Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, January 20, 1898, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    per Uiruf.
i-iiiiiotcsfe von il x t M t :f O 1 1 I.
Wenn der fuutJtmcrn Kieselich fom
manöitte, halte feine Stimme wett über
ben ganzen GarnisonEzerzirplatz hin
weg. Et Hütte eine Aommandoftimme
wie kein zweiter Offizier in der ganzen
Armee. Sie klang hell und grell, durch
Mark und Bein dringend wie uanscuen,
oesZimetter.
Tie Stimme war seine Spezialität.
seit er als gähndrich in die königliche
Armee eingetreten. Gleich bei bet ersten
Bekicktiamia durch den Herrn Oberst
und den Herrn General, in der er seinen
Zug vorzuführen hatte, zog er durch
fein kräftiges Organ die Aufmerksamkeit
seiner hohen SJorgetetzten aus pa).
Xbo! Odo!" sagte der Herr Gene
ral. als die Stimme des FühndrichZ
um ersten Mal an ein Ohr klang
.Welch tüchtiger junger Mann ist denn
das? Welch exemplaniaze klimme
3n der That, ein geborener Komman
deur. dieser Fähndrich! Würde, glaube,
noch einmal von den Todten auferstehen.
wenn diese Stimme in dem Grabe zu
bören bekäme."
Seit diesem Tage führte Kieselich in
bem Regiment den Namen .Todten
ermecker". .Der Lieutenant Todten
erweck ist heute du jour," erzählten
sich die Soldaten unter einander, ebenso
wie man in dem Kasino sagte: ooien
erweck hat sich verheirathet. Todten,
erwecke hat wieder einen Jungen bc
kommen." Selbst unter den Einwoh
nein der Provinzialftadt, in der sein
eaiment lag. hatte der Name KurZ
und Beliebtheit gefunden, und wenn die
biederen Spießer von ihren spazier-
Hängen auiz?rbalb der Stadt zurück
kehrten, und Kommandogeschrei in der
Luft lag. das man eine Halde Stunde
vom Stadtthor ab auf den Wiesen
braunen hören konnte, dann hiek e:
.Hört Ihr? Auf dem Anger läßt
r. niptmann Todtenerwecker feine Leute
i leb nachexerzieren!"
Hauptmann Todtenerwecker hatte fei
r.en Namen mit Stolz an zwanzig Jahre
getragen, als er plötzlich ansing. Zorn
und Wuth dagegen zu schnauben; daS
war seit dem Tage, an dem seine mäch
tige Stimme thatsächlich das Wunder
bewirkte, daß ein Schläfer m seinem
saro, sich erhob.
DaS hatte sich in einer geisterhaften
Septembermondnacht zugetragen. Der
Hauptmann hatte am Tage vorher
feine Kompagnie über die Sturzäcker
bcS von einem imaginären Feind um
ftrittenen ManöverTerrainS geführt,
und hell hatte fein Organ über die
elser geklungen, daß Seine Excellenz,
ber die Schlacht inspizirende Herr Gene
ral-Lieutcnant, die Bemerkung gemacht,
baß im Interesse der Sparsamkeit im
HeereZhauShalt einem mit einer solchen
Stimme begabten Führer einer Korn,
bagnie eigentlich gar kein Hornist beige
sellt zu werden brauchte. Herr Haupt
mann Kieselich hatte nach dem heißen
Schlachttage sein Quartier bei einem
biederen ländlichen Handwerker eines
kleinen Städtchens bezogen, das so stark
mit Militär besetzt war, daß etwelche
ber Herren Offiziere in noch weniger
standesgemäßen Quartieren unterge
bracht worden waren. Die Folge da,
von war, daß Alle? nach dem in dem
Orte belegenen. mit Restauration bet
bundenen Gasthof strömte. Auch Haupt,
mann ttiefelich hatte sich zu Speis' und
Ärank dorthin begeben. Die ganze
Tafelrunde deS KafinoS seiner Garnison
war da versammelt. Der Wirth hatte
keine schlechte Küche und keinen üblen
Wein. In ihr Quartier begaben sich
bie meisten Herren nur für die Nacht.
Den ganzen Abend über saß und zechte
man im Wirthshaus. Man erörterte
bie Schlacht, die man am Tage geschla
gen, und wiederholte die diesbezüglichen
Aeußerungen Seiner Excellenz des Herrn
kommandirenden Generals, von denen
man jedoch keine eifriger herumtrug als
bie. die dem Hauptmann Kiesellch ge
gölten, dahin lautend, daß seines Kehl
kopfeS Krast den Hornisten in seiner
Kompagnie zum Luxusgegengand mache
Der Hauptmann begab sich, weil eS
am nächsten Morgen wieder in aller
Frühe aufgeben hieß, spät genug nach
feinem Nachl quartier. Der Mond
war. während man in dem Wirthshause
gezecht, hoch am Himmel gestiegen und
beleuchtete mit seinem fahlen Schein die
Heimkehr der Herren Ofstnere.
Sein Weg war nicht allzu weit. Er
hatte nur über eine Art Marktplatz hin
über zu gehen. Und dann ging eS noch
eine Treppe hinauf. Er hatte die söge
nannte gute Stube seines Quartier
gederS inne. Schlüssel und Streich
Hölzer hatte er in der Tasche. Seinem
Wirth und seinem Burschen hatte er
beim Fortzehen ausdrücklich geboten,
nicht auf ihn zu warten und sich schlafen
zu legen.
Er hätte nicht einmal die Lampe be
nöthigt, die sein aufmerksamer Wirth
für ihn aufgestellt. Blendend weiß
lag das durch eines der Flurfenster her
einfallende Mondlicht auf den Stufen
der Treppe. Und auch in fein Schlaf
gemach oben lugte der stille Begleiter
ber Nacht hier und da mit ein paar
Strahlen durch eine Ritze der zugemach
ten alten Fensterläden herein.
Er begab sich schleunigst zu Bett.
Er stellte seinen Säbel an den Nacht
tisch und blickte sich, als er sich ausklei
bete, in dem Zimmer um. Am Ende
war eS noch gar keine so unebene Bude!
ES war ein zweifenstriger Raum, hoch
und luftig, und ein besseres Bett konnte
er in keinem Grafenfchloß finden. Und
auch die Matrade war gut. Er streckte
sich, al? er daS Licht auSgedlasen. und
leaie sich auf eine Seite, um schnell ein
iuschlasen. Indeß er konnte so leicht
nicht einschlafen. Die tausend Gebern
ken. die den Tag Über durch fein Hirn
ainaen. schienen alle noch einmal h'.n
durchgaloppiren zu wollen. Er sah sich
an der Spitze seiner Kompagnie auf
dem Manövergelünde. Seine Excellenz
der Herr Kommandirende kam über
die Sturzäcker geritten und hörte und
prieS fein Organ. Und dann sah er
sich vor seinem dampfenden Grog in
dem alten gemüthlichen Gafthof. und
von Untergebenen und Vorgesetzten
ward er wegen seiner Stimme gefeiert.
Tie Anerkennung deS Herrn MajorS
zwang ihm selbst auf seinem Kopfkissen
noch ein Lächeln der Befriedigung ad
Plötzlich richtete er sich in seinem Bctt
hoch und blickte nach der glurlyür hin
über. Er wußte nicht, hatte er. als er
daS Zimmer betrat, die Flurtbür hinter
sich abgeschlossen oder nicht. Und auch
nach der zweiten Thür, die das Zimmer
hatte, und die in irgend ein Nedenge
mach führte, hatte er nicht gesehen. Er
war nicht ängstlich, aber auch nicht ge
wohnt, bei unverschlossenen Thüren zu
schlafen. Er stand daher noch einmal
auf und ging an die Flurthür. Die
selbe war zu. Indeß die andere Thür
war nicht abgeschlossen. AlS er die
Klinke herunterdrückte, ging sie auf.
Sie ging auf. und eine von grellem
Mondlicht durchfluthe'te Kammer lag
vor ihm. Offenbar die GerätbfchaftS
Kammer deS Haufes. Körbe, Kisten
und Kasten standen, von dem geifterhaf
ten Licht umflossen, über einander, da
zwischen stand eine Hobelbank, eine
Hückselmaschine, und gerade, als der
Hauptmann die Kammerthür schon wie
der zumachen und abschließen wollte, er
blickte er im Halddunkel zur Seite der
da? Mondlicht hereinlassenden Luke ei
nen offenen Sarg.
Einen offenen Sarg!
Er war sonst nicht schreckhaft. Indeß
der unverhoffte Anblick da, in dem ge
spenftischen Licht dicht neben dem Ziin
mer, in dem er sich, ahnungslos, daß
sich ein Todter im Hauke befand, schon
zur Ruhe niedergelegt hatte, trieb ihm
doch etwas wie Gänsehaut über den
Rücken. Unwillkürlich rief er. als er
hinter den Kisten und Körben etwas.
wahrscheinlich eine MauS, knabbern
hörte, Wer ist da?" in die Kammer
hinein.
Er stieß den Ruf halbleise hervor.
bei Weitem nicht mit der Kraft, die er
aus dem Exerzirplatz und auf dem Ma
növerfeld auf fein Kommando ver
wandte, aber noch nie hatte feine Stimme
eine solche Wirkung gehabt wie sein Ruf
in die Kammer.
Er schien in dem langen, weißen
Nachtgewand, das ihn umflatterte, der
steinern zu wollen. Drüben drüben
in dem im Halbdunkel auf der Erde
stehenden Sarg nein, eS war nicht zu
glauben, es mußte ein Traum sein!
AuS dem Sarg drüben an der Kam
merwand richtete sich eine Gestalt auf.
höher und höher, bis sie mit ihrem wei
ßen Sterbehemd in das durch die Luke
hereinfluthende bleiche Mondlicht hin
einragte, und mit glotzigen Augen sich
umblickend, rief sie mit grabeZhciserer
Stimme :
Wer ruft mich?"
Der Hauptmann war nicht ein Mann,
der ein Hasenherz hatte. Eine ganze
Armee von ranzostn hätte ihm gegen
überstehen können, und er wäre noch
mcyl aus oen bedanken gekommen, da
vonlaufen zu wollen. Indeß dieS furcht
bare Ding, die grause Erfüllung einer
lym im scyerz und Uebermuth so oft
gemacdien Prophezeiung. daS Aufev
stehen eine? im Sarge von feinem Weck
ruf aufgescheuchten Todten daS war
zu viel, selbst für seinen Löwenmuts)
war daS zu viel. Unwiderstehlich flog
er zurück. In schauderndem Entsetzen
floh er bis an die Flurthür, die er eben
abgeschlossen hatte und jetzt rasch wieder
ausschloß, und draußen auf der Flur
thür schrie er mit seinem Riesenoraan.
das er aber noch auf keinem Exerzirplatz
und aus reinem Manöverselo so ange
strengt hatte wie beute auf dieser vom
Mondlicht übergossenen Treppe, daS
ganze schlafende HauS wach.
Die Schläfer stürzten aus ihren Bet
ten herbei. Der Wirth des HauseS und
die Wirthin, der Bursche des Haupt
manns uns sie anderen drei, vier
Grenadiere, die unter dem Dach eirq uar
tirt waren. Kaum nothsürftig beklei
det und sich verschlafen die Augen rei
bend, lief die ganze Hausbewobnerschaft
auf dem Flur zusammen, und oben auf
oem z.reppenaviatz stand der Herr
Hauptmann im weiß wallenden Hemd
und schrie die Treppe hinunter, daß die
Leiche die Leiche die Leiche, die in der
Kammer neben seiner Schlafstube einge
sargt war, nicht todt wäre.
Ee suchte die verschlafenen Menschen
unten zu bewegen, zu ihm heraufzukom
men.
Herbei! Herbei!" riefer. flurßilfe
deS Schcintodten herbei!"
Doch dann kam er plötzlich, ehe sich
noch von unten Einer bequemte, zu ihm
zu kommen, zwei, drei Stufen anf ein
mal überspringend, selbst die Treppe
herabgeschossen. Der Schläfer, den er
in feinem Sarge in seiner Ruhe gestört,
tauchte, wie feinen Friedensstörer ver
folgend, in der Thür hinter ihm auf,
und der Hauptmann, der wohl zum
Kampf und zum Krieg mit irdischen
Widersachern, aber nicht zum Geister
kämpfe geschult war, hielt nicht Stand.
Der Todte! Der Todte!" rief er.
Der HauSwirth im Erdgeschoß unten,
der. sich die Augen wischend, so lange
vergeblich versucht, sich auS all dem Ge
i'.Ux einen BerZ zu machen, sing an zu
begreifen. Der gute Mann war Tisch
ler seines Zeichen?. Er machte Fenster
und !hüren und hatte auch schon manch
einen Sarg angefertigt. Ein solches
auf Borrath gearbeitetes Todtengehäufe
stand sogar noch in dem Hause, in der
Kammer gleich neben der Stube, die
der Ossizier bewohnte. Er verstand, er
begriff alleS. Der Hau-knecht Jochem
war von der Einquartirung auS seiner
Schlafkammer herausgedrängt worden.
Er hatte ihm selber gerathen, für die
Manövernacht sein Lager in der Rum
pelkammer neben der guten Stube deS
ersten Stockes aufzuschlagen; vcrmit
telft einer Anlegeleiter konnte er, ohne
den Hauptmann zu belästigen, in die
Kammer hinein und auZ der Kammer
heraus.
Tu Esel!" rief n zu dem armen
Jochem hinauf. Ich habe Dir doch
gesagt, daß Tu die Kammerthür nach
der Stube deS Herrn HauptmannS fest
zuriegeln solltest! Haft Du daS wieder
vergessen?"
Kein Wunder." fügte er zu dem
auf der halben Treppe haltenden
Hauptmann hinzu, der unbestimmt zu
ahnen ansing, daß er eine Riesendumm
heit begangen, kein Wunder. Herr
Hauptmann da muß doch ein Mensch
auch erschrecken, wenn er neben der
Stube, in der er schlafen soll, hinter
einer verschlossenen Thür solch' einen
Sarg und solch ein RhinozeroZ darin
entdeckt! Aber Sie können sich beruhi
gen, Herr Hauptmann! Wir haben
keinen Todten in unserem Haus. Ich
bin Tischler, Herr Hauptmann, und be
treibe auch die Sargfadrikation, und da
heute alle Ecken und Winkel in dem
Hause mit Soldaten belegt sind, hat
dieses NaZhorn. der Jochem, in dem
Sarge kampirt. Unsere Schuld ist eZ
freilich, daß Sie die Thür unverriegclt
gesunden, sie können mir glauben,
Hcrr Hauptmann, ich habe eS dem Ka
mecl drei-, viermal eingeschärft, aber
hört denn solch Hornvieh ?!"
Der Hauptmann hatte der Erklärung
genug, er war so gcdemüthigt, daß er
die folgenden Manöoertage feine Stimme
nicht mehr mit der alten Kraft heraus
zuholen wagte. Er wußte, daß fein
Erlednlß in der Strafkammer kein Ge
heimniß bleiben würde.
In der That kam es selbst Seiner
Excellenz dem Herrn Kommandirenden
zu Ohren; und als Kieselich eines TageZ
mit seiner Kompagnie einen Vorstoß
gegen einen Torfkirchhof machte, meinte
der Herr General, als er den alten
schmetternden Fanrarenton in dem
Kommando deZ KompagnieführerZ ver
mißte:
Oho! Oho! Welch vorsichtige; Kom,
mando! Der Herr Hauptmann fürch
tet gewiß, den ganzen Kirchhof vor sich
aufstehen zu sehen, daß er seine Stimme
so schont!"
Der Sturm.
NoveUclte von Ton Revillon.
von Anna Nagel.
eulsch
Der Schauplatz dieser Scene ist ein
kleiner normännischer Hafen, dessen
Name mit unserer Geschichte nicht? zu
thun hat.
Madame Baudouin ist eine reiche
Gutsbesitzerin. Ihr Vater, ein Päch
ter auS der Gegend von Caux. hat ihr
ein bedeutendes Vermögen hinterlassen,
daß ihr Mann gewiß nicht ermangelt
hätte, zu vertrinken; hätte der Tod ihn
nicht zur rechten Zeit dahingerafft. Sie
war mit einem einzigen Sohne Wittwe
geblieben, und hatte beabsichtigt, diesen
söhn mit einer reichen Erbin zu ver
heirathen. damit ihr Haus so noch
größer wurde. Unglücklicherweise ver,
liebte sich LouiS Baudouin in die Toch
ter eines armen Fischers, der nicht ein
mal ein Boot besaß, und beschloß, sie
zu heirathen. Die Wittwe verweigerte
ihre Einwilligung; doch er hielt Stand;
die Leute in jener Gegend sind eigen
finnig. Der Kampf dauerte ein Jahr,
nach dessen Verlauf die Alte sagte:
Verheirathe Dich, wenn Du willst;
doch ich werde Deine Frau nie sehen,
und Du wirft, so lange ich lebe, keinen
Pfennig von mir bekommen."
Wie Sie wollen, Mutter!" sagte
Louis, und die Hochzeit fand statt.
Fünf Jahre verflossen. Dem jungen
Paare wurden drei Kinder geboren.
LouiS zog mit feinem Schwiegervater
auf den Fischfang aus und ernährte sich
schlecht und recht, obwohl Schmalhans
bisweilen Küchenmeister war. Doch die
Liebe übersteht Alles, und man beklagte
sich nicht. Ebensowenig wandte man
sich an die Madame Baudouin. Sonn
tagS, wenn man ihr zum Schluß der
Messe begegnete, grüßte man sie, weil
es eben Pflicht war. Dann richtete sie
sich ihrer braunen Mantille auf und
ging schneller, als hätte eine Schlange sie
in die Ferse gebissen. Weder Besuche
noch Briefe noch Beziehungen irgend
welcher Art bestanden zwischen ihnen;
nichts als der Gruß, den die Jungen
ihr boten, und den die Alte nicht zurück
gab.
EineS Tages ließ der Sturm das
Meer erbraufen, und die Häuser an der
Küste erzitterten.
Madame Baudouin lebte allein mit
ihrer Magd Annette, die verzweifelt die
Hände rang und sagte:
Nein. Madame, waS eS doch für ein
Welter ist! Da werden viele Leute recht
unruhig fein!"
Was für Leute?" fragte die Wittwe.
die ihrer Gewohnheit gemäß hin und
her ging und alle? anrührte, ohne sich
scheinbar mit etwa? zu beschäftigen.
.Nun. die Eltern derer, die auf dem
Meere sind!"
Madame Baudouin blieb stehen und
rief in kaltem Tone: .Schweig!"
Tann nahm sie eine Näharbeit, und
da der Himmel schwarz und da? Licht
schwach war, so setzte sie sich an ein
Fenster.
Annette blieb stehen, hielt daS Ge
sicht an die Scheiden und blickte auf
die Straße hinaus. Da man ihr
Schweigen geboten hatte, so sprach sie
nur zeitweise und sagte: Sieh, sieh,
da wackelt der Kamin deZ Herrn Ber
trand und dort stürzte ein Dach
ein. alleS ist in Aufregung ach.
ich möchte doch wissen, was dort unten
vorgeht."
Schwätzerin!" brummte die Wittwe.
Annette entschloß sich, zu schweigen,
doch sie hielt noch immer die Nase an die
Fensterscheiben gedrückt.
Nein!" rief sie schließlich, mit dem
Fuße aufstampfend, ein solches Wetter
habe ich niemals gesehen!"
Madame Baudouin legte ihre Arbeit
zusammen und sing wieder an, im Zim
mer auf und ad zu gehen.
Man hörte daS starke Zischen deS
SturmeS; von Zeit zu Zeit Geschrei,
Knirschen von Eisenftäben und daS
Klopfen von Fensterläden, die gegen
die Mauern schlugen.
Ter Orkan schien furchtbar zu wer
den.
Plöglich trat die Wittwe geradewegS
auf die Magd zu und sagte:
Na. da .Tu doch so neugierig bist,
so mach'S wie die Anderen; ziehe Deine
Schuhe an und sieh nach, was eZ da
giebt."
Annette war in einer Minute bereit.
AlZ sie fortgehen wollte, sagte Ma-
dame Baudouin:
Tu wirft bald wiederkommen und
mir sagen, wie es steht."
Und nach diesen Worten nahm die
alte Normännin ihren Spaziergang
auf. Sie ging von einem Ende des
Zimmers bis zum andern mit über
einander geschlagenen Armen und zu
sammengepreßten Lippen, und betrach
tete ihrer Gewohnheit gemäß jeden
Gegenstand, dem sie auf ihren Wegen
begegnete.
Zehn Minuten verflossen.
Diese Annette kommt ja nie zu
rück." murmelte fte vor sich hm.
DaS Unwetter war indessen immer
stärker geworden. Man hörte Nichts
als das Brau en deZ Windes.
Plötzlich wurde der Blick der Madame
Baudouin starr ; er war in einem
Winkel deS Zimmers auf ein kleines
Kinderbett gefallen.
In diesem Bette hatte einst ihr Sohn
geschlafen ; ihr Sohn, der sich jetzt auf
dem Meere befand.
Seit einer Stunde dachte sie an ihn.
Doch vor ihrem Geiste stand noch
immer der große LouiS, der Fischer
von 2z Jahren, der zu ibr gesagt hatte:
Wie Sie wollen. Mutter !" derselbe.
dem sie verboten hatte, sich zu verhel
rathen, und der sich dennoch verhei
rathete.
Jetzt aber sah sie das Kind wieder.
mit seinen flachsblonden Haaren, seinen
dicken Wangen und seinen blauen
Augen. Sie erinnerte sich an seine
ersten Worte, sein herzliches Lachen.
feine Küsse und an die Pläne, die sie an
seiner Wiege geschmiedet hatte. Man
mag noch so reich und noch so eigensin
niz sein, so etwas bewegt einen doch.
wenn der Sturm heult.
Annette kommi noch immer nicht
zurück !"
Sie legte ihre Mantille um und ver
ließ ebenfalls das HauS.
Als sie um die Straße bog, versperrte
ihr eine Gruppe den Weg.
Diese Gruppe umringte zwei bis drei
Fischer mit wanertriefenden Kleidern,
großen schmutzigen Stiefeln und blut
besudelten Händen und Gesichtern. Sie
blieb stehen und fragte mit rauher
Stimme :
Sind Sie zurückgekommen?"
Einer von den Männern fragte die
anderen mit einem Blick und antwortete
ihr :
Ja."
Sie setzte ihren Weg fort. Nun trat
einer der Männer aus der Gruppe ihr
nach :
Madame Baudouin. Madame Bau
douin, wo gehen Sie hin?" '
Tort unten hin I"
Dabei zeigte sie auf das Meer.
Ter Mann hielt sie an ihrer Mantille
zurück.
WaS sollte daS für einen Zweck
haben? DaS Wetter ist nicht schön,
gehen Sie nur wieder nach Hause.
Wir find ja doch alle zurückgekehrt."
Sie sah ihm fest in'S Auge.
Alle?"
Ja. gewiß !"
Schwört es mir !"
Der Seemann wurde verwirrt und
weinte.
Nun, die hier nicht angelangt
sind, werden sicher in Vport oder in
Fecamp ans Land gegangen fein."
Sie machte sich los und wollte weiter
gehen, doch er hielt sie wieder zurück.
Annette kam in die em Augenblick
mit verstörtem Gesicht die Straße her
auf.
Nein, nein," nef sie, als sie ihre
Herrin erblickte, nein, Madame, gehen
Sie nicht hin l"
Die Alte wurde von einem heftigen
Zittern ergriffen, ihr sonnenverbrann
tcS Geficht wurde leichenfahl ; ihre
Augen schloffen sich und sie stützte sich
auf ihre Magd, um nicht zu fallen.
.ES ist meine Schuld, meine
Schuld !" murmelte sie und ihre Zähne
klapperten, während sie diese Worte
sprach.
Man wollte sie in ein Hau? bringen,
doch sie weigerte sich und sagte :
.Annette, ich will sie sehen !"
Plötzlich fand sie ihre Kräfte wieder
und die beiden Frauen wandten sich dem
Hause zu, in dem LouiS Baudouin
wohnte.
Annette blieb vor der Thür stehen
und Madame Baudouin trat ein.
Tie Wohnung glich allen Fischer
Wohnungen, doch siel dem Beschauer
die geradezu peinliche Reinlichkeit auf.
Tie junge Frau erhob sich. Sie
hatte bis dahin auf einem Stuhl geses
sen und hielt ihr jüngstes Kind auf
ihren Knieen, während die andern bei
den erschreckt an ihrer Schürze hingen.
Ta sie eben erst krank gewesen, so hatte
sie ihre Eltern ausgeschickt und wartete
ängstlich mit Thränen in den Augen.
Als fte ihre Schwiegermutter eintreten
sah. erhob sie sich mühsam und mur
melte :
0, Madame !"
Die Alte trat geradeswegs auf sie zu
und sagte :
Meine Tochter !"
Darauf nahm sie die beiden Kinder
in die Arme, ließ sie auf die Erde nie
der und fing an, sie zu umarmen.
In der ganzen Stube hörte man
nicht? als Schluchzen.
Die armen Kleinen. . , vaterlos. . .
mein Gott ! Mein Gott !"
Plötzlich vernahm man Geschrei auf
der Straße, Freudenschrei. Tie Thür
öffnete sich von neuem und an der Spitze
einer Gruppe von Verwandten und
Freunden erschien der große LouiS auf
der Schwelle.
Da ist er, da ist er !"
In einem Augenblick war die ganze
Gesellschaft auf den Beinen. Tie junge
Frau stürzte auf ihren Gatten zu und
die Kinder hingen sich an ihren Vater.
Nur Madame Baudouin blieb un
beweglich, einer Statue gleich an ihrem
Platze stehen.
Der Fischer bemerkte sie, er warf
seine Mütze zur Erde, trat näher und
sagte mit tiefbewegter Stimme :
Mutter !"
Ta steckte sie ihm die Arme entgegen
und die Versöhnung war geschlossen.
Tas afrikanische Telephon.
Ueber die Trommel als Fernsprecher
haben Berichterstatter auS Afrika uns
schon wiederholt interessante Mittheilun
gen gemacht. Tiefe Trommeln oder
Pauken bestehen meist auS zwei Antilo
penhäuten, die zu beiden Seiten über
einen hohen Baumstamm gespannt sind.
Das Ohr deZ Negers ist in der Elken
nung deZ PaukentoneS sehr geübt und
vermag selbst auZ bedeutender Entfer
nung zu unterscheiden, ob ein festlicher
oder ein trauriger Anlaß den Schall
hervorruft. Im Electrician" erzählt
Pater von Teken, der sich zwei Jahre
im Kongoftaate aufgehalten hat, von
feinen Wahrnehmungen m der Umge,
gend der Stanley Fälle, wo eS beson
derS geschickte Paukenschläger gibt, die
auf weite Entfernungen hm eine ganze
Unterhaltung führen und die den Pau
kenschall genau so gut verstehen, wie die
menschliche Sprache. Dadurch verbrei
ten sich Nachrichten mit außerordent
licher Schnelligkeit über große Entfer,
nungen, und die Häuptlinge bleiben
dadurch über alle Ereignisse m der Um,
gebung unterrichtet. Als der Gouver
neur Five, der seinen Standort in Ba
soko hatte, von einer längeren Reise zu,
rückkehrend, merkte, daß er erst spät in
der Nacht in seiner Behausung wieder
eintreffen könnte, bat er einen Häupt
ling durch seinen Trommelschläger die
Leute an der noch etwa vier Stunden
entfernten Station zu benachrichtigen,
damit Abendessen bereit gehalten werde.
Der Tambour führte den Auftrag aus.
seine Kellegen im nächsten Dorfe gaben
die Signale weiter, und so kam die
Nachricht schließlich nach Bafoko. AlS
die Herren ankamen, wurden sie von
ihrem Personal bereits an der gedeckten
Tafel erwartet und alleS war zubereitet,
Five fragte nun, was die Paulen denn
gesagt hätten, und die Antwort war :
Abend Bula Matan (Gouverneur)
ankommen, nicht alleS aufessen." Na
türlich können auch Mißverständnisse bei
die er Art der Verständigung verlorn
men, waS ja bei unserm Telephon auch
nicht anders ist; auch daS sollte der
französische Gouverneur erfahren. Bei
seiner Abreise von Bafoko fiel ihm ein,
daß er vergessen hatte, von seinen Die
nerinnen ein Gruppenbild aufzuneh
men. Da nun sein Dampfer noch ein
mal an Bafoko vorüber und dort einige
Minuten halten mußte, so wollte er
durch den Trommelschläger seine Die
nerinnen im Feftgewande an die Lan
dungZbrücke bestellen. Er war aber
höchst erstaunt, als er bei seiner Ankunft
einige Stunden später nicht die verlang
ten Negerdamen, sondern die Soldaten
der öffentlichen Wache in Parade
Uniform mit präsentirtem Gewehr vor
fand. Im wesentlichen war daS Pauken
Telephon verstanden worden, aber statt
Dienerinnen der Tafel hatte man ver
standen Bedienstete deS Staates. Die
PaukeN'Nachrichten werden meistens am
Abend vermittelt, wenn Stille über
Dorf und Wald liegt. UebrigenS hal
ten die Trommelschläger aller Dörfer
von Zeit zu Zeit eine allgemeine Zu
ammenkunft, bei der sie ihr ganzes
Repertoir durchgehen und nölhigenfallS
Ergänzungen und Verbesserungen an
dringen.
IPobnunjifiiche.
ToktorS.Braut: Und welche- neh
men wir als Wartezimmer?"
Mutter: Mach' Dich doch nicht
lächerlich waS wollt Ihr denn schon
mit einein Wartezimmer?"
.Nun. mein Mann muß doch ein
Zimmer haben, in welchem er auf Pa
ticnten warten kann!"
Auch ein Andenken.
A. : Ich bin in fürchterlicher Per
legenheil, pumpen Sie mir doch zehn
Mark."
B. : Ader Sie haben ja doch einen
Tiamantring, versetzen Sie ihn doch!"
A.: TaS kann ich nicht, der Ring
ist ein Andenken von meiner seligen
Tante."
A.: So? Na. mein Geld ist ein
Andenken von meinem seligen Vater!"
Nur drei lNözlichkeitcn.
Student Schlauchn!: Guten Mor
gen. College: hast Tu Lust mitzu
kommen?"
Student Spund: Wohin? In die
Kneipe?"
Schlaucherl: .Nein!"
Spund: .In'S Eolleg?"
Schlaucherl: Nein."
Spund: Gut. dann komme ich mit;
ich habe auch gerade waS zu versetzen."
lNifiversiZnoiiiß.
Arzt (zum gichtkranken Bauer): Na,
wo fitzt denn Heuer Euer altcS Uebel?"
Bauer (nach seinem Weib hinweisend) :
MehrfchtendchlZ dort uff der Offen
dank!"
Basier Neid.
Die kleine Ella: Mama, eben habe
ich einen Hund gesehen, der nur drei
Beine hatte."
Mama: Nun. das Thielchen that
Dir gewiß recht leid?"
Die kleine Ella: Nein, gar nicht!
Er hatte ja noch immer ein Bein mehr
wie ich!"
Kolossaler lvidersvruch.
Tochter: Den Doktor Huber mag ich
nicht, trotz seiner Licht und Schatten
feiten."
Vater: WaS faselst Tu von Licht
und Schattenseiten?"
Tochter: Nun ja, ich meine, der
schöne schwarze Bart ist feine Lichtseite
und die mächtige Glatze feine Schatten
feite!"
ööhcre (Tochter.
Tochter deS Hauses (beim Kochen hel
send): Anna, daS Wasser kocht. Kann
ich eZ vom Feuer nehmen, oder muß eS
noch heißer werden?"
Modern.
Schulze (zum Bauern, der ein Gehöft
in einer Sommerfrische hat): WaS ist
denn mit Eurem Grinde, das steht ja
den ganzen Tag müßig im Dorfe
herum?"
Ja, weißt, die haben nix zu thun!
Bei uns melkt jetzt eine Baronin die
Kühe, ein Graf spaltet's Holz, eine
Komtesse macht die Gartenarbeit, und
ein Banquier macht Feldarbeit mit
mir!"
Rindliche ksgik.
Sag' 'mal. Onkel, woher komrr.eri
Deine weißen Haare?"
DaS ist ein Beweis, daß ich viel
mit dem Kopfe gearbeitet habe, mein
Junge."
Dann haft Tu wohl auch mit den
Kinnbacken sehr viel gearbeitet, Onkel
chen. denn Dein Bart ist fast noch
weißer?"
Ungalant.
Na. Sie sind heute ganz allein,
Fräulein Tini, wo ist denn Ihr Bru
der?"
Ach. mit dem bin ich verzürnt, er
hat mich heute dumme GanS genannt."
O, darüber brauchen Sie fich gar
nicht zu grämen, die Gänse find heute
ein ziemlich theure? Objekt."
Ein Zchroerenöther,
Junge Dame: Sie waren krank,
während ich verreist war waS fehlte
Ihnen denn, Herr Major?"
Major: Sie, mein Fräulein."
Unbedacht.
Gutsbesitzerin (die gern ein junges
Schwein haben möchte, zu ihrem Nach
bar, als er auf den Viehmarkt geht):
Herr Nachbar, wenn Sie 'n recht nettes.
junges Schwein auf dem Markt fehen.
C . y' . . - . .. '
geel, io oenien ie aucy an mich!
Unklug.
Warum hat denn Fräulein Altbcim
ihren Diener entlassen?"
Er rühmte fich. er wäre in ibrem
Dienste ergraut."
Auf der Jagd.
Ist kein Naturdoktor hier?"
Warum?"
Der Herr Rath hat soeben ein Loch
in die Natur geschossen!"
wink.
Lieutenant: Ihre Jüngste ist noch
ledig. Herr Kommerzienrath?"
Buiuier: Ja, ,a. hunderttausend
Mark find noch zu haben."
verschwiegen.
Vater: Junge, warum mußtest Tu
denn heute in der Schule schon wieder
nachsitzen?"
Sohn: Ader. Vater, man soll doch
nicht auZ der Schule plaudern."