Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 16, 1897, Image 12

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Die Furcht und ihre Folgen
fuwoifsf von . l'i.
Herr und Frau Tiedemann hatten
gnade ihren Morgenkaffee getrunken
und sah.'N behaglich, wie eZ älteren
entierZIeuten gehört. ,m reqnflvyi,
sie Briienb und er lesend.
.Tu Pauline. haft Tu denn da ge.
lesen? Tag ist ja schrecklich:"
fa. wai oenn?"
Da hat ja da drunten in Ungarn
kin'Bardicrgchi'.fe. der plötzlich Wahn
finnig wurde, einem Manne, den er
rastrte. den HalZ durchlchnillcn. i'can
ift aber doch auch nirgends mehr seine?
LedenS sicher! mich überläuft' ganz
kalt, wenn ich daran Deine, vatz einem
so 'was auch 'mal pasflren lonme; vrr.
mich friert'S ordentlich bei so einem Ge
danken, gieb mir 'mal schnell noch einen
Schluck warmen Kattee."
$u bist doch auch ein richtiger Ha
sensuk.'
.Ja. das verstehst Tu nicht: Ihr
Weider braucht auch nicht rasirt zu wer
den; da könnt Ihr Euch in so eine Lage
gar nicht hineinöenken. Uederlege Dir
nur 'mal. wenn man da so ahnungslos
fitzt und rasirt wird, und aus einmal
wird so ein lkerl wahnsinnig und schnei
det einem die Kehle durch. Da steht
einem ja der Verstand still, da weiß
man ja nicht mehr, was man sagen
soll."
.Ja. daS glaube ich schon, wenn er
nein die Keble durchschnitten wird."
.Ach. Du verstehst mich nicht, ich
meme. mir steht der Verstand bald still,
wenn ich daran denke."
.Du. Tu wirft Dich schön hüten, daS
bischen Erstand was Tu haft, zu der
lieren, da bin ich auch noch da, haft Dn
mich verstanden?"
Herr Ticdemann war sehr gut gezo
gen und daher vorläufig ruhig. Er war
überhaupt daS Mufler eines Cannes,
schön folgsam, AbendS immer hübsch zu
Hause, sparsam, geduldig und nie böS
-artiger Laune. Aber nun kommt das
inhaltsschwere Aber er war riesig
furchtsam und trug ftetS die größte
Angst um fein kostbares Leben. Nicht
um die Welt wäre er AbendS nach Ein
bruch der Dunkelheit allein irgendwohin
gegangen daher auch die Solidität
und selbst in seinem eigenen Hause war
er stets ängstlich und hatte alle mögli
chcn Vorsichtsmaßregeln getroffen. Nicht,
als ob er gar geladene Revolaer auf dem
Nachttisch oder zwei mächtige Ulmer
Doggen vor der Thüre liegen hätte,
nein, da wäre er ja aus der Gefahr
nicht herausgekommen; aber das ganze
HauS hatte Doppelthüren, Dopp.'lfen
stcr und SicherheitZschlbffer, und trotz
dein fühlte sich Tiedemann nie ganz
wohl und sicher.
Aber seine Furcht war nun in ein
neues Stadium getreten, seitdem er die
Geschichte von dem Mord in der Bar
bierftube gelesen hatte. Anderen TageS
hatte ihm feine liebende Gattin zwar er
zählt, daß jüngst ein Individuum mit
einem Raftrmeffer einen Mordversuch
auf einen hohen Beamten in dessen
Sprechzimmer gemacht habe, und daß
der Beamte nur dadurch dem sicheren
. Tode entgangen sei, daß die Wucht deS
Stoß'S durch den hohen gestärkten
Stehkragen erheblich gemildert worden
sei.
DaS leuchtete ihm zwar ein. aber die
Furcht konnte cS ihm doch nicht be
nehmen.
ES giebt Leute, die über eine fixe
Idee wahnsinnig werden können. So
ähnlich erging eS auch unserem Tiede
mann. DieBsrbierstlibengeschichte hatte
sich nun einmal in seinem Kopf feftge
setzt, und Tag und Nacht wurde er von
den gräßlichsten Erscheinungen geplagt.
Wie cS das Unglück andere freuen sich
gewöhnlich darüber nun aber will,
war die unlere Hälfte seine Gesichts
mit einem ganz gehörigen Wachsthum
der Haare gesegnet, so daß er sich alle
Tage rafnen lassen mußte, da seine
Gattin tun einmal keinen Vollbart
duldete. Nicht um die Welt hätte er
sich aber nach Sm Vorhergegangenen
an diesem Tage rasiren lassen, und so
zeigte sein Antlitz am nächsten Tage
schon jene eigenthümliche dunklere Fär
bung um am übernächsten Tage sproß'
ten die deS RasirmesserS entwöhnten
Varthaaie wie die Frucht im Frühjahre
nach einem gesunden Landregen, so daß
sein Antlitz aussah wie ein frisch gemüh
teS Stoppelfeld. Natürlich fiel daZ der
liebenden Gattin auf.
.Du, Fritz. Du hast Dir man wieder
nicht rasiren lassen; daß Du sofort
heute Mittag hingehst; ich will so 'n
struppigen Kerl nicht um mich haben,
verstanden?"
Diese zärtliche Mahnung" der Gattin
entfachte nun in der Brust deS Unglück
lichen Helden einen Kampf, wie ihn
wohl wenige Menschen durchgefochten
haben, den Kampf zwischen der Pflicht
und der Furcht um sein Leben. O
waS hat in diesen Stunden, Knopp für
Sorgen durchempfunden", läßt Wil
Helm Busch seinen Tobias Knopp sagen,
und genau so ging cS Auch Tiedemann.
Je weiter der Tag vorschritt, um so
näher kam er der Verzweiflung. Er
wußte, daß Pauline ihm nichts zu essen
und zu trinken geben würde, und ihn
nicht eher hereinließe, bis er wieder als
glatt rasiitcr Mensch vor ihrem Ange
ficht erscheinen konnte. Aber anderer
seit? die Todesangst vor dem Rasir
messer! Und in der Todesangst kann
man selbst gegen eine tyrannische Gattin
rebellisch werden. Also trotzen wir dem
Geschick, dachte Tiedemann und ließ sich
'mal vorerst nicht rasiren. Schon beim
Mittag, iscn wurde er von seiner Frau
Gemahlin ziemlich knapp gehalten, waZ
ihn mit bitterem Weh erfüllte, und als
der Nachmittagskaffee kam und er noch
nicht rasirt war und die Bartstoppeln
immer länger wurden, da ward der
.Engel deS Hauses" fuchZwild.
.WaZ, Du bist noch nicht rasirt?
Habe ich Dir heute Morgen nich' ge
sagt. Du sollst sofort zu 'n Barbier hin-
CV m 1 V V kl ( pr m Vom
gkyN k 9 0113 Ott fiUlljf V.VIWUII' "
ich Dir anerzogen habe ? Meenste viel
leicht. Du könn'ft mir dumm machen?
Ich will Dir 'i zeigen. Jetzt kriegfte
'mal vor allem kernen Kassee. und wenn
de bis um fünfe nicht glatt wie een Aal
bist, denn nehme ich d'k Scheere und
kratze Dir olle Bariftumpen weg. Ich
will Dir schon wieder zu 'nem propren
Menschen machen, wart' nur. Du Ha
senfuß. Du erbärmlicher!"
Ticdemann war geknickt, war gedro
chen an Leib und Seele; daß er nicht;
zu essen bekam, hätte er ja zu guterletzt
noch ausgehalten, aber daß ihn seine
Alte selbst unter die Hände nehmen
wollte, daS war vernichtend für ihn;
und er wußte, daß sie auch Wort halten
würde. Und noch dazu mit der Scheere.
Sie hätte ihm jedenfalls die Haut ge
schunden, ihm vielleicht einen Nasen
flügel aus Unöorstchiigkeit weggeschnitten
oder ein Auge auZgcftoßen ; ihm ward
ganz grün und blau vor den Augen,
die Todesmartern der Indianer zogen
an seinem geistigen Auge vorüber.
Nein, dann lieber noch mit einem einzi
aen Ruck unter der Hand deS geübten
RaseurS sterben, als so eine! vielleicht
lanaen. aualvollen TodeS. Und der
Muth der Verzweiflung kam über ihn
Aber vorsehen wollte er sich doch. Ad 1
wollte er sich von keinem Gehilfen, son
den: von dem Prinzipal selbst rasiren
lassen ; ad 2 ging er von einem Weiß
Waarengeschäft zum andern, bis er einen
Glrgllstehkragen gefunden hatte, der
ihm bis an die Ohren reichte ; ad 3
wollte er sich erst dann rasiren lassen,
wenn noch mehrere Kunden im Laden
wären, damit er unter Umständen sofort
Hilfe bekäme.
Endlich ging er zum Barbicrladcn.
daS Glück war ihm hold. Der Prinzi.
pal war selbst da und außerdem r.och
mehrere Kunden.
Ja", meinte der Prinzipal beim
Einseifen, .Sie haben ja einen so hohen
Stehkragen um, daß man kaum an den
HalZ heran kann.
Ja nein wissen Sie, Herr Hepp
chen, ich bin ich habe eine kleine Hals
entzündung. und da muß ich mich ein
wenig ln acht nehmen; lch war deswegen
auch gestern und vorgestern nicht hier ;
seien Sie deshalb auch, bitte, recht vor
sichtig, nicht wahr."
Gewiß, gewiß, sie brauchen keine
Angst zu haben. So, nun war er
glücklich eingeseift, und da Rasiren be
gann. Je weiter eS aber nach dem
Halse zuging desto ängstlicher wurde
Tiedemann. AIS er aber wirklich das
Messer an seinem Halse verspürte, da
war eS mit seiner mühsam behaupteten
Fassung zu Ende, und Hilfe. Mörder,
Hilfe!" gellten feine markerschütternden
Rufe durcv daS Lvkal. Bei dem ersten
Rufe Hilfe" war der rastrende Pnnzi-
pal vor Schreck so zusammengefahren.
daß sich die Folgen desselben durch einen
kräftigen Schnitt in TiedemannS Wange
kennzeichneten ; aber schon war der letz'
tere von seinem Sitz in die Höhe ge-
schnellt, und unter ohrenbetäubendem
Gebrüll Hilfe, Mörder, Räuber, man
will mich ermorden." stürzte er zur
Thüre hinaus. Die Anwesenden waren
im ersten Augenblicke wie versteinert,
dann aber hieß eS gleich: .Tiedemann
ist verrückt gcworden, er ist vom 33e
olgungswahnfinn befallen, man muß
ihn in Gewahrsam bringen, sonst thut
er sich noch ein Leid an".
Gesagt, gethan. Die ganze Barbier
ftube setzte sich in Bewegung und dem
Flüchtigen nach, der spornstreichs über
die Straße eilte, während zu beiden
Seiten der Jtifinnantel wie ein weißer
Beduinenmantcl im Wind flatterte.
So ging die wilde Jagd durch die ganze
Straße entlang, dann durch mehrere
Seltengaffen, dlZ sie vor TiedemannS
HauS ihr Ende erreichte. Fest zu glei
cher Zeit mit Tiedemann kamen feine
vermeintlichen Verfolger, und das eilte.
was ihnen im Hausflur begegnete, war
grau Tiedemann.
Nu le. waS giebs denn hier ? Du
Fritz ? Wie kommst Du mir denn vor ?
WaS hafte denn nu wieder für 'nen
mich gemacht?"
.Man will mich ermorden! Ein Kom
plott, rette mich Pauline l"
Da geh mal in die Stube rm. ich
werde mit Deine .Mörder" unterhan
dein. Nu sagen Se 'mal. Herr Hepp-
chen, was bedeutet denn die ganze Ko
modle?"
.Frau Tiedemann, es thut uns leid.
daß wir Ihnen das Unglück so unver
mittelt und schonungslos mittheilen
müssen; aber da Sie doch nun einmal
den ersten Theil erlebt haben, so wollen
wir Ihnen gleich mittheilen, daß Ihr
Mann jedenfalls an Verfolgungswahn
sinn leidet."
Was. der ? Nee. der will sich blos
nich rasiren lassen."
Nein, nein, Frau Tiedemann, er
war schon halb rasirt. aus einmal brüllt
er laut auf und stürzt mit mit dem Rufe
Hilfe. Mörder!" zur Thüre hinaus ;
das thut doch nur einer, der an Verfol
gungswahnstnn leidet."
I wo, der ist ganz gesund, der hat
nur neulich 'mal von dem Mord in
der Barbierftube gelesen und hat sich
daS jedenfalls in den Kopf gesetzt."
Ja, da geht mir jetzt ein Licht auf.
meinte Her? Heppchen. jetzt weiß ich
auch, warum er so brüllte, wie ich ihm
mit hm WUtRfr nn fei ßihlt kam."
.Nee. meine Herren, da beruhigen
Sie sich nur; eS thut mir nur leid, daß
se sich fs viel Mühe mit meinen ollen
vasensub gemacht haben.
.Na, wenn eZ so ist. dann können
wir ja ruhig wieder nach Hause gehen
meinten dann die .Mörder" und derad
r,; G ,! (.IVflAiii (J(fi-Mr
j.VWttlt Uf 11114 jhVif.iMfl.i llllt
von Frau Tiedemann.
Dlese ging aber zu ihrem Helden hin
auf, der sich fest eingeschlossen und ver
riegelt hatte, und der Zuhörer hätte
folgende Standree mit anhören können.
die Frau Pauline nun hielt.
.Nu ftehfte da. mit dem halbrasirtcn
Gesicht. Tu Marzipanpuppe Du elende.
blamirst mich und Tich vor der ganzen
Stadt. Een lleener Junge hat ja mehr
(z ourage wie Tu. Ader det hafte heute
nich umsonst gethan; nu daisste vier
Wochen lang nich aus dem Hause und
legst Dir jeden Abend um neun Uhr mZ
Bett, und morgen laß ich 'nen Raseur
kommen, von Herrn Heppchen. und da
wird in meiner Gegenwart die andere
Hälfte ooch noch herunterrasirt. und
wenn De nur eentü MuckZ thust, da
kriegste 'S aber mit mir zu thun. Haste
mich jetzt verstanden ? lln 'ne Zeitung
kriegfte ooch nich mehr in die Hand, da
mit solche Geschichten nich wieder vor
kommen. Damit bafla!"
Seit der Zeit wird Herr Tiedemann
immer zu Hause unter Aussicht seines
Engels" rasirt.
Eine Alutter.
Aus der !ragödie des Lebens. Von T o l a
D o rian.
1.
Das Kind hatte den Appetit verloren;
eS spielte Nicht mehr, und blieb starr
und stumm stundenlang auf dem gro
ßm. türkischen Teppich des Zimmers
liegen.
Weder Mistreß Dickson. noch der
Tanzlehrer mit dem ewigen Lächeln in
seinem blöden Gesicht, noch ihre Mut
ter. die sie alle Morgen und fast alle
Abend auf wenigstens fünf bis zchn
Minuten streichelte und mit leichten,
sanften Küssen bedeckte, hatten die
dumpfe Drohung bemerkt, die in diesem
zarten Organismus grollte.
Sie war hübsch, die schlanke, ele
gante, duftige und vornehme junge
Mutter, die sich sorglos von den Lebens
wellen tragen ließ und nur dem Ver
anügen sich zu widmen schien. Sie ae.
hörte zu den unbestrittendsten Schön
hciten deS Hofes, war eine ständige Be
sucherin der kaiserlichen Feste und eine
Frau, die ganz Petersburg bewunderte.
Niemand kannte die glühende Liebe
und die quälende Anbetung, die daS
Herz deS Kindes für diese Mutter
empfand, die sich doch so wenig um die
leine kümmerte.
Wenn die Gräfin blendend, frisch
und rosig, dem kleinen Mädchen eine
ihrer mit Diamantrinoen oefArnflrfipn
Hände zum Kusse reichte, dann fühlte
oieies, er,cyreal und bewundernd, wie
ihr Herz in der Brust fast zum er.
springen klopfte, und sie wäre am lieb
ften stundenlang aus der Stelle geblie
den. wo die herrliche Erscheinung sie
verlassen hatte.
Doch die Bonne durckscbnitt den
Faden der Begeisterung wie eine Parze,
indem sie die Kleine schlafen legte.
DaS war allabendlich der oroke Kum.
mer ihres Lebens.
Nach sechS Taan dieses abnormen
Zustandes wurde Irene zu Bett ge
bracht, denn sie fühlte kick ,u sckwack.
um zu gehen. Und nun machte Mistreß
Tlck'on die Grünn auf den SuHnnh dp
Kindes aufmerksam und ließ den Toi
tor Schott holen.
Derselbe kam. bevor die Mutter, hie
erst spät in der Nacht nach Hause ge
kommen, aufgestanden war.
Als der Arzt die 3unae Irene's be-
trachtet und ihr den Puls gefühlt hatte.
tagte er: Ich möchte die Frau Gräfin
sprechen !"
Mistreß Tick on riß die Auoen oiif
und bat ihn, in ein anderes Zimmer zu
treten.
Er lehnte es ab und sekte sicb n dn
kleine rosaseidene Bett.
Endlich erschien die Gräsin. t&n
außer Athem und lächelnd, in der mit
Bändern verzierten Spitzenmatinee, die
sie zum Entzücken neidete.
Der Arzt erbob sich, und nun liefe fi
mit einer Fluth zärtlicher Scheltworte
auf die wachsbleiche Stirn des Kindes
leichte Uffe yeravregnen.
Nehmen Sie sich rn Acht, ffrau
Gräfin," sagte der Doktor mit erregter
Stimme. ..ich alaube. wir baben es mit
dem Scharlachfieber zu thun !"
Scharlach I" unterbrach die Mutter.
Allmächtiger Gott! Doktor. Sie er.
schrecken mich. Aber nein, das wird es
nicht sein. Ein einfaches Fieder. Nicht
wahr, mein Herzchen? Nicht wahr,
mein Töchterchen? Das Scharlach
fieber ! und in neun Tagen ist der Ball
bei der Fürstin Orkafcheff. Der Ball,
auf dem ick mich todt oder lebend! teU
aen muk. wenn ick nickt i mis.
fen doch, die Fürstin Orkafcheff ift eine
wayre Äiper, Doktor r Dabei packte
sie ihn mit bittender Gebärde beim
Arm. .Schwören Sie mir. hab Ki?
Niemanden ein Wort davon sagen wer
den Denken Sie doch! Ich
dürfte ia weniaftenS sechs Wocben bin.
durch nicht ausgehen. Aber ich weiß
ja, daS Unwohlsein meiner Kleinen!
hat nichts zu bedeuten. Nicht wahr.
mein Herzchen. eS ift nur Müdigkeit !
Sprich mein Kindchen ! Sehen Sie,
Doktor, sie sieht ganz rosig aus !'
In der That hatte sich die Kleine mit
munteren und leuchtenden Augen aus
ihren Kassen aufgerichtet, sie fühlte sich
von dieser Fluth sanfter Worte wohlig
umrauscht und erwiderte mit zitternder
Stimme :
.Gewiß. Mama, ich fühlte mich des,
fer Hii$ Slr imh hitfl rtitfflKcn
. vli hiiv v 1 44 Htv-y UMj jv;ii
und herumlausen.
Sie richtete sich auf und schüttelte
ihren Kopf mit den aschblonden wirren
Locken, fiel aber plötzlich blaß auf das
Kopsllffeli zurück.
Die Krankheit kam zum Au-bnich
langsam nahm sie ihren Verlauf. Di
Tage und Nächte vergingen. Irene
lag in einem Halbschlummer. Erst am
neunten Tage erwachte sie und öffnet.
die Augen. Die silberne Nachtlampe
nnter dem grünen Schirm erhellte ihr
Zimmer und hinter dem Wandschirm
auf dem sich auf mondscheinheller Seide
fantastische Vögel bewegten, hörte sie
flüstern. Ohne zuerst etwas zu ver
stehen, hörte sie nach einer gewissen
jeit. wie der Doktor in seiner leisen
Manier, die Worte gleichsam abwägend.
Folgendes sprach :
.Wenn die Nacht gut verläuft.
glaube ich, mich für lhre Geneyrng ver
bürgen zu können, doch sie muß schla
fen."
.Geben Sie wohl Acht. Mistreß Di5
son." sagte die Gräfin, daß man kein
Geräusch macht. Ich muß mich um
jeden Preis auf diesem gräßlichen Ball
der Prinzessin Orkafcheff zeigen, aber
ich werde im Nu zurück sein; denn
wenn Sie sagen, Doktor, man dürfe
yoffen, oann vm lch ganz und gar be-
ruyigt."
Ich wiederhole. Frau Gräfin, wenn
ein normaler Schlummer heute Nacht
daS Fieber ablöst, so glaube ich, daß
die Konstitution deS KindeS den Sieg
davontragen wird.
Oh Doktor. Sie träufeln mir Bal
fam in die Seele! Ich verlasse
Sie.... Mistn ß Dickson. ich vertraue
Ihnen Irene an; auf Wiedersehen!"
Da? Kind hörte die raschen Schritte
seiner Mutter, die sich entfernten, und
rief mit plötzlich zitternder Stimme
Mama! Mama!"
Mistreß Dickson näherte sich dem
Bett, brachte die Kopfkissen in Ordnung
uno sagte mit sanfter stimme:
eine 'cama rügt nq au?, mein
Engel. Sie ift etwas müde und will
schlafen. Thue desgleichen, ich bin ja
oa.
Das ist nicht wahr." erwiderte das
Kind zornig. ..Sie geht auf den Ball;
ich möchte sie sehen!"
Mein Herzchen, rege Dich nicht auf.
beruhige Dich; ich werde sie rufen."
M, treß Dick on entfernte sich und
kam sofort wieder zurück.
'iama kleidet sich an. mein Engel.
Bevor sie geht, kommt sie noch zu Dir,
um Dich zu umarmen. Sie verspricht
eS Dir."
Eine halbe Stunde veraina: endlich
ließ sich ein Knistern wie von Seide an
der Thür vernehmen, nach der Irene so
starr blickte; sich lächelte sonst; ihre
Mutter erschien strahlend vor Pracht
und Schönheit; auf ihrem Kopfe strahlte
ein Halbmond aus Rubinen und daS
fahle Licht der Nachtlampe übergoß ihr
Gesicht mit wahrhaft übermenschlicher
Blässe.
DaS Kind richtete sich mit einem
Schrei auf und siel, einen tiefen Seuf
zer ausstoßend, in die Kiffen zurück.
m Müsin trat mit schnellen Schrit
ten näher; beim Bette angelangt, küßte
ste die grolzen Augen, die Ne mit so un
endlicher Liebe betrachteten und sagte:
schlaf, mem erzchen. schlaf, mein
Kind; schließe Deine hübschen Augen
und in höchstens einer halben Stunde
werde ich zurück fein, dann wirst Du
Dein Köpfchen an meine Schulter lch
nen; aber jetzt mußt Du auch artig kein
und sofort einschlafen."
,.O, Mama, ich bitte Dich nur die?
mal, Mama, verlaß mich nicht !" siebte
Irene mit unterdrücktem Schluchzen.
siehst Du. aber ich weiß ja nicht
warum, aber ich fürchte mich! Ich be-
greise nicht, was es l t. aber ich sehe da
über mir eine große schwär Gestalt
mit einem Mantel, den sie auf mich
werfen will I Bleib, bleib. Mama, nur
dieses eine Mal ! Wenn Du da bist, ist
mir warm, das Zimmer ift ganz rofen
roth, und dann werde ich auch schlafen!"
Herzchen, Herzchen, aber :ch bin ja
da!" versetzte die Gräfin. O. reae
rich mcht so aus ! Du weißt doch,
ich bei Dir bin!"
Ja. aber Du willst fortgehen!"
Doch nur für einen Augenblick.
muß ja se,n!"
DaS Kind antwortete nicht. Seine
Hand drückte leidenschaftlich die der
Gräsin, und nach kurzer Pause sagte es
ganz leise:
Da eS fein muß! Aber komme schnell
wieder, Mama! Ach, Mama!"
Die Gräsin hob die schwere Schleppe
auf und verschwand, nachdem sie die
Lippen auf die feuchten Haare deS
KindeS gedrückt.
daß
ES
NamenS die Todtenstille. .Mama!
Mama!" während iie Finger sich sicder
haft in die Dlcke krampften.
Endlich ließ sich ferne Wagen, ollen
vernehmen, der Wagen hielt vor dem
Thorweg, der mit dumpfem Knall zu
flog. Noch einen Augenblick, dann
dasselbe Seidenrauschen on der Thür,
zögernde Schritte, und ein scharscr
herzzerreißender Schrei, der durch daS
1 mV nctll
j.uimii tutt.
.Mama! Mamal"
Die Gräfin öffnete heftig die Thür
der Schrei des KindeS hatte sie tief er
schüttert. Verwirrt und zitternd stürzte
sie aus daZ Bett zu, ließ sich auf die
Knie fallen, hob den Kops ihrer Tochter
in die Höhe und lehnte ihn an ihre
Schulter.
Nach langem Schweigen sagte da
Kind mit glücklichem Lächeln, die Augen
schlitszend:
.Du bist recht lznze fortgeblieben
Mama! Umarme m ch! Noch ein
mal! noch einmal ! Dank Oh. jetzt
will ,ch Ichla cn. Mama! Mama!"
Die Mutter preßte zitternd die Lippen
auf diesen lächelnden Mund, und das
Kind genoß in der Umarmung dc
Heißzellcbten daS höchste Glück, einzu
aziasen, um nie. nie wieoer zu er
wachen.
- m
Sonnenkalb.
Aus dem Leben der kürzlich verschie
denen Herzogin von SachsenAltenburg
weiß ein Augen oder hier besser gesagt
Ohrenzeuge Folgendes zu berichten : Die
Herzogin war namentlich in ihren letzt.'
Lebensjahren in hohem Grade schwer
hörig. Dies hinderte sie jedoch nicht,
den vielen Pflichten der Repläsentation
die ihre hohe Stellung ihr auferlegte.
nachzukommen. Die verschiedenen Bälle
am Altenburgcr Hofe waren die Pole
um die daZ gesellige Leben deS ganzen
HerzogthumS, deS auch jenseits der
Altenburger Grenzpfähle ansässigen
Landadels, der in größerer oder ge
rmgerer Nähe befindlichen Cavallene
Garnisonen gravitirte. Auch daS be
nachbarte Leipzig mit seinen vielen
künstlerischen und geselligen Anregungen
verschmähte nicht. Repräsentanten an
den als besonder? gastfrei und ange
nehm bekannten Hof zu entsenden, an
dem die Etiquette weniger sireng als
anderswo durchgeführt war und auch
bürgerliche angesehene Personen zum
Verkehre herangezogen wurden. So
ließ sich denn auch ein hochstehender
Herr auZ Leipzig mit dem etwas unge
ähnlichen und auffälligen Namen
Sonneiikalb einführen. Die Vorstel
lung der das. erste Mal Erscheinenden
vor den höchsten Herrschaften pflegte sich
vor den großen Bällen in einem iki
neren Saale zu vollziehen, in dem die
zur Präsentation geladenen Fremden
getrennt nach Geschlechtern dem Erscher
nen deZ HofeZ harrten. Ter Hofmav
schall stellte ihn dem Herzoge, die Ober-
hofmeistcrin der Frau Herzogin vor.
Als die Reihe an Herrn Sonnenkalb
kam, wurde der Name Ihrer Hoheit
durch die Frau Oberhosmeistmn nnt
aller wünschenswerthcn Deutlichkeit ge
nannt. Der umstehende KreiS der
Anwesenden wird bereits durch die
Nennui'g deS etwa? ungewöhnlichen
Namens aufmerksam. Ihre Hoheit
glauben nun, nicht verstanden zu haben.
setzen daS ftetS mitqeführte Hörrohr an
daS Ohr, ein Zeichen für die Um
gebung. daß ste nicht verstanden hat
und Wiederholung der Angabe wünscht.
Die Oberhofmeisterin wiederholt also
in den Schalltrichter m scharfer Accen
tuirung: Son! nen! kalb!"
Ein mühsam unterdrücktes Lächeln auf
den Zügen der Honchargcn und nament
lich der Fremden, die weniger höfisch
geschult sind. Darauf Rück rage Ihrer
Hoheit: Wie?" Abermalige, womög-
lich noch pointirtere Wiederholung sei
tens der Oberhofmcisterin. Nichts
deutct indeß in den Zögen der Herzogin
daraus hin, daß sie verstanden habe und
befriedigt sei. S'.e äußert unbe
wiißt und ungewollt laut, wie wir cS
bei Tauben häufig bemerken, vernehm
bar für die ganze Versammlung: Ich
verstehe immer Sonnentald!" Selbst
das steife Eeremonicll und die dadurch
für Alle gebotene Zurückhaltung konnte
eine Mlofton allgemeiner Heiterkeit
nicht ganz hmtenan halten.
Eine Stunde, zwei, drei, vier Stun
den vergingen.
DaS Kind war wach geblieben; die
Augen starr auf die Thür geheftet, blieb
sie bewegungslos liegen und von Zeit zu
Zeit brach durch ein eintöniges Mur
mein die Wiederholung des geliebten
'Abstammung europäischer Mo
narchen.
ES giebt in Europa kaum einen re-
gierenden Fllrsten, der genau ge
nommen derselben Nationalität wie
das von ihm beherrschte Volk angehört.
Die Hohenzollern z. B. waren ur
prünglich Schwaben, daS HauS von
Oesterreich ift eigentlich daS von-Loth-
ringen und ganz ursprünglich sind die
Habsburger Schweizer. Ist der Kaiser
Franz also kein Oesterreich im strengen
Sinne deS Wortes, fo ift er doch noch
weniger Ungar, obwohl er den Königs
thron von Ungarn einnimmt.
Der König von Belgien ist Sachsen
Koburgcr, der König von Dänemark
Holstein, der kleine König von Spa
nien gehört zu den Bourbonen, der
König von Italien ist Savoyarde, der
König von Rumänien und der Fürst
von Bulgarien find Deutsche, der Be
gründ der Dynastie Bernadotte in
Schweden war als Franzose vor kaum
It Jahrhundert in Pau geboren; der
russische Zar ist Holstein-Gottorper, der
König von Griechenland gleichfalls Hol
stein. Im englischen Königshause
muß englisches Blut mit der Lupe ge
sucht werden, und das historische Haus
von Oranien war von Anfang an nicht
holländischen Ursprungs. I
VcdikntknzwciiI.
.. .Ein'S will mir nicht eingehen bei
meiner neuen Herrschaft : Die lnädige
sperrt AllcS weg besonders Echnüpse
und Cigarren ! Ist daS Ordnungsliede
otet Mißtrauen?"
.DaS kommt darauf an. wie die
Schnäpse und l'igarrn find ! Sind sie
schlecht, so ift eS Ordnungsliebe, sind sie
aber gut, dann ift eS sicher Mißtrauen !"
llascrichosblüche.
Unteroffizier (zu einem Rekruten, der
AlleS verkehrt macht): Kerl, ich glaube.
Ihnen gab die Natur fünf Un sinne I"
Modernes Faniilicnmiiltieur.
A: .Der Domänenrath hat gestern
rechtes Malheur mit seinen Töchtern
gehabt !"
B: Wieso?"
A: Ja. die Aeltcre hat Vormittags
auf der Jagd einen Treib angeschos
sen. die Mittlere hat Nachmittag
Jemanden umgeradelt. und die Jüngste
ist AbendS mit ihrem Stück' im Theater
ausgepfiffen worden !"
keiscr wink.
Feldwebel (zu einem Soldaten, wel
ch seinen Urlaub antritt): Lehmann,
Ihre Eltern treiben ja wohl Geflügel
zucht?"
Soldat: .Zu Befchl, Herr Feld
Wedel !"
Feldwebel: Hm. dann bringen Sie
mir doch ein paar Gänsekiele mit! Ich
wnde sie mir aber selbst ausrupfen !"
laschste Treue.
Dame : Ist der Hund, den Sie mir
offeriren, auch recht treu und anhäng
lich?"
Hundehändler : Madam', der ver
läßt Sie nicht und wenn Sie gleichzei
tig singen und Klavier spie
l e n !"
lvortscherz,
Gast (an der ihm servirten Leber
riechend): Mit der (Nnscleber geh'n
Se lieber !"
vielversprechend.
Wie freue ich mich. Mama, daß ich
in die Schule komme !"
Weßhalb denn Fritzchen?"
Weil ich dann jeden Mittwoch- und
Sonnabendnachmittag frei habe!"
Ehrgeiz.
VanauierZ.Kattin : ..Du Mnrit, wir
mttffen unserer Elsa auch einen Flügel
kaufen, wie es die Maiers netban fcu.
ben ; wir dürfen unS von solchen Leu
ten mcht Überflügeln lassen!"
Immer derselbe.
Gattin eines MathematikvrofessorS :
Karl, Du haft vom Wirthshaus einen
Schirm heimgebracht und baft dock
heute gar keinen mitgenommen !"
Proseffor : Dann habe ich ihn halt
negativ vergessen !"
Zwei Anziehungspunkte.
1. Soldat : Ich hab' die Anna auf
den ersten Blick geliebt!"
2. Soldat : Unich die Lift an die
ersten Knödel!"
Schlecht empfohlen.
Eist Gauner : Du, Ede
wat
meenft De zu dem Rechtsanwalt Brül
ir
Zweit Gaun: Um Jottcswillen
nur den nicht! Dcr hat mir schon
'mal zu 3 Jahre Zuchthaus ver
t h e i d i g t !"
Geschmeichelt.
Räuber: ..Ihr Geld - oder Sie find
ein Kind deZ TodeS !"
Alte Coauette ientMt): ..Ein Kind
hat er mich genannt! Hier, edler
Rüud, meine Börse !"
Ein Zankapfel.
Madame: .mm müssen Sie ftck
mit dem Hausknecht zanken. Marie,
könnt Ihr Euch denn nicht vertragen?"
TienNmüdchcn betrübt): ..Acb. er
will ja nichts von mir wissen !"
Egoistisches Motiv.
A: Lieben Sie das Radfahren?"
B: O ja. sehr sogar!"
A: Sie sind wohl Radfahrer?"
B: Nein.. .. Wundarzt!"
StromerrSthscl.
.Du, Ede, rathe mal ! WaS ist daS :
daS Erfchte iS ü See, das Zweete is 'ne
Fee, und daS ganze brach'n mer alle
beedenich !"
Das ift mer zu schwer, Wellem !"
Na, dummer Kerl Seefe !"
Der kleine Diplomat.
Fritzchen (nach dem Abendessen iurn
Vater, der gern in'S WirtbSbauS eben
möchte): Du Papa, bitte, löse mir die
Rechenaufgabe; ich sag Dir dann auch,
wohin Mama Deine Stiefel versteckt
hat !"
passende Marke.
Gast : Weßhalb führen Sie nur die
Ehampagncrmarke Mumm"?"
Wirth: Ja wissen Sie. bei mir
wird Champagner nur von Stuben
e n getrunken, und d l e kommen
immer erst, wenn sie nur noch Mumm"
sagen können !"
5chonen!.
Er (während deS EsskiiS. zu fein
jungen Frau): LiedeS Weibchen, ich
vermuthe, daß in Deinem Kochbuch
Druckfehler sind!"