Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, April 08, 1897, Image 10

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    Zlirting" Jlmy.
Srzählung aS Arizona von W. v.
brand.
idjitn
Wenn c Etwa giebt, da der Mi.
kann absolut nicht versteht und demnach
auch nicht würdigen kann, s ist eS da
.Flirten" der amerikanischen Mädchen.
Nicht, als ob die Mezikanerinnen mit
den feurigen Augen und den zierlichen
Händen und Füßen nicht wüßten, wa!
Coquetliren heißt. Im Gegentheil, sie
wissen da nur ,u gut, und daZ reizende
diel mit dem cher. die herausfor
demde Art. wie sie die Enden ihrer
Mantilla gerade nur genug über die
Stirn hingen lassen, um da! Brillant
feuerwerk der dunklen' Augensterne noch
effektvoller zu machen, und die graziöse
Art. wie sie ihren Rebozo zu tragen wis.
sen und das gestickte Taschentuch hanti.
ren. da find Alle so viele gefährliche
Köder, die sie den Herren der Schk
pfung auswerfen, um sie in ihren NeKen
,u fangen. Aber sie thun dies Alle
auf unbeschreiblich diskrete Art. und
nur selten kommt eS vor. daß eine Ge
berde oder gar ein Wort bei all' ihrer
Gefallsucht bemerkbar wäre, die gerechte
Ursache zur Eifersucht geben könnten.
Und so kommt S. daß in Mexiko, ob
wohl der Eingeborene aus caftilischem
Geblüt auch die heiße Leidenschaft ge.
erbt hat, von der Saphir sagte, sie
.suche mit Eifer was Leiden schafft,"
nur selten häusliche Tragödien orfal
l,n. Das, was der Amerikaner des
Norden Flirten" nennt, ist den Mexi
kanern beiderlei Geschlechts völlig unbe
kannt. Eine Freiheit, wie sie bei uns
die Mädchen genießen, giebt'S da nicht.
Bi sie als Braut am Altar an der
Leite ihres Erwählten steht, wird sie
täglich und stündlich bewacht und be
hütet, wie die ja in fast allen Ländern
romanischer Zunge der Fall ist. und die
geringste Indiskretion ihrerseits würde
ihre Chancen, unter die Haube zu kom
mm. ernstlich gefährden und sie zum
Gespött ihrer Bekannten und Verwand
ten machen.
In Arizona, wo die eingeborene
mexikanische Bevölkerung die Sitten und
Gebräuche ihrer spanischen Borfahren
fast ganz rein bewahrt hat, sollten die
Amerikaner und Amerikanerinnen, die
dorthin kommen und in Verkehr mit dem
spanischredenden Theil des Volkes tre
ten, obige Thatsachen wissen und beher
zigen, wenn sie nicht in Trubel" gera
then wollen.
Am Robbin, die junge Nichte des
reichen Rancher Sam Bowle, wußte
davon aber Nicht. Sonst hätte sie
wohl jenen dummen Streich nicht be
gangen. ES kam nämlich f: Am
war ein sehr hübsches Mädchen. Ihre
lachenden blauen Augen wurden von ei
nem förmlichen Urwald von goldenen
Locken beschattet, und ihre anmuthige
Gestalt, die schlank und biegsam, wie
ein Reh war. huschte über den Boden
hin, IS wären ihn Fäßchen Flügel.
Amy hatte ihre Kindheit im Osten er
lebt, und die letzten drei Jahre, seitdem
sie von ihrer Mutter in die Gesellschaft
eingeführt worden war. hatte sie sich
eidlich amüsirt im Sommer in Long
Branch. Newport oder Saratoga, im
Winter in New Vorl. wo sie zu den
Schönheiten gerechnet ward, die auf
Bällen und in der Oper ihren vornehm
lichen Wirkungskreis haben. - Natür
lich hatte sie die letzten drei Jahre ge
' flirtet" welches hübsche amerikanische
Mädchen thäte die nicht? Amy aber
mehr, als die Meisten. In der That
halte sie sich in ihren Kreisen den Spitz,
namen Flirling" Amy erworben, eil
sie in der Kunst de Coquettiren es zu
einer ungewöhnlichen Meisterschaft ge
bracht hatte, um die sie ihn Freundin
nen sammt und sonder beneideten.
Alle ganz unschuldig nicht der ge
ingfte Schaden gethan. Ihr Herz
blieb ganz, und ihre Verehrer, die sie
schaannweise nur viit schönen Worten
abgespeist hatte, waren wohl auch nicht
besonder tief vom Pfeile Amor' ge
troffen worden, wenigsten schien' so.
Zu allen ihren Eroberungen, zu allen
ihren tollen Scherzen und muthmilligen
Einfällen hatten Papa und Mama nur
ein geduldige Lächeln. Mein Gott,
sagten sie, da Kind will sich eben amü
siren man muß ihr den Spaß nicht
verderben.
Gegen Ende der letzten Saison aber,
Mitte März, hieß es in den fafhionablen
Kreisen von New York plötzlich. Amy
Robbin hab sich verlobt verlobt im
Ernst, wie man hinzusetzte. Mit dem
stattlichen Paul Banderveer, einem
.iunaen Mann mit einer Zukunft.'
lie Kühnsten erdreisteten sich. Miß Amy
ach der Wahrheit diese Gerücht zu
fragen. Ta kamen sie aber schön an.
Miß Amy lachte übermüthig, legte dann
den Zeigefinger auf die Lippen und
sagte, indem sie au ihren dunkelblauen
Augen so naiv und unschuldig schaute,
ie sie es eben nur fertig brachte:
Wenn Sie gefragt tentxn sollten,
meine Liebe, so antworten Sie nur
rubia. daß Sie' nicht wiffen." ES
war ganz einfach Miß Amy wollte sich
01 zuletzt va orrecai ,es meriia
ischcn Mädchen nicht rauben lasten,
ivre iaene Snrin u sein und zu beißen.
E war eben ein unverbegerliche
.Fürt," diese Miß Amv. Und ihre
Mutter stand dabei und lächelte.
Und im April ar sie dann in
rizcma auf Besuch bei ihrem Onkel.
dem steinreichen alten Sam Bowle,
dessen schier unermeßliche Ranch in
Llano County und dessen 60,000
Rinder und Pferde bis nach Tucson hin
jedem Einwohner sprichwörtlich waren.
Sein Brand", der Stern im Halb,
mond, war berühmt in den StockyardS
in Chicago. Aber sonst war Sam
Bowles ein komischer Kau, Hage
stolz, Weiberseind, ohne jede andere
Leidenschaft al seine Ranch. Er trank
nie, er rauchte nicht; ja, er spielte nicht
einmal Poker oder Monte, eine fast un
erhörte Thalsache in jener Gegend. Im
Winter war der närrische Alte in
Washington gewesen, eS handelte sich
dabei um einen wichtigen Punkt, die
Wafferrechte im westlichen Gebiet der
Ranch.
Nachdem er diese Angelegenheit zu
seiner Zufriedenheit erledigt, war Onkel
BowleS auf einen Abstecher von wenigen
Tagen nach New York gegangen, wo er
gastfrei in dem prächtigen Heim der
Familie Robbin aufgenommen worden
war. DaS war nicht so ganz uneigen
nützig, denn obwohl die RobbinS selbst
reich waren, so lebten sie doch seit Miß
Amy in die Gesellschaft eingeführt wor
den war, etwas über ihre Mittel, und
die schlaue Mama RobbinS, die immer
die Lieblingsschwefter deS alten Ranchers
gewesen war, dachte bei sich, es könne
jedenfalls nichts schaden, wenn sie und
ihr Töchterchen einmal den kinderlosen
Alten beerbten. -Natürlich ließen sie
nichts von diesem Gedanken merken,
und e kam ganz aus dem Herzen des
Onkel Bowles, als er beim Abschied
seine Nichte dringend aufforderte, ihm
vor ihrer Hochzeit, die auf Juni feftge
setzt war, einen Besuch auf feiner Ranch
zu machen, von der er ihr Wunderdinge
erzählt hatte. Er hatte das muntere,
schelmische Mädchen wirklich lieb gewon
nen in der kurzen Zeit. Und da Amv
von der Unmasse Bällen und sonstigen
Vergnügungen während des Winter
wirklich etwas angegriffen war und
ihrer Gesundheit vaS milde, kräftigende
Klima Arizonas ledeinaiis nur gut
thun würde, lo tagte ne bereitwillig zu.
Und da war sie nun. Die erste
Woche war ihr alle so sremd und neu
gewesen, alles hatte einen so ganz m
deren Anstrich, als sie bi dahin ge
wohnt gewesen war, daß sie gar nicht
zur Besinnung kam und sich wirklich
lehr gut die Zeit vertrieb. Ueber die
Prairie dahinzusausen auf den wilden
Ponies, den aromatischen Duft deS
jungen EraseS und der ersten Blumen,
die schon zwischen dem Grün hervor,
schössen, einzuathmen, und die belebende,
dünne, reine Lust in ihre erschlafften
Lungen zu saugen, da war ihr zuerst
ein mahrer Hochgenuß, und der alte
Onkel freute sich wie ein Kind, wenn sie
so zu Zweit auf feurigen Raffen durch
sein weitgehendes Eigenthum jagten
und er das zarte Roth in ihren Wangen
yerautfteigen ay.
Nach der ersten Woche wurde Miß
Amy aber die Geschichte langweilig,
Nichts zu flirten!" ein Mensch, dem
sie die Macht ihrer Schönheit und Co.
quetterie fühlbar machen konnte! kein
einziger junger Mann, der ihr den Hof
machen konnte. Gräßlich! Und Miß
Amy gähnte und schüttelte sich vor Ent
setzen. DaS war ihr noch nicht borge'
kommen in ihrem Leben. Sie seufzte
und dachte an ihre Bewunderer in New
Vorl. Sie konnte noch nicht gut ihren
alten Onkel verlassen und nach Hause
reisen. Der würde ihr da übel ge
nommen haben, und dann Adieu! Erb
schaft. Also gute Miene zum bösen
Spiel machen. Aber wa anfangen?
Miß Amy hatte schon die sämmtlichen
Vaquero und Cowboys ihre Onkel
Revue Passiren lassen die waren ihr
alle zu klobig, zu roh und ungeschliffen.
So zog sie sich eines Morgen nach dem
Frühstück auf ihr Zimmer zurück und
durchblätterte einen neuirschienenen
fafhionablen Roman, und dabei gähnte
sie und wurde schläfrig.
Plötzlich erscholl die Stimme ihres
Onkels, der nach ihr rief. Amy machte,
alter Gewohnheit folgend, erst etwas
Toilette und glättete die reizenden
Stirnlöckchen. ehe sie dem Rufe folgte.
Auf der Veranda fand sie ihren Onkel
und einen sehr hübschen, sehr mtereffan.
ten Fremden, einen Mexikaner, der ihr
als Sennor Ruiz Pacheco vorgestellt
wurde und der ein Nachbar war d. h,
seine Ranch ar cirka eine Tagereise zu
Pferd entsernt.
Endlich ein Wild, da ihrer Pfeile
werth, dachte Miß my blitzschnell und
wurde sofort die Liebenswürdigkeit, die
Anmuth selbst. Sennor Ruiz war bei
ihrem Eintreten zusammengezuckt die
Schönheit und der unnachahmliche Reiz
des jungen Mädchen hatten ihm
offenbar angethan. Die Unterhaltung,
die sich nun entspann, tonnte eigentlich
nicht lebhaft genannt werden, trotzdem
der alte Herr den Dolmetscher spielte,
Dazu sprach der stattliche junge Mep,
kaner da Englisch zu gebrochen, und
Miß Amy verstand erst wenige Brocken
Spanisch, der Beiden schien'S, als
verleihe dieser Mangel erst dem Ge
spräche seine eigentliche Würze. Ten
uiz war wie verauscht. liest Freiheit
der Bewegungen und de Ausdruck dei
einem jungen, schönen Mädchen waren
ihm wie süßer Wein, gegen dessen Macht
er nicht ankämpfen tonnte noch wollte.
Und die Beiden verstanden sich prächtig,
trotzdem die Auge und die Geberoen
das Meiste zu thun hatten, um die Un
terhaltung zu führen.
Gastfrei, wie man im Westen über
Haupt ist. drängte der alte Herr seinen
Gast zum Verweilen auf einige Tage,
und al er Abends sich zur Ruh begab.
da drückte ihm Miß Amy die Hand und
verabschiedete ihn mit einem strahlenden
Lächeln.
Da waren ein paar lustige, tolle
Tage, die nun folgten, und Miß Amy
fühlte sich wieder ganz in ihrem El
mente, da der junge ritterliche Mexi
kaner ihr beständiger Begleiter war,
Ten alten Onkel wußte sie ganz im
vintergrun zu la sen.
Am Abend des dritten TageS, als die
Beiden auf dem Heimritte nach der
Ranch waren, da machte ihr Don Ruiz
eine förmliche Liebeserklärung. Seine
dunklen Augen blitzten dabei, und der
Athem kam keuchend und schwer au
seiner Brust.
Miß Amy blickte ihn erst ganz er
staunt an. Sie hatte die ganze Sache
einfach als eine kleine Flirtation" an
gesehen. Was doch diese Mexikaner
komisch sind. Als ob man leben Mann
heirathen könne, den man ein oder zwei
Mal angelacht habe und dem man er
laubt hat, einen Kuß zu rauben.
Eigentlich konnte sie nichts dafür er
hatte sich so weit aus dem Sattel zu ihr
hinübergebeugt, daß wenn sie zurückge
wichen wäre, er sicherlich vom Pserde ge
fallen wäre. Und da hatte sie denn vor
gezogen, seine Lippen einen Augenblick
auf den ihren zu dulden. Aber warum
das nun gleich so tragisch nehmen? Er
mußte doch Spaß verstehen. Alle Mün
ner verstanden doch Spaß wenigstens
alle Männer, die sie bis jetzt gekannt
hatte. Zu dumm!
Und unmuthig, beinahe erzürnt, der
setzte fie ihrem Pferde einen scharfen
Streich, mit der Gerte, daß eS erschreckt
vorwärts sprang.' Aber Bon Ruiz
folgte ihr wie der Blitz.
Meine Antwort, meine Antwort,
rnicorazon querida!" drängte er, und
seine Stimme klang auf einmal schrill.
Sie blickte ihn erschrocken an. Dann
mäßigte fie den Laus ihres Rostes, und
nun begann fie etwas befangen, aber
doch mit völliger Selbstbeherrschung,
dem jungen Mexikaner die Wahrheit zu
sagen. Sie sagte ihm. daß er ihr in
den wenigen Tagen sehr werth gewor
den sei. daß fie ihm stet ein Andenken
in ihrem Herzen bewahren werde, aber
daß sie seinen Antraz nothwendigerweise
abweisen müsse.
Warum, warum?" ächzte der Mexi
kann und runzelte die Stirn.
Wenn Sie' durchaus wiffen mlls
sen, Don Ruiz," sagte fie beklommen,
weil ich schon mein Herz einem anderen
Manne gegeben habe, dessen Braut ich
bin. und den ich nächsten? heirathen
werde."
Ist das Wahrheit?" frug Don Ruiz,
feine Stimme klang wie verhaltener
Donnn.
.Die volle Wahrheit." murmelte Miß
Amy, der jetzt ganz unheimlich zu Muthe
wurde.
Don Ruiz erwiderte kein Wort.
Stumm ritt er neben ihr her, bi fie
vor der breiten Veranda de alten Herrn
hielten. Aber sogleich bat er Sam
BowleS um eine Unterredung, die ihm
gewährt wurde.
' Eine halbe Stunde später trat der
alte Herr BowleS bestürzt und mit sor
genvollem Geficht in daS Zimmer fei,
ner Nichte.
Don Ruiz hat dei mir um Deine
Hand angehalten." sagte er.
Tu weißt. Onkel, daß ich schon der
lobt bin. Und wenn da nicht der
Fall wäre, so würde ich diesen über
spannten Mericann doch auf keinen
Fall nehmen," erwiderte Miß Amy, die
sich letzt wieder sicher zu fühlen begann,
Der Onlel schüttelte da graue Haupt,
Kind. daS ist eine böse Geschichte. Er
sagte mr. Du habest ihn geküßt.
Er hat mich gelübt "
Da! kommt auf EinS heraus
jedenfalls ist nach Anficht dieser Spa
nisch Amerikaner ein junges Mad
chen, da sich von einem jungen Manne
küssen läßt, dessen erwählte Weib. Er
will nicht von Dir lassen, und die An
schauungen der Leute seiner Raffe geben
ihm Recht. Nimmst Tu ihn nicht, so
müssen wir un auf seine Rache gefaßt
machen, wa sagst Du dazu?"
Ich mag ihn nicht ich verab
scheue ihn jetzt ein arme Mädchen,
da sich bei dem Scherz nicht Böse
gedacht hat, so zu verfolgen da ist
feig da ist gemein," rief Miß Amy.
und brach in Thränen an.
.Hm, qm also da ist Deine letzte
Antwort?" ftug der Onkel.
.Ja. ia. um Gotieswiuen. sage ihm.
er solle gehen,' und Miß Amy hob ihre
vände wie beschwörend gegen ihren
Onkel.
Der ging und brachte Ton Ruiz Be
scheid.
Al der Mexikaner wenige Minuten
später au der Ranch fortritt, da sah
er au wie Jemand, der Böses sinnt.
Am nächsten Morgen, als der South
rn Pacific Erpreßzug an der klei
nen Station hielt, die der großen Ranch
de alten Bowle zunächst liegt, da
drängte sich ein Mann an den Alten,
der neben sein Nichte die Plattform
entlang schritt, um den Zug zu best,
gen. Der Mann, ein Mexikaner, zog
im selben Moment etwas Blitzende au
der Tasche. Ein Knall, eine Rauch
mölke als dieselbe verzogen war, lag
ein todter Körper am Boden. Da
Blut floß ihr noch au einer Wund,
die sie mitten in ihren goldenen Locken
empfangen hatte.
Ton Ruiz Pacheco ar gerächt.
yn Arrest.
Eine lustige (richichie tut dem ?eben von
Karl Maria von Wcber, Bon
Karl licnmann ireia.
E siel natürlich auf. daß Karl Maria
von Weber der unsterbliche Komponist
deS Freischütz", als er einst in einen
Familienkreis trat, zur Mutter dionv
lockiger Knaben und Mädchen sagte:
Vor allen Dingen lehren Sie Ihre
Kinder rech von links nnterscheiden,
denn deshalb in den Arrest zu kommen,
ist wirklich nur eine Kleinigkeit."
Was war da natürlicher, als daß
man ihn von allen Seiten förmlich be
stürmte, sich nähn zu äußern, ein Bei
spiel zu erzählen. Er selbst, meinte man,
müßte das erlebt haben. Und wirklich
Weber gestand, er habe erst in späte
ren Jahren gelernt, was rechts und was
IlnkS sei, und dieser Unlenntntß wegen
sei er während eines seiner Besuche in
Wien in ein sehr finsteres Gewölbe ge
sperrt worden.
Wer war dieser ganz abscheuliche
Mensch, der Sie deshalb gefangen
nahm?" fragte die entrüstete Mutter,
Eine Dame war eS," sagte der Ton
künstln lächelnd, und noch dazu eine
Dame, die bald darauf Weltruf er
langte. ES war Wilhelmine Schröder
Dedrient."
Unmöglich! O bitte, erzählen Sie."
riefen da ein halbe? Dutzend Stimmen
wie aus einem Munde.
Und diese Geschichte, die Weber hinter
einer Flasche goldenen Rebensaftes zum
Besten gab, war so:
Am 7. Mrz 1822 kam er nach
Wien, um noch an demselben Abend
den Freischütz" zu dirigiren. Die
Proben hatte der ständige Kapellmei
fter geleitet; Weber mußt aus dem
Wagen springen und nach dem Theater
eilen. DaS Jauchzen der Menge em
pfing ihn; der Ouvertüre und jeder
Arie folgte rauschender Beifall. Doch
hatte er kaum ein Ohr dafür, und für
die Darstellerin deS Aennchen kaum ein
Auge. Denn wer ihn durch den wun
derbaren Gesang fast ausschließlich
fesselte, war daS siebzehnjährige schlank
gebaute Mädchen, daS die Agathe sang;
ihr Name auf dem Zettel lautete: Mam
sell Wilhelmine Schröder
Al der Vorhang zum letzten Male
gefallen, eilte der Komponist auf die
Bühne. Liebstes Kind." rief er Wil.
helmine zu, Sie find die erste Agathe
der Welt und haben Alles übntroffen,
was ich in die Rolle hineingelegt."
Wirklich. Herr Weber? Das ist
wirklich Ihr Ernst?" rief da? Mädchen.
Ich hätt'S also ganz leidlich gemacht?
Ach was, Sie dürfen mir'S nicht übel
nehmen, ich muß Ihnen einen Kuß da
für geben und Sie schlechtweg Papa
nennen. Also Papa Weber, ich hab
Sie und Ihre Musik auch sehr lieb, und
ich möchte so gern so recht viel und
recht lange mit Ihnen plaudern. Bitte,
Papachen, kommen Sie zu Tisch, und
damit Sie einen guten Appetit mitbri,
gen, spielen Sie erst mit mir und mei
nen Geschwistern unten aus dem HauS,
flur Soldaten. Schlagen Sie ein?"
Herzlich lachend schlug er ein. Da
trat Frau Sophie Schröder, die Wil
heiminen Worte vernommen hatte,
kopsschüttelnd au der ersten Kouliffe.
Ich bitte dringend." sagte sie. daß
Sie Wort halten, Herr Kapellmeister,
und morgen unsere Mahlzeit theilen.
Aber ergeben Sie meinn Tochter daS
Geschwätz. Sie ist ein alberne Kind,
und ich kann reden so viel ich will, es
wird nicht ander mit ihr , . . ."
Kaum hatte eS am nächsten Mittag
auf dem StevhanSthurm zwölf gefchla
gen, als Weber jenes Hau betrat, in
dem Frau Schröder drei Stiegen hoch
wohnte. Welch' komischer Anblick bot
sich ihm dar! Eine Kinderschaar in
Reih und Glied, mit Stöcken auf den
Schultern; recht ein kleiner Tambour,
links in liebliche Mädchen al Marke
tenderin gekleidet, und davor, den Säbel
in der Hand, den dreieckigen Hut mit
wallendem Federbusch aus dem Haupte,
Wilhela.ine, die beste Sängerin der
Agathe, al Osfizin!
Den Komponisten sehend warf sie
den Säbel auf den Boden. .Papachen,
eS giebt Schnitzeln. Noch eine Viertel
stunde recht tüchtig marschirt! Sie find
der Aeltefte und deshalb unser Kom
mandeur. Soldaten, hier Euer
ßinrnl 9IAtiinn!"
Zwar hegte Weber keine Luft, sein
neues Amt anzutreten, aber in seiner
Gutmüthigkeit wollte er den Scherz
nicht verderben. Richt'Euch! Marsch!"
rief n aus. Die kleine Schaar setzte
sich gleich in Bewegung, bis die Wand
ihren Schritt hemmte.
Rechts um. kommandine Weber.
.Papachen, Sie schwenken nach links."
rief ' Wilhelmine. . Ja so!
Marsch!" Und wieder ging'S den
Hausflur hinab, bis die Wand aber
mal Stillstand gebot- Link
um !"
Aber. General, jetzt drehen Sie sich
nach recht." rief Wilhelmine. .Sie
wollen kommandiren und können nicht
rechts von links unterscheiden? DaS
fordert schwere Strafe! Ein Krieg
gericht!"
In den Arrest mit ihm." jubelte die
Schaar wie au einem Munde
In arme gutmüthige Webn! Er
ließ sich die Hände binden, auf den
Hof und in den Holzftall führen. Er
lachte und nickte sogar, es war doch
nur Schnz. Von draußen wurde der
Riegel vorgeschoben. .Alle hallen
Wache." befahl Wilhelmine. e? ist in
sehr tnühmtn Gefangener!"
Einige Minuten verstrichen, da pochte
Weber. Jetzt sei e flenn deS Spiel,
es sei finster und dumpf in diesem
Stalle. Keine Antwort, nur ein Kichern
ertönte. Wieder schwanden einige Mi
nuten. Zum Henker, so macht doch
aus! Ich habe Hunger und die
Schnitzeln werden kalt!"
, Oho, di Schnitzeln stehen im Ösen,
und der Appetit muß noch besser wer
den," sagte Wilhelmine, die sich vor
Freude über diesen Streich kaum zu
fassen wußte. AIS aber eine Vier
telftunde vergangen ar, hatte der
Komponist auch den letzten Rest seine
Humor verloren. Mit ganzer Kraft
warf er sich gegen die Thür, scheltend,
rufend
Frau Schröder hatte schon öster
au dem Fenster und nach dem Gaste
gesehen. Weder von ihm noch von
ihren Kindern konnte sie etwas bemer
ken. Ob die lose Jugend, wie schon
einmal geschehen, in den Taubenschlag
deS HauSwirthz gestiegen war? Die
Mutter wurde bedenklich und hielt eS
gerathen, gleich selber nachzusehen. So
kam sie in den Hof, stieß auf die be
waffnete Schaar und hörte die Rufe deS
Gefangenen. Wer ist da eingesperrt?"
rief fie aus.
Lachend drehte sich Wilhelmine auf
dem Absatz herum. , Denke Dir. Mut
ter, er wollte unser General sein und
wußte nicht, waS rechts und was links
ist! Deshalb steckten wir ihn in den
Holzstall!
Ich begreife Dich nicht wen
meinst Du?"
Kannst Du's nicht rathen? Papa
Weber steckt da drin!"
Natürlich wurde der Komponi schleu
nigft in Freiheit gesetzt. AIS er mit ei
nem recht sauren Geficht in den Son
nenschein trat, empfingen ihn Frau
Schröder Ent chulddigunaen. Er vn
suchte zu lächeln, aber die Falten auf
seiner Stirn drückten noch seine Vn
ftimmung aus. Stumm bot er der
Wirthin den Arm, und stumm schlichen
Wilhelmine und ihre jüngeren Geschwi
fter hinterdrein. Sie machten denn
doch wohl fühlen, daß sie etwas recht
Dummes begangen hatten, und ahnen,
daß oben in der Wohnstube ein schweres
Gewitter herauf ziehen würde.
Ziemlich schweigsam setzte man sich
um den Tisch. Kein freundlicher Blick
der Mutter fiel auf die Kinder. Die
köstlichen Schnitzeln wollten doch nicht
recht munden, und Webn sah noch im
mer verdrießlich aus. Aas brachte die
Magd nun aber herbei? Sein Leibge
richt, einen gesottenen Fisch!
Die Anderen hatten keinen Appetit,
doch Weber aß für Zwei. ES währte
auch gar nicht lange, so wurde er hei
lerer, und sein Anger war plötzlich
vorbei. Er hob daS GlaS und rief :
Auf die Gesundheit der Mutter und
Tochter, auf daS Wohl der ganzen Fa
min!"
Frau Schröder dankte mit herzlichen
Worten, aber ein tiefn Seufzer entrang
sich ihrer Brust.
Was quält Sie?" fragte der Künft
ler, dn dei dem Fische den Holzftall
schon völlig vergessen hatte.
Sie ließ daS feuchte Auge auf Wil
helmine ruhen und sagte: DieseS Kind
macht mir große Sorge. Solch einen
Streich, wie fi Ihnen spielte, führt fie
fast an jedem Tage aus. Wie soll das
enden? Und in ihrem Alter verlangt
man doch größeren Ernst! Aber auf der
Straße, auf dem Hausflur, in der Hand
den fcäoel, so m s ihr am wohlsten.
und ich fürchte, daß sich das Schicksal
einst bitte an ihr rächen wird!"
Mutter!" rief Wilhelmine.
Liebe Frau," sprach Weber, wohl
Ihrem Kinde, daß e noch ein Kind ist.
Nur zu bald kommen die Tage, an de
ren Füßen Bleigewichte hängen. Doch
genug. Was mich betrifft, so bin ich
Wilhelminen innigst dankbar."
.Dankbar?" Alle horchten gespannt
auf.
' Sehr erklärlich." fuhr er fort,
denn wird man nicht in Arrest gesteckt,
um sich zu bessern ? Nie hatte ich mich
bemüht, den Unterschied zwischen rechts
und links zu lernen, aber von heute an
wird S min größtes Bestreben fein,
das leichtfinnig Versäumte nachzuholen."
Wie tausend Sonnenstrahlen flog es
da über Wilhelminen'S Antlitz. Mut
ter, was sagst Tu nun?" Uud al fie
die Mutter dann herzlich lachen sah und
mnkte, daß ein günstiger Wind da Ge
witter ganz verscheucht, da setzte fie. da
GlaS schwenkend, noch hinzu: Hoch
lebe der Gebesserte! Hoch lebe dn Frei
schütz! Papa Weber lebe hoch!"
Sh Ershrnt einer ItUisch,
PsInitri.
Dem Joe sei Frah schreibt an den
Adln":
Ihr Tinteschmiern!
Zeit a ich g'heiert bin. nau schier
sechs Johr. Hot' mich schun oftmals
g wunnert. ,e s kamt, daß s oen ar.
ßer Unnerschied i! zwische vor un noch
em Heire. un ich bin zum B'schluß
kumme, ich wett, sn de Benint dun de
Möhd, wu so heiernärrisch sin, emol
etliche dun meine Erfohringe in selln
Lein gewe.
Ter I i mich imer en Johr un en
Halmes sehne kumme, eb mer g'heiert
hen. In selln ganze Zeit weeß ich net.
aS n mal kumm? i uhne a n en
Lack voll Cündq oder sunscht Schleckfach
g'hat Hot. Nau sehn ich oftmals en
ganz Johr ken pändy.
Sellemohl hat er mich al noch alle
Schob genumme in zwanzig Weil un
mit EiScriehm und TingS getrieht di
ich' ledig war. Nau halt ich Schoh
mit de Kinner un n eßt'S Eisttiehm un
werd' net ledig.- SellemolS war ich
als die steß Sallie." Nau bin ich' alt
Kalb, wann' net Du", sag" oder
Süll" i.
SellemolS Hot er ussitze kenne bis
zw Uhr Morjets mit mir; ncni schlaft
er ei glei noch em Soppnesse un schna
rixt wie in Sau. SellemolS hat er mir
vun alle e Bescht gewe; nau nemmt
er'S felwert. SellemolS war ich viel
Taufend Dahler werth zu ihm; nau
fchelt er, wann ich sechzig Cent brauch
for'n kattunicher Frack. Sellemol war
ich' fcheenscht Mähdel im Dahl; nau
ficht er alle Tag schmiere.
Ich sag Eich. Ihr Müd: wann ich'
noch emol zu dhu hätt, dhät ich niemals
heire. Ich dhät en Wittfrah bleiwe,
wie felle g'faht Hot. ES is juscht ee
RiSk derbei. Mer werd älter un no
meenen die MannSleit, wu ah net
fcheener sin, mer wär auSglvielt un fin
eem ledig. Wann ich'S noch emol zu
dhu hätt, kennt mich ken Eselfuhr hie
ziege for in dere Fix zu sei.
Em Joe sei Froh.""
in kpstk der DiScipli.
In der kleinen GarnifonSftadt Tech
telhausen herrschte die höchste Ausre
gung. Morgen sollte der Brigadekom
manöeur eintreffen, um daS Bataillon
zu inspiciren. Besonders den jüngeren
Offizieren, welche die Mannschaften
auszubilden hatten, schlug das Herz.
Unter den mancherlei Eigenheiten, die
man sich von der Ercellenz erzählte, war
nun besonders auch die eine, daß der
General sehr scharf darauf sah, ob die
Offiziere denn auch mit dem Civilderuf
jedes einzelnen Soldaten sich vertraut
gemacht hätten. Da war aber, wie
dei den meisten seiner Kameraden, auch
eine besonders schwache Seite des Lieute
nantS Schneidig. Doch plötzlich, als
er schon verzweifeln wollte, kam ihm
eine Idee. Er ließ seine Leute antre
ten, hielt eine Ansprache an dieselben
und sagte zum Schluß : Also verftan
den! Wenn Seine Excellenz mich bei
einem von Euch fragt: Was ist der
Mann in seinem Civilberuf?" und ich
antworte Schneider!" oder Schufter!"
so ist er eben Schneider oder Schufter!
Dabei bleib!"
Die Excellenz kam. Alles ging wohl
von Statten. Plötzlich blieb der Gene
ral vor dem Rekruten Schulze stehen.
Was ist denn der Mann in seinem
Civilberuf, Herr Lieutenant?"
Schneider, Excellenz!" antwortet
Schneidig präcis.
Der General nickt freundlich.
Bist Tu schon lange Schneider.
Sohn?" fragt er wohlwollend.
Nein. Excellenz!"
Seit wann denn?"
Seit heute. Excellenz !"
Seit heute?.. Ei. wie kommt
denn das?"
Der Herr Liutenant hat's
befohlen. Excellenz!"
Der General sah in Schneidig' mo
mentan nicht allzu geistreiche Gesicht
und schmunzelte.
9tt bin it !"
Eine köstliche Episode spielte sich oie
ser Tage in einem nördlichen Vorort
Berlin'S ab. In diesem Orte wohnen
nicht wenig Leute, die auf den Namen
Schultze" hören. Unter der großen
Menge diesn Namensvetterschaft sind
es nun aber vier Brüder, gut situirt
Leute, welche von den übrigen Bewoh
nern deS in Rede, stehenden Vororts der
besonderen Beachtung gewürdigt er
den. Um diese vier Auserühlten nun
nicht mit der breiten Menge dn ge
wohnlichen Schnitzen zu verwechseln,
hat man jedem der vier noch einen be
sonderen Namen beigelegt. Der reichste
der Brüder heißt der reiche Schultze."
sein Bruder, ein KieSgruben.Besitzer,
heißt KieSschultze," ein dritter Bruder,
welcher infolge ein Leiden stet ein
feuchtes Auge bat. hört aus den schönen
Namen .Vlierschultze" und dn Letzte
endlich führt aus irgend welchem
Grunde ob mit Berechtigung odn
nicht, wollen wir hin nicht untersuchen
die nähere Bezeichnung der dämliche
Schultze." Kürzlich kam auf der Haupt
ftraße des OrteS ein Wagen mit Maun
steinen angefahren. Als der Kutscher
vor einem Grundstück einen Mann
stehen sah, wandte er sich an diesen mit
den Worten : Sagen Se mal. ick soll
hier Maunfteene abladen, weeß aber de
genaue Adreffe nich. Kinnen Se mir
ich sagen, o hin 'n gewiffer Schultze
wohnt?"
Hm." versetzte der Angeredete.
Schultzen jiebt det hin 'ne janze
Menge, da wird det wohl schwer find,
den richtigen ,u finden, wenn Se de
Adreffe nich wissen."
Na," erwiderte dn Kutscher, .viel
leicht jeht det doch noch: mein Hen
sagt, ick soll man nach'n .dämlichen
Schultzen" fragen, den kennt ja jedet
Kind."
.So, na denn fahren Se man hier
uff a Hof. Dn dämliche Schultze det
bin ick."
llnrcrfrornt.
Hausfrau (zur neuen Köchin): .Ich
mache Sie aber darauf aufmerksam,
daß wir stet um 7 Uhr Morgens den
Kane einnehmen."
Köchin: Gut. gnädige Frau, ich
werd mich darnach richten, sollt ich
aber hin und wieder 'mal um 7 Uhr
noch nicht aus sein, dann bitte geniren
Sie sich gnädige Frau nicht und trinken
den Kaffee allein."