Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 25, 1897, Image 9

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    .Süiü IKIWÜv.WISJäSU.. vUUOlUl
Lii lai-izuyy ul
wo ist das Gliick?
(frint Erjählu,,g Qiiä dem Leben von C, v, S
Die folgende kleine Erzählung hat
im Juli vorigen JahreS in einem der
bekanntesten BadeOrte ihren Abschluß
gesunden. lörann W., geborene Priw
lesftn R., erzählte einem der dort
verkehrenden Kurgäste darüber Folgen
dei
Um mir eine gute Kammerjungfer
zu verschaffen, durchforschte ich vor e
nigen Jahren den Anzeigentheil einer
unlerer aroberen deutschen Leitungen,
Meine Aufmerksamkeit wurde durch
eine Anzeige in französischer Sprache
angezogen, in der sich eine Pariserin
zur Uebernahme einer Stellung im Aus
lande erbot.
Der Brief, der meiner Anfrage als
bald folgte, machte mich aus zwei
Gründen stutzig: erstens entpuppte sich
die Zofe als eine Wittwe mit einem
etwa achtjährigen Sohn, zweitens der
rieth die Form ihres Briefes einen un
gewöhnlichen Bildungsgrad. Zeugnisse
waren nicht vorhanden, aber Geschick
lichkeit und Eifer für alle in ihr Fach
schlagenden Beschäftigungen wurden zu
gesagt und die außerordentliche Beschei
denheit der Ansprüche rührte mich.
Kurz, wir kamen überein. daß Madame
probeweise bei mir eintreten und dem
sich dazu bereit erklärenden Ortspfarrer
einstweilen die Erziehung ihre? Sohnes
anvertrauen solle.
. Einige Wochen später trat die Ge
nannte ihren Dienst bei mir an, und
ich kann nur sagen, daß ich in all der
Zeit, in welcher sie bei mir weilte, nie
meine Wahl bereute. Sie war etwa
26 Jahre alt und von einer ruhigen,
würdevollen Haltung, welche unmill
kllrlich Jedem Achtung einflößte, der
in ihre Nähe kam. Sie hielt sich gern
allein, und da ich ihr wegen ihrer Un
kenntniß im Deutschen erlaubt hatte,
die Mahlzeiten aus ihrem Zimmer ein
zunehmen, so war der Verkehr mit den
Dienstboten ein sehr beschränkter. Ihre
dienstliche Stellung verkannte sie nie.
Sie leistete unaufgefordert mehr, als
ich je von irgend einer Kammerjungfer
verlangt hatte, beschämte jede? Haus
mädchen in der Gründlichkeit, mit der
sie sich an allen Hausarbeiten bethei
ligte, und vernachlässigte darüber keine
der Anforderungen ihre eigentlichen
Berufes. Nie waren meine Kleider
besser in Ordnung, meine Haare besser
frisirt, jeder meiner kleinen Wünsche
mit mehr Zuvorkommenheit errathen
und erfüllt worden, wie jetzt. Madame
Woran ersparte mir geradezu das
Denken in allem. waS Toilettefragen,
Gesundheitspflege und Bequemlichkeit
betraf. ,
Der angeborene gute Geschmack der
Kramösin kam dabei nach allen Stick),
tungen zu Tage, und ich wunderte mich
oft übn ihr feines Verständniß für alle
Anforderungen des vorneqmen evens,
Kreilick, war ibr Bildungsgrad über,
Haupt ein höherer, als man eS bei ihren
StandeSgenosfinnen zu finden gewohnt
ist. und daS Wenige, was ich über ihre
Vergangenheit erfuhr, ließ mich darauf
schließen, daß sie vielleicht bessere Zeiten
gekannt hatte.
WaS war natürlicher, al! daß ich
mich mit Mme. Woran, wenn die Ge,
legenheit sich bot, gern unterhielt und
auch ihr VorleseTalent in Anspruch
nahm, wenn längere Leidenszeiten die
Saonuna meiner Augen vertangnn k
Mit der Zeit war mir die Gewandt
heit, Aufmerksamkeit und beständige
Fürsorge meiner französischen Zofe
unentbehrlich geworden, und ich er,
klärte, mich nie wieder an eine andere
persönliche Bedienung gewöhnen zu
können.
Aber die Vorsehung hat eS anders
bestimmt.
Vor etwa zwei Monaten reifte ich zu
meinem Bruder, dem Fürsten R. Als
ich eine Tages zufällig in sein ArbeitS
mmer trat, sand ich ihn in Unter
Handlung mit einem französisch sprechen
den Herrn. Ich vermuthete einen Wein
reisenden, war aber nicht wenig der
wundert, als mein Bruder mir den
selben al einen französischen Polizei
Commiffar vorstellte, welcher beauftragt
sei, in seiner Familie nach einer ge
wissen Baronin Francoise de R. Um
schau zu halten, welche angeblich dort
als Gesellschafterin angestellt sei.
.Ich glaube bestimmt versichern zu
können, daß keine der Damen unseres
Hauses eine französische Gesellschafterin
sich hält bemerkte mein Bruder, in
dem n mich, wie um Bestätigung an
gehend, ansah.
, .Ich bin keine Prinzessin R. mehr.'
sagte ich, .und ich halte mir auch keine
Gtfellschafterin, aber eine französische
Zofe mit dem Vornamen Francoise
steht bei mir in Diensten.' Ich mußte
selber lachen, wenn ich an meine einfache
bescheidene Mme. Woran dachte.
Dn Kommissar wurde aufmerksam.
.Dürfte ich die Frau Gräfin vielleicht
bitten, die Kammerfrau einmal kommen
zulassen?"
.Mit Vergnügen,' sagte ,ch und
drückte auf die Klingel.
Wenige Minuten später trat Iran
coise in ihrem einsachen schwarze
Aleide, die weiße Schürz vorgebunden,
in da Zimmer. D Commiffar de
trachtete sie einige Augenblicke, wie um
fit mit der mitgebrachten Personal
befchreidung ii vergleichen, dann sagte
n langsam und mit Betonung: .Ich
hab den Auftrag, unter den Unterge
denen dn fürstlichen Familie hier ein.
Dame aufzusuchen, der am idr selbst
unbekannte Weise ein große Vermögen
Der
Jahrgang 17.
zugefallen ist. Habe ich die Ehre, die
Baronin St. vor mir zn seitens"
Em leichte? Zittern durchlief ihre
Gestalt, aber ohne zu zögern entgegnete
sie ruhig und bestimmt: Ich bin im
Dienste der Grünn W. und heiße Fron,
coise Woran."
Der Comimssar, dem die vornehme
Haltung der Sprecherin auffallen
mochte, blickte einen Augenblick vor sich
hin, dann begann er von neuem: Die
Baronin R. hat einen Sohn, kenntlich
an einem schwarzen Fleck am Fuße.
Dieses Abzeichen muß, falls der Knabe
noch lebt, früher oder später jedenfalls
zur Entdeckung der Verschollenen suh
ren."
Ich sah, wie sie an der Lehne des vor
ihr stehenden Sessels Halt suchte. Sie
mit einem Arm stützend, rief ich
Francoise, Sie haben mir selbst von
dem Male an dem Fuße ihre? Sohnes
erzählt. Waruin wollen Sie leugnen,
wo das Glück sich vor Ihnen aufthut?"
Ach, kein Glück, kein Glück!" am
melte sie. Dann sank sie ohnmächtig
zurück.
Unsere Muthmaßungen begannen
immer festeren Halt zu gewinnen. DaS
Abzeichen am Fuße des Knaben war
gerichtlich untersucht worden und hatte
ebenso den eingebrachten Notizen ent
sprachen, wie alle Personalien der Ma
dame Morau selbst. Francoise Morau,
h. Baronin St., war, wie mir der
Gerichtsbeamte mittheilte, durch die Be
theiligung ihre? verstorbenen Gatten an
einem amerikanischen Actien-Unterneh
men in den unerwarteten Besitz mehrerer
Millionen Dollars gelangt.
Aber warum vermochte sie nicht des
Besitzes sich zu erfreuen, der ihr selbst
und dem Sohne, an dem fte zärtlich
hing, so glänzende Aussichten eröffnete?
Das blieb mir ein Räthsel, bis sie mir
ihre französischen Papiere und ihren
Erbschaftsschein unterbreitete und damit
ihre Identität offen zugab. Ich lud sie
ein, in me-.nem Zimmer Platz zu neh
men und mir etwas über ihren eigen
thümlichen Lebensweg mitzutheilen.
Sie blieb eine Weile sinnend und
schweigend fitzen. ES wurde ihr offen
dar schwer, den Schleier einer Bergan
genheit zu lüften, mit der sie für immer
abgeschloffen zu haben glaubte. Dann
erzählte sie mir wie folgt.
Ich war daS einzige Kind meiner
Eltern. Nach ihrem früh erfolgten
Tode übernahm eine ältere Schwester
meiner Mutter meine Erziehung. Sie
war nicht reich, doch von eben so vor,
nehmer Fainilie wie ich selbst, und da
ich auch kein großes Vermögen besaß, so
richtete sie ihr Hauptaugenmerk daraus,
mir neben meiner aufrichtigen Fröm
migkeit auch den Sinn für ernste und
nützliche Beschäftigung einzuprägen. So
kam es, daß ich mit siebzehn Jahren
in Handarbeiten und manchen anderen
häuslichen Dingen erfahrener war, als
man eS sonst bei jungen Damen meines
Stande! zu finden gewohnt war. Ein
Theil unserer Bekannten spottete über
die unftandeSgemäßen Anforderungen,
welche an mich gemacht wurden: die
Vernünftigen meinten, man habe eS
zur Zeit der Revolution erfahren, daß
jede Gefchicklichkeit dem Menschen ein
Mal zum Nutzen gereichen könne.
.Gleich bei meinem ersten Auftreten
in der Pariser Welt lernte ich Baron St.
kennen, der für eine der besten Par
tieen" der Saison galt. Sein Reich
thum war trügerisch, wie sich später
herausstellte; aber was mich mehr an
zog, war sein goldenes Herz, und diese!
ist mir bis zu unserer letzten Trennung
treu geblieben.
Kurz ehe ich mein achtzehntes Jahr
erreichte, führte er mich als feine Frau
heim. Da! Leben, welches ich nun zu
führen begann, war von der vornehmen
Einfachheit, in der ich groß geworden
war, sehr verschieden. Mein Mann
verlangte von mir, daß ich den alten
Glanz seine Hauses würdig vertreten
solle, und wer je in Paris gelebt hat,
weiß, wie viel dazu gehört, um eine
olle in den ersten Kreisen der Gesell
schuft zu spielen. Wir bewohnten ein
PalaiS in den Champ ElojeeS, daS
ganz auf dem Fuße gehalten war, den
mir unserer Stellung in der Welt schul
dig zu sein glaubten. Die Pferde
meines Manne wurden auf allen
Rennplätzen genannt, unsere Equipagen
gehörten stets zu den elegantesten, welche
sich Nachmittag durch da? BoiZ beweg j
ten; unsere Bälle, unsere Diner? nrnr
den unter den glänzendsten in den Zeii
tungen erwähnt, und e machte mir
Vergnügen, mich wegen der Eleganz
meiner Toiletten, bewundern, vielleicht ,
ioaar beneiden zu lassen.
.Ich war eben sehr jung, sehr uner
fahren. Die Atmosphäre heiterer Sorg
lofigkeit, welche mich umgab, war auch
wenig dazu angethan, meinen Sinn
dem Ernst de Lebens zuzuwenden. Wie
die meisten Mädchen, welche aus einem
Ännlagsaast.
Beilage zum Nebraöka Ttaats-Anzeiger.
einfachen Leben plötzlich in glänzende
Verhältnisse versetzt werden, war ich ge
vienvek von urus unv unsüyig, mir
Rechenschaft über Geld Fragen zu
geben. Mein Mann befürwortete m
seren Aufwand auf alle Weife, was ich
al ein besonderes Zeichen seiner Liebe
für mich hinnahm.
Ich wußte, daß er an der Börse
spielte; aber unbewandert, wie ich in
Ge chä ts achen war, hatte ich nie Be,
denken über die Schwankungen, denen
unser Vermögen dadurch ausgesetzt
war. Viele !v!itglieder unseres aristo,
irakischen Bekanntenkreises, deren Wer,
mögen eben so gesichert schien, als das
unserige, spielten an der Börse, . . und
konnte ich nicht mit den bisherigen Er
folgen meines Gatten zufrieden fein?
Meine Tante warnte zwar wiederholt
vor der Speculationswuth, die schon so
viel Unsegen über die Familien gebracht
habe; doch wie selten zieht die Jugend je
aus den Ersahrungen des Alters Nutzen!"
Die Erzählerin schwieg einige Augen
blicke ; dann fuhr sie, die schönen Augen
sinnend zu Boden geheftet, fort : Sie
den Jahre vergingen so im Strudel des
Weltlebens ; sieben Jahre, in denen ich
allen Glanz und alle Genüffe des
Lebens kennen gelernt, aber auch erfah
ren hatte, daß der Reichthum oft nur
der goldene Mantel ist, unter dem das
Elend der Menschheit sich verbirgt. Es
nahten Zeiten, wo die gefurchte Stirne
und die wechselnden Stimmungen mei
nes Gatten mir ernstliche Sorgen zu
machen begannen, wo ich mich bemühte,
ihn durch unseres kleinen Emile und mei
nen eigenen Frohsinn in eine heitere
Stimmung zu der etzen. Der Gedanke.
daß uch nicht mehr die Zauberkraft be
saß, die sonst jede Wolke von seiner
Stirne verscheuchte, machte mich betrübt
und mißmuthig.
Die Erklärung blieb nicht lange
aus. Mein armer Mann war gezwun
gen, mir dieselbe früher zu geben, als
er selon erwartet hatte und wie
schwer ist sie ihm geworden, ihm, der
mir immer nur die Lichtseite des Lebens
zu zeigen bemüht war !
Eines !viitlagz kehrte er als ein ge
brochener Mann von der Börse zurück.
Ich sehe ihn noch", fuhr Baronin R,
bewegt fort, wie er seinen Wagen er
ließ und die Treppe herauf gewankt
kam, aus der ich, ihn erwartend, stand.
Er starrte mich einen Augenblick wie
geistesabwesend an, dann sagte er mit
tonloser stimme : Komm I"
Ich folgte ihm in sein Arbeitszim,
mer. Er ließ sich in den nächststehenden
Seffel fallen, lehnte den Kopf zurück, so
daß ich in sein aschfahles Gesicht sehen
konnte, rang nach Athem und ließ mich
dann das vernichtende Wort vernehmen :
Ich habe alles verloren !"
.Was dieses Geftändniß In sich
schlotz, war ihm klar, mir nicht. Ich
verstand, daß die Papiere, in denen
mein Mann sein Vermögen angelegt
hatte, werthloS geworden seien, daß es
vorbei sei mit dem Glänze und Reich
thum unseres HauseS, daß wir vielleicht
allein auf mein eigenes kleines Vermö
gen angewiesen sein würden : aber von
all' dem Jammer und Elend, daS ein
solcher Sturz aus der Höhe nach sich
zieht, ahnte ich nichts. Ich dachte nicht
an die Einmischung der Gerichte, an
den Verkauf deS HauseS. an die Trm
nung von allen Gegenständen, die uns
lieb und theuer geworden waren. Ich
wußte nicht, wie schwer eS ist. alle zum
Bedürfniß gewordenen Annehmlichkeiten
de Lebens aufgeben zu müssen, auf die
Stellung zu verzichten, die wir in der
Gesellschaft eingenommen haben. Vor
allem dachte ich nicht daran, wie der
Kummer die Lebenskräfte meines Gat
ten erschüttern und ihn in langsamem
Siechthum dem Grabe zuführen würde."
Die Baronin mußte einen Augen
blick innehalten, um ihrer Bewegung
Herr zu werden. Auch ich schwieg, tief
ergriffen von ihren Mittheilungen.
Nach einer Weile hob sie von neuem an.
Von dem Jahre, welches dem Zu
sammendruche unseres irdischen Glückes
folgte, will ich nicht rechten. ES giebt
Zeiten, in denen Süßere Prüfungen
und innere Kämpfe unsere Ledensgesfter
so aufzehren, daß das Andenken daran
nur in dem dumpfen Gefühle fortlebt.
Schreckliches ersahren zu haben.
.AlS daS Jahr herum war. stand ich
mit meinem sechsiährigen Knaben allein :
in der Welt. Mein Gatte war todt. I
und auch meine Tante, die treue Pfte I
gerin meiner Jugend, war mir durch j
den Tod entrinnt worden. Da ich
mein eigenes kleine Vermögen mit in
die Masse gegeben hatte, um allen 1
unsern Verpflichtungen nach Möglich ,
keit nachzukommen, so blieb mir nicht ,
als die geringe Baarfchaft, welche mir.
meine Tante hinterlassen hatte. Sie ,
schien mir gerade genügend, um mei i
nem Sohne eine anständige Erziehung j
und die Mittel zur Gründung einer
Exiftenz zu geben. j
.Wie aber mich seldft mit dem Leben j
unter ganz neuen und mir fremden Be
dingungen abfinden? Die veränderten
Verhältnisse hatten mich selbftoerständ
lich meinem frühern Bekanntenkreise
entfremdet. Und war es Stolz,
war es die einfache Erkenntniß, daß
unser Leben keine gemeinsamen Ziele
mehr erfolge ich war froh über die
Einsamkeit, der man mich überließ.
Es ist Einigen schwer geworden, mich
zu missen. Die Meisten gingen gern
der Warnung aus dem Wege, die ihnen
mein Schicksal predigte.
Einige fernstehende Verwandte bo
ten mir ihre Hülfe an. Ich schlug sie
aus. Mein einziges Streben war dar
auf gerichtet, die Spuren meines für
die Familie demüthigenden Daseins zu
verwischen und in einer neuen Thätig
keit Gesundung für das Weh des ver
gangenen zu suchen.
Man wird mich fragen, warum ich
nicht eine Stellung auszufüllen getrach
tet habe, die mehr meiner Erzie
hung und meinen seitherigen Lebens
gewohnheiten entsprach. Es ist leichter,
in einem ganz fremden Lebenskreise,
bei anstrengender, körperlicher Arbeit
die Enttäuschungen zu vergessen, die
uns daS Leben gebracht, als in dem
Rahmen derselben Ezistenz, die früher
die unsrige war, eine Stellung einzu
nehmen, die fortwährend Gelegenheit
bietet, uns der Vergangenheit zu ernt,
nern und Vergleiche zu ziehen. Außer,
dem, Frau Gräfin," fügte die Baronin
mit einem schwachen Lachein hinzu,
das Blut der An tokratin regte n.
trotz allen Schickfalsfchlügen, doch noch
in mir, und wenn die gröbste Arbeit
micht nicht zu demüthigen vermochte, so
hätte eS der geringschätzige Blick einer
Standesgenossin im täglichen Verkehr
gethan.
Ich drückte ihr freundschaftlich die
schmale, oft von mir bewunderte Hand.
Aber wie war es möglich, daß Sie sich
so schnell und mit solcher Gefchicklichkeit
in die An prllche Ihres erwählten Be,
rufeS hineinfanden?" fragte ich theil,
nehmend.
Wie gesagt, hatte meine Tante
meinem Talent für weibliche Hand
arbeiten stets ihre besondere Aufmerk
samkeit zugewandt," erklärte die Ba
ronin. DaS Fehlende konnte ich in
Paris leicht nachholen, und ich benutzte
deshalb insgeheim die letzten Monate
meines dortigen Aufenthalts, um mich
im Schneidern und Frisiren unterrichten
zu la en. Die Handreichungen einer
guten Kammerjungfer hatte ich lange
genug Gelegenheit gehabt, der meinigen
abzusehen. Mit gutem Willen läßt sich
außerdem Vieles erreichen, und ich
meine, wahre Bildung müsse' uns be
fähigen, auch die geringste Arbeit mit
Verständniß auszuführen.''
Das haben Sie jedenfalls bewie
sen," sagte ich, fast beschämt all' der
Arbeiten gedenkend, deren die gute
Seele sich unterzogen hatte.
Und Sie find mir immer eine
gütige, nachsichtige Herrin gewesen,"
erwiderte sie mit einem Versuch, meine
Hand zu küssen. Sie haben mich un
getrübt den ganzen Segen empfinden
lassen, den Gott auf die Arbeit gelegt,
und er hat mir die Gnade geschenkt,
meinen bescheidenen Beruf lieb zu ge
Minnen. Ich habe erkannt, daß es für
die Armen nicht nur leichter ist, in das
Himmelreich einzugehen, sondern auch
in vielen Beziehungen leichter, auf
Erden glücklich zu werden. Glücklich.'
fuhr sie lebhafter fort, weil anstren
gende Thätigkeit von dem Grübeln über
unser Schicksal abhält, tausend Per
suchungen verscheucht und die innere
Befriedigung gewährt, die kein Reich
thum zu verschaffen vermag.
Mein Mann machte mir vor seinem
Ende Andeutungen über die Möglich
keit, unser Vermögen wieder herzu
stellen. Wo diese Möglichkeit lag. ver
rieth er nicht vielleicht, um mir
eine Enttäuschung zu ersparen. Ich
habe nie an diesen Hoffnungen feftge
halten möchte ihre Erfüllung mei
nem Kinde zum Segen gereichen! Ver
stehen Sie jetzt, Frau Gräfin, warum
es mir schwer wurde, den Traum des
bescheidenen, der Welt fremden Glücke
aufzugeben?"
Ich hatte sie verstanden.
Baronin R. wollte, ihren Pflichten
bis zum Ende getreu, meinen Dienst
nicht verlassen, ehe ich
treterin für sie gefunden,
eine Stellver
So kam eS,
daß sie mich noch hierher begleitete. Da
peinliche Gesuhl, da ich bei ihren i
Dienstleistungen empfand, wurde auf
gewogen durch die Annehmlichkeit und :
Freude, welche mir die Zeit freund
schastlichen Umgänge mit dieser im :
Unglück erstarkten Seele bereitete.
Vor drei Wochen reifte sie mit ihrem
Sohne nach Amerika, um dort ihr glan j
zende Erde in Empfang zu nehmen.
Mochte der Reichlhum. welcher ibr zu
gefallen ift. sie nie den Talisman ver
gesien lassen, den sie in der Arbeit ge
funden.
9t, 4.
Eine Rettung.
k,;ze aS dem Tiroler Baucriilcben,
Vor dreihundert Jahren war'S, als
der Marr Sittich Freiherr v. Wolken,
stein auf dem stolzen Schloß Rafenstein
faß, wo er feine drei Bände tirolischer
Chronik schrieb. Ihm gehörte außer
diesem Bergschlosse, dessen mächtige
Ruinen noch heute drohend auf Bozen
hinabschauen, noch eine ganze Menge
anoerer sester Sitze und Gehöste. Dar,
unter auch das dem Rafenstcin gegen,
überliegende Schloß Wangen, sammt
den im Burgfrieden befindlichen Gütern
und Bauernhäusern.
Damals nun kaufte ein wackeres
Bäuerlein von dem gestrengen Frei,
Herrn in der Nähe dieses Schlosse? ein
wwn, worüber ihm aus einem mächti
gen Pergament mit großem Sigul der
Beriaussvries ausgestellt wurde. Dr,
hundert Jahre sind darüber Hingegan,
gen, die Nachkommen jenes Käufers
Haben schlecht und recht da oben auf dem
Berge gehaust und wa da draußen in
der Welt vorging, das mag d,e Berg,
bäuerlein da oben in ihrer Einsamkeit
früher wohl eben so wenig gekümmert
haben, wie heute den letzten Nachkom
men, den Hänsele", den im Sarnthal
wohl Jeder kennt.
Der Hänsele ist ein kleine Männlein
mit einer scharf gebogenen, echt tirol,,
schen Hakennase. Im Munde da
kleine Pfeifel wie feftgewachsen und das
freundlich schmunzelnde Geficht mit den
vielen Runzeln von spärlichem langen
Weiszhaar eingerahmt. Er lacht mit,
unter so pfiffig aber Du mein Gott.
es hilft halt alle Pfiffigkeit nichts, wenn
unser Herrgott da oben auf dem Berg
nicht regnen läßt! Es war trocken und
trocken und weun der Hänsele in
seine Bergeln" gegangen ist, nach den
Trauben zu schauen, da ist ihm wohl
das Schmunzeln vergangen.
So ist's aber nicht ein oder zwei
Jahre, o l t S mehrere Jahre gegangen.
Und wenn draußen schon gar kein
Segen auf dem Felde war, desto mehr
drinnen im Bauernhaus I Da krabbel
ten und liefen schon acht Kinder herum
und 'als der Hänsele einmal wieder
heimkam, da hatte ihm der Himmel
Zwillinge bescheert und nun gab'S zehn
hungrige kleine Mäulerl
Mit so kleinen Dingem kann man
aber keine Hhpothekzinsen zahlen und
auch im Steueramt wollen sie davon
als Zahlung nichts wissen, so konnte
denn der Hänsele nichts thun, als
schuldig bleiben! Da hatte nun die
leibhafte Schwester von de Hansele'S
drau eine Hypothek aus dem kleinen
Gütel stehen.
Diese Schwester, welche unverhei,
rathet geblieben war und sich in guter
Stellung desand, thut völl, herrisch
so glaubt denn der Hänsele, daß sie ihm
wohl nicht den Kragen brechen wird.
aber aber! Niemand sonst drängt
so stark als gerade fte, und als der Han
feie nicht zahlen kann,, da kommt die
dvokatenpoft. Kurz und gut, ms
TageS wird dem Hänsele ein Bogen zu,
gestellt auch schön geschrieben und
mit einem großen Sigul aber eS
stand etwas ganz andere drinnen, als
was vor dreihundert Jahren der Wol,
kenfteiner dem Hänsele seinem Urahn
verschrieben hat.
Die zitternden Hände entsernen HaS
Tuck, sie findet den Wuth, da Kinder
köpfchen ein wenig empor zu heben
Martha brennender Blick ruht auf den
fichtbaren Zeichen, welche den Rücken de
indes bedecken, diese flammenden Zn
chen, die ihre Hand geschlagen.
Da war zu viel für da aeauälte
Mutterherz. Ein markerschütternder
Schrei entringt sich den Lippen dn jun
gen Frau, dann taumelt sie zurück auf
das Ruhebett.
Mamachen, ich hab' Dir 'n Frosch
gefangen." sagt da plötzlich eine frische
herzige Stimme neben ihr, die in Mar
tha'S Ohr klingt, wie die Posaune des
jüngsten Gerichts.
Sie schnellt empor, sie wagt ihre
Augen nicht zu trauen, und doch steht
Märchen neben ihr, stämmig und ge
fund und nur in den großen, kindlichen
Augen hastet ein unkindlicher Ausdruck,
eine bange Scheu vor den zornigen Aus
brächen der lieben, lieben' Mama.
War das alle wirklich nur ein
Traum, oder ist diese hier Tüu
schuna?
O. mein Gott, strafe mich nicht so
unerbittlich!
Sie reißt den Knaben an sich, sie
sublt das ledenswarme örperchen in
ihrem Arm und ei befreiende herz
erschütterndes Aufschluchzen entringt sich
ihrer Brust.
Sie faltet vor tiefer Inbrunst die
Hände und senkt den schönen Kops leise
auf ibre KindeZ Schulter.
.EZ wer ein Traum. Gott, wie
dank: ich Dir! Und nicht umsonst sonst
Du mich gemahnt habenl Die sei da
letzte Mal, daß mein Kind mich leiden
schaftlich erregt sieht! Ich werde weise
Maß zu halten wissen, im Zorn wie in
der Freude!"
Martha kennt sich zur Genüge sie
wird die Kraft besitzen, begangene Un
recht zu sühnen.
Und als nun Miixchen, dessen Händen
der kleine Grünrock entschlttpst ist. anak
voll zitternd in seiner Furcht vor Strafe
aus die gestrenge" Mama schaut, diese
aber liebevoll, durch Thränen lächelnd
sagt:
Wir werden das Fröschlein in ein
Glas fetzen, Mama thut Steine und
Wasser hinein und Papa wird eine
kleine Leiter bauen, dann soll Dein
Schützling uuS viel gute Wetter pro
phezeien" wie jubelt da der Knabe
hell auf vor Lust, da Antlitz der jun
gen Mutter aber erstrahlet in sonniger
Verklärung.
Die Geschichte tintSonenschtr
In seiner Geschichte der Schirme er
zählt Öctave Uzanne auch die eine schö
nen grllnseidenen Sonnenschirme au
der Zeit der französischen Restauration.
Eines Sommeradends vor mehr al
siebzig Jahren saß ein elegante Paar
aus Miethstühlen in den Champ Ely
see, beobachtete die Vorübergehenden
und erquickte sich an dem schönen
Tage. Der Herr hatte daS Aussehen
eines reichen Kaufmanns, die junge
Dame trug kostbare Kleidung und hatte
ein sehr anziehendes Aeußere. Al sie
aufstanden, um weiter zu gehen, be
merkte der Herr, daß er kein Geld bei
sich hatte. Die Vermietherin der Stühle
machte einen Heidenlärm und brand
markte die beiden als Schwindler, bis
der Herr, um sie zu beruhigen, den
prächtigen grllnseidenen und mit Spitzen
besetzten Sonnenschirm der Dame nahm
und ihn ihr übergab. Er überlieferte
der Frau auch einen der gelben Hand
schuhe seiner Begleiterin mit den War
ten: Behalten Sie diesen Schirm al
Pfand für Ihre Forderung, liefern Sie
ihn aber unbedingt an Niemand aus,
wenn Ihnen dabei nicht der zu diesem
Handschuh gehörige andere vorgezeigt
wird." Darauf ging er mit der Dame
über den Revolutionsplatz und den
Boulevard de la Madeleine. Plötzlich
begann es zu regnen. Ein freier Wa
gen kam nicht vorüber. DaS Paar
flüchtete unter einen Thorweg. Sofort
kam der Concierge (etwa Portier) de
Hause heraus und lud sie in sein Zim
mer ein. Er brachte Stühle herbei und
bot ihnen auch, wenn sie den Regen hier
nicht abwarten wollten, seinen guten
grünen Serge-Regenschirm an. Der
Herr nahm dieses Anerbieten dankend
an und setzte mit der Dame seinen Weg
unter dem geliehenen Schirme fort.
Eine Stunde später brachte ein Livree
dienn dem zuvorkommenden Concierge
seinen Schirm nebst einem Geschenk von
einer Anzahl Banknoten und einer Em
psehlung vom Herzog von Berry. dem
Neffen des Königs zurück. Dann suchte
sich der Diener auf den ChampS Elhfee
die unhöfliche Stuhlvermietherin und
sagte, indem er einen gelben Handschuh
vorwies: Sie erkennen doch dieke
Handschuh. Madame? Hier sind
acht Sous, die sendet Ihnen der Herzog
von Berry, um den Sonnenschirm der
Prinzessin Caroline auszulösen!"
Der Ringfinger.
Warum tragen wir den Eberina auf
dem vierten Finger der rechten Hand?
in Gelenkter gav einst folgende Er
klärung: Anfanas trua männialick,
auf beiden Händen Ringe, ohne sonder
liche Wahl. Als aber der Lurus auf
kam, den Ring mit Edelsteinen und
reichen geschnitzten Kameen zu schmücken,
uu man iqn nur noq aus ver echten.
Und zum Zwecke der Sckonuna war tt.
daß man gerade den vierten Fingn
wählte. Denn der Daumen ist ,u
fleißig und wird zu viel gebraucht. Der
Zeigesinger ift zu nackt, um al Hort
der Kostbarkeiten ,u dienen, und aeniekt
den Schutz de Daumen nur bis zum
zweiten Glied. Den Mittelfinger und
den kleinen wies man al Extreme zu
rück, da sie zu groß oder zu klein find.
Von allen wählte man al besten den
vierten Finger, der nicht nur auf beiden
Seiten geschützt ift. sondern auch nie de,
Schutzes entbehrt, da n ficb nur mit
im schützenden Fingern zusammen be
wegen kann.
ostbr 2ti.
Vielleicht der kostbarste Säbel. dn t
überhaupt giebt, ift der de Gaekwar
von Baroda. Griff und Gehenk Kessel
ben find mit Rubinen. Diamanten und
Smaragden verziert und die Wo, toi,
auf den Kaufwerth von über vier Mil
lionen Mark geschützt. Der Schah von
Perfien besitzt einen Säbel im Werthe
von 200,000 Mark. Sein Vater trua
ihn bei seinem ersten Besuche in
In Indien giebt e noch mehrere sehr
theure Säbel im Besitze von einheimi
schen Fürsten und auch dn Zar und dn
türkische Sultan find Eigenthümn solch'
kostbar, mit Edelsteinen reich schmück,
ten Waffen.
Diplomatisch.
Ich glaube gar. Tu weinst!'
Sie: Ja. weil Tu Tick, ans
dn
übt meiner lazamil.
.Jchk Nanu!"
ie: Ja. Tu mußt Tick, ia lii.
men, auf der Strafie mit einn grau zu
gehen, die einen so unmodernen Hut
MzV.'