Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 18, 1897, Image 5

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    NRBRASKA STAATS - ANZEIGER. Lincoln. ff.
in Drama im Sdjncc.
Novelle, ooii h a r I e Xifluei.
An einem Winterabend saßen wir,
die Familie B., ein Freund und ia),
aus dem Lande, an einem alten Kamin,
wie man ihn nur noch in den alten not
männischen Hausern findet. Auf der
rechten Seite in einem großen Fauteuil
au! der Zeit Ludwig XIV., saß ein
junges, auffallendes dlaffeS Mädchen,
mit blauen Augen und Üppigem schwär
zem Haar, das ihren Schwanenhals zu
ermüden schien ; neben ihr saß ihr Va
ter, ein noch stattlicher Mann von un
gesähr 50 Jahren. Auf der anderen
Seite des Kamins befand sich ihre Mut
ter, die ihre arme Louise nicht mit den
Augen verließ. Mein Freund und ich,
wir vervollständigten den Halbkreis.
Man liindigte an, daß das Souper
servirt wäre, und ich bot dem jungen
Mädchen meinen Arm. Als wir an
den Fenstern vorübergingen, warfen
wir einen Blick auf die Landschaft.
Seit den drei Stunden, da wir zurück
gekehrt waren, hatte sich dieselbe voll
ständig verändert und war wie mit
einen ungeheueren Leichentuch bedeckt.
Der Schnee fiel schnell und dicht, und
die Bäume beugten sich unter der
Wucht. Meine Gefährtin begann zu
zittern und rief plötzliche O, mein
Gott !" '
Ich glaubte an ein augenblickliches
Unwohlsein, man bemühte sich um das
junge Mädchen, über deren abgemagerte
Wangen Thränen herabfloffen.
. Louise l" sagte die Mutter, sie um
armend. Als ihr Kind sich ein wenig
erholt hatte, zog unS der Vater in eine
Fensternische, deutete auf den Schnee,
den wir wie glückliche Kinder bewunder
' ten und seufzte : ' ,
Das wird sie noch todten."
Wir wagten nicht, den Vater weiter
zu frage, und man setzte sich zu Tisch.
Louise zitterte unaufhörlich und richtete
die Augen auf die Fensterscheiben, an
denen die Schneeflocken auf einen Augen
blick kleben blieben. Das Souper war
recht traurig, wie man sich wohl denken
kann, und als eS zu Ende war, sagte
der Vater : Umarme mich, Louise und
ruhe Dich ein wenig."
Sie zog sich zurück und ich sah ihr
ties bewegt nach. Augenscheinlich lastete
ein düsteres Geheimniß auf dem Schick
sal dieses schönen 19jährigen Mädchens.
Ich hatte sie zu sechszehn Jahren ge
kannt, damals war sie fröhlich und hei
ter gewesen, und jetzt war sie düster und
verschlossen. Wir hatten unS von
Neuem an den großen Kamin gesetzt,
der Vater stocherte gedankenvoll in den
Kohlen und rief plötzlich :
Meine arme Louise. Jetzt wird eS
bald ein Jahr, wer wird mir mein
Kind wiedergeben? Hören Sie diese
düstere Geschichte an", seuszte der Vater
nach einer Pause und begann dann,
nachdem wir näher an das Feuer heran
gerückt waren :
Ich habe eS eben gesagt, e! ist jetzt
beinahe ein Jahr her. Einer meiner
Freunde hatte mir seinen Sohn her
. geschickt, um ein paar Tage bei uns
zuzubringen. Louise und Georges hat
ten beinahe ihre ganze Kindheit zusam
men verlebt, sie liebten sich und mein
theures Kind machte daraus kein Ge
heimniß. ES war also eine große
Freude für unS Alle, als sie erzählte,
Georges würde hierherkommen, um ein
paar Tage mit unS zu jagen. Seit
einiger Zeit hatte meine Tochter, die die
Leidenschaft des jungen Mannes für
die Jagd kannte, den seltsamen Wunsch,
ihn zu begleiten. Als ich sie daher von
der Ankunft Georges benachrichtigt hatte,
suchte sie mich in meinem Zimmer auf
und sagte :
Papa, willst Du mir einin Gefallen
thun?"
Gewiß, mein Kind."
Georges kommt in vierzehn Tagen."
Ja, und ich glaube, daß Du ganz
besonders erfreut darüber fein wirft."
Ja, Vater, ich bin darüber sehr
glücklich, und damit meine Freude voll
ständig wäre, wollte ich Dich bitten,
mir ein Gewehr und ein Jagdiostüm zu
kaufen. Ich liebe die Jagd und eS
wird mir Freude machen, wie ein richt!
ger Fra Diavalo über Berge und Thä
ler zu steigen."
Und wohl auch gar in die Sümpfe?"
fragte ich weiter.
Georges liebt diese Jagd ganz be
sonders, und da wir Zwei find, wird es
unS nur noch mehr Spaß machen.. Also
nicht wahr, es ist abgemacht?"
Ich hatte nicht den Muth, ihr ihren
Wunsch abzuschlagen. Ich kannte
Georges und hielt ihn mit Recht für
einen verständigen jungen Mann. Die
Verbindung meiner Tochter mit dem
Sohne meines Freundes war beschloß
sene Sache, und ich hatte als nichts
dagegen, daß sie mit ihm auf die Jagd
ging.
Acht Tage später hatte sie ihr Kostüm.
Es stand ihr zum Entzücken, und in
den Tagen vor der Ankunft ihres
Bräutigam! ging sie auf'S Feld hinaus,
um sich zu üben. Trotzdem traten ihr
immer die Thränen in die Augen,
wenn sie einen Hasen aufhob.
Georges kam, und Sie können sich
die Freude denken, die aber bei ihrem
Bräutigam den Gipfelpunkt erreichte,
als sie ihm erzählte, sie würde mit ihm
auf die Jagd gehen.
Eine Morgens, als wir erwachte,
war Alles so weiß wie heut ; eS hatte
geschneit und dann gefroren, man ging
einen Fuß tief im Schn und ich wollte
nicht zugeben, daß Louise Georges be
gleitete : nur durch langes Zureden er
Der
Jahrgang 17.
hielt sie von mir die Erlaubniß, Nach
mittag mit ihm gehen zu dürfen.
Gegen 11 Uhr war Georges mit zwei
Schnepfen und einem Hasen zurück.
Wir speisten fröhlich und Louise lachte,
in der Voraussicht ihres Glücks, wie
eine kleine Närrin.
Nie sollte fie wieder so lachen! Sie
brachen zusammen auf; plötzlich ver
düsterte sich der Himmel, der Frost hielt
nicht länger an, und von Neuem wir
betten Schneeflocken durch die Luft. Ich
sah wie sie fich mit dem Gewehr auf der
Schulter entfernten und rief ihnen noch
Vorsicht!" nach. Schließlich verloren
wir, meine Frau und ich, fie aus den
Auge! doch kurz darauf vernahm ich
einen Schutz, der sich noch mehreremale
in der Gegend der Sümpfe wiederholte.
Der Schnee hatte aufgehört, dann aber
begann er wieder aufs Neue mit schreck
licher Heftigkeit zu fallen. Man konnte
nicht mehr hundert Schritt vor sich
sehen, und ich glaubte jeden Augenblick,
sie würden zurückkommen. Die Nacht
brach herein, doch Niemand kam. Un
ruhig geworden, zog ich meine Stiefel
an und wandte mich den Sümpfen zu,
doch die Wege waren verweht, und
man konnte nicht einmal eine Fußspur
entdecken.
Die Nacht war schrecklich; mehreremal
ließ ich ein Jagdhorn erklingen, das ich
absichtlich mitgenommen hatte. Doch
kein Laut antwortete auf die Töne des
Instruments. Eine heftige. Angst be
mächtigte fich meiner; ich wußte nicht
mehr, wohin ich ging, der Schnee
sknlrschte nicht mehr unter meinen
Füßen, er zerschmolz, und der Wind
warf mir die Flocken in'S Gesicht; ich
war wie geblendet und stolperte hin und
her. Da ich meine Nachforschungen
nicht weiter fortsetzen konnte, so faßte
.ich den Entschluß, nach Hause zurückzu
kehren; vielleicht waren sie inzwischen
angelangt. Diese Hoffnung belebte mich
auf'S Neue und ich drehte um. Ich
glaube, ich brauchte eine Stunde, um
mein Haus zu erreichen. Die arme
Mutter stand am Fenster und fragte
mich nach ihrer Tochter. Was war
unseren Kindern zugestoßen?
Ich kannte Fuß für Fuß die Sümpfe,
nach der fie ihre Jagd gelenkt hatten.
Dieselben waren über und über mit
Schnee bedeckt und durchaus nicht unge
fährlich. In einer Ausdehnung von
ein und einem halben Kilometer besän
den fich 56 Quellen, in die man leicht
versinken konnte. Sicherlich war den
beiden zungen Leuten ein Unglück zuge
stoßen.
Von einem Diener begleitet,, der eine
Blendlaterne trug, machte ,ich mich so
fort wieder auf den Weg. Vor einer
Stunde waren die Wege kaum zu erkew
nen gewesen, jetzt waren sie unzugäng,
lich. und man kam nur mühsam vor,
würts. Von Zeit zu Zeit blieben wir
stehen und laulchten; ein tieses Kchmei
gen herrschte in der Ebene. Wir hatten
uns. der Diener und ich, in dieser wege
losen Landschaft fast verirrt und blieben
stehen; da hörten wir ein leiseS Geräusch
von Schellen. Man unterschied ein
Licht, es war ein Schlitten. Ich er
kündigte mich, der Kutscher hatte nichts
gesehen, als ich mit einemmale Klage
laute vernahm. Ein Hund heulte mit
jener schrecklichen Stimme eines ftch in
Gefahr befindlichen Thiere?. Das Ge
heul hörte auf, fing dann leiser, unver
ständlicher wieder an. Das Thier schien
vor Müdigkeit erschöpft. Wir schritten
nach dieser Richtung fort und sanken
zeitweise in s Walter und in die Schling
pflanzen, die hier und da kleine Inseln
bildeten. Ich blieb stehen, um zu
lauschen: nichts; jeder Klagelaut schien
verstummt zu fein.
Ich rückte weiter vor; endlich vernahm
ich ein Athmen und wandte die Laterne
der Seite zu, von der das Geräusch
kam. doch ich sah nichts. Dann hörte
ich plötzlich neues Geheul; ich stürzte
vor, es war mein Hund. Das arme
Thier lag auf einer weißen Masse, das
war Louise. Der treue Hund hielt sei
nen Kopf auf dem seiner Herrin und
verhinderte so. daß der Schnei fie voll
ständig zudeckte. Die Mrme seines
AthemS brachte die Flocken, sobald fie
herniederfielen, zum Schmelzen. Ich
hob das theure Kind auf, dessen Kleider
zerrissen waren, und sah nun, daß der
Hund sie zehn Schritte fortgeschleift
hatte, um fie dem Tode zu entreißen.
Ihr Kopf fiel nach hinten über; war
fie todt? Mir war die Hand so starr,
daß ich nicht wagte, fie aus ihr Herz zu
legen, um zu sehen, ob eS noch schlug.
Ich nahm fie daher in die Arme und
suchte ihr Geficht zu erwärmen: dann
sagte ich dem Diener er solle seine
Nachforschungen fortsetzen, ich würde
allein nach Hause zurückkehren. Ter
Hund folgte mir, und nach einem
langen Maische fand ich den Schlitten
wieder, der uns nach Hause brachte.
Tort setzte ich, ohne ein Wort zu
sprechen. Louise vor dem Feuer ad und
legte die Hand auf , ihr Herz. ES
Sonntagsgast.
Beilage zum Nebraska Ttaats-Anzeiger.
schlug, Louise lebte. Ich bedeckte sie
mit Küssen, nach einigen Minuten kam
sie zu sich und fragte, die Augen öffnend:
Wo ist Georges?"
Meine Arbeit war noch nicht beendet,
der andere Unglückliche fehlte. Sogleich
machte ich mich wieder auf die Suche
nach dem jungen Manne, doch meine
Hoffnung, ihn lebendig aufzufinden,
war nur gering:
Der Hund begleitete mich, diesmal
hatte ich wenigstens einen Führer. Am
Sumpfe angekommen, rief ich; keine
Antwort; was mochte aus dein Diener
geworden sein? Ich folgte dem Hunde,
der von Zeit zu Zeit den Schnee mit
seiner Schnauze zur Seite schob: und er
führte mich rechts von dem Orte, an
dem ich Louise gefunden hatte. Der
Schnee war weniger dicht, und plötzlich
bemerkte ich die Laterne des Dieners.
Ich rief ihn an und eilte ihm entgegen.
Der Hund schnupperte noch immer im
Schnee. Wir waren bis auf's Aeußerste
erschöpft. Augenscheinlich befanden wir
uns an dem Orte des Unglücksfalles.
Georges konnte Louise wohl kaum ver
laffen haben.
Ich will Ihnen nicht erzählen, welche
qualvollen Minuten ich durchlebte. Der
Unglückliche lag vielleicht neben uns.
Endlich brach der Tag an, doch erst jetzt
sollten wir erkennen, wie schwer unS
das Unglück getroffen hatte. Plötzlich
fließ der Diener einen Schrei aus, er
hatte das Gewehr Georges gefunden;
folglich mußte er hier in der Nähe
liegen. Ich trat hinzu, und als ich den
Fust auf eine Pflanze setzte, fühlte ich,
daß ich einsank, und in der That befand
ich mich auf einer jener verhängnißvol
len Quellen, an deren Rande ich den
Hund Georges bemerkte. Das treue
Thier hatte den Kopf halb in der Oeff
nung stecken, nur das Gewicht feines
Körpers war auf der festen Erde ge
blieben. Das Halsband wurde von
einer zusammengekrampften Hand fest
gehalten und war fast abgerissen. Ich
zog den Leichnam deS Thieres heraus;
die Hand Georges hatte das Halsband
nicht losgelassen, in einem letzten
Kämpft hatte fie sich an den Hund ge
klammert, von dem sie Rettung erhoffte.
Wir zogen den armen Jungen aus dem
Loche; er war schon mehrere Stunden
todt. DaS war das Schlußwort des
Dramas. Louise war, wie ich Ihnen
bereits sagte, zu sich gekommen, und
welche Nacht die arme Mutter bei dem
in Fieberphantasien liegenden Kinde
verbrachte, können Sie fich denken.
Nach acht Tagen war fie außer Gefahr.
Sie .wußte die furchtbare Wahrheit und
erzählte uns ganz genau, in welcher
Weife fich der schreckliche Unfall ereig
net, und wie sie eS nur dem Hunde zu
verdanken hatte, wenn sie gerettet wurde.
DaS ist in den geringsten Einzelheiten
das entsetzliche Drama, daS aus meiner
theueren Louise eine verwelkte Blume
gemacht hat, die fich von dem Schlage,
den fie erlitten, wohl nie ganz erholen
wird."
Während der Vater diese letzten Worte
sprach, brach er in Thränen aus, und
fuhr dann fort:
Jetzt begreifen Sie wohl, was
meine Tochter empfindet, wenn sie
Schnee sieht. Seit einem Jahre hat
nichts fie zu zerstreuen vermocht; sie.lebte
nur in ihrem Georges und wird daran
sterben."
Für einen so tiefen Schmerz giebt eS
keinen Trost, daher schüttelte ich dem
Vater schweigend die Hand und ging
hinauf in mein Zimmer. Als ich allein
war, sah ich durch mein Fenster auf die
weiße Ebene, der Schnee nel noch
immer, und nun kam mir dieses weiße
Linnen, das ich bisher so sehr geliebt,
düfter und traurig vor. Ich ließ die
Fenftervorhänge herab, um diese weißen
Sterne nicht mehr zu sehen.
AIS ich am nächsten Tage herunter,
kam, glaubte ich einen bösen Traum
gehabt zu haben; doch als wir wieder
zusammensaßen und ich Lousie so weiß
wie Schnee sah, da fühlte ich, daß
Träume nicht so tiefe Runzeln graben.
Eine Episode ans dem Garni
sonsleben. ksn ?. i:cron.
Selbst habe ich nur als Einjähriger
das zweifelhafte Vergnügen genossen,
als Vertheidiger des Vaterlandes in
einer kleinen Garnison zu stehen, und
kann daher persönlich kaum über die
Militärverhällnisie in einer Provinzftadt
sprechen. Denn wir Einjährigen traten
selbstverständlich nicht in den Vorder
gründ des gesellschaftlichen Lebens un
serer kleinen Stadt und wurden hoch
ftenS genannt, wenn irgendwo mal
etwas ausgefrenen" war.
I Desto mehr kann ich aber von den
I Sprüngen berichten, die sich unsere
, jungen Offiziere geleistet haben und die
; ich entweder selbst erlebt oder die mir
auf dem Wege der mündlichen Ueber
lieferung beim Glase Pilsener von den
Vicewachtmeistern und ReserveUnter
Offizieren nach gethaner Arbeit mitge
theilt wurden. Eins haben diese kleinen
Geschichten für sich: sie beruhen auf der
reinsten Wahrheit.
ES war in einer kleinen Garnison im
Mecklenburgischen unweit S., wo Graf
Z. an einem düsteren Januarnachmittage
gelangweilt auf seinem Ruhebette lag
und russische Eigaretten in die Luft
puffte. Der schöne WeihnachtSurlaub
war zu Ende und nun mußte man wie
der des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr
aufziehen, die in den letzten vier Wochen
bombenfest gestanden hatte. Der letzte
Monat war schön gewesen. Civil,
Reise nach Monte Pardon" Italien,
Schweiz, Bergpartien in angenehnier
Gesellschaft. Wahrhaftig, wenn sich
der schöne Felir in den Spiegel sah, er
erkannte fich kaum wieder. Statt des
militärisch kurz geschnittenen Haares
umwallte sein Haupt eine Fülle röth
licher Urlaubslocken und statt des
koketten Schnurrbürtchens schmückte sein
Antlitz ein prachtvoller Vollbart. Der
Bursche wär erst beim Anblick seines
Herrn entsetzt zurückgeprallt und auch
jetzt konnte er fich noch nicht recht an
diese Lockenfülle gewöhnen.
Morgen früh ging also der Dienst
wieder los. Aber was bis dahin an,
fangen? Sonst pflegte Graf Felir ja
stets erst im allerletzten Moment vom
Urlaub zurückzukehren, diesmal hatte
ihn ein vortheilhaftes Angebot auf fei
nen Vollblüter früher nach Haufe ge
bracht. Wie also den Rest des Abends
unterbringen? Nach einigen mühsamen
Drehungen auf dem Sopha fiel schließ
lich der Blick des Herrn Lieutenants auf
die Zeitung.
Also heute Abend war Oper in S.
Na, das war wenigstens etwas. Mit
einem Ruck schwang sich Graf Felix von
seiner Lagerstätte und rief den braven
Steppke zum Ankleiden. Ihn kümmerte
nicht das vorwurfsvolle Gesicht seines
Dieners, der es nicht nur für unchic.1
sondern für ein Kapitalverbrechen an
sah, wenn sich sein Lieutenant in Uni
form mit wallenden Locken und wehen
dem Backenbart auf der Straße zeigte.
Der gute Steppke wagte zwar auch
nicht einen Ton zu sagen, denn er
kannte seinen Gebieter, aber wehmüthig
folgte er ihm mit seinen Augen und
half ihm ächzend in den Mantel. Als
der Zug in S. anlangte, hatte die Vor
stellung schon begonnen und Graf Felix
betrat möglichst leise die Prosceniums
toge, in der er im Halbdunkel auf den
Porderplützen zwei Generalsuniformen
bemerkte. Still lauschte er den schmel
zenden Melodien der Oper und blieb
regungslos fitzen, als der Vorhang fiel.
Sobald der Kronleuchter in der Mitte
des SaaleS sich erhellte und die beiden
gestrengen Herren Generale fich erhoben, j
schnellte . auch er in die Hohe, um seine
Herren Vorgesetzten zu begrüßen. Doch
anstatt ihm wie sonst guten Abend zu
wünschen, blickten ihn Beide befremdet
an und schließlich fragte der Größere"
von Beiden ganz erstaunt: Wer sind
Sie denn eigentlich, Herr Lieutenant?"
Graf Z., Ercellenz." erwiderte Graf
Felix, indem er die Sporen zusammen
schlug.
Na, das' nehmen Sie mir aber nicht
übel, ich habe Sie ja gar nicht erkannt.
Wie kommen Sie denn zu einer der
artig wilden Frisur. Militärisch ist das
nicht und läßt sich auch schwer mit dem
Charakter derUuiform vereinbaren."
Se. Excellenz schien wirklich etwas
ungehalten über die reglementswidrige
Figur unsere! Lieutenants, und wenn
sie eS auch in hglb scherzhasten Worten
aussprach, so konnte Graf Felix doch
deutlich den Tadel herausfühlen, der
ihm denn auch sofort zu Herzen ging.
Wenn Ercellenz befehlen, werde ich
sofort "
;ü befehlen habe ich hier gar nichts,
aber ich meine nur, es sieht so merk
würdig aus. so ein lockenumwallteS
LieutenantShaupt."
Zu Befehl, Ercellenz." Wieder ein
Klirren der Sporen und Graf Felix
verschwand.
Die Pause war vorüber und der Vor
hang hob sich für den zweiten Akt.
Graf Felix war noch immer nicht er
schienen. Erft gegen Ende deS AiteS
öffnete sich leise die Logenthllr und eine
Gestalt schlüpfte herein, die sich schweig
sam auf einen Stuhl im Hintergrunde
der Loge niederließ.
Wieder fiel der Vorhanz und der
Kronleuchter in der Mitte des Saales
leuchtete auf. Wieder erhob: fich beide
Generale und blickten entsetzt und er
staunt auf den Platz unseres Lieute
nants, von dem sich mit lächelnder
Miene ein Osiizier erhob, auf deffen
Haupt und Antlitz auch nicht das kleinste
Härchen zu feben war.
Ja. wer find denn Sie nun wie
der?"
Immer noch Gras Z., Ercellenz."
No. 3.
Aber maS haben Sie denn geinacht?"
Mich igeln lasten, Excellenz, da
Excellenz das befohlen."
Es hat einige Zeit gedauert, bis
Gras Felix wieder seinen hübschen, roth
blonden Schnurrbart wirbeln konnte.
Der lustige Graf Felix war in der
Garnison schon aus seiner Fähnrichzeit
als das belebende Element des Regi
menteS und als der liebenswürdige
Thunichtgut deS Städtchens bekannt.
Wenn fich irgend etwas ereignet hatte,
was die lieben Spießbürger theils in
sittliche Entrüstung versetzte, theils
heimlich amüfirte, war sicher Graf Felix
mit dabei gewesen.
Ein treue: Genoffe seiner Fahrten
war der Lieutenant v. Z)- der im
gleichen Alter mit ihm zum Mindesten
ebenso viel Sinn für liebenswürdigen
Humor und Ulk besaß.
Dies zeigte fich eines Abends, als
beide Herren ebenso wie die anderen
Offiziere der kleinen Garnison auf das
Schloß von S. zum Hofball geladen
waren. Wie immer hatten auf die
fünf armseligen Droschken der Großstadt
S. die Honoratioren und andere große
Thiere" Beschlag gelegt und unseren
lackgestiefelten beiden Lieutenants war
es beim besten Willen nicht möglich ge
wesen. einen Wagen zu ergattern. In
dem Schmutzwetter konnten sie unmög
lich ohne Gummischuhe den Weg zu Fuß
antreten. Doch der findige Graf wußte
sich zu helfen.
Eine Viertelstunde dor Beginn des
HofballeS sah man zwei Handkarren,
geschoben von je einem keuchenden
Dienftmann, den Berg zum Schlosse
hinaufrollen und auf jedem dieser son
derbaren Vehikel thronte einer unserer
beiden Lieutenants in vollster Gala.
Auf diese Weise gelangten die Herren
reinlich und sicher in's. Schloß und
hätten, stolz auf ihre Erfindung,- wohl
jedesmal bei einem Hofball dieses
Transportmittel benutzt, wenn nicht
von höherer Stelle der Kommandeur
auf die finnreiche Idee der beiden
Lieutenants aufmerksam gemacht war
den wäre.
Am nächsten Tage wurden die Herren
zu ihrem Oberst befohlen, der sie
lächelnd aufforderte, fich doch in anderer
Weise zu einem Hofball zu begeben.
Da war nun guter Rath theuer, und
als bei der nächsten Festlichkeit im
Januar die beiden Freunde wieder
Abends um sieben Uhr auf dem kleinen
Bahnhöfe von S. standen, als nicht
eine Drofchke zu sehen war und der
Regen leise in den aufgethauten Schnee
und Schmutz herabrieselte, waren sie
momentan völlig rathlos. Da traten
zwei stämmige, breite Dienftleute. von
echt obotritischem Blute, auf sie zu.
Na, Herr Leitnant, füllen wer Se
rup tragen?"
Luftig blitzte es in den Augen deS
Grafen auf und mit kühnem Schwünge
faß er auf den breiten Schultern des
ersten Chriftophorus, während sich,
dem Beispiele deS Freundes folgend,
Baron Y. auf den Rücken des anderen
schwang.
Beide Offiziere mm bei der Bevöl
kerung von S., wegen ihres liedcnS
würdigen Humors und ihrer nicht
minder großen Freigebigkeit, allgemein
beliebt und lachend patschten die beiden
Lastträger durch den tiefen Schmutz dem
Schlöffe zu.
Graf Felix zog seinen Säbel und
kommandirte mit weithin schallender
Stimme: Escadron, Galopp, marsch,"
und fort ging es den Berg hinan.
Ader auch diese Art, in die Säle des
Schlosses zum Hofball zu gelangen,
schien nicht die Billigung der höheren
Vorgesetzten zu finden, denn beide
Herren wurden einige Tage später zu
ihrem Oberst befohlen und mußten fich
in ihren Wohnungen jeder drei Tage
lang überlegen, wie fie bei der nächsten
Festlichkeit in's Schloß gelangen sollten.
ta ?cha.
Bankier Rimundelo hatte fich mit der
schönen Tochter des Großindustriellen
Mohrenberg verheirathet und dechärtliche
Schmiegerpape. außer einer snsebnlichen
Mitgift, auch eine hübsche Villa in ei
nem reizenden Sommersitze in die Ehe
mitgegeben. DaS junge Ehepaar war.
von seiner Hochzeitsreise zurückgekehrt,
längere Zeit damit beschäftigt, das som
merliche TuSculum in einer seinem ei
genen Geschmacke entsprechenden Weise
umzugestalten.
Tie altväterlichen Möbel wanderten
in die Rumpelkammer und wurden
durch moderne ersetzt; der hübsche, aber
etwa! wilde" Garten in einen Park
nach englischer Manier umgewandelt.
daS antidiluvianische Gartenhaus machte
einem prunkvollen Treibhaus Platz,
und nach vielen Mühen und Plagen
konnte der Villendesitzer von seines ita
lienifchen TacheS Zinnen mit vergnügten
Sinnen auf feinen Part niedersehen.
Nur ein! fehlte zu feigem Glücke, nur
eins konnte den Werth in dem Genuß
der ihn umgebenden ländlichen Reize in
den Augen seiner Gäste möglicherweise
herabsetzen; der Mangel eines Echo'S in
dem Parke" und bei der am WaldeS
abhänge gelegenen Aussicht". Ein
Park und ein WaldeSabhang ohne Echo,
wie reimt sich da! zusammen?" meinte
Rimuitdklo, und da er ein Freund voll
kommener Dinge war, ließ er sich Sep
pel, des Gärtners Sohn, holen, und be
mühte fich zwei Stunden hindurch, den
Jungen zu einem Echo abzurichten und
ihn in alle, übrigens nicht schwierigen
Details dieser feiner neuen Stellung
einzuweilzen.
Und als am nächsten Sonntag zum
ersten Male Gäste in die Villa kamen,
wurde Seppel in einiget Entfernung
vom Parke an einer buschigen Stelle
installirt.
AIs nun im silbernen Scheine deS
MondlichteS nach einem copiösen Souper
die Gäste in den Park hinaustraten,
unternahm der Hausherr unaufgefor
dert seinen EchoVersuch, der trefflich
gelang. Die Gäste, angeregt durch die
ses schöne Beispiel, ahmten es nach und
bald tönten die merkwürdigsten Wort
und Satzcombjnationen in den Park
hinein und wieder zurück.
Doch als einer der Herren Übermäßig
laut in den Wald hinauZbrüllte: Dum
mer Junge'." da tönt eS zurück: Aber.
Euer Gnaden, i mach doch mei Sach'
ganz famoS!"
O unglückseliges Echo! ES war und
blieb entlarvt, und der über diese uner
wartete Wendung der Dinge höchst be
stürzte Bankier blamirt. Nur seine
Gattin besaß Geistesgegenwart genug,
die Ehre des Gatten durch einen glück
lichen Einfall wenigstens scheinbar
zu retten. Sie erklärte das gemiethete
Echo für einen Scherz ihres Gemahls
und so löste sich schließlich Alles wieder
in Wohlgefallen auf.
Der Herr kberschinderknecht.
Aus Berlin, 12. Januar, wird be
richtet: Eine ergötzliche Scene spielte
fich vorgestern Nachmittag am Hasen
platz ab. Einer alten Frau war ihr
Schooßhündchen weggefangen worden,
weil eS einen defekten Maulkord trug.
Laut jammernd flehte die alte Frau
nun die beiden Hundefänger an, ihren
Liebling freizugeben, wobei sie beständig
die Titulatur Lieber Herr Schinder
Inecht" gebrauchte, was die Leute natür ,
lich wenig geneigt machte, dem Berlan
gen nachzukommen. Zufällig ging ein
Inspektor vom Thierschutzverein vor
über. Er bahnte fich einen Weg durch
die umstehende lachende Menge und be
fragte die beiden Hundefänger über den
Vorfall. Kaum merkte nun die alte
Frau, daß fie einen Vorgesetzten der
Häscher ihres Hundes vor sich habe, so
wandte fie sich an den Herrn Ober
schinderknecht", wie sie sich ausdrückte,
um die Freigabe ihre? Hundes zu er
wirken. Der Inspektor machte die Frau
nun zunächst darauf aufmerksam, daß
er so wenig Oberschinderknecht, wie
seine Fangbeamten Schinderknechte seien,
ordnete dann aber die Herausgabe deS
HundeS an, worauf fich die Frau mit
einem Schwall von Dankesworten, die
ftch aber immer wieder an die Adresse
deS Herrn OberfchinderknechtS" rich
teten, entfernte.
Buch ei Jubiläum.
In diesem Jahre begeht die Dampf
pfeife ihr LSjährigeS Jubiläum. Sie
wurde im Januar 1837 eingeführt, als
ein übrigens unbedeutender Eisen
dahnunsall den Behörden Veranlassung
gab, die Anschaffung des damals im
Gebrauche befindlichen Signalhornes
des Lokomotivführers vorzunehmen.
verunzliickter Beweis.
Der Professor Hartmann in Leipzig
gehörte zu denen, die an arger Zer
ftreutheit leiden. So schloß er zum
Beispiel einft einen Vortrag über die
Lebensweise und den Charakter der
ESkimoS mit folgenden Worten:
Rührend ist die Liebe und Sorge
der Eskimofrauen für ihre' Kinder; sie
lassen sie nie aus den Augen und tragen
fie deshalb stets in einem Korde auf
dem Rücken." . '
Der Lrbonkel.
Neffe (zu dem von schmerer Krankheit
genesenden Erbonkel): Sie haben sich
gewiß sehr geärgert, lieber Onkel, als
Sie diese enorme Doktorrechnung be
zahlen mußten."
Onkel: .eiensaN nickt nwfcr al
Du Dich gefreut haben würdest, wenn
Du fie aus meinem Nachlaß hättest be
zahlen müssen !"
Drunter uns drüber.
Herr Agent, ich möchte Ihnen den
Verkauf meiner Villa übertragen."
Hm, man munkelt, s fei Schwamm
drunter.'
Still, davon spricht man nicht ! ES
soll Ihr Schade nicht sein, teern Sie
Mir vk,,siia, sino.
Schön l Was also diesen Fehler be
t Schwamm drüber !"
trifft
Wahrscheinlich.
Hausherr (zu dem Schlosser, der eine
Reparatur in seinem Hauke vornimmt):
Aber hören Sie mal. einen solchen
Leichtsinn hab: ich noch nicht gesehen !
Sie lassen ja da eine ganze Menge Röh
ren und Schrauben und anderes Mate
rial herumliegen. Tie könnm ja ver
koren geben !"
Schlosser: Ach. Sie werden sie schon
auf der Rechnung finden."