Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 16, 1897, Image 9

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Zur rinnoning an die illain
zer pnlrcrrplofion.
Um 1H. JUMBitn !..:.
In bei stanjUi der österreichischen
Gommanbartur ju Mairz ist Korporal
Huder tmftj n.it Schreiben deschäsligt.
qU ihn der Eintritt feineS Kameladen
Wimmer stört.
Tu hin k" f :ct er, diesen befremde!
ansehend. ,Ter (General kann jeden
Augenblick hier sein, den t? ürgeilich
machen könnte. Dick) zu treffen."
.Weil sie mil, fortgejagt haben aus
Veranlassung der Angeberei eine? Ad
jutantin?"
AuS Bkianlaffllnz Tciner Nach
Usstgkeit im Echr.iden. A'ocr fug' waS
führt Dich her?'
.Ich will nur l.ören. wie'S mit Dä
nin Mädchen steh!?' erwiedklt 22iav
vier und lehnt sich wie ecmlldet an die
Wand.
.Die Mutter gibt nicht nach. Sie
sagte noch gestern, als ich sie in ihrem
HäuZchen auf dem Küstrich aussuchte:
Lieder sehe ich daZ Külhch?n lcdendiz
begraben als daß ich sie einem Soldaten
gebe. Zmiierlki Tuch bleibt mir auS
dem Lause, damit bafta!"
.Lebendig begraben, daS muß schon
daS Schaurigste sein," spricht Wimmer,
wie zu sich selbst. .Wie aber denkt
Dein Mädil darüber?"
.Die bleibt mir treu. In einigen
Wochen ist meine Dienstzeit um. dann
eile ich nach meinem lieben Tyrol, richte
die kleine Wirthschaft ein, die der Vater
mir hinterließ, kehre hierher zurück und
werbe ouf'S Neue um mein Liebchen."
.Und Du glaubst, daß fte Dir bis
dahin treu bleibt?"
.Ich bin dessen sicher."
Wimmer lachte laut auf. .Warte
nur, was Du erlebst. ES wiid Dir
ergehe, wie mir. Hüng' ich doch seit
Jahr und Tag an dem Müdel, der
Grethe. Meinen letzten Blutstropfen
hätt' ich für sie hingegeben. Da kcmmt
der Untcroffijiersdall, wo sie d.'N Adju
tar.ten sieht. Erst tanzt sie mit ihm.
dann geht daS Geflüster los. und seit
der Zeit "
.Laß daS Mädel laufen, daS einer
rechtschaffrnen Neigung unwcrth ist,"
unterbricht ihn Huber. Wie Du auS
siehst, ganz verzerrt, wie ein Wahnfin
Niger." .Ist eS ander? zu erwarten! mir
mein Lied zu stehlen uns mich hinterher
im Dienst zu cujoniren!" stößt Wimmer
mit wuthbebender Stimme hervor.
.Aber er soll nur warten, waS ge
schiebt."
.Mach' keine Dummheiten um solch'
ein Geschöpf I Da sie mit Käthchen in
einem Hause wohnt, kenn' ich ihren
Leichtsinn und hab' Dich oft genug ge.
warnt."
Wimmer durchschreitet daS Gemach,
dann bleibt er abermals vor Huder
steh;. Sag', wie ist's mit dem Tur
nen heut' Mittag? Bleibt'S dabei?"
Ohne Zweifel. Der Herzog von
Nassau hat sein Erscheinen zugesagt;
auch kommen die preuß'fchm und öfter
reichischen Generalitäten und von un
serer Garnison an zweihundert Offl
ziere." .Da wird ja wohl auch der Adjutant
nicht fehlen?"
.Sicher nicht, da er der beste Turner
ist."
.Und der beste Tänzer!" Wimmer
stößt ein höhnisches Jelächter aus.
.Lache nicht fo, Wimmer." spricht
Huber, aufstehend und seine Schriften
zusammenlegend. eS ist heute Alles so
wild, so verdreht an Dir ich kann's
nicht hören. Gehe jetzt und hole mich
gegen Abend von hier ab, wir machen
einen Spaziergang. Mir ist da? Herz
gleich Deinem schwer, allein ich trag's
wie ein Mann."
In dem Augenblicke öffnet sich die
Thür und herein tritt der Adjutant.
.Huber, der Commandant erwartet
Euch," spricht er. Als er den Cor
poral Wimmer erblickt, huscht ein
Lächeln über seine schöne Züze. dann
schreitet er pfeifend aus dem Zimmer.
.Gefällt Dir des Adjutanten Lachen
besser. cl8 daS meine?" fragt Wimmer,
dem die Augen in unheimlicher Gluth
leuchten.
.Er lacht wie ein Uebermtth?ger. laß
ihn lachen und fasse Dich! Du kommst
doch heut' Abend?"
Damit verläßt er das Gemach. Wim
mer folgt zögernd, daß Huder mahnen
muß: .So eile doch, ich muß die Kanz
lei schließen!"
Als er nach einiger Zeit zurückkehrt,
ist ihm vom Feldmarfchall.Licutenant
Paumgarten der Befehl geworden, das
Turnfest abzusagen. Ein reitender
Bote eilt nach Wiesbaden, während
Ordonnanzen ihre Weisungen zu den
verschiedenen OfsiziercorpS tragen.
In dem Häuschen der Frau Schramm
werden an dem att viel Thränen der
gössen. Käthchen. der Wittwe Tochter,
hantirt mit unermüdlichem Fleiß: mit
Bügel und Glockcifen, während schwere
Seufzer und nasse Augen von dem Zu
stände ihre? beklommenen Gemüthe?
Zeugniß ablegen. Die Mutier hat
unumwunden erklärt, daß sie ihr lieber
den HalZ umdrehe, als die Heirath mit
dem Corpora! zugebe.
.Kein zweierlei Tuch kommt in mnn
HauS; ich will keinen Schwiegersohn,
dessen Gewerbe daS Todtfchicßen ist."
hatte die Waschfrau mit der Bestimmt,
heit erklärt, welch; diesem Stande eigen
Käthchen müht sich umsonst, zu bc
weisen, daß eZ tiefer Friede, kein Krieg
litttttiilianttst
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Jahrgang 1.
Beilage zum Ncbraska Ztaats-Anzeiger.
No. 0.
sei, und eS auf die Farbe deS TuchcS
auch nicht ankäme. wcr,n nur daZ Hrz
darunter treu und brav. Ohnedem
ziehe der Huder dals den Militürrock
aus. und darin würe er ein ebenso
guter Bürger, als die Leute, welche die
Mutter so hoch schätze.
Diese läßt aber keinen Einwand gel
len. Im Ganzen eine gutmüthige
Frau, hält sie auf strenge Zucht im
Hause. Und waS sich in ihrem Kopfe
festsetzt, bleibt darin hasten. Dabei ist
ihr Mundwerk von seltener Fertigkeit
und ihre Stimme so laut, daß eine
Kanone sie nicht übertönt.
Küthchen'S stille Trauer unterbricht
ein Wurf in'S offenstehende Fenster.
Der Gegenstand, den sie aufhebt, ist ein
zufammengeknüulter Zettel, auf dem
die Worte flehen :
.Kommen Sie heute Nachmittag
zwischen zwei und drei Uhr auf die
Rheinstraße. Sie werden dort sehn
süchtig erwartet."
ES ist nicht Huber'S Schrift, noch
feine Art, um das Haus herum fchlei
chend, ein Stelldichein zu fordern. Da!
solid denkende Mädchen geht auf Der
gleichen nicht ein. Sie hat gerade Zeit,
den Zettel in'S Feuer zu werfen, als
ihre Mutter hochgcrölhct und athcmloS
eintritt. Sie poltert auch sogleich los :
.Ist mir das eine schöne Wirthschaft !
Schleicht der Wimmer um da Hau
herum, da er doch wissen muß. wie'S
mit der Grcth' steht. Schnurstracks bin
ich in des leichtsinnigen Dings Kammer
geeilt, um ihr zu kündigen. In 14
Tagen fliegt die hinaus,; solches Pack
im Hause kann ich nicht brauchen. Der
ganze Käftrich deutet mit Fingern auf
sie. AlleS Das kommt vom zweierlei
Tuch ; damit fängt alles Elend an !"
.Mutter, die Greth' war von jeher
leichtsinnig und der Wimmer recht
dumm, daß er sie von einem Vergnü
gen zum andern führte. ES war ge
rad', als wenn er mit ihr Staat machen
wollt'! Dem Hub ist's nie eingcfal
len, mich auf den Tanzboden führen zu
wollen."
.Der wär' mir auch recht gekommen !"
Frau Schramm stemmt die Arme in
die Seite. Jetzt aber sag', Küth', wie
lange gehst Du denn eigentlich schon mit
dem Menschen? Merk' ich daS Getuschel
doch erst seit ein paar Wochen."
Als Käthchen von Angst schweigt,
schreit die Mutter : Leg' die Bügeleisen
weg und antworte."
DaS junge Mädchen flüchtet hinter
den Herd, doch spricht jetzt Entschlossen
heit auS ihren hübschen Zügen, als sie
antwortet:
ES sind zwei Jahre, seit wir unS
lieb haben."
DaS ist schändlich! damals bist
Du ja noch in die Bügelfchul' ge
gangen."
Da hat'S angefangen."
Hat er gleich mit Dir gesprochen?"
Zuerst nur mit den Augen, dann
hat er mir kleine Briefchen zugesteckt."
WaS. gtschrieben hat er Dir. und
Du haft ihm wohl gar geantwortet?"
Freilich hab' ich'S gethan."
Da feh Einer die Schulen heutzu
tag! Nichts, als Nichtsnutzigkeiten
bringen sie den Kindern bei. Liebes
briefe schreiben, so waS l Und DaS habt
Ihr zwei Jabre her so fortgetrieben hin
ter meinem Rücken?'
Ich hab' nicht den Muth gehabt.
Dir's zu sagen."
Hast Du Dich dabei nicht vor unse
rem lieben Hergoit geschämt?"
Nein. Mutter, dem war'S ganz
recht, sonst wär' mir's nicht so tief im
Sinn geblieben. Ich hab' den Hu der
alle Tag in mein Gebet eingeschlossen,
und auch vor unserem Herrgott ihm
ewige Treu' und Lieb' geschworen."
Frau Schramm starrt die achtzebn
jährige Vttd:ech?rin eine Zeit lang faf
fungzloZ an, dann überhäuft sie die
selbe erneut mit einem Sprühregen von
Borwürfen, der eine Stunde währt,
und welchen Jene mit Schluchzen und
Seufzen begleitet. Nach und nach er
müdit die Mutter, die Stimme wird
milder, die Worte gelassener. Der
Sturm hat ausgebraust, die Fluth der
rinnt im Sande.
So wein' doch nicht." schlicht sie.
Die Leut' könnten wahrhastig denken,
ich zinke mit Dir, bei uns herrsche
Streit vom Morgen bis zum Abend.
Richte das Essen; nachher mußt Du
die gebügelte Wasch' in den Rheini
schen Hos" tragen. Sie warten dort
d'rauf."
Ach Mutter, laß mich heut' zu HauS,
mir ist das Herz so schwer. Geh' lieber
selbst in den Rheinilchen Hof."
Soll wohl dem Herrn Liebsten daS
Feld räumen?" fährt Frau Schramm
von Neuem auf. Marsch fort, ohne
Widcrred', ich will schon aufpassen, daß
Ihr nicht mehr zusammenkommt."
Nach Tisch nimmt Käthchen den
Waschkord und schickt sich zum Gehen
an. Eine schwcre Luft liegt über der
Stadt, der Himmel ist von einer grauen
Wolkenschicht bedeckt.- Es erfaßt da?
Mädchen Angst. alS dürfe sie die Mut
ter nicht verlaflen. Die Barwüife, die
ihr diese gemacht, baden Zweifel in ihr
erregt, die sie nicht zu beschwichtigen
vermag. Bielleicht war die zweijährige
Heimlichkeit doch ein Unrecht gewesen
und die Mutter im Recht? ES hatte ihr
der Muth gemangelt, nun war AlleS so
schön geworden und Jene unerbittlich.
An der HauSthüre kehrt sie noch ein
mal um und bittet mit Thränen in den
Augen : .Verzeih' mir'S doch, ich hab'
ja nicht gemußt, daß eS eine Sünde sei,
den Huder lieb zu haben."
.Geh' nur, geh', meinen Segen kriegt
Ihr nicht, damit dasta !"
Langsamen Schritte? schleicht daZ
Mädchen der Rheinfiraße zu. Sie sieht
nicht recht?, noch links, sie will dem
Huder gar nicht begegnen, hatte sie
ihm doch nur zu klagen und vorzu
weinen.
Als sie um die Ecke der CarmcliteN'
Straße biegt, steht er vor ihr. Er
fchrocken weicht fte zurück und sieht ihn
vorwurfsvoll an.
Was hast Du. Kä!hch?n. Du bist ja
ganz betreten? Am Ende ist Dir nicht
einmal recht, daß ich auf Wimmcr'Z
Aufforderung hierherkomme?"
So war'S der Wimmer, der mir
den Zettel in das Zimmer warf?
Daraufhin bin ich nicht gekommen.
Die Mutter selber hat mich hierher
geschickt. Ach, Joseph, zwischen unS ist
es ad und aus. Die Mutter will mich
lieber todt sehen, als mich Dir zur Frau
geben."
Vielleicht haben wir gefehlt," sagt
der Soldat wehmüthig; aber sieh',
Deine Mutter flößt mir mehr Respekt
ein. als alle meine Oberen. So mir
Nichts, Dir Nichts vor sie hinzutreten,
fehlt mir die Courage. Jetzt ist's aber
anders; ich kann Dir was bieten und
hab' daZ Recht, um Dich zu freien.
Jetzt blockire ich die Festung und geb'
nicht nach, bis ich eine schwache Stelle
an ihr entdecke, und sollte ich dabei
jahrelang auZharrm müssen. Weine
nicht und laß unS auf Gott vertrauen.
Ich muß jetzt fort. Das Herz ist mir
voll Bangigkeit. Der Wimmer gcber
dete sich heute Morgen in der Kanzlei
wie ein Verrückter, und als ich nach
seinem Weggehen dahin zurückkehrte,
fehlten die Schlüssel zum Pulverthurm,
die stets über dem Schreibtischpulte deö
Adjutanten hängen. Ich machte sofort
die Anzeige, da meinte der Adjutant,
die Schlüssel möchten wohl von den
Preußen abgeholt worden scin."
Käthchen bleibt stehen. Sie sagt zit
ternd: Geh', geh', vor dem wilden
Polen hab' ich von jeher Angst ge
habt."
Kaum sind die Worte aus ihrem
Munde, da ertönt ein donnerühnliches
Geräusch. Wie ein Blitzschlag fährt
eS prasselnd nieder, die Fensterrahmen
der Häuser mit zerschmettertem GlaS
bedecken die Straßen; Schornsteine stür
zm ein. die Luft ist verdickt von Rauch
und niederfallenden Steinen; eine mäch
tige, wie von einem Orkan getriebene
Rauchwolke verfinstert den Himmel.
Käthchen sinkt, von einem Stein ge
troffen, zur Erde. Allbarmherzigkr,
was ist Das?" ruft sie.
Da zieht sie Huber auch schon heftig
empor. Komme," keucht er, eS war
der Pulverthurm; wir müssen nach der
Mutter sehen !"
AIS Artillerist hatte er die Explosion
erkannt.
Käthchen klammert sich an feinen
Arm. und die Beiden eilen, getrieben
von Entsetzen, dem Käftrich zu.
Dort leuchten ihnen blutrothe Flam
men durch Rauchsäulen entgegen, wSh
rend Jammerrufe von allen Seiten her
erschall, n. Das vor Entsetzen und Schreck
stummgewordene Liedespaar fetzt über
Trümmer und unter nachstürzendem
Mauerwerk vorwärts. Welch' ein An
blick ! Vom alten Käftrich. dem oberen
Theile der Gaugasse bis zum Eingang
in die Stephans Straße starrt ihnen
eine einzige rauchende und brennende
Ruine entgegen.
Endlich haben Huber und Käthchen
den Platz erreicht, wo das HauS der
Wittwe Schramm gestanden hat. Herz
zerreißendes Geschrei und Geftöhne
dringt auS dem Boden empor, während
ringsum verstümmelte, zuckende Körper
liegen, deren Blut den Schutt roth
färdt. Händeringende Mütter suchen
nach ihren Kindern, Kinder jammern
nach ihren Eltern.
Huder stürzt wie ein Verzweifelter
auf den Schutthaufen, der rauchend
daZ HäuZchen bedeckt. Er greift in die
brennenden Balken und trägt sie hin
weg, wühlt die Erde auf und arbeitet
mit übermenschlicher Kraft, wobei ihm
Käthchen muthig zur Seite steht. Sie
fühlt, daß eS heißt: jetzt handeln, nicht
jammern.
Von allen Seiten betheiligten sich eni
fchlossene Männer an der Arbeit; Bür
ger und Militär, Alle fetzt seine besten
Kräfte ein, um dem furchtbaren Grade
die Opser zu entreißen. Die erste Per
son, die man au? dem Schütte zieht, ist
Gretde. Der Adjutant hat sie aus
dem Trümmerwer! befreit. Sie ig eine
Leiche. Man trägt sie hinweg, während
der junge Offizier sich mit rühmlichem
Eifer an dem weiteren RettungZwcrk
detheiligt.
.Wer ist daZ weinende Mädchen."
fragt er, als er benierkt, wie Käthchen,
das Ohr auf der Erde, Huber zur Eile
anspornt.
.Meine Braut. Herr Oberlieute
nant," antwortet dieser, .und die wir
suchen, ist ihre Mutter."
Da dringen aus der Erde die Worte:
.Helft, helft, ich ersticke l"
Mit neuem Eifer wälzen die Helfer,
jetzt ohne Beil und Schippe, den Schutt
hinweg. Käthchen ruft: .Halte auS,
Mutter, wir sind da, ich und der
Huber. Gott wird ja darmhenia
fein!"
Ein Arm wird fr?:, Käthchen greift
nach der Hand, die noch warm ist.
Langsam löst man den Körper auS dem
Schütte, noch ein letzte? Hinwegräumen
und das aufjubelnde Paar hält die
Mutter in den Armen.
Frau Schramm erzählt fürchterliche
Dinge von der ausgestandenen kodeS
angst. Knieend lag sie, rufend und
betend, bei vollem Bewußtsein sieden
Stunden lang in dem entsetzlichen
Grabe. Durch eine Wand geschützt,
hatte sie anfänglich Raum über ihrem
Kopfe, allein nachrieselnder Schutt der
engte diesen immer mehr. Zuletzt
konnte sie nur noch, bei jedem Athem
zuge Staub verschluckend, mit Mühe
athmen.
AIS F:au S chramm zu völligem Le
wußtsein kommt, zieht sie Huber und
Käthchen an ihr Herz. Ihr kriegt
Euch. Ihr Kinder. Ihr kriegt Euch !"
sagt sie unter Weinen und Lachen.
Gelt, Huber, wenn Ihr mein Kind
nicht so lieb gehabt, Ihr hättet da?
böse alte Weid unter'm Schutt liegen
lassen, denn nur Eurer Ausdauer hab'
ich mein Leben zu danken. Du aber,
Käthe, hattest Recht, als Du meintest,
der liebe Gott wäre für Deine Lieb' ge
wesen."
, Den Corpora! Wimmer hatten Vor
übergehende zwischen 2 nnd 3 Uhr Nach
mittags, an den Martinsthurm ange
lehnt, mit der Schildwache plaudern
sehen. Dann war jede Spur von ihm
verschwunden.
Die mißglückte kebensrettung.
Herr Pechmann hat nicht blos diesen
ominösen Namen, sondern auch das un
selige Talent mit in die Wiege bekom
men, überall lauter Unheil zu wittern
und bei allem gleich an das Schlimmste
zu denken. Bei jeder Theater-Vorftel
lung fällt ihm eine Panik, bei jeder
Trauung die Schwiegermutter und bei
jeder Landpartie sofort die Möglichkeit
eines WolkendrucheS ein. Wird auf
dem Marktplatze eine Menagerie aufze
stellt, so gewinnt er alsbald die Ueber
zeugung. daß der Löwenkäsig schadhaft
und daher die Erwürgung zahlreicher
Mitbürger durch das Unthier nur eine
Frage der Zeit sei. Bei jedem aufge
spannten Sonnenschirm sieht er schon
im Geiste ein paar Augen, die derselbe
einrennen müsse, und selbst der Geld
briefträzer eifüllt ihn um deswillen mit
lebhaftem Schauder, weil er sich den
selben nicht gut ander, als von räu
bcrischen Burschen in einem Hinterhalte
überfallen, ausgeplündert, zerstückelt
und eingepckelt vorstellen kann. Vor
Kurzem kaufte er einem Knaben, der
mit seinem etwas weit angelegten
Munde eine Zehnpfcnnig Harmonika
bearbeitete, dieses Instrument nur aus
Besorgniß, daß er dem Jungen in den
Schlund gerathen könnte, um fünfzig
Pfennige ab und war mehrere Tage
untröstlich, als er bald darauf außer
dem vermeintlich Geretteten auch dessen
vier Brüder mit solchen Unglücks In
ftrumenten bewaffnet sah.
Bei solchen Charaktereigenschaften
kann eS wohl auch Niemand wundern,
daß Herr Pechmann, als er unlängst in
den Anlagen am Kanal spazieren ging
und hierbei in ziemlicher Entfernung
vor sich eine Dame dicht an dem steil
abfallenden Ufer schreiten sah, sofort
ein unseliges Verhängniß ahnte, auf
Grund dessen hier im Dunkel des Wal
des sich ein einzig und allein von ihm
noch zu verhindernd!?, entsetzliches Er
eign:ß zutragen sollte. Sein Argwohn
wuchs von Sekunde zu Sekunde, je
länger er das Treiben der Unbekannten
beobachtete. Wann war überhaupt nur
jemals ein Frauenzimmer unter nor
malen Umständen so haarscharf am
Rande deS schroff absinkenden Damme?
gegangen? UnS nicht allein da! Sie
blieb alle Augenblicke stehen und sah
während Vechmann rasch hinter einein
Baume Deckung suchte bald 'cheu
nach rückwärts, bald starr mit unvcr
kenndarem Verlangen in da? Wasser
hinab.
Himmel, wenn sie sich plötzlich hin
eikiftürzte! Und er konnte nur mäßig
schwimmen; zudem kein Mensch weit
und breit.
Da da kein Zweifel mehr! -
sie ging wieder ein paar Schritte
dann hielt sie an und nahm nun unter
ihrem Mantel ein dunkle? Etwas her
vor, das man bis jetzt nicht hatte sehen
können. Auch jetzt konnte Pechmann
nicht unterscheiden, was eS trar, aber so
viel wußte er gewiß: Entweder war eS
ein Stein, mit dem sie im entscheidenden
Moment ihr Körpergewicht behufs leich.
teren Untersinkens erhöhen wollte, oder
es war ihn schüttelte eS ordentlich bei
dem Gedanken ein Geheimniß, das
sie mit sich in die Tiefe nehmen wollte.
Ha! Und nun schien sie die geeignete
Stelle gefunden zu haben. Noch ein
mal spähte sie vorsichtig nach rückwärts,
dann ftieg sie, das unerkannte Ding
vor sich her tragend, rasch die Stufen
hinunter, die dort Pechmann sah sie
nicht, aber er kannte die Stelle an
das Kanalbett führten.
Noch einen Moment zögerte er, fv'
dann besann er sich seiner Menschen
Pflicht und rannte mit mächtigem
Ha-alt! Ha-alt!'.Rufen der Un
glücksftätte so rasch entgegen, als eS sein
schwerer CorpuS und feine kurzen, dicken
Beine gestatteten.
Und dem Himmel sei Dank, er kam
noch nicht zu spät !
Zwar stand sie bereits dicht am Was
ser und beugte sich über dasselbe, aber
er riß sie, nachdem er auf den ersten
Fehlgriff allerdings nur ihren Hut und
Chignon erwischt und lo?gelöst hatte,
auf den zweiten Versuch glücklich zurück
und rief nun, während er sich bemühte,
sie daS Treppchcn herauf zu zerren, mit
flehender Stimme: .Bitt' schön, bitt'
schön! Da? dürfen Sie nicht thun. Ich
geb'S nicht zu, schon weil ich Mit
glied deS ThierschutzBereinS bin ! DaS
geht nicht!"
Ader warum denn nicht?" ächzte
jetzt die Dame empört und suchte sich
mit der einen Hand, die sie scheinbar
nur frei hatte, von ihm loZzumachen.
Warum nicht !" rief er entsetzt und
zerrte mit doppelter Heftigkeit an ihr.
.Welch' unmoralische frevelhafte Frage!
Unglückselige, wie konnten Sie so tief
sinken! Es ist ja ganz unfaßbar!"
Lassen Sie mich in Ruhe!" schrie
die Dame. Nur ein Verrückter kann
einen solchen Skandal aufführen wegen
etwas so Alltäglichem!"
Alltäglich!" stöhnte Pechmann und
packte sie mit den Händen. Gerechter
Himmel! Das nennen Sie alltäglich!
Sie gehören ja in's Irrenhaus oder
wenigstens unter Polizeiaufsicht! Ader
ich bedaure Sie zu sehr, um Ihnen
ernstlich zürnen zu können! Jedenfalls
haben Sie unglückliche Verhältnisse "
Gehen Sie weg!" schnaubte die
Dame, ich habe keine Verhältnisse "
Meine Beste." suchte er sie, immer
an ihr zerrend und ziehend, zu besünf
tigen, ich meine ja nur, vielleicht hat
Sie die Noth zu dem unglückseligen
Schritt getrieben seien Sie offen
gegen mich, ich helfe Ihnen ja gern!"
Nun wird'S mir zu dumm!" rief sie
und riß sich los. Ich brauche keine
Hülfe ich kann meinen Mops
allein baden!" Dabei drehte sie sich rasch
herum und hielt ihm das kläffende trie
sende Geschöpf in'S Gesicht, daS ihn so
fort in die Nase kniff und dann, frei ge
geben, an die Waden sprang.
Wa wa was??" stotterte Hr.
Pechmann und starrte ihren Hund wie
ein Meerwunder an, Sie wollten nur
und ich meinte, Sie gingen in's
Wasser!"
Nun mußte die Dame trotz aller Ent
rüftung lachen, und sie lachte noch im
mer fort, als der komische Lebensretter
längst in schleuniger Flucht aus ihren
Augen entschwunden war.
UebrigenS daS soll am Schluß die
ser Schilderung zu Pechmann'S Ehre
nicht verschwiegen werdener hatte da
malS, wie sich schließlich herausstellte,
doch vollkommen recht, als er mit der
Dame am Kanal Unheil ahnte; denn
nicht lange nachher hat sie zur Sühne
des ihr von ihm gewordenen Leides ihn
geheirathet.
Die Würste des Grafen.
Ein amüsantes Abenteuer ist dem in
der Avenue drS ßfnimh . Kins??
Paris wohnenden Grafen de X. pafsirt.
Als er letzthin in seiner Equipage den
Boulevard Saint Germain entlang
fuhr, bemerkte er ein nrnk? N,t ,,s
dem Fahrdamme. Er hob daZselbe auf
und brachte eS nach dem nächsten Poli
zeikommiflariate in der Meinung, eZ
enthalte irgend etwa WerthvolleZ.' Bei
Ser Oeffnurg des PackcteS ergab sich,
daß es 12 Würste enthielt. Der Graf
ninßte trotz feiner Weigerung, mit der
Cache weiter befaßt zu werdk?,. eine
Quittung über feinen Fund in Empfang
nehmen, da ihm nach den gcs,tzlich,
VorschristkN. im Falle der Verlierer sich
nicht in wenigen Zagen vor Undrauch
barwerduk'g der Waare meldete. caZ auS
dem Verkaufe derselben erzielte Geld
ausgehändigt werden müßte. Drei
Zage nachher beauftragte der Kommif
far, da sich kein Verlierer bei ihm ge
meldet hatte, einen Beamten, die Würste
nach den Markthallen zu tragen, um sie
dort verkaufen zu lassen und den Er
trag dem Grafen de X. zuzustellen.
Der Beamte verstand aber die rlim ge
gcdene Weisung nicht richtig und trug
die Würste direkt in daS Hotel deS Gra
fcn. dem die Sache bereits unangenehm
zu werden begann. Vergeblich stellte er
dem Boten dlö Kommissars vor, daß er
mit den Würsten nicht? anzufangen
wisse, er mußte sie in Empfang nehmen
und eine Quittung darüber ausftcllen,
die der Kommissar, ohne sie anzusehen,
unter seine Papiere legte. Darüber
verflossen wiederum mehrere Tage.
EineS Morgens erhielt der Kommissar
von der Polizeipräfektur ein Gesuch um
Auskünfte über die fraglichen Würste,
deren Uebergabe an daS Kommissariat
in einem Rapporte erwähnt wäre. WaS
fei auS ihnen geworden? Man habe nir
gendS eine Spur von ihnen zu entdecken
vermocht. Der Kommissar wandte sich
an feinen Boten, der ihm natürlich mit
theilte, er habe die Würste dem Grafen
überbracht. Daraufhin entsandte der
Kommissar einen Inspektor zu Herrn
de X., bei dem er sich höflich über daS
entstandene Mißverftändniß entschuldi
gen und die Würste zurückfordern ließ.
Der Graf aber, dem die Sache zu bunt
wurde, erwiderte, er habe die Würste
an die Armen seines Viertels vertheilet?
lassen und wolle mit der Angelegen
heit nicht weiter behelligt werden. Der
Kommissar hat nun von der Präfektur
Befehl erhalten, die Würste aus feiner
eigenen Tasche zu bezahlen, wenn der
Verlierer sich noch nachträglich melden
sollte.
Selbst bedient.
Casimir Perier. der vormalige Prä
fident der französischen Republik, ist
ein eifriger Radfahrer. Während sei
ncZ SommeraufenthaltS im Teparte
ment der Aube sucht er ein Vergnügen
darin, möglichst viele Kilometer zurück
zulegen und dann in irgend einem am
Wege gelegenen WirthShause ein Mahl
einzunehmen, wie eL die Küche gerade
bietet..
Auf einer solchen Tour, so weiß der
Figaro" zu erzählen, kam der Erprüst
dent in Begleitung seines Sohnes kürz
ich nach Ehampoigny sur vtonge
zwischen SenZ und Montereau. Von
der Thür einer Schenke, die den stolzen
Namen Bahnhofö-Reftaurant" führte,
machten die beiden Fahrer Halt und
fragten die allein anwesende Wirthin,
ob sie etmaS zu essen haben könnten.
Ich habe leider nur Sardinen und
Eier im Hause", antwortete die biedere
irau.
Nicht ein kleine? Beefsteak oder so
was AehnlichcS?"
DaS müßte ich erst au? dem Dorfe
holen, und bis dahin habe ich wenig
Itens eine halbe Stunde zu laufen
aber wenn Sie selbst mit Ihren Rä
dern "
Schon gut. wir werden hinfahren
und das Fleisch holen."
Ohne Verzug klettern dre Beiden auf
ihre Räder und jagen nach Montigny.
um bei dem dortigen Schlächter das
Fleisch für ihre Beefsteaks zu besorgen.
daS ihnen dann von der Wirthin berei
tet wurde.
Erst am nächsten Morgen erfuhr
diese, was sie für vornehme Gäste ge
habt hatte.
?in Sträfling als Millionär.
Im Jahre 1806 wurde in London
ein gewisser George Andrews wegen
mehrfacher schwerer Verbrechen zur
lebenslänglichen Deportation nach Van
diemenSland, heute Tasmanien, ver
urtheilt uns Mit dem Bemerken do:thn
eingeliefert, daß er arbeitsscheu und un
verbcsserlich sei. Der Gouverneur der
Sträfllngskolonle aber brachte eS dahin.
daß Andrews einer der fleißigsten Ar
beiter, schließlich sogar Kommandant
eines Trupps von Schicksalsgenossen
wurde. Als solcher wirkte er nun
wahre Wunder. Große Strecken Lan
deS wurden unter seiner Leitung urbar
gemacht und Erfolge erzielt, daß der
Gouverneur Andrews ausforderte, sich
von ihm eine Belohnung zu erbitten.
schenkt mir die Moräste, an deren
Austrocknung Ihr verzweifelt," sagte
Andrews, und als fein Wunsch gewährt
wurde, ging er sofort an'S Werk. Frei
ich war d'.eS eme äußerst schwierige
Arbeit, und eS dauerte über zwanzig
Jahre, bis er damit zu Stande kam,
allein er besaß schließlich die dem
Sumpfe abgewonnenen Ländereicn. für
die ihm sofort 100.000 Pfund Sterling
geboten wurden. Infolgedessen kam
Andrews um feine Begnadigung, rcfpek'
tive die Erlaubniß zur Rückkehr nach
England ein. Im Jahre 133 erhielt
er dieselbe und betrat 1840 den Boden
der Heimath wieder, die ihn einst mit
Recht verstoßen hatte, um fortan al?
neinreicher 'cann in ondon zu leben.
Auf dem Halle.
Junger Mann lder weacn 2l: kiiii.
Pfung eines Gesprächs in Berle'kit
U): Mein Fräulein haben Sie
schon einmal Lunde gerochen?"