Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 22, 1897, Image 9

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Q
A
Das Opfer.'
Von BitcmUlit 91 a c I a.
I.
Mit siebzehn Jahnn an einen Mann
verheirathet, der beinahe drei Mal so
alt war wie sie, wurde Frau Ludervac
sehr srüh Wiltwe.
Ei war eine zierliche Tame von ele
Sanier Haltung und schlanker Figur.
Ihr schwarze, in der Mitte gescheitelte
Haar umrahmte ein feine? Antlitz von
regelmäßigem Oval. Große, sanfte
Augen, die ruhig in die Welt blickten,
belebten zwar ihr Geficht, aber sie charal
teriftrten ti nicht sonderlich. Wenn
man fte so anblickte, fühlte man, daß
ihre Seele noch kein Unwetter durchge
macht, und daß ihr Herz keine Stürme
kannte.
- Ihr Leben war ohne leidenschaftliche
Erregungen vkiflossen. Nur ein ruhiger
Hafen war ihn Ehe; den Wellen M
Ocean hatte sie nie getrotzt. Sie hatte
fUr ihn, dessen Namen fte trug, eine
milde, ungetrübte, leidenschaftslose Zu
neigung gehegt. . ,
, Als der Tod ihr den Gatten nahm,
hatten ihre Augen Thränen vergossen,
und ihr Herzeleid hielt sie für unüder
windlich; doch ihre Trauer war mehr
äußerlich als innerlich gewesen, denn,
ohne eS vielleicht zu ahnen, kannte sie
die Liebe nur dem Worte nach, hatte sie
niemals ihre wahren Entzückungen em
Pfunden. ' Ein Sohn, der zwölf Jahre
alt war, als der Bater (tyrb, war die
einzige Frucht ihrer Ehe.
Der Mutter unähnlich, war das Kind
zeitweise von einer beängstigenden Ner
vofttät. .Zu geweckt!" sagte der Arzt oft.
und er rieth, den Kleinen sehr zu schonen.
Da Frau Lubervac nur noch entfernte
Verwandte hatte, häufte fte alle ihre
Zärtlichkeit auf das liebe Haupt ihres
Kindes. Seinerseits hegte der Sohn
für sie eine echte kindliche Liebe. Aber
ein Kind füllt nicht das ganze Dasein
eiper noch jungen Frau auS, und oft
empfattd Frau Lubervac ihre Verein
famung sehr lebhaft. Sie merkte, daß
einer Person ihre Alte eine Stütze
nöthig sei. Und der Gedanke an eine
Wiederverheirathung ging ihr häufig
durch den Kopf, nun. da in den drei
Jahren ihrer Wittwenschaft die Zeit sie
vergessen gelehrt hatte.
Die Vergangenheit legte ihr keine
Pflichten einer Treue über'S Grab auf,
und bei aller Ehrfurcht vor den Erin
nerunaen ihrer Frühzeit, hatte fte doch
keinerlei Ursache, auf ein Glück zu ver
lichten, da die Zukunft ihr noch brin
gen tonnte.
Solchen Gedanken gab fte nach, seit
sie gemerkt hatte, welchen Eindruck fte
auf einen Kavallerieoffizier gemacht, den
Hauptmann Pugerol. dessen Blicke sie
nicht losließen, so oft sie ihm begegnete.
Nicht lange, so gehörte er zum Kreise
ihre vertrauteren Verkehrs.
, Häusige Besuche des Herrn von Pu
gerol hatten ihr Gelegenheit geboten,
den persönlichen Werth und die ernsten
Charaktereigenschafien uiiann
,u schützen: sie fühlte, daß er sie liebte,
und die innen Erregung, die fte in sei
ner Gegenwart befiel, hatte ihr der
rathen, daß er nicht bloS gefiel, daß auch
sie ihn liebte.
Ein Apriltag um fünf Uhr. DaS
Wettn ist warm und milde. Seit einer
Woche stehen die Bäume in Blüthe.
Frau Lubervac athmet durch da! offene
Fenster ihre Saloni den Duft ein.
Ein Zufall hatte es gewollt, daß der
Hauptmann sie allein antraf. Sie
faßen einander gegenüber. Kein Frem
der störte ihr Beisammensein. Sie
sprachen ganz leise, obgleich Niemand
fte härm konnte. Worte, die aus dem
Herzen kämm, traten auf die Lippen.
Ja, gnädige Frau, sagte der Haupt
mann mit zitternd, gewaltsam unter
brücktet Stimme, Sie find für mich die
Frau, nach der Jeder sich sehnt, die au,
erwählte Gefährtin de Lebens. Seit
langem liebe ich Sie. und mein schön
ster Traum ist, Ihnen anzugehören.
Ich habe eS Ihnen nur deshalb noch
nicht gesagt, eil ich eine Zurückweisung
fürchtete, die mich tödtlich getroffen
hätte; ich bin zaghaft gewesen, weil mir
vor der Entscheidung bangte. Wenn
Eie mir nicht so theuer wären, würden
Sie mein Geständniß schon vernommen
haben. Wollen Eie sich meiner Liebe
anvertrauen und mich für das Leben
glücklich machen, indem Sie meine Frau
werden?"
Sie hörte lächelnd ihn an. bewegt.
Hingeriffen. Diese LiebeSworte waren
köstlich Musik für sie. und als er ihre
Hand ergriff. Am sie an feine Lippen zu
fühnn, kam eS ihr, vor, als ob ein
Schleier zerriß vor ihren feuchten Augen,
und als eb sie plötzlich den lachenden
Horizent eines neuen Leben entdecke.
Ja, diese Freude empfand sie zum ersten
Male! Diese himmlisch Uebneinftim
mung der Seelen. Sie war jung, sie
war schön, sie war geliebt sie liebte!
Mit inr langsamen und sanften Be
wtgung migtt sie sich zu ihm, dr sie
verzehrend anblickte.
.Liebster!' sagte sie nur.
Und sie lächelte ihn an.
Da plötzlich wurde er sehr blaß.
Sie nahm an! Mit in leiden,
schaftlichen Bewegung riß er sie an seine
Brust, und sie wechselten den Ver
lobungSkuß.
' kUDoch in lauter Echrei eckte fte aus
ihre Traum. Die Thür würd geöff
net und JacqueS siel bei ihnm Anblick
ohnmächtig hin.
grau uoervac uurue naj auy reu
Eohn und bemühte sich, ihn durch Lied
Der
Jahrgang 17.
kosungen zum Bewußtsein zu dringen.
Ihre vor Erregung bebenden Hände er
sachten die Kleider dei KindeS zu öffnen,
aber sie zitterte so heftig, daß der Haupt
mann ihr helfen mußte. Endlich, nach
einigen Minuten, kam JacqueS wieder
zu sich. Seine Augen öffneten sich,
lächelten die Mutter an, aber als sie des
Herrn von Pugerol anfichtig wurden,
nahmen sie einen Ausdruck des Schreckens
und des Hasses an.
Die Mutter bemerkte eS.
.Ich habe noch kein Recht," sagte sie
zum Hauptmann, Sie an meinen
Sorgen theilnehmen zu lassen. Lassen
sie mich ich bitte Sie mit meinem
Sohne allein. , Die Gefahr ist vorüber,
und ich habe mit ihm zu reden. Mor
gen wollen wir unser Gespräch wieder
aufnehmen auf morgen also."
. Uns fte reichte ihm zärtlich die Hand.
Ohne ihren Wunsch zu erörtern,
fügte sich der Offizier.
Auch er fühlte, daß seine Gegenwart
unnöthig, dielleicht unliebsam sei, und
daß ei bester wäre, der unvermeidlichen
Aufklärung nicht beizuwohnen.
Auf morgen, 'gnädige Frau, sagte
er. .und auf immer."
n.
Ihre Blicke waren ihm gefolgt in
dem Gedanken beruhigt, ihn am nächsten
Tage wieder zu sehen. Aber wer kennt
das Geheimniß der Zukunft, selbst der
allernächsten? Oft, wenn zwei Leute sich
trennen, und sei eS auch nur auf kurze
Zeit, haben sie sich vielleicht zum letzten
Male gesehen. DaS unvorhergesehene
Mißgeschick ist da; eS lauert unaufhör
lich. Man glaubt, sich auf eine Stunde
zu trennen, und man ist für immer
auseinander gegangen.
' Bei den ersten Worten . seiner Mutter
unterbrach JacqueS sie mit einer hef
tigen Bewegung. Sie verstärkt die
herbe Festigkeit einer Sprache noch, die
weit über sein Alter hinausging.
.Du bist Herrin Deiner Handlungen
wie Deine Herzens, Mutter; aber ich
könnte Deine Lieb: nicht mit einem
Fremden theilen. Niemals dulde ich
einen Stiefvater. Wenn Du Dich wie
der verheiratheft, Verlage ich Dein HauS
und werde Schiffsjunge, vielleicht noch
Schlimmeres aber Du wirft mich
nicht wiedersehen!"
Er sah sie fest mit harten, unversöhn
lichen Blicken an, die nichts besänftigte,
weder Vernunftsgründe noch mütterliche
Thränen.
Wähle!" wiederholte er unaufhör
lich.
Dann auf einmal, einer unwillkür
lichen Rührung nachgebend, schluchzte er.
Ach, Mama," rief er, durch dieses
einzige Wort ihr die süßen Erinne
rungen seiner, ersten Jahre zurück
rufend, .ich flehe Dich an, Mama, hei
rathe nicht I"
Seine Brust hob sich, eine grausige
Bläffe überzog sein Geficht. Er hatte
seine Hände gefaltet. Frau Lubervac
fühlte sich besiegt.
Beruhige Dich," sagte sie, ich werde
thun, was Du von mir vorlangft, ich
schwöre es Dir! Aber Du wirst mich
auch sehr lieb haben, nicht wahr? Denn
ich bringe Dir ein großes Opfer, ein
Opfer, deffen Tragweite zu rotesten
Du noch zu jung bist."
JacqueS warf sich in ihre Arme und
drückte sie wie toll an sein Herz. Und
sie weinten lange zusammen.
ES war entschieden: da? Weib war
todt die Mutter lebte. Sobald Frau
Lubervac in ihrem Zimmer war, schrieb
sie an Herrn von Pugerol mit bewegten
Worten, was sich soeben zugetragen.
Der Brief schloß so:
Mein Freund denn Sie werden
für immer diesen Namen in meinem
Herzen behalten vergessen Sie denn
unsern Traum. Da! Hinderniß, daß
sich zwischen uns erhoben, war unüder
windbar. Mein Kind hat sich zwischen
unsere Liebe geworfen, und wenn es
dem Kummer über unsere Heirath
unterlegen wän, würde fein Andenken
inen Abgrund zwischen uns aufgethan
haben, den nichts überbrückt hätte.
Meine Vergangenheit ist es, die mir
verbietet, Ihnen mein Leben zu weihen
und das Ihrige anzunehmen. Ich gebe
Ihnen Ihn Freiheit zurück, feien
Sie glücklich, heirathen Sie ein Mäd
chen, das Ihrer werth ist, und denken
Sie bisweilen an die, die einsam ihr
Leben im Andenken an Sie beschließen
wird."
Eie schickte den Brief ab; eine Stunde
später kam die Antwort.
Ich gehorche, gnädige Frau." schrieb
Herr von Pugerol, und ich werde
nicht thun, um durch meine Bitten
ihren Entschluß zu ändern; ich werde
nicht einmal versuchen. Sie ein letztes
Mal zu sprechen. Da! Wiedersehen
würd meine Kräfte übersteigen. Ich
fliehe diese Qual, denn ich fühle, daß
Ihr Entschluß unwiderruflich ist. Ich
werde mich einer Erpedition anschließen.
!Ei erden mich nicht wieder sehen.
Ämtagsgast.
Beilage zum Nebraska StaatS-Anzetger.
Aber von Ihrem Anerbieten, meine
Freiheit zurückzunehmen, mache ich
keinen Gebrauch. In alle Zukunft ge
höre ich Ihnen. Auf ein Zeichen von
Ihnen werde ich wiederkommen, und ich
werde nicht über ein Leben verfügen,
das Ihnen gehört. Jch liebe Sie."
' Frau Lubervac weinte, als sie diese
Worte las, aber fte antwortete nicht.
Der Kelch war bis zur Neige geleert.
III.
Fünfzehn Jahre find verflossen. - Sie
waren gnädig mit Frau Luberac ge
Wesen, denn sie haben ihr keinen Rum
mer gebracht. Die Tage waren einan
der friedlich gefolgt.
JacqueS ist ein Mann geworden, und
sein Betragen ist musterhaft geblieben.
Ruhig hat sie neben ihm gelebt, sie hat
keine andere Aufgabe gehabt als feine
Erziehung, kein anderes Glück als feine
Freuden.
Jetzt wird sie ihr Werk krönen und
ihn mit einem jungen Mädchen verhei
rathen, die ihm gefällt, die sich in allen
wünschenSwerthen sozialen Verhältnissen
befindet. Und fte träumt davon, ihr
Leben am Herde ihrer Kinder zu be
schließen.
Frau Lubervac ist noch schön, obschoN
zwar ihre Haare schneeweiß. ihre Ge
fichtSzüge find fein geblieben. Wenn
man sie so steht, könnte man meinen,
ein gepuderter Frauenkopf deS achtzehn
ten Jahrhunderts trete auS seinem
Rahmen.
In einen bequemen Seffel zurück
gelehnt, plaudert sie traurig mit ihrem
Sohn, der in dem Gedanken an seine
bevorstehende Heirath strahlt und Luft
schlösset baut. Man spricht von der
Einrichtung des jungen Haushalts.
Siehst Du, Mutter." begann
JacqueS plötzlich, .Du mußt regelmäßig
an bestimmten Tagen bei mir zu Tische
sein. DaS ist die einzige-Möglichkeit,
sich oft zu sehen.
Die Frau wurde bleich, als sie diese
grausamen Worte hörte. Niemals war
ihr der. Gedanke gekommen, sich von
ihrem Kinde zu trennen, von ihm, dem
sie alles geopfert hatte. Und sie hatte
immer gedacht, daß auch er sie nie von
sich lassen würde. Ader der Stolz ge
stattete ihr nicht, über ein Arrangement
zu reden, das sie kränken muß. Gewisse
Fragen find entschieden, sobald sie gestellt
werden.
Von dem Augenblick an, da ihr
Sohn sie nicht in seinem Hause behalten
will, von dem Augenblicke an, da er sich
anschickt, seine Glück ohne fte zu grün
den, mit welchem Rechte sollte fte sich
zu widersetzen versuchen? Vielleicht hat
er gar Recht, der junge Herr, der kei
nen Dritten will, zwischen seiner Frau
und sich. Mütterliche Zärtlichkeit ist
manchmal lästig. Dann hat jede Ge
neratim ihn eigene Auffassung, ihren
Geschmack, ihre Freuden. Die Gegen
wart läßt sich nicht mit der Vergangen
heit in Einklang bringen.
Frau Lubervac beherrscht ihre Er
regung.
Jetzt ist er logisch, ihr theurer Sohn:
damals hatte er Unrecht mit seiner lind
lichen Eifersucht.
UebrigenS, vom gesellschaftlichen
Standpunkt aus betrachtet, ist sie eine
glückliche Mutter. Der Sohn muß
ihrem Stolz schmeicheln. Er hat ge
arbeitet, er ist geehrt, er wird ein ange
seheneS Familienhaupt werden. Warum
sich beklagen?
Nun also! Schweig', schwaches Herz.
Die traurige Mutter zwingt sich, zu
lächeln, sie spricht von der WohnungS
einrichtung. Aber ihre Gedanken sind
nicht dabei. Sie weilen im Vergange
nen; sie denkt jene? herrlichen Kriegers,
der sie einst liebte, den sie niemals wie
der gesehen, und von dessen ruhmreicher
Karriere von Zeit zu Zeit ihr Kunde zu
kam. Sie weiß, daß er unverheirathet
geblieben. Wo weilt er gegenwärtig,
er, deffen Andenken sie immer bewahrt
hat? Kürzlich hat sie gelesen, daß er
General geworden und auf seinem
ruhmvollen Degen KriegSthaten ver
ewigt hat.
.Gute Nacht, JacqueS," sagte Frau
Lubervac. ich fühle mich ermüdet."
Sie küßte den Sohn und begab sich
auf ihr Zimmer, denn sie sehnte sich
nach Einsamkeit. Auf ihrem Tische liegt
die Zeitung aufgeschlagen. Mechanisch
blickt sie hinein.
,' Plötzlich wird sie bleich.
Dort auf der ersten Seite lieft sie mit
Entsetzen die Nachricht vom Tode des
Generals Pugerol er war in Tonkin
gefallen.
Ihre Hände zittern; ein tiefer Eeuf
zer kommt aus ihrer Brust.
Sie erblickt in Gedanken das Dasei,
das fte nicht genossen, das sie hätte ge
nießen können. daS sie dieseS felbstfüch
tigen und undankbaren Kindes wegen
ausgefchlazen.
Tann entringt sich ihr in Laut der
Liebe für den Todten, der unten in
Asim. fern von ihr, gefallen ist.
Ein Ringkampf.
In früheren Tagen,
Früh schon hatten die Franzosen un
ter unvergleichlich kühnen Führern ver
sucht, v die weiten Landftrecken am St.
Lorenzofluß und den großen nördlichrn
Seen deS amerikanischen ContinentS als
Kolonialbesitz zu erwerben, Beftrebun
gen, welche von den Königen Ludwig
den Dreizehnten und Ludwig den Vier
zehnten und deren thatkräftigen Mi
niftern Richelieu und Tolbert eifrig ge"
fördert wurdkn. Männer wie Sa
muel de Champlain und Graf Louis
von Frontenac haben ihre Namen mit
ehernem Griffel in die Geschichte jener
Kolonien eingeschrieben.
Die Franzosen hatten es verstanden,
sich das zu jener Zeit noch zahlreiche
Volk der Huronen, welches in seiner
Hauptmasse an dem See gleichen Na
menS hauste, zu Freunden zu machen
und unterstützten eS in seinen Kämpfen
gegen den südlich der Seen ansässigen
gewaltigen Völkerbund der fünf Ratio
nen, von dem die Huronen oft arg be
drängt wurden. Dieser Bund war
zwischen den MohawkS, OneidaS,
OnondagoS, CayugaS und SenecaS er
richtet worden, welche den gemeinsamen
Namen Irokesen führten und in den
damaligen Streitigkeiten zwischen Fran
zosen und Engländern auf Seiten der
letzteren standen.
Im Jahre 1671 war Graf Frontenac
in Neufrankreich, dem heutigen Canada,
gelandet und hatte als Gouverneur die
Regierung angetreten. Mit einer un
vergleichlichen Geschicklichkeit .wußte cr
sich rasch die Sprache der Eingeborenen
zu eigen zu machen und im Verkehr mit
den Kindern der Wälder ist ihm kaum
je einer gleich gekommen, er verstand S
meisterhaft, sie in der ihnen zusagenden
Weise zu behandeln und ihre Herzen zu
gewinnen. Die Huronen verehrten ihn
und selbst die feindlichen Irokesen be
wunderten den kühnen und doch men
schenfreundlichen Soldaten in ihm, ob
er sie gleich wiederholt geschlagen hatte.
Im Jahre 1675 rüsteten sich die fünf
Nationen zu einem übermächtigen An
griff auf Canada, dessen Pelzreichthum
ihnen um so begehrensmerther erschien,
als die jagdbaren Thiere in ihren Ge
bieten sich sehr vermindert hatten, und
Felle ihr einziges Tauschmittel waren,
um europäische Waaren dafür einzu
handeln. Frontenac erfuhr zeitig ge
nug von dem geplanten Angriff der
Irokesen, um Anstalten zur Abwehr
treffen zu können. Er bot sein Ver
bündeten, die Huronen, OttowaS und
Illinois zum Kampfe auf, noch ehe sich
diese sammeln konnten, mit zweihun
dert Grenadieren vom Regimente Ca
rignan und ebensoviel bewaffneten
Landleuten und Jägern dem Feinde
entgegen, um in der Nähe deS Ontario
feine rothen Hilfstruppen zu erwarten.
In seiner Begleitung befand sich der
Missionar Pater Daniel, der gleich dem
Grafen in genauer Kenner indianischer
Eigenart war.
Unter den Grenadieren marschirte ein
Mann einher, der wegen seiner außer
ordentlichen Körperkraft weit und breit
dei Rothen und Weißen berühmt war;
dieS war Thomas DierkS, ein Spröß
ling der Rormandie.
Während sich Graf Frontenac zur
Abwehr rüstete, hatte er gleichzeitig auch
den Weg der Unterhandlung mit den
Feinden versucht um fte entweder hin
zuhalten oder zu trennen, und zu diesem
Zwecke besonders das Volk der MohawkS
bearbeiten lagen, dessen Häuptlingen er
schon früher in-schmeichelhafter Weise
begegnet war. Ganz unerwartet traf
er auf seinem Zuge auf eine stattliche
Zahl von deren Kriegern, welche etwas
zu hitzig vorgedrungen waren und be
reitS nordwärts des Ontario lagerten.
Die MohawkS, auf deren Häuptlinge
die Schmeicheleien und Versprechungen
Frontenac'S nicht ohne Wirkung geblie
den waren, sahen mit Ueberraschung die
stattlichen Grenadiere vor sich, dergleichen
sie bisher noch nie erblickt hatten, schätz
ten auch de? Grafen Macht höher als sie
wirklich war und liehen den Worten
Pater Daniels, der sich kühn, sobald ih
Anwesenheit bekannt war, zu ihnen be
geben hatte, und sie zu friedlichen Un
terhandlungen ermunterte, anscheinend
geneigte Ohr wohl gleich dem fran
zösischen Führer auf zeitige Verstärkung
hoffend, um mit sicherem Erfolg angrei
fen zu können.
Nun befand sich in ihrer Mitte in
Häuptling Sawatha, der Eichbaum,
dem gleich dem Normannen eine unge
wöhnliche Körperschaft nachgerühmt
wurde. Sawatha war der Stolz
seines Stamme!. Wie e in diesen
Grenzkriegen natürlich, hatten beide
Männer schon von einander gehört, ohne
doch bisher zusammengetroffen zu sein;
aber jeder kannte den Ruf unvergleich
lich Körperftärke, welcher den Gegner
Ro. 4.
begleitete, und brannte darauf, sich mit
,hm zu messen.
Als Vater Daniel dei den MohawkS
war. fragte Sawatha höhnisch: Ist
der dicke Büffel" (er meinte damit atjo
inaZ DierkS) bei euch? Ich möchte ihn
sehen, oder verkriecht er sich vor dem
Schatten deS EichbaumS"?
DieS gab dem Pater Daniel den Ge
danken ein, um Zeit zu gewinnen, da
er den Versprechungen der heimtückischen
Indianer nicht traute, einen unblutigen
Zmeikampf zwischen diesen beiden be
rühmten Athleten zu veranstalten, ein
Schauspiel, welches die Indianer sehr
liebten.
Als er stö in diesem Sinne äußerte,
ergriff der Mohawk begierig die Ge
legenheit. sich auf diese Weis mit dem
Rivalen zu messen, und seine Stam
mesgenossen stimmten ihm so bereit
williger bei, als sie sicher auf seinen
Sieg hofften.
Als Frontenac diese Angelegenheit
unterbreitet ward, äußerte er nur seine
Bedenken aeaen eine Hinterlist der In
dianer; doch hierüber beruhigte ihn der
Pater mit der Verftcherung, vag die
Häuptlinge ihr Wort, nicht in den
Kampf einzugehen, oder währenddeffen
anzugreifen, halten würden wie der
Graf das feine, woraus der Gras inne
Einwilligung zu dem Ringkampf gab.
Thomas DierkS, gefragt, ob er die
Herausforderung des Wilden anneh
men wolle, erklärte sich lachend bereit
dazu. Alle Vorbereitungen zu dem
Ringen wurden nun getroffen. Gegen
das Wort Frontenac'S gaben die Mo
hawkhäuptlinge, denen der höfliche
Franzose viel Artige sagte, da ihre
und ein Kampfplatz wurde gemeinsam
ausgewählt, den beide Parteien nur in
gemeffener Entfernung umstehen durf
ten.
Ihre Aufregung nur mühsam unter
stoischer Außenseite verbergend, harr
ten die Indianer deS starken Weißen,
der eS wagen wollte, sich mit ihrem
Sawatha zu messen. Auf ein ge
gebeneö Zeichen traten nun die beiden
Männer, nach Uebereinkunft entkleidet,
in die Mitte deS frei gelassenen Rau
meS. Auf der einen Seite standen
Grenadiere, Waldleute und Pater Da
niel und über ihren Häuptern ragte das
Lilienbanner Frankreichs, auf der an
deren die federgeschmückten Mohawk
kriegn.
Der Graf hielt sich, um jeder india
Nischen Teufelei gewachsen zu sein und
den Ueberblick über allenfalsige Bewe
gungen deS Feindes nicht zu verlieren,
mit dem Gros seiner Truppen in dem
Hintergründe.
Thomas DierkS erblickte seinen Geg
ner nicht ohne zu erstaunen. Sawa
tha, ein Mann von hoher Gestalt, zeigte
eine Muskulatur von ungewöhnlicher
Ausbildung, und wie gewandt die Ro
then warm, wußte der Rormane aus
Erfahrung. Er sah sofort, daß er es
mit einem ebenbürtigm Gegner zu thun
habe, und dies machte ihn vorsichtig.
Der federgefchmückt Sawatha schaute
mit einem hochmuthigen Lächeln auf
Thoma, deffen eisenfkfter, massiver
Bau ihm wenig zu imponiren schien,
hernieder. Auf ein mit einem Mu
schelhorn gegebenes Zeichen konnte der
Kampf beginnen.
Sawatha begann den Normannen
zu umkreisen, so daß dieser sich drehen
mußte, um dem Gegner immer die
Snm zu bieten.
Schneller wurden 'die Bewegungen
deS Indianers und plötzlich warf er
sich mit einem ttegerifchen Sprung auf
DierkS. Nicht viel Männer hätten die
fem plötzlichen Ansturm gestanden, aber
der Normanne, der Sehnliches erwartet
haben mochte, stand eifenfeft. Der ge
wandte Wilde hatte aber den Untergriff
erlangt. Doch dieS focht DierkS, deffen
Kreuz aus Stahl gefügt schien, wenig
an. Gewaltige Anstrengungen machte
der Indianer, den Normannen nieder
zureißen, und wußte dabei mit großer
Gewandtheit dessen Griffe wirkungslos
zu machen. Aber DierkS stand fest und
bewahrte feine ganze Ruhe, während
der Mohawk durch feine so vergeblichen
Anstrengungen in Zorn gerieth.
In nicht geringer Aufregung wohn
ten die Zuschauer diesem durch die unge
wöhnliche Körperkraft der Kämpfer
furchtbaren Schauspiele bei. Immer
wilder und hitziger wurde der Wilde,
der auch durch größere Leideslänge einen
Vortheil über den mehr stämmig ge
bauten Normannen hatte, und schon
athmete er schwer. Die Aufregung
aller Umstehenden steigerte sich. Immer
noch hielt sich DierkS in der Defensive
und die Anstrengungen deS Indianer
wurden sichtlich schwächer. Jetzt aber
entfaltete der Grenadier seine ganze ge
waltige Kraft und faßte mit ehernen
Händen dei Gegners Kehle und Haupt.
Der Indianer ließ ein dumpfe Stbh
neu hören und feine Züg verzerrten
sich. Da befteite in machtvoller Ruck
den Normannen von den umschlingen
den Armen des MohawkS. seine Hände
ließen dessen Kehle und Huupt loi und
nun schlangen sich feine furchtbaren
Arme um den nackten Leib deS halb de
täubten Wilden; mit unwiderstehlicher
Kraft preßte er ihn an feine mächtig
Brust, fo daß jenem der Athem schwand.'
hob ihn plötzlich hoch empor und schleu
derte den Körper mit gewaltiger Wucht
zur Erde. Besinnungslos lag Sawa
tha da.
Ein hallender Jubelruf der Fran
zosen begleitete den Sieg de Grena
dier; finster und wortlos standen die
MohawkS da, aber ihre funkelnden
Augen drückten grimmigen Haß aus.
Eines geringen Anlasses nur hätte e
bedurft und die Wilden würden mit
indianischer Wuth auf die Weißen loS
gestürzt sein. Für einen solchen Fall
hielt indessen Frontenac den Haupttheil
seiner Mannschaft in Schlachtordnung
und ließ jetzt, als der Sieg vollendet
war, die sechs Tambour, welche er mit
führte, Wirbel schlagen. Die feste Hal
tung der stattlichen Grenadiere und der
ungewöhnliche, in diesen Widern nie
gehörte Laut wirbelnder Trommeln ver
hinderte einen Ausbruch indianischen
Zorne!.
Sawatha wurde hinweggetragen,
während Thomas Dierk lächelnd die
Glückwünsche semer Kameraden entge
gennahm. '
Den abergläubischen Mohawk er
schien diese Niederlage ihre gefeierten
Helden beim Beginn eine Kriege Un
heil bedeutend und ehe eine Stunde ver
gangen war, hatten sie, ohne einen An
griff ersucht zu haben, den Rückzux
angetreten, um zur Hauptmacht der
Irokesen zu stoßen. Gleich darauf
trafen bei Frontenac tausend Huronen
kriegn ein. Die Geschichte berichtet,
daß der tapfere Graf auf diesem Krieg
zuge gegen die fünf Nationen ihre
Macht fast vollständig vernichtete.
Im Omnibus.
Da Wiener Jlluftrirte Extrablatt"
dringt folgende Momentbildchen, ge
treu nach der Natur aufgenommen: Ein
junger, .aufgeschossener" Mensch mit
keckem Schnurrbärtchen und einer Don
Juan'Miene springt elastisch in einen
Omnibus ein und setzt seine Lackftie
feletten in'S richtige Licht, denn Platz ist
genug vorhanden, da nur eine elegante
Dame und ein älterer Herr im Wagen
sind. Zudem fitzt der Herr ganz in der
Ecke vorne und sieht auf die in gemüth
lichem Trab gehenden Pferde hinaus.
Der junge Ankömmling lächelt siege?
gewiß. Sein Exterieur und namentlich
fein Schnurrbart mußten ja auf die
Dame Eindruck machen o, ganz ge
iß. Ein Gespräch um jeden Preis.
Er fragt recht fesch: Fahren gewiß auch
nach Mariahilf, mein Fräulein?" Ein
Nicken, ein Blick deS Erstaunens ist die
Antwort. Aber die jugendliche Gecken
haftigkeit ihre Gegenüber übt eine
komische Wirkung auf die Dame auS;
ein Lächeln der Ironie spielt um ihren,
schönen Mund, als sie die Fragen dei
Unwiderstehlichen hört. Ach, der Kar
neval! Wie gut daß er zu Ende ist.
Freilich, da zarte Geschlecht hält im
Tanzen mehr auS. Nicht wahr?"
Ich tanzte Heuer sehr wenig!"
.Ei. wie ist das möglich! Eine Elfe
mit dem Antlitze eines Engels!"
.Zu viel der Liebenswürdigkeit, mein
Hnr!" '
O, wenn ich Ihnen auf einem Balle
begegnet wäre, dann wäre ich Ihnen zu
Füßen gesunken und
.Nicht so rasch, mein Herr!"
Und was hätten Sie darauf geant
wartet, wenn ich Sie gefragt haben
würde, ob Sie mein sein wollten für'
ganze Leben ?"
Die Dame erwiederte lächelnd: .Ich
hätte Ihnen mitgetheilt, daß ein kleine
Hinderniß diesen Bund unmöglich
macht!"
.Ein Hinderniß?" deklamirt der
Jüngling. .Welche Hinderniß könnte
es geben, das ich nicht beseitigte!'
Da tönte es im tiefen Baß au der
Ecke, wo der dritte Passagier fitzt: .Re
den S' net f dummes Zeug. Da? is ja
meine Frau!"
Der Courmacher klingelt, er muß
gerade jetzt ausfteigen!
ossuth's Mutter. ,
Zu dm schmerzlichsten Prüfungen im
Leben dieses hervorragenden ungarischen
Patrioten gehörte es. daß seine Ver
bannung ihm verwehrte, an das Sterbe
bett seiner Mutter zu eilen. Sie lebte
in den ärmlichsten Verhältnissen in
Brüssel und wünschte den Sohn noch
malS zu sehen, bevor sie stürbe. Die
belgische Regierung wollte offuths Ge
such, die Mutter wiedersehen zu dürfen,
nur unter der Bedingung gestatten, daß
n sich die stete Begleitung eine Polizei
beamten gefallen lasse. Dn Sohn wäre
wohl selbst auf diese demüthigende Be
dinzung eingegangen, aber sobald die
Mutter davon gehört hatte, untersagte
sie dem Sohne selbst seinen Besuch. So
starb sie ,u End des Jahre! 1802, mit
ihrem letzten Athemzügen den Sohn
noch segnend.
t' Unglückszahl.
Der Michel im Wirthshaus
Ter jammert net schlecht ;
Daß f z dreizehnt am Tisch san,
TöS is eahm net recht.
No", moant da der Hiasei.
.Da ocß , an' Rath:
Mir schmeiß' Di' außi
Na' iZ V Zahl wieder g'rad!"
t
i