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About Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901 | View Entire Issue (March 25, 1897)
Tenorist und Bäcker.' Aui den (himimingfit eiirc chuiiixlklcrs, Po Ä, Willmann. ' ES ar in Regensburz. Lieber Herr, schenkend mir waZ, ich hab einen großmüchtigen Hunger!" re dete ein 10jSbriger Knabe einen feinen, ukerhaft gekleideten jungen Mann auf der Straße an und streckte bittend die kleinen, schmutzigen Händchen lym mi aeaen. Dem Manne kann geholfen werden! citirte der woblnelaunte Jüngling. Er lanate nach seiner Börse, und schon be rührte die Kupfermünze des Kleinen Hand, als der Geschniegelte sie wieder zurückzog. .kalt. Junge, ist eS auch wahr, daß Du Hunger hast? Du siehst mir gar nicht verhungert aus, wirst Tu da Geld nicht vernaschen?" Der Kleine schüttelte sehr ernsthaft den Kops. .Ra. weißt Du, Bürschchen. besser ist besser! Komm mit heran an jenen Bäckerladen, ich will Dir ein Brödchen kaufen." Kaum drei Häuser entfernt, hinter blank geputzten Scheiben war eine ganze Brodausftellung neben Kuchen und fei nem Backmerk aufgebaut. Dahin lenkte der junge Mann seine Schritte, der kleine Barfüßler trollte hinterher, aus merksam seine Augen dem Ziele seiner Wünsche zugewandt. Eine Berührung der Kupsermünze mit der Glasscheibe des Schausensters, und der Schieber flog hoch. In dem offenen Rahmen erschien ein reizender Mädchenkopf, um sich nach dem Begehr des Klopfers zu erkundigen. Dieser ar wie gelähmt über die Schönheit der Verkäuferin, welche bis in den blon den Scheitel hinauf erröthete. Ihr. Blick ihm zugewendet, war Blitz und Strahl zugleich, fein Auge war geblendet! Stimmt, stimmt, ganz genau!" dachte der Verblüffte, seine Iiebeftrahlenden Augen nicht abwendend von der schönen Erscheinung. Die Dreiersemmel sollte ihm der hängnißvoll werden. , Wie er die Kupsermünze in die Hand des Mädchens gelegt und wiederum das Brod in diejenige des Knaben, was er dabei gesagt, darauf konnte er sich spä , ter nicht mehr erinnern. DaS Hinunterklappen, des Fensters und das Verschwinden des blonden Mädchens gaben ihn der Wirklichkeit mied. Langsam schickte er sich an, seinen Weg fortzusetzen, da es doch wohl nicht anging, wie festgewurzelt an dem Bückerladen stehen zu bleiben. Bon diesem Tage an wurde diese Straße oft, täglich von dem jungen Manne betreten. Manchmal gelang es ihm, die holde Gestalt auf Augenblicke hinter dem Fenster austauchen zu sehen, oft aber ging er vergeblich. Noch öfter aber, wenn ein Käufer klopfte und er daZ Erscheinen der Angebeteten erhoffte, schob sich die breitschultrige, massive Gestalt des dicken Bäckermeisters zwischen ihn und sein Hoffen, und getäuscht, qualvoll getäuscht, verließ er den Dunst- kreis seiner jungen Liebe. Daß Cupido in Gestalt des kleinen, barfüßigen Bet teljungen ihm einen Streich gespielt,' mar klar; aber eS war nun einmal ge schehen, der Pfeil saß, die Wunde brannte und schmerzte und verlangte Heilung. Alles Sträuben gegen diese Liebe war vergeblich; setzte seine ganze ManneSwürde, Energie und volle Wil enskraft daran, dagegen anzukämpfen umsonst! Der Sache mußte energisch ein Ende gemacht werden, und das bald. Vorerst wollte er sich versichern, ob er Gegenliebe von der Erwählten zu erhof fen habe, und mußte, da dies durch fer neres Schmachten nicht zu vermitteln war, näher rücken. Das hübsche Mädchen hinter dem nahr haften Fenster hatte ihrerseits die Fen fterpromenaden des jungen Mannes wohl bemerkt, sie beobachtete vom Hin Urgrund des Zimmers aus die vergeb lichen Reisen ihres Verehrers und seufzte in sich hinein: Ich gäb' waS d'rum, wenn ich nur Müßt', wer der hübsche, braunlockige Anbeter ist!" Am nächsten Tage schlich unser öer liebter Seladon nicht wieder mit scheuem Liebesdlick am verhängnißvollen Fen ster vorüber, sondern er trat dreist auf dasselbe zu, klopfte mit schlankem, wenn auch ein wenig zitterndem Finger, und die Holde zeigte sich. Wieder flog eine helle Rosengluth übn das süße Gesichtchen, wieder haf tete sein Auge mit stummer Begeifte runz an ihren Zügen, doch diesmal kam s auch zu Worten. - .Mein Weg führt mich so ost hier vorbei, wenn Sie erlauben, Fräulein, nehme ich mir manchmal ein Stückchen Kuchen mit, meine Tante ißt Kuchen so unn." .DaS kann ich Ihnen nicht wehren!" entaegnete sie schüchtern, im Gegen theil, t! wird mir sehr angenehm sein." .Wirklich? O, wie gut Sie find! Erlauben Sie mir die Frage: Kennen Sie mich? Ich meine, haben Sie mich noch Nicht aus dei'Bühne gesehen? .Bühne?" klingt esZ etmaS erstaunt zurück. .Ich bin der Tenorist Schlosser, am hiesizen Stadttheater engagirt." .Ach, das thut mir recht leid!' tönt ein Klagelaut von Röschens Lippen. .Warum, mein Fräulein?" .Mein Vater kann da! Theater nicht ausstehen, und ich komme fast nie dort hm." Vielleicht würde Ihre Frau Mutter die Güte haben, Sie morgen in die Borstellung zu begleiten; ich singe den Lyonel!". Wenn Sie erlauben, komme ich morgen noch einmal vorbei und bringe Ihnen zwei Parquettplütze." Rüschen wurde verlegen und wußte nicht, was sie erwidern sollte. Reft, was haft dort, ewig zu plan fchen!" grollte eine tiefe Baßstimme aus dem Hintergrund des ZimmerS, und schnell schloß die Kleine mit einem Gruß der Blauaugen daS Fenster. Versucht wird eS," dachte der ab gehende Liebhaber, morgen bringe ich die BilletS. Wenn mich nicht Alles täuscht, wird sie mit Ihrer Mutter kom men." Mit der angeborenen Schlauheit aller Evatöchter mußte Röschen der Mutter die Einwilligung abzuschmeicheln, und diese wieder die Abneigung ihres Lebens geführten so zu beschwichtigen, daß er endlich nach längerem Brummen nachgab und seine Erlaubniß ertheilte. Anderen Tages, gerade als der Vater in der Backstube war, kam der kühne Sänger und Mädchenfänger" wieder vorüber. Diesmal zeigte sich Röschen sofort, als sie ihn erblickte, und ermuthigte ihn dadurch, näher zu kommen. Nun, wie l t es Fräulein, darf ich hoffen? Werden Sie kommen?" Mit der Mutter, a!" erwiderte sie rasch. Ter Beglückte zog die Billets hervor und eine Rose, welche sein Knopfloch schmückte, und legte Beides in die Hand der kleinen Herzensdiebin nieder. Ich werde heute Abend schön singen, sür Sie, Fräulein, so schön ich iann." Sie sUlrte die Role an das Näschen, um ein zauberisches Lächeln dahinter zu verbergen. Ter Bater wollte erst gar nicht hören, als wir vom Theatergehen sprachen: ich möchte nicht, daß er wüßte, die Billets seien von Ihnen!" Sie wart einen cheuen Blick ra s Zimmer zurück, dann neigte sie sich et was vor und setzte hinzu: Nachmittags schiäst der B ater!" Wie Feuer durchzuckte diese verrüthe rische Mittheilung das Herz des Jüng siNkiK tr ttiiirh nfipM! So schön wie diesen Abend hatte Schloffer überhaupt noch nie gesungen; er sah in seiner frischen Jugend wunder hübsch aus, und sein von Liebe beseeltes Herz gab seiner Stimme ein Feuer, eine Wärme, welche ihm den reichsten Beifall eintrug. ' Röschen unten im Parkett' an der Mutter Seite hatte schon manches warme Thränchen über das Schicksal des schö nen Pächters vergoffen. und als er nun gar heraustrat mit bleichem, verstörtem Angesicht, die schönen Augen flehend auf sie gerichtet, und mit rührender Stimme sang: Nur ein Spiel hat sie getrieben, nur ein schnödes Gaukelspiel!" da konnte die Kleine nicht länger widerstehen, mit Sang und Klang zog die Liede ein und nahm im Sturm das unschuldige Herz, chen gefangen. Die Mutter, welche die Bewegung des TöchtcrchenS wohl bemerkte, machte nch Vorwürfe, dazu beigetragen zu ha den, die Annäherung zu begünstigen, und wünschte sehnlichst den Schluß der Oper herbei. Doch noch vorher flüsterte das erregte Mädchen ihr zu: Mutter, ich glaube, er liebt mich!" Was fällt Dir ein. Refi!" prote ftirte diese, bist nicht gescheit ! Da könntest Tu bei Deinem Vater nett an kommen! DaS giebt er nie und nimmer mehr zu; mache Dir also keine dummen Gedanken, das geht wieder vorüber." Diesmal aber hatte die Mutter falsch prophezeit, eS ging nicht vorüber, und Angst und Sorge thürmten sich vor den Augen der geängftigten Frau auf. Der Vater hatte schon etwas gemerkt, er be fahl der Mutter, auf ihr einziges Kind zu achten, und hielt selbst die Augen weit offen, sein Kleinod zu bewachen. Nur schüchtern und ganz von weitem wagte die Frau mit der Sonde anzuklo pfen von wegen der Möglichkeit der Ver einigung des liebenden Pärchens. Da kam sie aber döse an. Dunkelroth wurde der dicke, ehrsame Bäckermeister vor Zorn. Wie kannst Du nur so dumm plauschen, Frau!" schrie er wüthend. Denkst, ich gebe mein einzige? Kind so einem Spaßma cher, der jeden Abend in einer anderen ffenjacke steckt und den Leuten für Geld waS vormacht? Oder glaubst Du, ich habe gearbeitet und gespart,' daß so ein geschniegelter Windbeutel, der nichts kann, als seine Schnurrdartsnitzen drehen und die Arbeit nur dem Namen nach kennt, daherkommt und fich'S mit den Früchten meiner Mühe bequem macht ? Daraus wird nichts, gebt alle Hoffnung auf, es ist mein letzte Wort!" Unsere kleine Geschichte trug sich etwa dreißig und mehr Jahre früher ,u. DaS Theater wurde damals von bür gerlicher Seite mit wenig Hochachtung behandelt und angesehen, und mußte man daS Mißtrauen des reichen Bücker meifterS begreiflich finden. Wenn heut zutage ein hübscher Tenorist um die Hand eines Bürgermädchens wirbt, de kommt er sie schneller, denn eine schöne Tenorgimme ist eine sehr einträglich Eottesgabe, von der fich gut leben läßt. Waren auch die Einnahmeverhältniffe uniereS hoffenden Liebhabers weit ent feint, der Geliebten eine sichere Zukunft bieten zu können, so be'aß er doch den Muth, um seine Liebe zu kämpfen und zu ringen b:S euf'S Aeußerfte. Haira gelang eS inrn noch, die Ge liebte, durch deren Mund er des BeterS letztes Wort vernommen, zu sehen und zu sprechen. Die Abweisung schreckte jedoch den Muthigcn nicht. Furchtlos stürzte er sich. trotz aller Warnung von Seiten der Frauen, in den Frack und wagte sich in die Höhle des Löwen. Die Augen des braven Meisters sprüh ten, als er des kühnen Freiwcrbers an sichtig wurde, doch bezwäng er sein m widerstehliches Gelüste, den Sänger an die Luft zu setzen, und benahm sich als gebildeter Mann. Mit Fassung hörte er die wohlgesetzte Rede des Brautwerbers an, und als dieser geendet, gab er ihm Bescheid Gegen Ihre Person habe ich nichts einzuwenden," meinte er, nur gegen Ihren Stand. Ich habe ein schönes Geschäft, welches fortgeführt werden soll Von dem, der meine Tochter einmal hei' rathet. Sicher und solid soll das ito dament sein, auf dem ihre Zukunft ruht. Wären Sie ein Bäcker, würde ich ja sagen, wenn Sie auch nichts hätten. In Ihrem Stande aber haben sie weder Sicher noch Solid aufzuwei' sen und deshalb unterbleibt die Hei, rath, machen Sie fich keine Hoffnung.' Mit angehaltenem Athem hatte Rös chen im Nebenzimmer der Unterredung gelauscht, kein Wort war ihr entgangen, und als sich die Thür hinter dem me liebten geschloffen, sank sie erschöpft zu, sammen. Sie mar ein viel zu wohl, erzogenes und gehorsames Kind, als daß fte nicht eingesehen hätte, wie lauter die Quelle der Handlungsweise des Vaters war. Nur seine Liebe zu ihr ließ ihn so vorgehen. Ueber den abgewiesenen Freier wurde kein Wort gesprochen, um so mehr wurde an ihn gedacht, wenigstens von deZ Mädchens Seite. Das frische Röschen ließ welk das Köpfchen hängen, die Rosen der Wan gen bleichten, das Auge wurde trübe und matt. Das Kind wird krank!" jammerte die Mutter, ;,Du wirft sehen. Dein Starrsinn bringt uns noch um unsere Einzige!" Wird nicht gleich sterben! brummte der Alte mit tiefem Ingrimm, den Ko mödienmacher zum Kukuk wünschend. Dieser war aber in einer sehr traun gen GemüthSverfassung und wußte nicht, wie er sein liebesehnendes Ge, müth beschwichtigen sollte. Doch hielt er vorerst seiner Leidenschaft die Zügel, um es erst ein wenig zu verwinden, von dem Zukunftsschwiegervater so schroff abgewiesen morden zu sein. Mag sich der Alte nur sperren und sträuben, Röschen liebt mich und meine Frau wird sie doch." dachte er, und seine Zuversicht erleichterte sein Herz. Das opshängen einer Frauen be hagte dem gemüthlichen Bäckermeister gar nicht, und er sann auf Mittel, die sem peinlichen Zustande ein Ende zu machen. Er hatte den Plan ausge tonnen, die Reft aus der Sstadt zu ent fernen. Sie sollte eine entfernte Ver wandle auf einige Wochen besuchen. Da er aber bei seiner Gattin auf wenig Gegenliebe dafür stieß, gab er ihn wie der auf. WaS sollte er aber thun? Die Refi grämte sich fichtbar und ihre verweinten Augen griffen gewaltig an sein zärtliches Vaterherz. Wie konnte da geholfen werden? Wer weiß, was noch Alles geschehen kann!" sagte er sich geängstigt; denn daß der Theaterfpieler seine Absichten aus die Kleine nicht aufgegeben, hatte r wohl gemerkt. Schloffer spukte gewaltig um'S Haus herum und machte dem Alten Angst und Bange. Ich hab'S! Ich hab's!" rief dieser eines TageS vergnügt, nahm seine Frau bei der Hand und zog sie zu einer Be sprechung in das Hinterftübchen. Was da verhandelt wurde RöS chen hatte eS nicht erfahren können. Sie sah nur, die Mutter war der gnügt.' Und der Vater? Er schrieb einen Brief, was ihm sehr sauer wurde und immer etwas Wich tigeS im Gefolge hatte. Wie erschrak die Kleine, als am an deren Tage in der Frühe die Zimmer thür nch austhat und der Ersehnte in die Stube trat. Aber der Vater machte gar keine An ftalt, böse zu werden, sondern bot dem Angekommenen einen Stuhl. Ein miktrauiicher Blick des jungen ManneS streifte den Alten und fechte nach dem AuSgang. Ein gutmüthiges Lächeln war die Antwort des Vaters, und der Argwohn verschwand. Sie haben besohlen r sagte mit einer höflichen Verbeugung der Sänger. .Gebeten gäbe ich, err, gebeten. Sie waren neulich so frei, mich um die Hand meiner Tochter zu bitten und ich habe Sie abgewiesen. Erinnern Sie sich wohl, was ich dabei gesagt? Nur ein Böcker, welcher mein Geschäft über nimmt und ein braver Mann ist. erhält sie zur Frau. Erinnern Sie sich?" Ja. jawohl." Nun gut, Sie behaupten, meine Tochter zu lieben, meine Tochter liebt Sie leider GotteZ auch; jung genug find Sie, kurz hinaus, werden Sie Bäcker und Refi soll die Ihre sein." Der Sänger machte ein dummes Ge ficht und schaute den Vater groß an, ob eS Spaß oder Ernst sei. j Röschen sprang ihm mit einem reu denschrei an den Hals und die Mutter kam schon mit dem mütterlichen Segen. Halt!" rief der Alte, so ist eS nicht gemeint! Loslassen! Erst soll fich der junge Mann bedenken. Ueberrumpelt wird nicht. Wenn er eS ein paar Mal überschla en hat, vielleicht mit einem Freund berathen, mag er miederkom me. Jetzt Gott befohlen!" Der Alte ruckte sein Käppchen von einem Ohr auf'! andere, und die Au, dienz war beendet. Ohne ur ein Wort gesprochen zu haben, stand der Freier wieder vor der Thür. ES kam ihm wie ein Traum vor, waS er soeben erlebt hatte. Er fühlte noch den warmen Druck von Röschen S Hand, ihr Athem hatte fein Gesicht gestreift. ihre schönen Augen hatten angstvoll fragend an den seinen gehangen. Bäcker werden! Er mußte fich mit dem Gedanken erst vertraut machen; in seinem Kopfe summte und brummte es, Bäcker werten oder die Geliebte lassen! Langsam lenkte er seine Schritte sei ner Wohnung zu. Der Alte hatte recht, das wollte überlegt sein; davon wollte sein Herz nichts hören. Seiner Kunst entsagen, das war hart, er hing mit so viel Liebe daran. Was aber thun? Auf de! Alten weitere Nachgiebigkeit, der Glaube, so schon sein Möglichstes gethan zu haben, war nicht zu rechnen. Also zum Entschluß. Unser Sänger war ein ruhiger Cha rakter. ' Er hatte von Mutter Natur die glückliche Gabe, jeder Lage des Le bens die freundliche Seite abzugewin nen; er wollte vor allen Dingen glück lich sein, und foxt wäre dies möglich ge Wesen ohne die süße Reft, deren Blau äugen ihn im Wachen und im Traume verfolgen und necken sollten. Noch ehe die zugestandene Bedenkzeit vorüber war, überschritt er die Schwelle des Bäckerhauses von Neuem und bot fich dem erfreuten Meister als Lehrling an. Röschen und die Mutter weinten Freudenthränen, als er die Braut vor des VaterS Augen in die Arme schloß und mit aus dem vollen Herzen strö menden Tönen seiner schönen Stimme sang: Gern geb ich Glanz und Reich thum hin für Dich, für Deine Liebe." Röschen mußte nun doch, so lange die Lehrzeit dauerte, die Verwandten besuchen, aber nachdem die festgesetzten zwei Monate um waren, fand die Hoch zeit statt. Der Schwanenritter war in die Backstube gezogen. Aufsehen machte es, und Eloffen gab eS die schwere Menge. Auch verlor man sehr ungern den beliebten Sänger. Doch Alles ist zu ersetzen, und die Wo gen der Zeit flutheten Vergeffen über die sonderbare Geschichte, sobald der Held derselben vom Schauplatz ver schwundcn war. Ter junge, angehende Bäckermeister war ein anstelliger und gelehriger Schü ler; er bemühte fich, das Lob seines Schwiegervaters zu errringen und errang es. Er besuchte mit ihm die Kornmärlte, besorgte den Einkauf der Frucht und hatte nch in kurzer 'Am ein, gelebt. Freilich, die braunen, zierlichen Locken waren der Scheere des Barbier! zum Opfer gefallen, und das Kinn um, säumte mit der Zeit ein dichter Voll Bart. Tafllr, hatte er aber die ganze Zufriedenheit des alten Herrn er rungen, ver meinte: Siehst Du. Junae. jetzt siehst Du doch aus wie ein Mensch!" Wenn auch der Rock nicht mehr knapp und nach der neuesten Mode saß. und die Stiefeln zu weit aus den Hosen hinaussahen, sein liebes Weibchen blickte ihm in die treuen Augen, und feine fröhlichen Lieder würzten ihnen das Le den. So vergingen Jahre, der einst so kühne Sänger hatte sich ganz behaglich in das bürgerliche Leben eingekapselt und lebte zufrieden und vergnügt an der Seite seiner stets geliebten kleinen Frau. An einem trüben, naßkalten Novem bertage war eS, als ein elegant geklei deter Herr mit einer kleinen Umhänge tasche über daS holprige Straßenpflafter von Regensburg stolperte, seinem inner lichen Schimpfen durch einzelne Worte manchmal Luft machend. Kein Trottoir, schmutziges Neft, elende Beleuchtung!" Seine ganze Ver achtung gipfelte in dem einen Worte : Provinz!" Ter Schimpfer steuerte zweifellos auf den Bahnhof zu, mußte sich wohl auf der Durchreise befinden, war aber allem Anicheine nach nicht ganz sremd in dem Städtchen, denn als er in eine falsche Straße einbiegen wollte, wandte er fich mit der Bemerkung ad: Nun wäre ich fast noch fehl gegangen!" Er sah nach seiner Uhr und verdoppelte seine Schritte. Plötzlich wie festgebannt, blieb er vor einem Hause stehen. Was ar das? Da waren Töne an sein Oh, gedrun gen, die ihn völlig elttinnen. Er trat wieder zurück und versuchte durch .die lies liegenden Fenner des Erdgeschos, seS hindurch zu sehen und den Keller räum nach dem Sänger zu durchspähen. Vergeblich, die Scheiben waren ange laufen und nicht! zu sehen. Dir. holde Göttin, soll mein Lob ertönen!" erscholl eS au! der Tiefe in einem so gleichmäßigen Tempo, al! seien die Töne die Förderung einer fleißigen Arbeit. Mit vorgebeugtem Körper lauschte der Fremd dem unterirdischen Tann Häuser, und als der kunstgerechte Ge sang zu seinem Entzücken seinen rieh tigen Fortgang nahm, kam Leben in den starren Horcher. Er tastete fich die dunkeln Stufen nach unten, fingerte an der Thür nach dem Drücker und ver, suchte zu öffnen. O Königin, Göttin, laß mich ziel) n!" erklang eS. die Tbllr sprang auf, und statt der Leier sah der Fremde einen Klumpen Brodteig in den Händen des wängerS. Oline neb bekannt u machen, drang er in den Teiglneter. sich bet leinen vorzüglichen Stimmmitteln der Oper zu widmen. Der Bäcker lachte hell auf und schilt telte den Kopf. Sie besinnen sich?" antwortete ihm fein Gegenüber. Sie nehmen meinen Unterricht und in kurzer Frist Geben Sie sich keine Mühe, lieber Herr, das habe ich ja schon Alles hinter mir!" Wieso?" Kennst Du mich denn nicht, alter Freund? Hat mich mein großer Bart I unkenntlich gemacht ?" Tg leuchtete es in den Augen des fremden auf. Schloffer!" Faller!" erscholl eS von vier Lippen zugleich. Tannhäuser im Brodteig!" lacht der glückselige Kapellmeister. Na warte, ich will Dir sagen, wohin Du gehörst!" Zwei alte Bekannte und Freunde waren es, die fich wiederfanden. Ein Kapellmeister und ein seinem- Taktstock fahnenflüchtig gewordener Sänger, den nun ein glücklicher Zufall neu entdecken ließ. Mensch, Tu kommst mir gerade ge, legen, Tu mußt mit und zwar gleich, wir find in der größten Verlegenheit; Schnorr von Carolsfeld in München ist ge torben und man hat keinen Ersatz. Laß nun endlich die Dummheit, Dich in ein solches Nest zu vergraben; Deine Stimme ist köstlich wie einstmals, und schnell haft Du Dich wieder eingelebt. Ich lasse Dich nicht mehr loS, nachdem ich so glücklich war, Dich gefunden zu haben. Nur nicht so hitzig, sachte! sachte! unterbrach lachend Schloffer den Freund, da haben. Andere auch noch mit zu reden! Was meinst Tu, was meine Frau fagen.wird?" Die geht mit, die kriegen wir herum, da müßte ich die Weiber nicht kennen!" erklärte bestimmt der Kapellmeister, Führe mich zu ihr. Tu wirst sehen, wie Recht ich habe!" Und er hatte Recht. Die hübsche, niedliche Frau zeigte sich dem Plan nicht abgeneigt, glaubte es sogar ihrem Gat ten schuldig zu sein, einzuwilligen, da ihr Vater die Laufbahn des Sängers einst durchkreuzte, und er aus Liede zu ihr die? Opfer gebracht hatte. Der liebe Pater, der es ja gut gemeint, war lnzwi chen gestorben. Und die Mutter? Sie willigte ein, gelangten die Kinder doch zu Glanz und Ehren. Schloner sang als Antrittsrolle am Hoftheater zu München den Tannhäuser mit solchem Erfolg, daß die Intendanz, um den Sänger zu halten, einen lang jährigen Kontrakt, der später zu einem lebenslänglichen wurde, mit ihm ab schloß. Er wurde der Nachfolger Schnorr v. CarolSfeld's in der Partie des Tristan in Wagner'S Triftan und Isolde" und zählte noch lange Jahre zu den beliebtesten Mitgliedern der Mün chener Hofbühne. Die Lmpfangsrede. Humoreske von Robert Muller, Sie werden also wirklich bei der Ankunft deZ Fürsten am Bahnhof sprechen?" Gewiß! Gewiß!" Haben Sie sich Ihre Rede denn schon zurecht gelegt?" Vollkommen, sitzt schon ganz fest !" Bitte, lanen feie doch 'mal hören!' Wenn Sie erlauben, später! Ich möchte nicht gern, dag die Worte den Reiz der Neuheit verlieren!" Dieses Gespräch wickelte fich am Heim wege von der MagiftratSsitzung zwischen dem Kaufmann Adam Rieser und dem Tcigwaarenfabrikanten Georg Bolinger ad, welch Letzterer aus eigenen Wunsch, von einer kleinen Mehrheit unterstützt, heute im Collegium dazu auSersehen worden war, bei dem für die nächsten Tage in Aussicht stehenden Empfang des Landesherrn nach der Rede des Bürgernieifters auch Namens des Ge meindeausschuffes den Fürsten William men zu heißen. Sehr Viele, und darunter insbe sondere Rieser, sahen mit großem Neid auf Bolinger, weil man fich darüber einig war, daß derselbe als Redner jedenfalls einen Orden bekommen würde, was all' die anderen leeren Knopflöcher schon im Voraus gewaltig schmerzte. Aber wie das ändern? Am gleichen Nachmittage traten in verschiedenen Gasthäusern der Stadt mehrere kleine Eirkel von Stadtvätern zusammen, die geheime Dinge mit ein ander besprachen. Beim rothen Hahn" ar eS inSbe sondere Rieser, der das große Wort führte. Man hört da von ihm Aus drücke wie Unverschämtheit" nicht gefallen laffen" und endlich schüttelte man fich die Hand, ging mit trotzigen und revolutionären Mienen auseinan der und hatte einen Beschluß gesaßt, der leine schweren Folgen bald zeigen sollte. Rieser aber kam diese Nacht erst spät in'S Bett, arbeitete bei Licht in seinem Zimmer und murmelte noch im Traume mehrfach unverständliches Zeug, so daß seine Frau ernstlich besorgt wurde und am nächsten Tag den Dr. Schlanger consultirte, welcher aber mit einer sonst an ihm ungewohnten lakonischen Kürze auSries: Liebe Frau, daS macht nichts r ,,, irpi eine oemegie Jen man hat so seine versteckten Absichten und, wen die nickt durck,nKi ift ,nn k. geregt aber daS schadet nichts aber Sie entschuldigen ich habe zu thun " Und der gute Doktor, der gestern auch bei einer der kleinen Versammlungen das große Wort geführt hatte, lief in eine einsame Allee, sing dort mit den Händen zu fuchteln, tiefe Eomplimente zu machen, laut zu schreien an dann plötzlich wieder warf er fich in die Brust und schritt stolz erhobenen Hauptes mit ten über einen Kleeacker, so daß etliche vorüberlvandcrnde Landleute sich unver hohlen ihre Gedanken mittheilten, welche dahin gingen, der Herr Doktor sei vor lauter Gescheidtheit übergeschnappt. So kam der große Tag. Alles voller Aufregung. Fahnen. Tannengeruch, weißen Schulkindern, Fräcken, Blech musik. Endlich hatte sich der Trubel am Bahnhof etwas gelegt und man erwar tete die Einfahrt des Zuges, bei dessen Ankunft die Landeshymne gespielt und vom Veteranen Sängerbund vor Aufregung sehr falsch intonirt wurde. Dann trat der Bürgermeister vor und entwickelte in längerer Rede die heißen Gefühle, mit denen die Stadt den aller durchlauchtigsten Herrn empfange. Kaum, daß das Haupt der Bürger schaft geendet hatte, entstand unter den Vordersten ein lebhaftes Gedränge und Geschiebe. Man sah, wie sich Bolinger, der defignirte zweite Redner, dann aber auch Rieser und der kleine Dr. Schlan ger vordrängten und zu gleicher Zeit er scholl eS plötzlich von ihren Lippen: Allergnädigfter, allerdurchlauchtig ster Herr! Auch ich " Tann stockten alle Drei und blickten einander mit dem höchsten Erstaunen und tiefster Wuth an. Jeder machte einen Schritt nach vorne, ein erneutes tiefes Compliment und begann, so laut er brüllen konnte, um den Gegner niederzuschreien, aber mals: " . Allergnädigfter, allerdurchlauchtig ster Herr! Auch ich " Tas Antlitz des Fürsten hatte fich etwas tief geröthet und man sah, daß er mühsam mit einem Lachen kämpfte, welche? aber nicht mehr zurückzuhalten war, als die drei Concurrenzredner mit einem nochmaligen verzweifelten Ansatz, Einer den Anderen bei Seite drückend, auf den hohen Herrn losmarschirten und anhoben: Allergnädigfter, allerdurchlauchtig ster Herr! Auch ich " Weiter kamen sie nicht mehr. Denn der Fürst und sein Gesolge hatten sich weggewandt und folgten dem entsetzten Bürgermeister in den festlich geschmück ten Wariesaal, während nun die drei Rivalen wie losgelassene Kampshähne über einander herftürzten und fich so laut heruinzankten, daß eS faft den Ju bel des Volkes außen übertönte. . Ueber all' ihren Knopflöchern aber blieb Ruhe der fürstliche Ordenssegen ging spurlos daran vorüber. Richt der Erwartete. Im dunkeln Parlor saß trübe finnend schön Elfte. Ach, ihr Herzchen war centnerschmer. denn am Tage zuvor hatte fie ernstlichen Streit gehabt mit ihrem geliebten Harald und nun zitterte fie in der bangen Furcht, daß er an die sem Abend gar nicht kommen werde. Aber siehe, welch' ein Glück! Von der Vortreppe her näherten sich Schritte, eine feste Hand zog die Klingel, deren schriller, klagender Ton Elsie'S weiße Seele mit süßer Hoffnung füllte, ine Minute später klopfte eS an die Parlor thür. Herein, rief Elfte mit jubelndem Entzücken und warf sich der eintretenden Münnergcftalt, die im Dunkeln doppelt groß erschien, an den Hals, sanft wie linder Zephyr murmelnd: O du mein einziger Geliebter, wie heiß habe ich mich danach gesehnt, mein Schuld wie der gut machen zu können." Und mit tiefer Stimme sprach er, den ihre Arme umschlangen: Wie nett von Ihnen, mein Fräulein, e! ift aber hohe Zeit, daß Sie fich endlich daran erinnern." E! war der Gasbill Colleo t 0 r. Ten letzten Bulletins zufolge hat Elfie immer noch in trostlos tiefer Ohn macht gelegen. Zelten Schnupftabaksdose. Eine Sammlung von seltenen Schnupftabaksdosen wurde, wie die .Sammlerbörse" mittheilt, kürzlich durch Christie, Manson & Weods in London versteigert. Tie Schnupftabaks dose Ludwig XVI.. aus Gold mit Email erzielte 83 Pfund Sterling lBirch); eine andere mit apselgrüner Emaille und Miniatur einer Dame von Diamanten eingefaßt 180 Pf. Sterl. Lisle); eine Tose mit korallenfarbiger Emaille und einer Miniatur von drei Bauern auf dem Deckel wurde um 90 Pf. Sterl. losgeschlagen. Das höchste Angebot erreichte eine von Gold einge faßte Achatdoke, mit Rosadiamanten auf dem Teckel und an den Seiten, und zwar 2i0 Pf. Sterling 5304 Mark. So ift I Gast: .Aber. Emma, ich fitze hier be reit ein halbe Stunde und bin noch nicht bedient." Kellnerin: Ach, Herr Hubert. Sie als Stammgast müßten doch mehr Ruck ficht üben wegen der übrigen Gaste."