Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, December 02, 1897, Image 12

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    3m anne Wahnsinns.
yioDtüdt ach Dem 'qll'chkn r-on iiMtiflm
!ha.
Obwohl das in Nachstchcndem Er
zählte sich vor dielen Jahren zugetra
gen. so ficht der Vorfall mir doch so
deutlich vor Augen. alS Hütte er ftch
gestern ereignet, und ich glaube die Er
innerung daran wird mich auch nie der
lassen.
ES war am Abend eineS TageS zum
Schluß der Londoner Saison. Ich hatte
außer dem Hause mit einigen Freunden
gespeist und war in einen Club in der
Nähe von Covent Karden gegangen,
wo ich häufiger verkehrt war. Meine
Schritte slihrten mich in daZ Spielzim
mer. weniger mit der Absicht zu spielen,
als um eine Halde Stunde angenehm zu
tüdten. a
Eine Zeit lang amüsirte eS mich, dem
Spiel an einen oder dem anderen der
vielen Tische zuzusehen, als ich von
einem Herrn eingeladen wurde, der
mir vollständig fremd war und mich
seit mehreren Minuten aufmerksam be
trachtete. Trotz seine? höflichen, zu
vorkommenden Benehmens machte der
Mann einen so seltsamen Eindruck,
daß ich seinen Wunsch schon ablehnen
wollte. Er bestand indessen darauf,
und so willigte ich denn nach kurzem
Zögern ein.
Er war ein guter Spieler, und eS
kam mir keinen Augenblick in den
Sinn, er könne ein Betrüger sein. Im
Gegentheil, sein Spiel war durchaus
korrekt und gab zum Argwohn nicht
den geringsten Anlajj. Trotzdem hatte
er kein Glück und nach einer halben
Stunde war er ganz bedeutend in mei
ner Schuld.
.Hören Sie", sagte er nach einem
Fehlschlage, ich schulde Ihnen fünf,
unddreißig Pfund. Kommen Sie in
meine Wohnung, und ich werde sie
Ihnen sofort bezahlen. Ich wohne
, nicht weit von hier !"
Natürlich ging ich auf diesen Vor
schlag ein und verließ mit ihm den
Club. Ich achtete nicht besonders auf
den Weg, den wir befolgten, da mein
Geführte sehr schnell ging, und ich alle
Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten.
Doch, nachdem wir mehrere Seiten
ftraßen durchschritten hatten, blieb er
plötzlich vor einem Hause stehen, das
ganz verlassen, ohne Nachbarhäuser da
stand.
Schnell zog er einen Hausschlüssel
aus der !asche, öffnete geräuschlos die
Thür und ging mir durch eine Flucht
von Treppen in ein langes, nothdürf
tig möblirteS Gemach voraus, das eher
wie eine Werkstatt als wie ein Wohn
zimiqer aussah. Ich war nicht
wenig überrascht und wurde auch etwas
Ängstlich, als er die Thüre sofort nach
unserem Eintritt verriegelte und den
Schlüssel dann in die Tasche steckte.
Da er bemerkte, daß ich feine Be
tvegungen beobachtete, so lächelte er be
-ruhigend. stellte einen Stuhl an einen
in der Mitte des Zimmers stehenden
Tisch und forderte mich auf, Platz zu
nehmen. Schwer fiel ich in den Sessel,
während er zu einem Schrünkchen ging,
eS öffnete und ein Spiel Karten heraus
nahm.
Wir wollen Quitt oder Double spie
len", sagte der Fremde in höflichem,
aber befehlendem Tone.
Der Vorschlag gefiel mir aber durch
ouS nicht, und ich versetzte sofort:
DaS möchte ich lieber nicht; denn ich
spiele nicht gerne in dieser Weife."
Sie würden mich aber sehr der
Pflichten", entgegnete er herrisch und
fing bereits an, die Karten zu mischen."
Ich weiß eS nicht, wie eS kam: aber
das Benehmen deS ManneS kam mir so
seltsam vor. daß ich eS für richtiger hielt,
ihm den Willen doch zu thun. Daher
gab ich nach kurzem Zögern nach und
ließ ihn die Karten vertheilen. Wir
spielten, und er gewann.
DaS Spiel haben Sie gewonnen,
und wir find quitt", sagte ich, etwas
Ärgerlich über den AuSgang des Spieles
von meinem Stuhl aufstehend und der
Thür zugehend. Wenn Sie gefälligst
ufschiießen wollen, so möchte ich jetzt
gehen."
Haha!" lachte der Fremde, und
sein Gesicht nahm plötzlich einen drohen
den Ausdruck an, so leicht sollen Sie
nicht fortkommen, darauf können Sie
sich verlaffer. Weswegen, glauben Sie
wohl, hade ich Sie hergebracht?"
Hoffentlich nicht in einer schlimmen
Absicht" versetzte ich und steckte dann, in
der Meinung, daß er mich beftehlen
wollte, meine Hände in die Taschen.
Ich will eS Ihnen sagen", versetzte
er, ganz nahe an mich herantretend und
mir die Worte in'S Ohr flüsternd: ich
will Ihnen daS Leben nehmen."
Ich fuhr zurück und starrte den Mann
entsetzt an.
Sie scherzen l" rief ich mit gezwunge
nem Lächeln.
Jrn Gegentheil", gab er zurück; ich
war in meinem ganzen Leben nicht
ernsthafter, und werde Ihnen das so
fort beweisen."
Während dieser Worte zog er einen
Revolver aus seinem Jackett und hielt
ihn mir in'S Gesicht. Ich brauche nur
auf diesen Hahn zu drücken, und Sie
find ein todter Mann l" bemerkte er in
ruhigem Tone. Doch ich will Ihnen
nicht alle Möglichkeit rauben,' ftch zu
retten." fuhr er fort. Wir wollen
noch ein Spiel machen. Ich fpiele gern,
und Sie verstehen sich darauf. Wenn
Sie gewinnen, gehen Sie frei aus, ver
lieren Sie, so führe ich meinen Plan
ouS. WaS sagen Sie dazu? Sie zögern?
Gut denn: ich werde Ihnen eine Minute
Zeit zur Ueberlegung lassen. Wenn Sie
d,S dahin nicht einwilligen so schieße ich
Sie einfach todt !"
War nun der Mensch wahnsinnig
oder nicht, an seinen Absichten ließ sich
nicht zweifeln, denn er stand mit dem
Piftol in der einen, und der Uhr in der
andern Hand. Natürlich dachte ich an
Flucht, doch dieselbe war mir unmög
lich gemacht. Die Thür, durch die ich
eingetreten war. war verschlossen, also
war an Entmischen nicht zu denken.
DaS Zimmer hatte noch einen andern
AuSgang, doch zwischen diesen und mir
stand der Schurke mit dem geladenen
Piftol. Einen Augenblick dachte ich
daran, auf ihn zuzuspringen und ihn
bei der Kehle zu packen, doch er war ftär
ker als ich. bewaffnet ; und ich fühlte,
daß ich auf diese Weise mich nicht retten
konnte. ;
Dreißig Secunden sind vorüber;
was beschließen Sie?"
Seine Worte klangen mir wie Grabes
geläut. und er grinste mich beim Spre
chen höhnisch an. Nach kurzer Ueber
legung sah ich, daß eS daS Beste war,
auf fein Verlangen einzugehen, und so
erklärte ich denn :
Ich bin bereit!"
Haha! DaS dachte ich mir!" lachte
er. Jetzt zum Spiel! Wir wollen's
kurz machen. Jeder zieht eine Karte!
Hoch gewinnt!"
Dabei legte er den Revolver hin.
mischte daS Spiel und fordert mich auf.
zu ziehen. Ich that's, und nahm daS
Pique.Aß auf. Mein Herz Iloplte zum
Zerspringen, denn ich durfte nicht ver
lieren. Er folgte meinem Beispiel und
zeigte mir seine Karte. ES war daS
TreffAß, und wir standen gleich!
Sofort raffte er die Karten zusammen,
und legte sie wieder auf den Tisch.
Diesmal werde ich zuerst ziehen."
sagte er und nahm eine Karte auf. ES
war der Herzbube, und ich hatte die Ge
wißheit, daß ich nicht verlieren konnte.
Daher ergriff ich muthig die Karte, und
drehte sie um! ES war der Piquebube,
wir standen wieder gleich.
Zum dritten Mal l sagte der Fremde
und rieb ftch in freudiger Erwartung
die Hände. Schnell mischte er wieder die
Karten und legte sie auf den Tisch.
Sie ziehen." sagte er zu mir, und
ich streckte zögernd die Hand aus. Dies
mal zog ich die Carreau-Dame, er nahm
den Treff'König auf und ich hatte
verloren!
Mit einem Triumphgeheul stürzte sich
der Schurke auf mich und warf mich zu
Boden. Ich wehrte mich nach Kräften,
doch er war stärker als ich, so daß ich
ihn trotz meiner Bemühungen nicht hin
dern konnte, daß er mich an Händen
und Füßen mit einem Strick, den er
auS der Tasche zog, festband. Dann
zerrte er mich an das Ende des Zim
merS, wo er den Strick an einem von
der Wand herabhängenden eisernen
Ring befestigte.
Schurke!" stöhnte ich, wenn Sie
mich morden wollen, so sagen Sie mir
wenigstens, was Sie zu dieser Blutthat
veranlaßt."
Haben Sie das schon vergessen?"
schrie er. Die haben mich aus meinen
Gütern vertrieben und dem Ruin ent
gegengeführt! Ist das nicht genug? Ich
habe geschworen, mich zu röchen, und
jetzt ist die Stunde gekommen!"
Vergebens erklärte ich, er irre sich; er
wollte nichts hören, und als ich verzmei
felt die Stimme erhob und um Hilfe
schrie, da steckte er mir einen Knebel in
den Mund und erstickte mein Schreien,
Hilflos und athemloZ sah ich nun
mehr den Vorbereitungen zu meiner
Ermordung zu.
Damit würden Sie schneller sterben,
als ich eS für wünfchenSrverth halte."
sagte er, auf den Revolver deutend,
außerdem will ich Ihnen Zeit lassen,
vor Ihrem Tode Ihr Gebet zu spre
chen!"'
Bei diesen Worten grinste er höhnisch,
ging auf einen Schrank zu und nahm
auS demselben ein güßchen, daS er auf
den Tisch stellte.
Schietzpulver," sagte er zur Erklä
rung. fuhr mit der Hand in daS Füß
chen und ließ den Inhalt durch die Fin
ger gleiten. Dann ging er wieder zu
dem Schrank und holte eine Kerze, die
er mit einigen Körnern bestreute und
an den Strick anband.
Keine schlechte I ee, was?" fragte
er ftch zu mir wendend. DaS Licht
brennt ungefähr eine halbe Stunde. un!
Sie können aufpassen, wie die Flamme
dem Pulver näher und näher kommt.
Wenn sie eS berührt, dann Gnade Jh
nen Gott! Haha!" ,
Mit teuflischem Lachen verließ er daS
Zimmer und der Knall der zuschlagen
den Thür zeigte mir, daß er sich auf der
Straße befand und ich dem sicheren
Tode preisgegeben war.
Langsam, aber sicher brannte die
Kerze nieder, und jedes Flackern deS
Lichtes brachte mich dem Schicksal näher,
das abzuwenden mir unmöglich war.
Ich riß und zerrte an den Stricken, die
mich banden, doch ohne Erfolg. Um
Hilfe schreien konnte ich nicht ; denn der
Knebel, den der Schurke mir in den
Mund gesteckt, machte mich ftumm.
Mehr todt als ledendig beobachtete
ich das flackernde Licht. Stück um
Stück schmolz die Kerze, bis mich etwa
ein halber Zoll vo.n meinem Schicksal
trennte.
Plötzlicherregte ein Flattern an ei
nem der Fenster meine Aufmerksamkeit,
und gleich dem Ertrinkenden, der nach
einem Strohhalm greift, blickte ich hin,
von ungewisser Hoffnung erfüllt. Doch
eS war nur ein Nachtfalter, der um das
Fenster schwirrte, und tiestraurigen Her
zen? wandte ich die Blicke ad.
Doch in dem Augenblick, wo ich eS am
allerwenigsten erwartete, kam mir von
dem unscheinbaren Insekt die Rettung.
DaS Thier floa einige Secunden hin
und her, dann flatterte eS aber von dem
Lichte angezogen, auf die Kerze zu. Ei
nen Augenblick zögernd, flog eS um den
BrennkreiS. dann stürzte eS sich mit dem
tollen Eifer aller Nachtfalter in die
Flamme. Diese Voreiligkeit kostete dem
armen Geschöpf daS Leben, doch eS ret
tete das meine, denn eS hatte das Licht
einem Augenblick ausgelöscht, als
nur noch wenige Secunden mich von
dem Tode durch Explosion trennten.
Dieser unerwartete AuSgang hatte
meine überreizten Nerven so erschüttert,
daß ich ohnmächtig niedersank, und als
ich wieder zu mir kam, war eS heller,
lichter Tag. Mit erneuter Kraft rüttelte
ich an meinen Banden, und schließlich
fiel der Ring, an den ich angebunden
war. zur Erde. Ich stürzte anS Jen
fter. und nach kurzer Zeit gelang eS
mir, die Aufmerksamkeit der Vorüber
gehenden zu erregen. Kurz darauf war
ich frei.
Wer der Schurke war, ersah ich auS
einem Stückchen Briefpapier, das ich in
dem Zimmer fand. ES trug den
Stempelaufdruck eines Irrenhauses von
Paris, und ich erkannte, daß mein An
greiser früher Insasse dieser Anstalt ge
wesen war; doch war eS ihm gelungen,
auS derselben zu entfliehen und man
hatte seitdem jede Spur von ihm ver
loren.
Später wurde festgestellt, daß der
Schurke ein Engländer war, doch eine
Zeit lang in Paris gelebt hatte, wo er
ein großes Vermögen im Spiel ver
loren und infolge dessen wahnsinnig
geworden war. Eine charakteristische
Eigenthümlichkeit feines WahnftnnS
war der Glaube. eS hätte ihm Jemand
fein Vermögen geraubt, und er müsse
fich dafür rächen. Natürlich war diese
Annahme vollständig grundlos; fein
Ruin war einzig die Folge seiner
Spielwuth, und kein anderer war da
für verantwortlich zu machen, als er
selbst. Doch er glaubte steif und fest
daran, und sonst in jeder andern Hin
ftcht gesund, war er in diesem Punkte
ein gefährlicher Irrer., Die Nemesis
erreichte ihn schließlich, denn kurze Zeit
darauf fand er seinen Tod bei einem
Eisenbahnunfall in Deutschland, wohin
ihn sein unftäteS Wanderleben geführt
hatte.
Ich aber habe die Ereignisse jener
entsetzlichen Nacht nie vergessen.
Mädchenlist.
Nooellette von B. Anders.
Wie gesagt Du hättest gar nichts
GescheidtereS thun können als Leontine
in meine Obhut zu geben." Mit die
sen Worten schloß die verwittwete Frau
Juftizräthin Bertha Baumgart eine
längere Rede, die an die Adresse ihres
Bruders gerichtet war. Dieser, Herr
Templer, ein höherer Postbeamter,
ebenfalls verwittwet, ging, die Hände
vergnügt reibend, im Zimmer auf und
ab. Plötzlich blieb er vor seiner
Schwester ftehm. legte ihr die Hände
auf die Schulten, und sagte: Du haft
Recht, liebe Beriha, ich sehe es immer
mehr ein. daß eö gut war. Deinem
Rathe zu folgen. Ich selbst konnte ja
Leontinen nicht die nöthige Aufmerk
samkeit zuwenden dazu ließ mir der
Dienst zu wenig Zeit, und die Liebschaft
mit dem Federsuchier wurde mir doch zu
bedenklich. Also Du bist feft überzeugt,
daß die Beiden fich nicht wieder gesehen
haben?
Seitdem Leontine in meinem Hause
ist, sicher nicht."
Ich kann mir aber auch wieder nicht
gut denken, daß sie gar keinen Versuch
machen sollten sich miteinander irgend
wie zu verständigen."
Thun sie auch nicht im Gegen
theil, fte korrespondiren fleißig mitein
ander."
Und daS läßt Du fo ruhig ge
schehcn?"
- Warum denn nicht? In Liebes
fachen muß man zart vorgehen. Laß
mich nur machen ich werde schon mei
nem EerberuS Posten Ehre machen
UebrigenS Dir als dem Vater L,on
tinen'S muß ich wobl Einsicht in die
Correspondenz der beiden LiedeSleute
gewähren."
Bei diesen Worten erhob sich die alte
Dame, ging an den Schreibtisch, ent
nahm diesem em Packchen Papiere und
legte diese mit einem sonderbarem
Lächeln vor ihrem Bruder auf den
Tisch.
Da," sagte sie dabei das ist die
Correspondenz."
Herr Templer blickte überrascht bald
seine Schwester, bald die Papiere an
Dann fragte er zweifelnd: Das das
soll die Correspondenz sein? DaS sind
ja nur leere CouvertS?"
Die Jugizräthin nickte überlegen mit
dem Kopfe. Allerdings," sagte fie
dann nach einer Weile nur leere
CouvertS und doch die Correspondenz I"
Und fragend setzte fie hinzu: Haft Du
alS Poftmensch denn noch nie etmaS von
der Briefmarkensprache gehört?"
Herr Templer wiegte nachdenklich den
Kopf. Gehört wohl," sagte er dann,
aber offen gestanden, noch nicht darum
gekümmert hab' ich mich I"
Nun denn, so patz auf!" Die
Juftizräthin nahm die CouvertS, drei
tete fte nebeneinander auf dem Tisch
auS nnd deutete auf die Marken, die
fich auf den Briefumschlägen befanden.
Jede Marke hat eine andere Stellung
auf dem Couvert das siehst Du!
doch ! ?"
Herr Templer nickte.
Und jede Markenftellung hat ihre
defondere Bedeutung; den Schlüssel
dazu habe ich hier in der Tasche ! suhr
die Justizrälhin fort. Dabei entnahm
fie ihrer Kleidertasche ein zierliches
Büchlein, auf dem Herr Templer mit
wachsenden Staunen die Ausschrift
Bliksmarkenfprdche" laS.
Kopfschüttelnd wandte er sich dann
an seine Schwester: .Sag' mir nur.
Bertha. wie bist Du hinter diese Schliche
gekommen?"
Mit überlegenem Lächeln entgegnete
diese: Sehr einfach, mit Hilfe der uns
Frauen angeborenen Schlauheit ! Leon
tire war kaum ein paar Tage bei mir,
als fie eine nichtssagende Geschäfts
reklame zugesandt bekam. DaS machte
mich stutzig: woher sollte ein Geschäft
LeontinenS Adresse wissen? Mein Arg
wohn wuchs, als wenige Tage spgter
wieder eine GeschäftSofferte, dann ein
mal ein ZeitungSblatt, ein Buchhänd
lerkatalog. ein Preisverzeichnis und so
weiter eintraf. Die Adr,sse war immer
von ein und derselben Hand geschrieben
vermuthlich von Deinem Federfuch
ser. Nun hatte ich zufällig einmal in
einer Zeitung etwas von einer Brief
markensprache gelesen ich beobachtete,
daß die Marken auf den CouvertS stets
in einer von der gewöhnlichen ab
weichenden Stellung aufgeklebt waren,
und kaufte mir im nächsten Bücher
laden dies Büchlein hier. Und ich kann
Dir sagen. eS hat mir schon gute
Dienste geleistet! Diese Stellung hier
zum Beiipiel besagt: Ich gehe in's
Museum." Natürlich sorgte ich dafür,
daß Leontine gerade an diesem Tage für
mich eine Bestellung auf der entgegen'
gesetzten Seite der Stadt auszurichten
hatte. Mehrmals auch bedeutete die
Markenstellung lautBriefniarkensprache
.Ich habe keine Zeit !" Dann redete ich
Leontine zu. gerade an diesem Tage
spazieren zu gehen. Kurz, dank diesem
kleinen Büchlein hier, bin ich in der
Lage, LeontinenS geheime Correspon
denz zu controlliren, ohne daß fte eine
Ahnung davon bat. UebrigenS auch
heute ift ein Brief eingetroffen; feine
Markenstellung bedeutet: Ich gehe auf
die Eisbahn." Da habe ich mir nun
vorgenommen, zu erfahren: ob der ge
heimnißvolle Correspondent wirklich der
Federfuchser ift wenn Du Luft haft,
Dich ebenfalls zu überzeugen, können
wir uns ja heute Nachm ttag an der
Eisbahn treffen."
Herr Templer versprach zu kommen
und verabschiedete ftch dann schnell, da
ihn der Dienst rief.
Am Nachmittag desselben TageS,
gleich nach dem Kaffee, rüstete ftch die
Frau Juftizräthin zum Ausgehen.
Leontine beschwor fte, daheim zu blei
den, der kalte Nordwind werde ihrer
Gesundheit schaden. Allein die alte
Dame hatte kein Gehör für LeontinenS
beschwörende Worte fie wußte ja
genau, weshalb fie zu Haufe bleiben
sollte!
Etwa eine halbe Stunde, nachdem die
Juftizräthin ihr Heim verlassen, klin
gelte ein hübscher, junger Mann an
ihrer Vorsaalthür. Leontine ging selbst
bochklopfenden Herzens hin, um zu
öffnen, und stand im nächsten Augen
blick ihrem Geliebten Georg gegenüber
fie hatte ja gewußt, daß er kommen
wollte, um die Tante um ihren Beistand
im Kampf wider Herrn Templer's Ab
Neigung gegen den Stand der Feder
fuchser zu bitten. Leontine wollte ihn,
da fie allein war, nicht eist in die Woh.
nung hereinlassen. Auf sein stürmisches
Bitten gab fte dann aber endlich nach
auf einen Augenblick aber nur!" Ader
aus dem Augenblick wurden dann
mehrere, und schließlich vergingen unter
Herzen und Kosen ein paar Stunden.
Unterdtß gingen die Tante und Leon
tinenS Vater verzweifelt in der Nähe der
Eisbahn auf und ad. Als die Erwar.
teten gar nicht kommen wollten, meinte
schließlich Herr Templer: Weißt Da
was, Bertha, jetzt dauert's mir zu
lange mir springen die Zehen ad
vor Kälte. Ich werde Dich heim be
gleiten, und Du braaft mir zu Hause
einen steifen Grog."
De Frau Juftizräthin war damit
einverstanden, un so machten fie ftch
denn auf den Heimweg. Unterweg
meinte Herr Templer: UebrigenS fo
ganz erdärmlich, wie ich bisber immer
geglaubt habe, ist daS Loo3 solch' eines
Federfuchsers doch nicht. Wie ich heute
im Bareau aus zuverlässiger Quelle er,
fahren habe, bat der der na. Du
weißt ja LeontinenS Verehrer mit
seinem letzten Romane mehr verdient
als ich in einem ganzen Jahre!"
Also wärest Du wohl, im Grunde
genommen, gar nicht mrhr durchaus
gegen LeontinenS Wahl?" fragte die
Juftlzräthtn.
Herr Templer brummte etmaS in den
Bart, was eben so gut ein Ja, wie ein
Nein bedeuten konnte. Dann sagte er
laut: Gott sei Dank, daß wir ennlich
da find 'S ift wirklich eine höllische
Kälte heute!"
Da die Frau Juftizräthin ihre Nichte
nicht zu Hause vermutete, schloß fie. an
der Wohnungtdür angelangt, diese
selbst auf. Ihrem Bruder voranschrel
tend, öffnete fte die Thür zum Wohn
zimmer. blieb aber erschreckt auf der
Schwelle stehen: Vor ihr, mitten im
Zimmer, stand ein fescher, janger
Mann, Leontine in seinen Armen hal
tend Georg, der Federfuchser".
Etwa eine Viertelstunde später hielt
Georg Leontine als seine osfizielle Braut
umschlungen; Herr Templer hatte fich
erweichen lassen wozu die auZ der
.zuverlässigen Quelle' stammende Nach'
richt nicht wenig beigetragen haben
mochte.
Herr Templer bekam seinen Grog
dann oder ward mit feurigem Burgun
der auf das Wohl des jungen Braut
paareS angestoßen.
.WeShald warft Du eigentlich heute
picht auf der Eisbahn. Leontine?"
fragte die Juftizräthin im Laufe deS
Gesprächs unvermittelt.
Diese warf ihrem Bräutigam einen
vielsagknden Blick zu. dann fragte fie
harmlos dagegen: Ich auf der EiS
bahn? Wie kommst Tu darauf?
Da zog die Tante triumphirend die
Briefmarkensprache" auS ihrer Tasche
und sagte, Georg lächelnd mit dem
Zeigefinger drohend: Sie glaubten
wohl ganz besonders schlau zu sein
wir Frauen find aber doch noch schlauer.
Hier ift der Schlüssel zu Ihrer geheimen
Correspondenz "
Wieder wechselten die Brautleute
einen schelmischen Blick. Dann sagte
Leontine: Verzeih, liebeS Tantchen,
daß ich Dir eine Enttänschung bereiten
muß. DaS Büchelchen, daS Du in der
Hand haft, enthält allerdings den
Schlüssel zu unserer Correspondenz.
aber anders, als Du denkst. Ich hatte
ja bald gemerkt, daß Du Dir eine
Briefmarkensprache angeschafft hattest,
um mich zu controlliren. Deßhalb ver
abredeten wir zwei, daß für uns alle
mal die dritte Zeile vor der Bedeutung
der von Georg angewandten Marken
ftcllung gelten sollte."
So hieß das heute gar nicht: Ich
gehe nach der Eisbahn?" fragte die
Juftizräthin enttäuscht.
Bewahre!" entgegnete Leontine
lachend das hieß: Ich spreche heute
bei Dir vor!" Deßhalb wollte ich ja
auch, daß Du zu Hause bliebst, denn
ich wußte ja, daß Georg Dich zu seiner
gürsprecherin beim Väterchen machen
wollte!"
Und daS hier," fragte die Justiz
räthin erregt, eines der CouvertS auS
dem Schreibtische herbeiholend das
hieß wohl: Ich kann heute nicht kam
men?"
Nein ? nach unserer Verabredung
hieß daS: Kommen zum Rendezvous."
Die Justizräthin war über diese Er
öffnung ganz geknickt. Herr Templer
aber lachte laut auf und meinte mit
gutmüthigem Spotte: Ei, ei. liebe
Schwester da scheint mir Leontine
doch die Schlauere gewesen zu sein!"
Und nachdenklich setzte er hinzu: Ja.
ja. Weiderlist! Dagegen komm 'mal
Einer auf !"
Gaunerstreiche.
Die nobelsten Gauner find es nicht,
die ihren Opfern Diamanten und Per
len abknöpfen" aber unter Umstän
den verrathen fie sehr viel Erfindungs
geist. In der Pariser Oper, als noch
die Königin der Mode und Kaiserin der
Franzosen die Vorstellungen durch ihre
Anwesenheit verherrlichte, erschien eines
AbendS im Zwischenakt ein Herr mit
einigen Orden am Frack in der Loge
einer vornehmen Pariserin, die unweit
der Hofloge saß,
Madame, Ihre Majestät hat Ihre
Brosche bemerkt, sie ist entzückt davon
und bittet, sie daS prächtige Kleino) ge
nauer besehen zu lassen.. ." Die auf'S
Angenehmste Ueberrafchte besann sich
keinen Augenblick, nestelte die Brillant
drosche sofort und so rasch, wie eS nur
möglich war, los und überreichte das
Kleinod dem artigen Höfling, der unter
verbindlichen Verbeugungen damit ver
schwand, um fich nie wieder blicken
zu lassen.
Ziemlich geschickt operirte in Ham
bürg der BusennadelBarbier", der
jahrelang den feinen Kunden, nachdem
er fie rasirt hatte, mit der Serviette
auch die sicher erfaszte Kravattennadel
abnahm, und das Alles mit den flinken
und schwungvollen Bewegungen des
dienstfertigen Fiuaro.
Sogar die Kleptomanie muß als
Vormand bei Gaunerstreichen herhalten.
Erft vor Kurzem erschien irgendwo in
einer sehr großen Stadt ein junger
Stutzer in einem Gold und Silber
maarengefchäft, um dem anwesenden
Herin die Mittheilung zu machen, daß
er in einer Stunde mit seiner Tame
kommen werde, um Einkäufe zu machen
und er bitte, wenn fich die Dame er
nannte einen gräflichen Namen von
staotbekanntem Klang verleiten los
sen sollte, etwas zur Seite zu schaffen,
, fte ruhig gewahren zu lassen. Tie
Gräfin leide nämlich an Kleptomai ie
Stehlsucht und er, der Neffe, der
das mit einer gewissen Schüchternheit
eingeftand. verpflichtete fich. Alles, was
sie etwa verschrotn den lassen würde,
baldmöglichst zurückzubringen. Zur de
zeichneten Stunde suhr die Gräfin vor,
kaufte ein kleines Armband und stahl
wie ein Rabe. Der N.ffe blickte weh
müthig drein, der Geschäftsinhaber
zählte mit voller Ruhe die Gegenstände,
die die Gräfin" in den galten ihres
Seidenkleids verschwinden ließ, und
er wartete heute noch auf die Wieder
crftattung. Die würoige Gräfin war
eine Gaunerin, die nicht aus krankhaf
ter Neigung, sondern einfach gewerdS
müßig stahl. Aber der Streich war ge
schickt eingefädelt.
Msdeme Mutter.
Frau A: Was thun Sie nun, wenn
Ihr Kind Nachts schreit?"
Frau B: Ich lege mich in ein ande
reS Zimmer, wo ich nichts davon höre."
Nne'crsichtig.
.Warum, Excellenz, ift wohl der
Baron bei Serenissimus in Ungnade
gefallen?"
O, denken Sie fich nur, Ecrenisfi
muS gaben gestern bei der Tafel ein
Räthsel auf, und da hat der entsetz,
liche Mensch die Lösung gewußt !"
Umschiitbkn.
Sergant : Schmucke, die Würste von
zu Haufe waren ja gut nur die
Zipfel saßen etwas zu nahe ancin
ander!"
Vlick in die Zukunft.
.Nun, Scpp, warum so niederge
schlagen?"
Sepp (Zchweinehirt): Ja, da hab'
ich g'rad g'lcsen, daß (' jetzt auch d'
Elektrizität als treibende Kraft ver
wenden und da hab' i' Angst, daß der
Gemeindevorsteher auch mir den Dienst
noch abnimmt und d' Säu' elel
irisch treiben laßt!"
r??chs,e latschsucht.
.. ..Wissen Sie, die Verhältnisse bei
Ihrer Nachbarin find doch höchst erdärm
lich; am 20. hat sie nicht einmal mehr
Geld !"
Ach, da wollte sie Sie wohl anpum
pen?"
DaS gerade nicht, aber ich wollte
rasch einmal von ihr 3 Mark geborgt
haben !"
Ein Musteoviener. -Hauptmann
: Josef, kein Brief an
gelangt?"
Bursche : Nein, nur zwei Postkarten
aber nichts von Bedeutung !"
Rafsittirt.
Zimmervermietherin (zu einem Stu
diosuS): Wenn Sie das Zimmer mie
then wollen, muß ich vorher bemerken,
daß es 30 Mark monatlich Miethe
kostet. Ist Ihnen das genehm?"
Studiosus: Selbstverständlich!"
Vermuthen: Dann kann ich Ihnen
das Zimmer nicht geben; denn wer
bei diesem Preis fo gleichgiltig j a sagt,
der will gewiß schuldig blei
den!"
höchste Belohnung.
Bürgermeister (in der GemeindeauS
schußfttzung): Unser Polizeidiener ver
diente eigentlich für seine zwanzigjäh
rige, treue Amtsthätigkeit eine Beloh
nung !'
Bauer : Ta mein' i'. er dürft' bei
der nächsten Kirchweih amal von Amts
wegen mitraufen I"
Schlagender Beweis.
Louife (ihrer Freundin nachblickend):
Da sagt man immer, die Ella wäre
unglücklich verheirathet. und
sie hat doch schon wieder einen
neuen Hut auf!"
Sehr glaubwürdig.
PensionSvorsteherein (streng): WaS
war das für ein Buch, Bertha, das Bis,
gestern Abend so heimlich auf Ihrem
Zimmer gelesen haben?"
Pensionärin (zögernd): Ein ein
Kochbuch, Fräulein !"
Variante.
Ich hatt' einen Kameraden,
Einen besser' findest du nicht.
Er kriegte einen Orden,
AuS mir ist nichts geworden,
Seitdem kennt er mich nicht !
Dilemma.
Lebemann: Was thun? Kaufeich
meiner Frau zu ihrem Geburtstag
Nichts, glaubt fte. ich mag sie nicht;
schcnl' ich ihr aber wag Schönes, dann
sagt sie. ich hätte sicher ein schlechtes Ge
wissen !"
Aus dem Tramen.
Professor: Nun, wonach müssen
Sie sich in erster Linie bei jedem Patien
ten erkundigen?" '
Candidat: Nach den Vermögens
Verhältnissen!"
Line gutherzige Köchin.
Tochter deS Haufes: Denken Sie
sich, Lina, jetzt habe ich auch einen
Bräutigam, wenn er mir nur treu
bleibt?"
Köchin: Na. gnädiges Fräulein,
ich will mein möglichstes dazu thun, ich
werde mir die größte Mühe geben, ihn
durch gute Kost an unser HauS zu
fesseln."
peinliches Mißverständniß. J
Der Herr Professor schickt seine beiden
Jungen zu seiner Schwester auf'S Land.
Der eine indeß hat die Absaht deS
ZugeS versäumt, und da der andere
keine Auskunft über ihn zu geben ver
mag, so telegraphirt die Tante an ihren
Bruder: Ein Junge angekommen."
Herzlichsten Glückwunsch !" antmor
tete ihr sofort telegraphisch der Professor
in seiner Zerstreutheit.
Kindermund.
Mutter : .Karlchen, warum hast Du
mir denn nicht gesagt, daß Du Astern
in der Schule hast nachsitzen müen?"
Karlchen : Aber. Mama. Papa bat
doch gestern erft gesagt, die Frauen
brauchen nicht alles zu wissen."
Aus der Schule.
Lehrer : .Na. Müller, wie heißt das
bekannte Bismarck'sche Wort: Wir
Deutschen "
Müller: Wir Teutschen trinken
immer noch einS l"