den Herrn ge
spielt und ein Mädchen in den Kreis
seiner Lächerlichkeit gezogen halte.
Sie sprang auf in wahnsinniger
Angst.
Die Mutter wird kommen, sie werde
Alles sagen müssen und und lieber
sterben.
Und er ließ sie ollein? In dieser
Stunde! Sie schlug die Hände vor daS
Gcjichl, und dS sons. so ruhige Mäd
chcn stürzte in Verzweiflung auf den
füdcnjchcinigcn Teppich nieder.
Halle er sie wenigstens mitgcnom
mcn, in sein Haus, einerlei wohin,
nur fort! O diese furchtbare Angst!
Diese furchtbare Angst!
Sie dachte nicht mehr an die Schande,
an die elende Zukunft, nicht daran, daß
7 Liebste sie zammervizll belogen und l
gekausüik tzave nur an cie a."u;cr s:.9
was die sagen wiiide?
So lag ie lange auf dem Teppich,
ohne Gedanken, bebend, zitternd, salil.
todlenblaß. bei zcdem G.tauich draßci'
usichauderud.
Run ging on der Tbür im Korridor
ter Schlüssel, und qleich tiirauf wurde
der Geheimrälhin Sliinme börbar.
Clara sprang empor und riß das Fen
sler aus. am chnil. ein lurz. und
diese Leben der Qual ist zu Ende.
Cie beugte sich hinaus und starile eine
Sekunde in die Tiese, dann schloß sie
zitternd die Augen und blieb so stehen.
Die Stubenihür wurde aufgesioßc
mi athcmloS vom Treppensteigen, roth
?or Zorn und Aufregung kam die Ge
icimräthin herein.
.Nicht zwei Minuten aus dem Haufe
achen, nicht einmal das kann man
mehr! Die ganze Küche verbrannt,
verpestet! Clara!"
Clara hielt die Augen fest geschlos
scn und rührte sich nicht. Nun fiel der
Blrck ihrer Muller aus sie.
.Clara!"
Sie sah sich nicht um und blieb be
wegngloS. Da tauchte eine schreck
lime Vermuthung in der Gcbcimrälhin
auf. tzit stürzte auf ihre Tochler zu.
riß ihr die Hände vom Gesicht und sah
ein loZtenblai.eS, cnljiclllcS Antlitz.
Auch Hcdwig kam herein und sah
staunend, was rorging.
Dre ehermrathin suchte sich zu
fassen. Sie zerrte Clara vom Fenster
sort in die Mitte der itube und stellte
sich dicht vor ie Hrn.
Er war hier?"
Sie nickte.
Und da?'
Ein Gedanke ging durch daS Hirn
des armen Mädchens. Sie sah ihre
Mutter on mit einem leeren Blick,
der doch unendlich viel sagte und die
Gehcimtäthin einigermaßen verwirrte.
Ja aber was waö war denn?"
Hedwig war herangetreten und hatte
in Angst die Schwester umgefaßt. Wie
eine Versinkende schloß sich Clara an
sie, nicht mit heftigen Bewegungen,
nur die Hände wie mit Klammern
um die der Schwester pressend.
Leise, tonlos sagte sie Alles, ver
schwieg nichts.
Als sie geendet hatte, stand sie
allein. Hcdwig lehnte am Fenster und
schaute nach den Schwalben, die den
Frühling gebracht hatten und zwischen
den Häusern hin und her huschten.
Die Gcheimräthin saß aus dem Sopha
und war während der Erzählung immer
schwächer und kleiner geworden, so sehr,
daß sie einige Zeit ganz still blieb.
Sie fuhr nicht auf Clara lo?, wie
diese es in Todesangst sich ausgemalt
hatte. Erst nach einiger Zeit wandte
sie sich an Hcdwig, mit der sie über
Haupt das nächste Gespräch allein führte.
Es wäre nun gut, man brächte mich
zu Grabe. Man hat mir an meiner
Wiege vielleicht von Kummer und Noth
und Armuth gesungen, aber nicht von
Schande. Ich kann nun nicht mehr.
Nein, ich kann nun nicht mehr."
Hedwig versuchte die Mutter zu
trösten, was diese dankbar anerkannte.
Sie sprach jetzt mit merkwürdiger Fas
sung über Clara weg von allerlei Din
gen, daß der Tischler einmal kommen
und die Stühle leimen müsse und so
weiter. Den Namen Richards nahm
sie nicht in den Mund. Dann bat sie
Hedwig, mit ihr in das andere Zimmer
zu kommen, und Clara wurde allern ge
lassen.
Einige Male hörte sie die Mutter
heftig reden, aber es wurde bald wieder
still, und die Beiden im Nebenzimmer
unterhielten sich nnr gedämpft.
So saß sie Stunden allein. Sie
konnle nicht denken, Alle verwirrte
sich in ihr.
ES wurde dunkel, sie achtete nicht
darauf.
Gegen Abend kam Hedwig mit der
Lampe herüber, und die Gcheimräthin
folgte ihr.
Diese begann jetzt zu sprechen, aber
nicht zu Clara, sondern gleichsam in
eine ferne Ccke.
Sie, die Geheimräthin, will nicht
davon reden, was sie bisher für Clara
gethan und wie sie zu aller Zeit für sie
gesorgt hat. Daö war Multcrpflicht
und darüber verliert man kein Wort.
Sie wird jetzt noch ein Letztes thun.
Sie wird bei den v. Bocks mit einem
Fußfall vorstellig werden, und der Ge
ncral w,ird einer unglückseligen Frau
nicht die letzte Bitte verweigern. Man
wird im St. Anncnstift für Clara eine
Stelle auswirken, und wcnn das nur
ein sehr bescheidenes Stift ist, rhne
überflüssigen Luxus, so wird Elara
doch bis zu ihrem Lebensende dort auf
gehoben sein.
Geh nun schlafen, Clara."
Das Mädchen stand auf, und sie ging
wie sie eö seit altcrs gewohnt war
zu ihrer Mutter, um ihr den Gutcnacht
tuß ,zu geben. Die Gcheimräthin vcr
weigerte diesen Kuß nicht. Aber sie!
schaute dabei übcr Clara wcg und kam!
sich wundcrvar erhaben vor, dan sie die
sein Kinde, das namenlose Schande übcr
sie gebracht hatte, die althergebrachte,
wcnn auch noch so formclle Zärtlichkeit
nicht wehrte.
Die Kontraste im Leben sind fest
sam. Gestern und heute in der Frühe
noch eine glückliche Braut, nun am
Abend ein gebrochenes Weib, so namcn
loS elend wie keine-s mehr. Sie legte
sich in ihr schmales Act! und verbarg
den Kcps in den Kissen. Nach einiger
Zeit hörte sie nebenan Teller klaprern
und die Theemaschine sieden. Es war
noch srüh. und nach dem verdorbenen
Mittagessen trug die Gcheimräthin
Hedwig auf, Kartoffeln zu braten.
Beide unterhielten sich noch lange, und
die würdige Frau, vicllcichl angeregt
durch den Thec, begann maßlos über
den Schurken und Kellner hcrzuzichcu.
Clara versuchte den Ziopf in den Kissen
zu vergraben, um nichts mehr z hören,
ober ein Dämon zwang sie immer von
Neuem, sich aufzurichten und nach dcr
Thür zu starren, durch deren Schlüssel
loch ein Lichtschimmer siel.
Gegen zehn Uhr wurde draußen gr
klingelt, und Bruder KlauS kam heim.
Er war offenbar in der vergnügtesten
rune und bat sich noch ein Auttcrdrod
US. rann wurde er stiN. und Ulara
hdile mit weit aufgerijienen Augen,
wie die Mutter immer lauter und lzcs.
tiger ihm die Gejliiäile erzählte. Er
lachte erst leise, plötzlich stieß er ein
sörmliedcS gelles Vachcir aus. sprang
empor urd riß mit einem Ruck die
Thür zum Schlafzimmer auf. Der
volle Schein der Lampe siel auf Clara,
die in ihrem Bett aufrecht saß und bei
dem unerwarteten Zwischenjall leise
aufschrie.
.Der also! Und da zerbricht man sich
seit acht Tagen den Schädel, wo man
den Kerl schon 'mal gesehen hat. Dcr
Zahlkellner aus dem Kafe Royal?
Bravo! Guter Geschmack, Clara, alle
Achtung. Psui Teuscl!"
Und er schmiß die Thür wieder zu,
daß sie in allen Fugen krachte.
Aber im nächsten Moment wurde sie
wieder geöffnet und geschlossen, und
Hcdwig war hcreingehuscht. Sie um
schlang die Schwester und sagte ihr stam
mclnd. ziklcrnd Trostworle. Nach eini
gcr Zeit wurde sie freilich in das Wohn
zimmer zurückbeordert, und als dann
spat in der Nacht nach endlosem Schel
ten, Reden und Jammern die Geheim
rälhin und Hedwig herein kamen, um
zu Bette zu geben, hatte Clara sich nach
der Wand gervendet und schien zu schla
scn.
ES wurde allmälig still, und die
Geister der Nacht begannen ihren
Schattentanz.
16. Kapitel.
ES gibt Leute mit einem erstaun
lichen Maß von Keckheit, die vielleicht
zum Theil einer großen Naivetät ent
springt. Zu diesen gehörte auch
Richard, der geschniegelt und gebügelt
nii? in, mir nm nnhircti WiMnn in hr
Gcheimräthin Wohnung erschien. Er
zwetscire niaji oaran, van 'eine Zvraut
einen schweren Sturm zu überwinden
gehabt habe, aber nach vierundzwanzig
Stunden hatte sich die See wahrschein
lich leidlich beruhigt, und er durfte sich
wohl hinein wagen. Erklärlich war diese
merkwürdige Äusfassung dcr Sachlage
wohl nur durch sein Unvermögen,
genau den Abstand dcr einzelnen
Stände zu beurtheilen. Er sah mehr
die ärmliche Haushaltung der Geheim
räthin, als deren gesellschaftliche Rang
stcllung, und gab sich dem Wahne hin,
aß die vornehmen Leute in sinanziell
mißlicher Lage aufhören, den Werth
ibrer Person hoch zu taxiren. In seinen
Augen war die Slclle eines Leiters des
Genua" eine immens bedeutende, und
er vermochte nicht sich klar zu machen,
daß diese Stcllung mit der einer Ge
heimralhsfamilie wie Krcuzbcrg und
Chimborasso kontrastirt.
Als cr klingelte, wurde ihm von
Hedwig geöffnet. Die prallte zurück
wie vor einem bösen Geist.
Mama ist leider krank, sie be
dauert"
Etwas eingeschüchtert fragte er:
Und Clara?"
Clara i st ich glaube, Clara i st aus
gegangen."
Rein, Clara war nicht ausgegangen.
Man hörte in dcr Wohnstube einen kur
zcn Wortwechsel, etwas umrallen, die
Gcheimräthin laut sprechen dann kam
Clara heraus und trat auf ihren Bräu
tigam zu.
Komm herein, Richard, hier in
mein Zimmer."
Hcdwig zog sich verwirrt und er
staunt zurück, und da Brautpaar trat
in eine kleine ärmliche Stube, die halb
als Rumpelkammer benutzt wurde und
die Richard bisher noch nicht zu sehen
bekommen hatte. Das Aschenbrödel
halte hier vor der großen Stunde der
Verlobung zumeist seinen Aufenthalt
gehabt. ES standen da ein kleiner Holz-
tisch mit Näharbeiten, zwei Stühle und
in dcr Ecke dcr große Korb für die
Wäsche. Geheizt war nicht, und ein
etwas moderiger Geruch mischte sich
mit der kalten Luft. Das todtenblasse
verwelkte Gesicht und das vertragene
Hauskleid nicht mehr das neue blaue
Küchenkleidchen von gestern paßten
hier wohl her, ganz gewiß ober nicht
dcr wundervolle englische Anzug des
Bräutigamsund seine tadellosen Hand
schuhe.
Natürlich begriff cr sofort Alle,
was geschehen sein mußte, daö war
nicht schwer. Er sah so verstört aus,
daß in dcr armcn Clara ein unendliches
Mitleid jäh aufblitzte. Ce hatte ganz
ruhig und starr sein wollen, ihm ÄlleS
auseinander setzen und die Hand zum
Abschied reichen nun lag sie'in seinen
Armen und zitterte und weinte.
Er feincrjcils nahm daö als natürlich
und selbstverständlich hin und machte
keinen Versuch, sie zu beruhigen. Auf
seiner Stirn stand dcr Angstschweiß,
und in vielen rasch sich kreuzenden Ge .
danken überlegte er, was nun sei und
nun kommen werde. Er war so auf
geregt und zitternd, daß cr nach einem
Halt suchte und sich niedersetzen mußte.
Da kam eö übcr Clara wie ein großer
unbeugsamer Entschluß.
Ich habe Dir Treue geschworen.
Richard, ich lasse Dich nicht. Mag da
kommen was will."
Sie hielt seine beiden Hände an ihre
Brust gepreßt und stand vor ihm groß
und fest, tapfer, wie sie nie war und
nie wieder sein wird.
Cr antwortete nicht und schaute ir:
hin und her. Nun umschlang sie ihn
mit Thränen und Küssen, strich ihn,
kie Haare aus dcr Stirn und nannte
ihn ihren Liebsten. Sie war in dieser
Stunde mehr Mutter als liebendes
Weib, und dieses Sorgcndürfcn. Trö
stcndurfcn, Aufrichtcndürfcn verklärte
sie und beseligte sie. Die Thränen in
ihrem Auge versiegten, aller Schmerz
von gestern und alle Angst von gestern
traten zurück, sie hatte ihn, für den sie
sorgen konnte, den sie lieb hatte, on,
den auch sie sich lehnen durste. Ganz
weit entschwand die Mutter, die nicht
mehr zu ihr gehörte, sie wird Haus und
'.;!ter erlassen und mit dem Manne
. hen.
.Mit Dir, Richard, Dein treue
Weib.
Er verstand von Allem nur den klein
sten Theil : von dieser Hingebung und
der Große dieses Empfindens. Aber
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