Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, November 11, 1897, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Pic glwwsbtaui
.'(ootUnif ooii fi
eine dichte Menscheiimenge wogte in
Den Wandelungen deS Quidatten auf
und ad. roobre:ib nne Rdbrlle töte Wei
ff!t eifll! . ;o ließ, die das (Äefumme
Übertönten. daS von dkn Dielen lache,
den und plaudernden Menschen
ging. - J'
Ein junges Paar schntt Arm in im
den breiten Promenadenweg vor dein
Kurhause auf und ad. hin und wieder
einen ruh mit freundlichem Lächeln
erwidernd.
Der Bräutigam denn Verlobte
waren eZ trug die siege frohe Miene
deS ManneS zur Schau, der gewohnt
ist, auf Lamen Eindruck zu machen
und unter Männern nicht unbeachtet zu
bleiben. Seine schlanke Gestalt, die
aristoZrctischen Bewegungen. da? Straffe
in seiner Haltung ließen den Ossizier in
ihm vermuthen, odschon er keine ttni
form, sondern einen eleganten grauen
Promenadenanzug trug. Dabei waren
die scharf geschnittenen Zuge deS mann
lichen estchieS nicht ohne Au-druck.
w,nn auch ein leiser Hauch von Bla
strtheit auf ihm ruhte. Und das dichte
blonde Haar, sowie die blitzenden blauen
Augen deS jungen Manne? machten
einen entschieden angenehmen Eindruck,
HnnS von Ewald führte seine junge
Braut mit einem Geflihle triumphnen
den Stolze? durch das Menschengewühl
Er wußte, daß viele Augen sich mit
einem gewissen Neide auf ihn richteten.
Und dieser Neid war begreiflich, Frieda
Petersen war nicht blos; eine blendende
Schönheit, sie war zugleich und man
glaubte, daß dies in den Augen des
Bräutigams mehr gelte die einzige
Tochter und Erdin eines reichen Ham
burger Kaufmannes.
Sie schien für die ritterlichen Huldi
gungen ihres Verlobten nicht sehr em
vselnalick ni sein, denn sie hörte nur
mit halbem Ohr auf seine Schmeiche
9
Sonntagsgast
KHrgMiG lit.
Beil juiii 9tt?ifi rtGHßDMVzeiOer.
o. 2'..
jjen, als inüle sie das Weh nieder.
! drücken, das dort wohnte. Und mit
! schneller Bewegung drehte sie sich nach
dem (elicdten um und hing an , einem
Halse.
Er drückte sie an sich.
Erinnerungen an selige stunden
tauchten vor seinem Keifte auf, an
Stunden des (lückS und wonnigen
Rausches, da die arme, junge Lehrers
tocht.r ganz sein gewesen war, da sie
Eines nur für das Andere gelebt hatten.
Und in glühender Leidenschaft küßte
Hans von Ewald die roftzen Lippen
und die weiße Stirn und strich Über da?
weiche goldglünzende Haar, auf dem die
untergehende Sonne mit letztem Kuffe
weilte.
Liebe? Krctchen, sei mir nicht böse,"
sagte r innig. Sie blickte ihm mit
den großen fragenden Rehaugen, die
jetzt 'in Thrünen feucht schimmerten,
ernst ins Antlitz. Dann ließ sie tief
seil
linken
Er zog sie auf die Bank nieder und
hielt sie mit den Armen umfangen.
Da sagte sie leise:
Weißt Du noch. Hans, als ich nach
unsere?
hindurch, die in riesigen Fetzen. wie
große Nachtvögel an seiner silbernen
Scheide sturmgepeitscht vorüdeiftogen.
Die Wellen hoben daS Boot mit
mächtigen Armen und wiegten eS auf
und ad.
Auf feiner Riesenharfe spielte der
Meergeift ein Lied, daS brauste und
rauschte in großartigen Sturmaccor
den. Hang von Ewald wendete sein Boot.
Das war mit Lebensgefahr ver
knüpft, weil die seitlich anstürmenden
Wogen eS umzuwerfen drohten. Ader
daS Wagniß gelang.
Und nun strebte daS Boot dem
Ufer zu.
Mit Anspannung aller Kräfte hand
hadte Hans die Riemen. Er achtete
nicht darauf, daß ihm der Wind den
Hut vom Kopse riß und ihm die blon-
den Locken zerzauste.
Tiefatdmend sog er die feuchte Nacht-
fand" da? Haupt an seine Schulter lust ein und fühlte die erfrischende Nüffe
v r k.. Ki ihm infi Intlib
Vil lyUUllUllJUHl, IV 1144 HIV uuj,
sprühten.
Das Ufer war nicht mehr weit.
In fünf Minuten mußte Hans eS er
reicht haben. Er sah schon die Men
sehen, die auf dem Seesteg standen.
um
daß Du mich eines TageS verlassen
...ji-.v.ri :x rt, hh hi
. JijjB"JBiBH
,.,' tmm Brunnen un erc? lunacn
lSckel Dieb bat. von mir zu lassen, j rufend und mit Tüchern winkend.
mich zu vergessen auf ewig? Ich ahnte. j ihn zur Eile zu spornen.
egi irai oer mono imever uns uui
Wolken und zog feine Lichtschleppe über
vielmehr auf die Borübergehenden und
deren flüsternde Bemerkungen über da?
junge Paar.
Jetzt zog sie ihie Uhr hervor. eine
zierliche goldene Uhr, mit Brillanten
besetzt.
Es wird Zeit, zu gehen," sagte
Frieda.
Schon jetzt?" fragte Han? über-rascht.
.Denkst Du, ich wollte den ug ver-
mlt leichtem aynen
paiMif gav ne ... " . m,. . rubia in er-
eMi ivitctn nn i r, , ' '
inrilcf. ..Wir mü en
holen und haben dann nech den Weg
zur Bahn. Wa? willst Du übrigens?
Die paar Tage Trennung wirft Du
aushalten können. Heute über acht
Tage besuchst Du uns in Hamdurg."
Sie gingen.
Frieda bemerkte e? nicht, wie ihr Per.
lobt erblaßte, während er am Aus
gange des Kurgarten den Gruß eine?
ärmlich, aber mit Geschmack gekleideten
jungen Mädchen? erwiderte.
ner blind vertrauenden Liebe. Weißt
Du es noch?"
Er antwortete nicht. Er iaß bleich
und stumm neben ihr und nagte mit
den Zähnen die Lippe.
Weißt Du es noch?" wiederholte sie
leise.
Ein sinfterer Trotz lagerte aus seiner
Stirn.
Gretchen, eS thut mir leid, daß e?
so gekommen ist." sagte er aufstehend,
biederen Kleinstädtern mal ein paa
echte Berliner Witze vor."
Na und ob." mischte sich Fritze Ku
laich, der seineS Zeichen
hinein. Wir wollen die ollen Spieß
düiger mal ordentlich anulken, den die
sind ja doch nich im Stande, einen or
deutlichen Witz in die Welt zu setzen."
In einer Ecke saß noch ein Herr in
einem grünen Jügerrock, der nicht zu
den Ausflüglern gehörte, dieser lüstete
höflichst feinen Hut und sagten Sie
verzeihen, meine Herren, aber ich hörte
soeben, wie geäußert wurde, daß die
; Provinzialen keine Witze machen könn
ten. Sehen Sie sich nur vor, daß die
Provinzler Sie nicht anulken."
Hoho!" Unmöglich!" Un
firm!" Wir sind nicht so dumm!"
und ähnliche Rufe schwirrten plötzlich
durch die Luft und in demselben Au
genblick hielt der Zug. Die Schaffner
riefen: Roßla" und Hals über Kopf
stürmten die sechs Herren auS dem Zuge
Langsam folgte ihnen der
grünen Jägerrock, und wüh
rend jene im kühlen Flur de? Kaiser? ;
! Barbarossa" verschwanden, um sich zum
I r... an.. v..jfc rai ai;. ,,,
jrxncren ÄXg uuuy r. vuuj oki ju
stärken, schritt dieser die Straße entlang,
die nach Kelbra führte und rastete nicht
eher, bis er in Kelbra in das gemüth
licke Kaftnmmer der Sonne" trat.
Jüngern dieser Wagenkunft gebildet die
eine förmliche Schule bilden werden.
Die französische Jugend wird mit die
fem Sport den englifchen Regatten
,Bootfahrten die Stange halten. Die
Administration des Hippodrom bat dem
Klub ein Ehalet überlassen und sür die
Wettfahrten dieser Saison eine Tribüne
auf der großen Wiese errichtet. Ein
.Liebhaber" hat bereits einen Preis
von 5000 Franken ausgesetzt. Dem
Klub gehören nur junge Leute aus den
besten Häu e n an. dr nicht blos
Paris ergötz sich an diesem neun Ver
MM! wenn man in Frankreich reift,
sieht man auf allen Bahnhöfen Haufen
; von solchen BclocipedeS. welche nach den
Provinzen gehen. Wird dies neue
Fahrzeug eine Zukunft haben?"
Die Frage braucht nicht eift bejah!
zu werde, aber ein Irrthum hat sich
in dem Bericht denn doch cingefchlichen !
Der erste Radsabrer-Klub wurde IRK
mal den Wein prodiren," meinte jetzt
Kleeberg. schenkte sein Gla? voll, hielt
das Getränk, verwundert mit dem Kopf
Bücker war. ; schüttelnd, gegen das Licht, roch daran.
nahm bedächtig einen schluck, setzle
dann daS GlaS dligschnell derb auf den
Tisch, daß der Inhalt umherspritzte und in Magdeburg gegründet und, wer dem
fuhr los: Himmeldonnerwetter, das ist j ersten
ja Wasier!"
.. Waffer?" Die anderen fünf Herren
sahen sich gegenseitig zweifelnd an, um
dann ebenfalls den Wein zu losten und
BreiS Wett fahren damals in
einem großen Lokal der Berliner Straße
! zugesehen, der wird einräumen, daß das
heutige Fahren mit dem eafe icycie
ein Kinderspiel ist gegen daS damalige
Antlitz! heraus.
Herr im
Der Abend war gekommen.
Frieda Petersen war mit ihren Eltern
abgereist und ihr Verlobter war in dem
Seebad zurückgeblieben, das die Garni.
fon seines Regimentes war.
Er schritt jetzt einen der einsamen
Wege am Strande entlang, seinen
Lieblingsweg. den er fast allabendlich
zurücklegte.
Niemand begegnete ihm. Das Eon
cert hielt die Badegäste im Kurgarten
gefeffelt.
Doch auf jener Bank, im Schat
ten eines dichtbelaubten Gebüsches, faß
Jemand eine weidliche Gestalt, vorn
übergencigt, als ob sic weinte.
Der einsame Wanderer wollte vor
über schreiten.
Da hörte er seinen Namen rufen.
Er hemmte die schritte.
ffiretAen! Du hier?"
' , .... . !,
Sie hatte sich erhoben uno war um
zögernder Bewegung auf ihn zuge
schritten. Ihn hielt ein peinlich beklemmendes
Gefühl umfangen.
Bist Du mir böse, Gretchen?" fragte
cr mit unsicherer Stimme.
Wie kannst Du so fragen?" gab sie
zur Antwort.
Er wirbelte den Schnurrbart in die
Hdbe. w
ES ging nicht anders, Kind,
sagte er. Es ging nicht anders, auf
Ehre!"
Auf Ehre!" wiederholte sie lcife;
ein" bitterer Spott klang durch ihre ver
halteuen Thränen. W .
Du weißt, daß ich bis Über die
Ohren in Schulden saß," fuhr er forr.
Ich mußte zahlen, oder die Uniform
ausziehen. Was sollte ich thun? Frieda
Peter,',' war der ächstliegende Gedanke.
Eie ist schön, hat gute Manieren, ei
distinguirteS Auftreten. sie mag mich
leiden. na. Du begreifst."
Begreifen? ' sagte das junge Mad
chen mit tonloser Stimme. Begrei
fen?" Nun, daß ich kein anderes Mittel
hatte. Ich mußte mich verloben, um
meine Schulden los zu werden. Sage
selbst konnte ich denn anders?"
Sie sagte nichts. Langsam wandte
sie sich um und wollte gehen.
Da ftieg in der Brust des fungen
Manne? ein Gefühl auf, er wußte nicht
recht, war eS Beschämung. Mitleid oder
die'alte Liede?
Ein wärmerer Klang , bebie durch
seine Worte. Gretchen, Du willft
gehen, ohne daß mir Abschied nehmen?"
Da fuhr sie mit der Hand zum Her-
scheinen. Aber eS ist nun einmal ge
fchkhen, und wir wollen uns nicht mehr
das Herz schwer machen. Sei mir nicht
böse. Gretchen, und leb' wohl."
Er küßte sie flüchtig auf da? duftige
Haar, und ehe sie ihn halten konnte,
war er gegangen.
Hang!" rief sie mit einem Tone,
der ihr Weh' verrieth, HanS. ach,
bleibe bei mir."
Ader er hörte sie nicht mehr.
Sie war allein.
Einen Augenblick stand sie und starrte
ihm nach. Keine Thräne, kein Laut
des Schmerzes. Es war ihr. als sei ein
Blitz vor ihr in den Boden gefahren
blendend, versengend.
Dann lachte sie auf ein gellendes,
irrsinniges Lachen ! Sie schüttelte die
Faust in wilder Gederde gen Himmel
und ging.
sofort loszubrechen: Wirklich,
Wasser!" Da schlag' der ,.,,fel
drein!" Die Kerle sind hier wohl
verrückt?"
Mitten hinein in diesen Tumult von
Stimmen kam der Kellner gefolgt vom
Wirth, und jeder setzte drei Teller voll
dampfender Mehlsuppe auf den Tisch.
Hier ist da? bestellte Effen. meine
Herren."
Das bestellte Essen? Herr,
hnho hnA Cvifo nhrnion liftcflt I
kfVV VVUf tyMHVM.VI V v .
Und ich Entenbraten!"
Ich Gänsebraten!"
Wir Filetbraten!"
Aber meine lieben Herren, das ist
doch Entenbraten und das Filetbraten
und das Hasenbraten und daS Gänse
braten! Sehen Sie dann das nicht?"
Die Herren stierten den Wirth an.
Nur der dicke Kunisch war wüthend
pureS hohe Rad mit dem kleinen Rade hinten,
bei dessen Benutzung jeder Radfahrer,
besonders bei den Hindernissen, jeden
Augenblick sein Genick riskirte !
öier rief er nach dem Wirth und als aufgesprungen, schlug mit der geballten
. . i . "7 . fw . ..ei r ... aisj. v-c. w: . cx.si.H
Hans von Ewald war davon ge
stürmt, als verfolgten ihm die Gespen
ster seiner eiaenen Gedanken.
Erst als ihm plötzlich die Musik der
Kurgarten - Kapelle rauschend in? Ohr
gellte, hielt er inne und besann sich, wo
er war.
Sollte er sich jetzt in den Strudel des
Lebens stürzen und in ihm Bergeffen
suchen?
Nein ! Nein !
Ihm trieb eS fort auS dem BkMM
mel. das in gar zu schneidendem Ge
gensatze stand zu der Oede in seiner
Brust.
Allein sein, ganz allein, -das war
j-tzt sein Gedanke.
Er schlug den Weg zum Strande ein.
Am Seefteg lagen Boote zum Gebrauch
der Fremden. Hans sprang in ein
leichtes Ruderboot und richtete den Bug
des Fahrzeuges feewärt?. Unter seinen
kräftigen Ruderschlügen flog das Boot
über die glatte Flulh dahin zierlich und
flüchtig, der Möwe gleich.
Nur ganz von Weitem hörte er jetzt
die Klänge der Musik, ein anderes
Boot war ihm gefolgt. Er war allein
auf dem Meere.
Die Sonne war hinabgesunken.
Nur ein feiner goldiger Glanz, der
sich über den Himmel ergoß, verrieth
die Stelle, wo sie zur Ruhe gegangen
war.
Eine Wolkenbank stieg dunkel und
dräuend am Horizont auf.
In vereinzelten Stößen fuhr der See
wind, aus tiefem schlafe erwachend,
über die Waffe, fläche, und weiße
Schaumkümme hoben verlangend die
Nixenarme empor, den nahenden
Sturm, den trauten Gespielen zu
grüßen.
5anS kehrte den Bug seines BooteS
die Fluth.
Sein Heller Schein siel auf etwa?
Weiße?, das jetzt dicht neben Hau? von
Ewald's Boot auftauchte.
Han? wandte daS Hnipt.
Was war das? Nein, er täuschte
sich nicht, da? war ein Mensch !
Han? änderte die Richtung seine?
Boote?.
Mit wknigen Ruderschlägen hatte er
den schwimmenden Gegenstand erreicht.
E? war ein Weib.
Han? beugte sich über den Rand sei
nes Fahrzeuges und ergriff daS naffe,
weiße Gewand.
Er wollte versuchen, den todten Kör
per hinter dem Boote herzuziehen und
zu landen, Da fiel sein Blick auf da?
Antlitz der Todten, da? eine Welle twv
porhob.
Weit geöffnet starrten die Augen gen
Himmel, blondes Haar wallte aufge
löst um die marmordleiche Stirn und
die Schultern des jungen WeibeS.
Hans schrie laut auf. Es klang, als
ob er wahnfinnig geworden sei.
Gretchen!"
Er zog sie heran.
Mit starkem Arm umschlang er den
kalten Leib.
ES war ein Wunder, daß daS Boot
nicht umschlug.
Er halte die Ertrunkene in's Boot
gehoben.
Sie lag regungslos auf dem Boden
des hin und her schwankenden Fahrzeu-
8' - .
Hans warf sich über fie in wildem,
finnlosem Schmerze.
Aber umsonst. all' seine heißen
Küffe erweckten fie nicht. Ihre Lippen
blieben kalt und stumm, für ewig
stumm.
Er sah eZ nicht, wie die Wellen mit
dem Boote spielten, wie sie e? mit im
mer stürmischerer Liebkosung umfaßten,
ganz so wie er den tosten Körper
umschlang.
Der Mond verbarg sich hinter den
Wolken. Donnernd brauste die Bran
düng an den Strand.
Hunderte von Menschen standen am
Ufer und sahen hinaus, angstvoll flü
fternd in feierlichem Ernst. Sie starr
ten dem Boote nach, daZ in der Dun
kelheit davon trieb langsam weiter,
immer weiter.
Kein Hülferuf drang an ihr Ohr
kein Tooesschrei.
Wohl spülte das Meer nach mehre
ren Tagen das Boot an den Strand.
Ader Niemand wußte die Stelle, wo
zwei Menschen ihr Grab gefunden hat'
hatten.
der kleine dickt Herr vor ihm stand, be
gann er ruhig: Hören Sie 'mal, mein
lieber Wirth, mein Name ist Wiech.
mann, ich bin Irrenarzt und ich befinde
mich unterwegs zur geheimen Ueber
wachung von sechs Irren, denen er
laubt worden ist, eine Reife zu unter
nehmen, und die in aller Kürze hier ein
treffen werden."
Hier bei mir?" Der Wirth machte
ein recht bedenkliches und ängstliches
Geficht.
Seien Sie nur gänzlich unbesorgt,
Herr Wirth, sie find ganz ungefährlich
und nur ein wenig großsprecherisch.
Und nun horchen Sie bitte recht genau
auf! Sie setzen den Leuten keinen Wein
vor, denn den dürfen sie nicht trinken,
fondern Sie nehmen nur leere Flaschen
mit dem bezüglichen Etikett und füllen
sie mit reinem klaren Waffer; das sehen
dann die Irren als Wein an. Und als
Effen setzen Sie Jedem nur einen Teller
Faust auf den Tisch, daß die Flaschen
und Gläser aneinander klirrten und
rief: Herr! Was soll das heißen? Sind
Sie verrückt oder find wir eS? Sie wer
den uns doch nicht einreden wollen, daß
diese Mehlsuppe keine Mehlsuppe ist?
Sie wollen uns wohl zum Narren
haben?"
Der Wirth hatte durch's Fenster ein
Zeichen gegeben, und nun traten auch
schon die beiden HauSdnechte durch die
Thür, stellten sich breitspurig hin und
streiften ganz gemächlich die Hemds
ärmel über die muskulösen Arme.
So, meine Herren, nun verhalten
Sie sich hübsch ruhig und essen Sie Ihre
Suppe, wenn's auch Mehlsuppe ist,
denn sonst rufe ich Ihren Arzt und
dann werden Sie eben wieder einge
sperrt." Nun wurde eS der Gesellschaft aber
doch zu bunt, fie drangen auf den
Wirth ein und brachen, durcheinander
Mehlsuppe nebst einem Stück Brod ! schreiend los: Was. Arzt?" Ein
vor ; die werden dann schon denken, sie sperren?" Ist denn alles verrückt
haben Hasen- oder Gänsebraten oder hier ?
Die allen Parolevücher
der Berliner Garnison zur Zeit Fried"
richS deS Großen enthalten mancherlei
j Ergötzliches, auch sind sie bezeichnend
ich für den Geist und die ganzen Verhält-
rnsse der Zeit. DaS erste Bataillon,"
lautet eiu Befehl vom !'.. Mai 1752,
mit leinenen Hosin und weißen Stie
seletten auch gut gepudert. DaS zweite
Bataillon mit schwarzen Stiefeletten
und tuchemn Hosen. Diese nicht ge
pudert. Daß Keiner besoffen kommt,
bei Strafe deS Gassenlaufen !" Ein
anderer Befehl vom 2.". April 1780
lautet: Einige Herren Offizier? und
die meisten UnIerossizierS, müssen sich
durchau? abgewöhnen, wenn fie Züge
führen, daß sie nicht so viel mit den
Händen wehen. Die Herren Offiziers,
so heute geweht haben, möchten sich
selbst korrigiren und ins Künftige sich
bessern." Am 7. Oktober 1851 heißt
eS: Wenn Lärm oder Schlägereien in
den Gassen vorfallen, so sollen die
Patrouillen alles arretiren und wenn
auch deS Prinzen von Preußen Dome
stiqueS mit dabei wären." Zur Auf
rechterhaltung der Ordnung b,stirnd
noch das Spießruthen- oder Gaffenlau
fen. Der Schuldige mußte mit ent
blökten, Rücken durch die aufg, stellte
Gaffe seiner Kameraden gehen, deren
Jeder, mit einer Ruthe versehen, ihm
einen Hieb gab. DaS geschah bei Trom-mel-
und Pfeifenklang, deffen Melodie
die Soldaten den Text untergelegt hat
ten: Warum bist Du fortgelaufen?
Darum mußt du Gaffen laufen, darum
bist du hier !"
bestellt haben.
verstanden, Herr
Der Irrenarzt.
Humoreske von H e i n r i ch W e I
Eine lustige Gesellschaft Berliner Her
ren war es, die sich im Schnellzuge der
von Nordhausen kommend nach Hallt
fuhr, befand. Es waren alles biedere
Handwerksmeister, die einen Ausflug
nach der Rothenburg und dem Kyffhäu
fer unternahmen.
Also, Kinder, wenn wir jetzt nach
Roßla kommen," meinte der dicke
Schlächtermeister Kunisch, kehren wir
aeaen die Windrichtung und gebrauchte ! erst mal im Kaiser Barbarossa" ein
kraftvoll die Ruder. Die Anstrengung
that ihm wohl, aber fie vermochte nicht,
die immer wiederkehrenden Gedanken zu
bannen.
Endlich hielt der einsame Mann in
seiner Arbeit inne und sah prüfend gen
Himmel.
Der Mond schaute zwischen Wolken
und dann gehen wir rüber nach Kelbra,
um dert in der Sonne" ein kräftiges
Mittagbrod einzunehmen und ein gutes
Fläfchchen Wein dazu zu trinken."
Bravo, Kunisch, so wird'S gemacht."
rief der spindeldürre Büchsenmacher
Kleeberg. Erst essen und trinken wir
ordentlich, und dann machen wir den
was fie sich sonst
Haben Sie mich
Wirth?"
Sehr wohl. Herr Doktor! Wasser
Mehls ppe! Ader die Sache ist doch un
gefährlich?" Gewiß, gewiß, nun bringen Sie
mir eine Flasche Wein und ein gutes
Mittagbrod dort hinein."
Im' nächsten Augenblick wußte eS
das ganze Hauspersonnl, daß fechS
Irre im Anzüge feien, und neugierig
stand ein Jeder am Fenster und sah die
Ztraße hinab. Richtig, da kamen auch
sechs Mann im Gänsemarsch daher,
kamen durch den Hau?flur in die
Schankstube und sahen sich verwundert
um. Denn die war leer, und keine
Menichenseele drin.
Heda. Wirthschaft!" riefen fech?
laute Stimmen und nun endlich kam
der Kellner, verbeugte sich tief und
sagte: Ah, da find ja die Herrschaften!"
Ja. da find wir, meinte der dicke
Kunisch. Nu mal heraus mit der
Sprache, was giebt s zu essen und zu
trinken!"
Aba, nun geht'S schon los." dachte
der Mann mit der weißen Serviette,
O. als Getränk kann ich den Herren
ganz besonders einen ausgezeichneten
Rüdesheimer Berg" empfehlen. Und
von Speisen ist Entenbraten, Hasen
braten. Gänsebraten und Filetbraten
vorräthig."
Na." meinte Fritze Kulasch. da
bringen Sie nian sechs Pullen Rüdes
heimer her, wollen Mal sehen, wie das
Zeug schmeckt, und dann können Sie
mir Gänsebraten mitbringen."
Und mir Hasenbraten,"
Ich esse Entenbraten."
Und wir wollen Filetbraten haben."
bestellten einstimmig die Anderen.
Der Kellner verschwand. ES war
alles seltsam still im Hause, nur manch
mal öffnete sich behutsam auf Hand
breite die Thür und ein Gesicht schaute
neugierig herein, um dann schnell wie
der zu verschwinden, und draußen vor
den Fenstern schritten zwei muskulöse,
hemdsärmelige Hausknechte unentwegt
auf und ab und schielten von der Seite
in die Stube hinein.
Höre, Kunisch." begann niin Ku
lasch, das scheint mir ja hier eine ganz
putzige Kneipe zu sein. Keine Men
schenseele läßt sich sehen."
Der Kellner kam zurück, setzte sechs
bereit? entkorkte Flaschen RiideZhei
mer" auf den Fisch und war flngS wie
der zur Thür hinaus.
Na. denn wollen wir man inzwischen
Ruhe, meine Herren, Ruhe," rief
der aus dem Nebenzimmer plötzlich ein
tretende Mann mit der grünen Joppe.
Der Wirth wandte sich ihm schnell
mit den Worten zu: Es ist gut, daß
Sie kommen, Herr Doktor, denn Ihre
Verrückten find doch nicht so ganz un
schuldig, wie Sie meinten."
Einen Augenblick, meine Herren,
ich werde Sie gleich aufklären." Und
dann erzählte er den ihn verdutzt An
sehenden, wie er vom Zuge aus direkt
hierhergegangen sei und welches Ab
kommen er mit dem Wirth getroffen
habe. Sehen Sie." schloß er. nun
sind Sie doch von einem Provinzialen
angeulkt worden. Denn ich bin hier in
der Aue geboren und lebe auch hier."
Der Witz is nich schlecht I" meinte
Kukiisch. der sich zuerst erholt hatte.
Aber wiffen Se, Herr Doktor, so ver
rückt find wir nich, det wir Ihnen det
übelnehmen. Kommen Se mit 'ran
an'n Disch und trinken Se mit ! Wir
wollen die Provinzia! - Witze leben
laffen!"
Vivat hoch!" stimmten Alle ein und
die Sitzung wurde eine so schwere, wie
solche Kelbra selten gesehen hat !
Der große Mann.
Vor einer halben Stunde hatte das
Dienstmädchen dem hervorragenden
Chemiker und ordentlichen Professor
Dr. von Gschaftlhuber den Koffee ge
bracht. Nun erhob er fich sinnreich
lächelnd, um selbigen zu genießen.
Aber halt da sehlte die Zuckerbüchse !
Hatte nun seine Gattin die braune Lab
sal schon gleich gezuckert? Oder lag ein
Versehen des Dienstmädchens vor? Pro
seffor Dr. von Gschaftlhuber dachte an
gestrengt nach, ohne zu einem Resultat
zu kommen. Doch ward dadurch feine
geistige Kraft nicht abgebrochen. JnS
Unvermeidliche mit stoischer Gelassenheit
sich fügend, entnahm er der Taffe ruhe
voll zwei kleine Proben, füllte sie in
Reagenzgläschen und durchforschte fie
nach den Regeln der Wissenschaft. Nach
25 Minuten stand fest, daß weder nach
Trommer noch nach Nylander ein An
halt für das Vorhandenfein von Zucker
zu gewinnen war. Da freute sich der
große Gelehrte herzlich und aufrichtig,
daß durch die Fortschritte der Wiffen
fchaft fo komplizirte Fragen in v-rhält-nißmäßig
kurzer Zeit zu lösen sind, und
ließ sich seine Freude durch den kalten,
uugezuckerten Kaffee nicht verbittern.
Der Radfahrsport vor :K fahren.
Ueber den Radfahrsport, der jetzt in
so hoher Blüthe steht, finden wir in
einer Zeitschrift auS dem Jahre 1868
nachstehende Notiz: Auf den Boule
vards und den Champs ElyseeS sausen
gegenwärtig Fahrzeuge so wunderlicher
Art und mit solcher Blitzesschnelligkeit
an den erstaunten Augen vorüber, daß
man unwillkürlich stehen bleibt, um den
kühnen Wagenlenker zu bewundern der
mit eigener Hand und eigenem Fuß
dieses seltsame aus nichts als Rad be
stehende Eurriculum lenkt und bewegt.
AuS nichts als Rad. sagen wir, denn
der Sitz ist kaum der Rede werth. Wie
sollen wir unserem Lesern die neuen
Wagen die man ihrer Kcschwindigkeit
wegen Schnellfuß (velocipede) genannt,
beschreiben ! Zwei Arten von Velocipe
des: solche mit drei Rädern und solche
mit zwei Rüdern, beide von den Füßen
den Fahrenden oder Reitenden getreten,
fliegen an uns vorüber. Es geht wi!
lich mit rasender Geschwindigkeit und
die Lenker entwickeln eine Äemandtheit
und Kaltblütigkeit, die die besten Rosse
bündiger beschämen können, denn fie
wissen fich durch all' die tausend Wagen
und Pferde mit einer Leichtigkeit durch
zubewegen, als wenn sie von Luft
wären. Bereits hat fich ein Klub von
Ein seltener Böget.
Ein russischer Großiürst befand sich zu
Anfang dieses Jahrhunderts bei einem
kleinen, deutschen Herrscher zu Gaste.
Das russische ReichZwappen ist bekannt
lich der doppelköpsige Adler, und Kiesen
hatte der junge Prinz in seiner Heimath
auf den verschiedensten Gegenständen
oftmals gesehen.
Eines Tages nahm der Großfürst,
der nicht sehr begabt und in seiner Er
Ziehung etwa? vernachlässigt war. an
einer Jagd seines Wirths Theil und
schoß bei dieser Gelegenheit einen großen
Boel. Er fragte den Förster, in dessen
Begleitung er sich befand, was denn daS
für ein merkwürdiges Thier sei?
Das ist ein Adler, kaiserliche Hoheit",
lautete die Antwort.
Der Großiürft wandte sich zornig um
und versetzte: Unfinn, wie kann daS
ein Adler fein, er hat doch nur einen
Kopf."
Da? gebildete Dienstmädchen,
Herr: Anna, gehen Sie doch 'mal
in mein Studirzimmer und holen Sie
den Band F." vom Konversation?
lexiton."
Dienstmädchen: WaS möchten Sie
denn gern wissen; vielleicht kann ich
Ihnen' Auskunft geben!"