Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, August 19, 1897, Image 10

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    NKaftor.
KW amenkani'chc GIchlchl von .K. Itve.
Loitor Siegert, ein junger deutscher
Arzt, war erft em iertel,alr in an
Juan de (5onentf8, der Hauptstadt der
argentinischen Republik 6 Oriente, an
fasst, als er eine ZageS die Bekannt,
schajt deS Gouverneurs von San Juan.
Fernande,, machte, der wegen einer
Fußgeschwulft seine Hülse beanspruchte.
In der zweiten Woche seiner Bekannt
schast wurde im Hause deS Gouverneur-,
dkffen gußgeschmulft zusehend abnahm,
ein kleine Tanzfeft veranstaltet und
auch unser Doktor dazu cmgeiaoen.
bitte, Ihrem Pferde einen Wink zu e
den unser Weg geht rechlS ad!"
Ter Loktor lenkte, wie Zomaso
wollte, in den rechten Weg ein. Wüh
rend der andere, den sie diZher versolgt
Mahl wahrte saft eine Stunde. Tann
wurden die Mische dei Seite gerückt und
mit dem Guitarrenllang griff auch eine
höhkre Luftigkeit um sich.
Seldft Don Siaerto sang zur Gui
und der wahrscheinlich die Hauvtftrakzc :arre deutsche ''oupletS. worüber sich die
nach dem nächsten größeren Cite bildete,
: t 1 1 ait MiK VMrtvS Hriin Iwr
111119 UCt. UMV, WUfcV ViMiBv(
sie nun zum Ziel sühren sollte, immer
rauher und steiniger.
Beide mochten etwa dreiviertel Stun
1 den weit geritten sein, da glaubte To.
maio irgend ein verdächtige? Gerüusch
zu vernehmen und machte den Doktor
darauf aufmerksam. Gleich darauf
Tam vlnem. sr
wilden Gesellen halb todt lachen wollten
Er verga an, seine Doktorwürde und
daß er die wilde Ausgelassenheit von
Aaubern und Mördern theile und sog
immer ton Neuem am Trinkhorn, wie
ein Kind an der glasche. Aber all
gemach verstummte der Lürm um ihn,
wie Medlsacke sankcn die Banditen einer
nach dem andern in MorpheuS' Arme
daS ewig Weibliche in Jgnacia an, und
er hatte feiner schönen Verwandten von
jeher und so auch später in seinem -Kau
der dasein alles zu Willen gethan. Er
wußte auch, als er mit dem Doktor in
der Nacht über die Dame sprach, die
er in MirafloreS zu kuriren hatte, wie
die Sachen standen, denn MiranoieS
eilte. Die Karte ließ er liegen, SS
stand nur darauf: Paul Schering.
Stud. med.. Heidelberg Marburg.
Der giemdling war eine echte Ger
mancngeftalt über Mittelgröhe.
schlank und doch von machtiger Brust
weite: da? blonde, lockige Haar hing
ihm frei um die hohe Stirn, die von
sprengte er n 8
aunt und entrüstet rief Siegert, was
De? Doktor f7 "bn 1 Äff
mehr als nöthig in die Augen Jgna rauhe Kehlen ein'wchl! n ge
genoonnerien, UIIv im imiyiuii uuwh'
blick sah er sich von einem halben Dutzend
Kerle umzingelt, so daß er nicht vor.
nicht rückwärts konnte. UebcrdieS droh
ten von allen Seiten rostige Karabiner.
Machetas und LaffoS. und eS blieb ihm
ein', der reizenden Tochter de wmmf
neur. wahrend er für die anderen jun
gen Damen, die daS gest durch ihre
Gegenwart verschönten, so gut wie gar
nicht vorhanden war, trotzdem es die
und die Andere sich angelegen lein
IC...
Ue einen Sturm auf sein Herz zu ver- j nichts
suchen. Auch Jgnacia schien ihn vor deS meine alte geflickte M,l tür-Un form
atten übrigen anwesenden Herren mit ! gekleideten Anführers Folge zu leisten
ihm- Kinntt kii,S!u,eichn,'N und drohte! uns aozuneigen.
fenie Sinne zu berücken
Sie hatte als Tochter des Hauses die
Bcipflichtung. mit einem ihrer männ
lichen Berwandten den Tanz zu begin
nen. Ihr Tänzer trug eine helle, mit
goldenen Schnüren besehe Scharlach
jacke. weiße Pantalons, eine rothe
Schärpe und Tanzschuhe mit einer tlei
nrn rothen Kappe, Jgnacia ein buntes
Muffelinkleid, das kurz und steif gestärkt
war. einen reich gefärbten, französischen
Sdawl und seidene Strümpfe. Der
San, äbnelte dem Fandango. Das
Eadarello." sagte daraus der llnifor-
ritte, ich bitte um Ihre Börse und ;
Ihre Uhr!"
Trotz der eben nicht beneidenSwerthen
Lage, in der er sich befand, zwang sich '
doch der furchtlose Doktor, laut aufzu-
lachen, Meine Börse und meine Uhr.
CabarelloS! Nicht Übel!" Damit warf!
' er seinen Poncho ab und über da Pferd. '
Glauben Sie. daß ich Gold und Kost. I
j barkeiten mit mir führe? Wenn Sie
! aber darauf erpicht find, ein arme?
! Menschenkind zu berauben, so er zog
ft--
'w''m.,,h.d...ch
mm tan toi ch ! . , .
JLlll .lupin VUt Tzv ivitun uvu
Folgen für Sie haben, wenn Sie mich
wilder zurück
einer Seite, wobei Jgnacia's Augen
: rttn ,;,!.,.
Iinillft tsuiuv"1!"'" """I üfc tlJM (roilnRon h.rn, i hin 9irjf
ten. gingen gewandt einander unter den j '" - 7, ZmZ k
Armen durch, ohne fich zu berühren,
und klapperten und schlugen dabei den
Takt gar luftig mit den Kaftagnetten.
Doktor Siegert war gebannt und be
zaubert von den anmuthigen Bewegun
gen der üppig.schlanken Jgnacia, de
zaubert vom Portrage des Nationallie
deöliedes. daS eine seltsame (ombi
Nation von Tönen sie mit ihrer
klangvollen Stimme vortrug. Man
sah ihn und die schöne Jgnacia oft bei
summen an diesem Feste, und Siegert'S
Herz sprach: Diese und keine Andere!"
Er war fest davon überzeugt, daß er bei
einem Werben um ihre Hand keinen
Korb aus derselben empfangen würde.
Er schied in später Nachtftunde als ein
glückberauschter LiebeSnarr aus ei
nandez' Hause, indem er dem Haus
Herrn daS Versprechen hatte geben müs
sen. sobald es seine Zeit erlaubte, ihn
wieder mit seinem Besuche zu beehren.
Ein paar Tage später, er war ge
rade dabei, in der Posada, wo er Quar
tier gefunden, sein Abendbrod zu fich zu
nehmen, meldete ihm sein Wirth einen
Fremden. Der langbeinige Fremde er
schien in spanischer Bediententracht mit
dem Ansuchen, Siegert möchte ihn nach
MirafloreS zu einer schwerkranken Dame
folgen, die von den gelungenen Kuren
des europäischen Arztes gehört hatte.
Wie weit ist MirafloreS entfernt?"
fragte Siegert Tomaso, den langen
Sobn Hispanien's.
Mit guten Pferden erreichen wir e?
in einer Stunde," versetzte dieser, die
Pferde warten schon vor der Posada."
Gut, ich komme in ein paar Minu
ten hinab. Sie können solange bei den
Pferden bleiben, mein Freund!" DaS
war ein Zeichen für den Diener, daS
Zimmer zu verlaffen.
Siegert fand nicht für nöthig, fich
erst mit seinem Wirthe zu besprechen,
wie er fich am Besten für fein Vorhaben
rüste, denn derselbe hatte ihm schon
früher einmal gesagt, wenn er einen
weiteren Ausflug von der Stadt unter
nähme, solle er fich so gewöhnlich wie
möglich kleiden und so wenig wie mög
lich Mammon in Münze mitnehmen, da
man nicht wiffen könne, wer um den
Weg sei. Danach lichtete fich unser
Doktor auch jetzt und trat bald in ein
fachcr Wolljacke, einem Schlapphute
und hohen Reiterftiefeln vor die Posada,
wo er und sein Führer sogleich zu Pferde
stiegen. Er trug also wenig Geld und
einige Wechsel bei fich. welch Letztere
jedenfalls sicherer und bequemer mit
zunebmen waren, als leicht reizende,
klingende Münze.
Sobald sie abgeritten waren, hielt
fich der lange Tomaso mit seinem Pferde
hinter dem' Doktor. Ter Führer schien
sehr schweigsamer Natur zu sein und
sprach nur, wenn er direkt angeredet
wurde.
Ist Deine Herrschaft in diesem
Lande gebürtig?" begehrte der Doktor
unterwegs zu wiffen.
Es find Chilenen, wenn Euer Gna
den Nichts dagegen haben." entgegnete
der Diener, und Euer Gnaden werden,
wohin Sie auch in anderen Ländern ihr
Fuß führen mag, was Gastlichkeit und
Schönheit des weiblichen Theiles mei
ner Herrfchaft anbelangt, nicht leicht
etwas BehnlicheS finden!"
Der Doktor lächelte in fich hinein.
Die meisten Chilenen," sagte er, find,
glaube ich, Abkömmlinge von Spa
niern?"
Die weiße Bevölkerung von Chile.
Sennor. besteht meines Wiffens aus
Mischlingen von Spaniern und Jndia
nern. sowie aus einer kleinen Anzahl
direkter Abkömmlinge der Spanier!
Doch. Euer Gnaden, belieben Sie jetzt,
und muß noch heute in MirafloreS sein,
oder wie daS Nest heißt, wo eine Schioer
kranke auf meine Hülfe wartet!"
Nun war es an dem Uniformirten,
laut aufzulachen. Hört Ihr," wandte
er fich seinen Leuten zu, der Sennor
muß heute noch in MirafloreS sein!"
Auch die Anderen lachten und flüfter
ten, der Anführer aber steckte ruhig Sie
gert'S Geld ein und knurrte etwas, das
wie Gleich gedacht", klang, vor fich hin.
Dann befahl er dem Arzt, wieder aus
zufttzen, die ganze Bande umgab ihn von
Neuem, und fort ging es ein schmales
Thal hinab. Die Ritter von der Land
ftraße unterhielten fich nun so laut in
einer Art Räuberkauderwelfch, daß Sie
gert einsah, jedes weitere Wort von sei
ner Seite würde doch in den Wind ge
sprochen sein.
Im Westen ging jetzt die Sonne un
ter und hüllt die fernen Wälder und
Höhenzüge in seine rothe Nebelgluth.
Der Doktor stellte allerhand Betrach
tungen an, und fo furchtlos er auch
war, konnte ihm doch der Gedanke nicht
gleichgültig sein, seinen Leichnam den
Raubvögeln zum Raube hingeben oder
günstigen Falls seinen Doktorhut mit
dem Räuberhute vertauschen zu müffcn.
Und irgend so etwas für die nächste Zu
kuft mußten die Banditen doch im Plane
haben!"
Man hatte jetzt bei einer Biegung des
Thales einige Ranchos erreicht, vor de
nen mehrere Feuer hell durch die Däm
merung flackerten. Alle, auch uuser
Gefangener, sprangen von den Pferden,
und einer der Banditen brachte die
Thiere in den Poterro. Der Unifor
mirte klopfte darauf dem Doktor auf
die Schulter und sagte im gemüthlich
sten Tone: Kamerad, an Dir ist ein
tapferer Bandit verloren : Du bist ge
rade so n armer Teufel, wie wir Alle zu
sammen! Und nun kommen Sie, Ca
ballero, eS ist EffenSzeit, und Sie wer
den Hunger haben!"
Siegert folgte dem Räuber zum La
ger der Banditen, indem er fich nicht
wenig verwunderte, daß man feine Klei
der nicht durchsucht hatte, wo man die
Brieftasche mit den Wechseln gefunden
haben würde, und ihm nur die fünf
SoleS genommen worden waren. Oder
sollte daS Durchsuchen erft in der Nacht
vor fich gehen? Jedenfalls beschloß er,
auf der Hut zu fein und, wenn eS nö,
thig würde, selbst mit dem Leben die
Wechsel zu vertheidigen, die er unter
keinen Umständen einbüßen wollte. Es
bot fich ihm nun ein eigenthümliches
Bild. Um ein mächtiges Feuer kauer
ten die bunt gekleideten, gluthäugigen
Banditen, rauchend, schwaiiend und
Mate" saugend, der von ein paar alten
Hexen bereitet und herum gereicht wurde.
Von dem mondbeglänzten Hange, dem
Rancho gegenüber, kam eine meckernde
Ziegenheerde. von Hunden gefolgt und
luftig schreienden Kindern. Auch er
schienen jetzt in der Thür deS nächsten
RanchoS vier junge, hübsche Sennori.
taö, ohne Zweifel die Geliebten der edlen
Räuber, mit Tellern, Schüffeln, Trink
Hörnern und sonstigen zum Taselge
brauch nöthigen Dingen.
Ton Batist, so hieß Siegert's neuer
Freund, stellte ihn nun, nachdem er ihn
um seinen Namen gefragt, seinen Ka
meraden und Kameradinnen als Don
Sigerto vor und erklärte ihnen seinen
Irrthum, daß er den Arzt für einen rei
chen Mann gehalten. Dieser mußte
Allen die Hände schütteln, und da sein
Schicksal eine so günstige Wendung ge
nommen hatte, verdoppelte fich auch
sein Apvttit, und er sprach tapfer dem
wilden Ziegenfleisch, der Milch und den
Früchten zu und that Allen mit dem
großen Trinkhorn wacker Bescheid. DaS
Ihr HäupAina aber nahm seinen nun! konnte sie sein.
in einen Gast verwandelten Gesangenen Er dachte daher.
mit in seine Hütte, wo fte Beide es fich !
auf Matten, ausgebreiteten Fellen und
PonchoS denuem machten.
Ehe wir uns dem Schlummer über
lassen." nahm darauf Ton Batifta das
Wort, sagt, guter Freund, was mein
tet Ihr mit MirafloreS. wohin Ihr
heute noch zu einer Kranken wolltet?
Wie kommt Ihr auf diesen Namen?
Einen Ort dieses Namens giebt es hier ;
in der ganzen Umgegend nicht !"
Siegert sah den Räuber nicht wenig j
überrascht an. Es handelt fich um eine j
Dame, die ich daselbft heilen soll," ent
gegnete er mit etwas schwerer Zunge,
möglich, daß sie selbst so heißt und dem
Crie den Namen gegeben hat !"
Der Räuber zuckte mit einem Mslle
merklich zusammen, und der Arzt glaubte !
au? seinem offenbaren Erschrecken ent!
nehmen zu können, daß er den Ort wohl
kenne und nur einen besonderen Grund
habe, das Vorhandensein deffelben zu
leugnen.
Und Ihr seid von San Juan aus
dahin beordert?" sorschte Ton Batista
weiter, und Ihr habt Euch allein auf
den Weg gemacht?"
Siegert sah jetzt keine Gefahr mehr
für sich in den Worten und Fragen deS
Banditen und antwortete daher der
Wahrheit gemäß:
Ein Diener der kranken Frau hat
mich abgeholt, um mich zu ihr zu de
gleiten, und wenn Ihr ihn nicht gefan
gen haltet, wird er, noch ehe ich in Eure
Hände fiel, der Gefahr des Ergriffen
werden? entronnen sein!"
Ihr wißt selbst, daß ich außer Euch
Niemand gefangen halte, und ich sage
Euch, Ihr kommt morgen früh auch
noch zurecht nach MirafloreS: die Leute
war ein Kosenamen Jgnacia's, mit dem j zwei tüchtigen Narben geziert war. und
i sie ihr Vater mitunter nannte. ?r
reimte fich zusammen. Siegert müsse ein
Bekannter Jgnacia'? sein und würde
von ihr erwartet. Taß sie krank sei.
glaubte er nicht, da sie bisher fischge
sund aewcsen: höchstens liedeskrank
das Bärtcheii umschattete einen Mund
der halb im Trotz und halb in Schuch
ternheit verzogen war.
Also doch der Sohn meine? alten
Studienfreundes Schering Mutz"
war sein Kneipname na. daS freut
mich, reut mich herzlich. Laß Tich
unS anschauen, mein Sohn!" Und der
alte Herr blinzelte schars über seine
Brillengläser. Hm. hm ganz die
Jgnacia bedauerte in i Mama. Ja ja." Und ein hör-
barer euszer entrang ney ,e,ner vru.
Ganz die Mama. Und wag macht fte
seinen Gefangenen
so bald wie möglich in ihr HauS zu
schaffen, was denn auch am anderen
Morgen geschah.
Worten höchster Entrüstung, daß er
durch ihren verbrecherischen Verwand
ten in derartige Ungelegenheiten vcr
setzt worden sei. Siegert versicherte
seiner Schönen, daß ihre Ueberraschung
ältere rauen und Herren, mitten im
Walde.
Damals war'S gewesen da war die
Entscheidung erfolgt. Wählend er, alS
unwissendes Schlachtopfer aus dun Al
tat der Freundschaft, fortgeschickt wrr
den war in'S Dickicht, um den Wald
Meister für die Maibowle zu suchen, da
war'S geschehen. AIS er mit der fern
gen Bowle dann fich der Gruppe näherte,
da waren fte auf ihn zugetreten, ko
selbstbewußt und ohne eine Idee, daß
mit einem Male die Welt ihren Zauber
für ihn verloren, und hatten ihm lächelnd
zugerufen: AlS Verlobte empfehlen fich
Otto Schering und Magda Wendt."
Und nur unermeßliche Anstrengung und
das Aufgebot seines ganzen Stolzes hat
ten ihm die Kraft gegeben, das schwere
Gesäß, in dem der würzige Wein duftete,
in den Fingern zu halten.
Ja, gerade so hatten fte damals gc
denn, die Mama? Immer hübsch j standen, wie hier auf dem Bilde
muntert Und der Papa auch?
freut mich freut mich wirklich
Na. j Magda. seine Magda. wie er fie in sei
durch sein gehabtes Adenteuer mit einem ! nun setze Tich zu mir, mein Sohn
ihrer Verwandten noch einen besonderen
Reiz für ihn bekommen habe, und sprach
die Hoffnung aus. fie auch ohne räube
rische Begleitung öfter in ihrem Tusku
lum aufsuchen zu dürfen. Jgnacia
gab seinen Wünschen gern Gehör, und
der Doktor wählte so lange die Villa
MirafloreS" zum Ziel seiner Ausflüge,
bis die Krankheit der jungen Dame
gründlich gehoben, daS heißt bis er fte,
die Wunderblume, mit Genehmigung
ihrer Angehörigen an sein Herz stecken
durfte.
Ein alter Junggeselle.
iharaklcrskizzc ans dcm drulich aineiikaiii
scheu Leben von W. v. chieibiand.
Es herrschte eine gewisse Aufgeregt
heit an jenem Abend in der gemüth-
lichen Stammkneipe an der Jackson
Straße, der man auf zehn Schritte die
klassischen und studentischen Reminis
cenzen ansah, denn auf dem großen
Schild über der Thüre waren nicht nur
die Embleme eines rechtschaffenen
BierdurfteS angebracht, sondern auch
daS Conterfei einer Truppe trinkbarer
Männer, die sich am goldgelben Ger
stenfaft labten und um die fich band
förmig die Devise zog: O, alte Bur-
schenherrlichkeit." Ter Wirth nicht
sterben hier zu ande nicht so rasch!! allein, der ein im 27. Semester befind
Und nun laizt uns ruhen bis dahin!"
Der Arzt, dessen Sinne immer mehr!
von der Müdigkeit beherrscht wurden, j
war jetzt mit allem zufrieden, und bald
sank bleierner Schlaf uuf seine Augen. ,
Halbverwischtc Bilder vcn Menschen,
die noch vor wenigen Stunden Dolch
licher alter Heidelberger war, sondern
auch daö Gros seiner Stammgäste
waren alte Studenten", die fich zu
löblichem Thun" allabendlich im trau
lichen Hinterzimmer zu versammeln
pflegten. Und dort erinnerte in der
That Alles an die verflossene Burschen-
und Pistole auf ihn gerichtet, nahm er i Herrlichkeit photographische Gruppen
mit in seinen Traum hinüber
Als er am nächsten Morgen erwachte,
fand er sich in einem reich ausgestatteten
Gemache, in einem prachtvollen Himmel
bette, wie der Prinz im Märchen, und
am Fuße deS BetteS stand ein betreßter
Diener, derselbe, der ihn nach Mira
flores begleiten sollte. Der Doktor rieb
sich wiederholt die Augeu, aber es blieb
dieselbe Erscheinung. Und jetzt erin
nette et sich, wie tomaso am vetgan
genen Tage davongesptengt war, ohne
daß fie auf ihret Straße eines Banditen
anfichtig geworden.
Der lange Dienet antwottete auf die
von Seiten deS etftaunten AtzteS ge
thaue Frage, wo er sich befinde, daß
die Herrin deS Haufes ihren Gast er
warte und ihm selbst alle nöthigen Er
klärungen geben wolle. Sobald er
Toilette gemacht er fand alles dazu
vorräthig, führte ihn der Diener in das
Zimmer der Senorita. Und wen fand
er daselbst! Seine Angebetete, Jgnacia!
Die Schöne löste sein Erstaunen durch
folgende Mittheilung, die fie ihm
lächelnden Mundes gab.
Was zunächst die herrliche Villa de
traf, in der er fich befand, so gehörte
dieselbe Jgnacia's Vater, dem Gouver
neur Fernandez. Ebenso wie dieser
hatte nun Jgnacia ihre Schrullen, wenn
ich mich des Wortes bedienen darf. Und
eine ihrer Schrullen war, daß sie fich zu
Zeiten hierher von dem Treiben der
Stadt zurückzog in diese ländliche Abge
schiedenheit, trotzdem sie in San Juan
ein gemüthliches Heim besaß. Ihre
Eltern ließen fie gewähren, waren wohl
auch zu bequem, ihre von allen Bekann
ten und Freunden leicht zu erreichende
Stadtwohnung einer töchterlichen Grille
wegen so im Umsehen mit der fernen
Einfiedelei zu vertauschen.
Mit ihrer Schrulle also wollte Jgna
cia zugleich den Geliebten ihres Herzen?
überraschen. Zomaso, ihr Diener, sollte
den Doktor zu einer Schwerkranken de
gleiten, und Siegert fie als eine sehr
Gesunde vorfinden. Aber wer nicht
kam, war der Doktor, den Räuber in
Beschlag genommen hatten. Jgnacia
empfand eine grenzenlose Unruhe, als
der Tag verging, und endlich Tomaso
ohne den Doktor erschien. Dieser er
zählte, wie er die Annäherung der Räu
der gemerkt, aber glücklich davongekom
men und auf einem weiten Umwege zu
rückgekehrt sei; den armen Herrn aber
hätte sein Schicksal ereilt. Erschreckt
aber wurde Jgnacia, als nun mit dem
ersten Morgengrauen zwei der Leute des
ihr wohlbekannten RäuberhauptmanneS
Batista den schlafenden Doktor gleich
einem Todten ins HauS schleppten.
Don Batifta war nämlich ein Bru
dersohn ihreS VaterS, der. schon früher
in schlechte Gesellschaft gerathen, fich
einem ausschweifenden Leben hingab
und endlich das Räuberhandwer! zu sei
nem Berufe erwählte. Jedoch trotz sei
neS rauhen und bösen HerzenS zog ihn
bilder. rostige Schläger, sowie mächtige
Trinkhörner, FestonS von ?ereviSkap-
pen u. f. w., u. s. w. und nicht zum
Mindesten that dies Spund", der alte
Kneipendiener, ein Original.
Eine Karte machte die Runde um den
langen Biertisch, und Jeder, der fie lag.
machte dazu seine Bemerkung. Auf
der Karte stand in feinen gravirten
Lettern die Vermäblungsanzeige eine?
Pärchens Willibald Merk und Agathe
Lengefeld, so hieß es darauf.
Die Commentare. die dazu fielen,
ließen die meisten Anwesenden als ent
schiedene Feinde des löblichen Ehestan
des erkennen. Zum Theil waren fie
bisfig.
Wieder 'mal ein Geftrauchelter."
brummte Bralitz, der Nestor der Tafel
runde.
Ja, eigentlich war er zu alt, um
noch solche Dummheiten zu begehen."
fetzte Alfing. der wohlhabende Apotheker
von der Ecke, hinzu. H
Na, 38 ist doch eigentlich noch ein
hübsche? Alter," warf Schall, der Advo
kat, ein. der in dem Gerüche eine? un
verbesserlichen Mädchenjäger? fich be
fand, indem er fich mit einer tragikomi
fchen Geberde über die breite Glatze auf
seinem mächtigen Schädel fuhr.
In diesem Momente wurde die Thür
aufgestoßen, und dann folgte ein betäu
bende? Getrampel und ein taktmäßiges
Trommeln auf der Tischplatte, daß da?
ganze Zimmer bebte. Durch die Thür
schob fich die kleine, untersetzte Gestalt
de? alten Doktor? Mending, dem der
mächtige große Cylinder und die straffe
Haltung vergeblich das Ansehen eines
Goliath zu verleihen suchten. Mächtig
pustend, nahm der kleine Herr an dem
Tische Platz, und nachdem er mit einem
einzigen virtuosen Zug, dem man die
langjährige Praxis ansah, den schäu
menden Pokal geleert, den Spund'S
liebevolle Sorgfalt sofort vor ihm pla
cirte, musterte der alte Doktor stirnrun
zelnd und schweigend die Heirathsan
zeige. Dann sagte er nur:
Na, Hütte auch etwas Gescheidtetes
thun können, det btave Willibald!"
Nachdem rasch einige ölubangelegen
heiten auf dündende Weise erledigt wor
den waren, erscholl der dröhnende Bier
baß deS Präses:
,,Si1ntinm ex; Colloquium!"
Und ein heiteres, ja lustiges Gespräch
kam alsbald in Fluß.
Doch der Abend sollte noch eine Ueber
raschung bringen.
Hast Du ichon Quartier genommen in
diesem Kaditalneft aller Räuber und
Gauner? Noch nicht
mir bleiben.
Der junge Mann, ob dieses herz
lichen, zwanglosen Empfanges etwas
verwirrt, zerrte und zog etwas aus der
Tasche, das offenbar ein große? Em
psehlung?schreiben war, da? er dem
kleinen Alten übergeben wollte. Ader
der winkte abwehrend.
Nein, laß da? vorläufig stecken, mein
Sobn zu Hause, da will ich mir die
Epistel schon ansehen. Hier nicht. Du
bist willkommen in diesem Kreise. Laß
Dir da? vorläufig genügen. Alles An
dere findet sich später."
Und so wurde denn an jenem Abend
erft dem Gerstensaft, dann dem Blut!
der Rebe tüchtig zugesprochen mehr
als sonst, und als nach Mitternacht die
Sitzung aufgehoben wurde und Dr. !
Mending seinen jungen Schützling ver-
traulich unter den Arm faßte, da hätte ,
ein kundiges Auge ein leichtes Schwan-
ken im Tritte des alten Herrn merken
können aber nur ein kundige?, denn
stramm schritt er noch immer die Straße
entlang nach seiner nur fünf Minuten
Weges entfernten Wohnung.
'
So, Paul, jetzt wirf 'mal Deinen
Leichnam in die Sofaecke und gieß Dir
ein Glas von diesem guten RüdeShei
mer ein," rief der Doktor, nachdem die
Beiden in seinen vier Pfühlen angelangt
und die gemüthliche Studierlampe ent
zündet worden wat. Hiet sind Cigat
ten bediene Dich selbst!"
Und dann ging das Etzühlen los.
Det junge Mann mußte Alles haarklein
auseinander setzen auch das letzte Ka
pitel, wie er in Matbutg eines etwa?
seht losen StudentenftteicheS halbet te
legitt wotden wat.
Dr. Mending begleitete die verfchie
denen Phasen der Erzählung nur mit
einem gelegentlichen Räuspern, einem
kurzen Husten oder einem Nun, und
weitet?" Abet seine hellen, schatfen
Aeuglein schienen in det Seele deS
Jünglings zu lesen und datin AlleS zu
finden, dessen et bedutfte. um fich ein
klateS Uttheil übet den jungen Mann
zu bilden.
Na, also," bemetkte er lakonisch am
Schluß, und nun haben Deine lieben
Eltern an den halbverschollenen alten
Jugendfreund, den Sonderling, den
Dr. Mending, gedacht in ihtet Noth,
nicht? Und haben Dich hiethet nach
Ametika gesandt, damit Du Dit die
Hötnet ablaufen solltest, ein vetnünfti
get. tüchtiget Mensch aus Dit wütde ?
Ist das ungefäht tichtig ? Ja. na. dann
ist'S gut. Nur nicht verzagt wird
schon werden. Und jetzt kannst Du mir
auch den Brief geben. So, danke.
Werde ihn vor'm Schlafengehen noch
durchlesen mit Verstand. Morgen
sehen wir dann weiter!"
Damit führte er dem jungen Mann
in ein Nebenzimmer, wo ein mächtiges
Schlafsofa für ihn bereit stand, und
nachdem der alte Herr noch für die klei
nen Bedürfnisse seines Gastes gesorgt,
wünschte er ihm eine gute Nacht in herz
lichem Tone und zog fich zurück.
Und nen Trüumen genannt, mit dräutlicher
Unbefangenheit gelehnt an die Brust
dieses Hünen, dieses stattlichen Manne?,
dessen Sohn, gerade so stattlich, jetzt
gut, kannst bei nebenan den chlai, de ierecylen icynes.
Vorbei, vorbei!
Der alte Doktor strich fich mit der
Hand über die gefürchtet? Stirn. Dann
ging er. leise seufzend, zu Bett.
Wie ein Vater, wie ein gütiger, nach
fichtiger, opferwilliger Vater behandelte
der alte Doktor Mending den Sohn sei
ner Jugendliede. Mit der Energie, die
er für gute Zwecke immer noch sein ei
gen nannte, bahnte er dem jungen
Manne seinen Weg in dem fremden,
neuen Lande. Und binnen Jahresfrist
war Paul sein Assistent geworden. An
der Tafelrunde in der Jackson Straße
aber hatten sie ihm den Kneipnamen
seines VaterS, Mutz", gegeben. Manche
nannten ihn auch Mending Junior."
Von Spund unter allen Anzeichen
einer folgenschweren Ceremonie herein
geführt, betrat nämlich ein junger Mann
daS Zimmer, der bescheiden an der
Thür stehen blieb. Spund aber über
reichte seine Karte dem alten Doktor
Mending. Und kaam hatte der einen
flüchtigen Blick auf dieselbe geworfen,
als er mit jugendlichem Ungestüm auf
sprang und dem Ankömmling entgegen-
Wer den alten Dr. Mending dann
beobachtet hätte, wie er beim Scheine
seiner Lampe den Brief ftudirte, wie er
das Postscriptum, das augenscheinlich
von weidlicher Hand herrührte, rasch an
seine bärtigen Lippen führte, der würde
fich gewundert haben, denn die hellen
Thränen standen dem alten Herrn in
den Augen. ES war sonst gar nicht seine
Art, sentimental zu sein.
Aber die Erinnerung an die goldene
Jugendzeit, an jene Tage, die ewig un
vergessen bleiben, und um die ftch ein
mystischer Schleier legte, jetzt, wo er fie
in Gedanken zurück rief, hatten alle Tie
fen seine? Herzens aufgerührt.
Ja, das war noch dieselbe Handschrist,
die Otto damals, als fie noch Beide
flotte Studiosi waren, geschrieben
jetzt waren das schon 24 Jahre her.
Damals, als fie beide in der Hechtstraße
in Heidelberg auf demselben Flur ge
wohnt und um dasselbe Mädchen gefreit.
Damals
Ja, damals Gedankenvoll starrte
der alte Herr auf das Papier.
ES war fein Verhüngniß gewesen:
daß er auch so klein und unansehnlich
von Gestalt war !
DummeS Zeug." brummte er und
trat doch rasch auf ein Bild zu, daS an
der Wand hing und das eine Gruppe
junger Leute zeigte, Studenten mit
Couleurzeichen und junge Müdchen und
Der Papagei der aifcrtn Eugenik.
Von ihrem Zuge nach Meriko hatten
: die Franzosen neben anderen Erzeug
j nissen deS Landes auch viele Papageien
! mitgebracht, darunter ein besonders
! schönes Exemplar männlichen Ge
schlechts, dem man den Namen Mon
tezuma" beigelegt hatte. Graf Castcl
nau hatte daS sehr gelehrige Thier auf
der Uederfahrt persönlich im Sprechen
unterrichtet. Als er in Paris anlangte,
überreichte er dcr Kaiserin den Vogel,
welcher ihr sogleich entgegenrief: "Vive
l'impt'ratrice'' (Es lebe die Kai
serin)! worüber fich Eugenie außer
ordentlich freute. Fortan lebte Monte
zuma im Boudoir der Kaiserin in einem
vergoldeten Käfig und schien seht an
hänglich an seine Hettin zu sein.
Da kamen die Septembertage von
1870 und die Flucht Eugeniens auö
Paris. Kaum in ChiSlehurft einge
richtet, erinnerte fich die Exkaiserin ihres
Papageis, der sechs Jahre hindurch ihr
Liebling gewesen war und sie häufig
aufgeheitert hatte. Er war in der Eile
vergessen worden. Eugenie sandte fo
gleich einen vertrauten Diener nach
Frankreich: allein dieser kehrte ohne
Montezuma zurück. Paris war von
den Deutschen belagert, der Vogel somit
unerreichbar.
Endlich nach sünf Monaten kapitu
lierte die franzöfische Hauptstadt. Kaum
hatte dieS die Exkaiserin erfahren, alS
fie auch schon denselben Diener absandte,
damit er ihr ihren Liebling um jeden
Preis wiederverschaffe. AlS Blusen-
mann verkleidet, erkundigte fich der
treue Mensch überall nach dem Papagei;
aber niemand vermochte über seinem
Verbleib Auskunft zu ertheilen. Miß
muthig schlenderte der Dienet eineS
TageS dutch eine enge, düftete Gasse
und blieb unwillkütlich vor einem Tröd
lerladen stehen, und seltsame Ueber
raschung! da fand er so manches
Möbel, daS noch vor kurzem die Ge
mächer seiner Herrin geschmückt hatte.
Plötzlich aber gewahrte er auch den be
kannten goldenen Käfig, und darin
kletterte Montezuma, vergnügt eine
Nuß knackend, umhet. Sofott war der
Diener mit dem Trödler handelseins
und eilte mit dem wiedererlangten
Vogel nach dem Nordbahnhof, um
seiner Gebieterin den langersehnten
Fund so rasch als möglich zu über
dringen.
Eugenie war hocherfreut, liebkoste
das schöne Thier und reichte ihm Lecker
bissen. Allein auf dieses schien daS
Wiedersehen keinerlei Eindruck zu
machen. So sprich doch, Monicnia!"
schmeichelte Eugenie; aber der Pat agei
schwieg und blieb mürrisch. Nachdem
fie weitere Zärtlichkeiten dem Thier et
wiesen, schien endlich iht Zuteden zu
wirken. Montezuma öffnet den Schna
bel. Eugenie lauscht gespannt; endlich
schallt eS laut durch den Saal: "Vive
la republique! Vive la republi
que!" Die Anwesenden waren in peinlichster
Verlegenheit. Die Ex-Kaiserin aber
seufzte: Ter Undankbare!" und eilte
in ein Nebenzimmer, um fich au?zu
weinen.
Mütterlicher Sckanblick.
Herr Revisor, ich kann eS unter sei
nen Umstünden meht dulden, daß Sie
mit meiner Tochtet fo oft allein fpazie
ten gehen !"
Gnädige Ftan trauen mir also
nicht?"
O, . Ihnen trau' ich schon !"
Nun. dann trauen Sie also Fräu
lein Tochter nicht?"
O, det auch abet Euch Bei
den ttau' ich nicht !"