Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 18, 1897, Image 11

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    3m Zwischendeck.
(mc 2fUt " dem deullch-ammwnischkn
Vtbcit von (i. x.
Ein ftrahlblauer Himmel spannte
sich über den Ocean, durch dessen nur
mäßig bewegte Wogen sich einer der
deutschen Schnelldampfer den Weg nach
der neuen Welt bahnte. Tie Sonne
senkte sich dem Untergange zu und schien
mit schrägen Strahlen kalt auf die
glitzernde Fluth. Das Wetter war
ploglich, wie eS auf hoher See zu ge
scheden Pflegt, umgeschlagen, trüben
und feuchlmarmen Nebeltagen war kla
rer Froft gefolgt. Aus die Stimmung
der Besatzung und der Passagiere des
Schiffe hatte dieser Witterungswechsel
vortrefflich gewirkt. Aus dem Vorder
deck, dem Platz für die Zwischendecks
Passagiere, drängte sich eine buntge
mischte Gesellschaft ; da Bedürfniß nach
frischer Luft war hier noch größer gelve
sen, und so gut wie möglich gegen die
Kälte geschützt, saßen Alt, und Jung.
Männer, Frauen und Kinder, bei ein
ander.
An den Bordrand des Schiffe? ge
lehnt, stand hier ein junges Aiädchen,
dessen ganze Erscheinung in dieser Um
gebung auffallen mußte. Eine schlanke,
geschmeidige Gestalt, die in einen lan
gen, anschließenden Mantel gehüllt
war, trug einen feingesormten Kopf,
auf dessen dicke Haarflechten eine schon
etwas abgetragene Pelzmütze gediückt
war. Tie Gefichtszüge waren früher
gewiß weicher und echt mädchenhaft ge
wesen man sah eS noch an den sanf
ten und lieblichen Linien des KinnS
und der stirnpartie jetzt hatten harte
Erfahrungen ihre Spuren dann zurück-
gelassen. Sympathisch und anziehend
aber war me ganze Erscheinung ge
blieben.
Jetzt trat ein junger Mann aus
einer Gruppe Auswanderer an sie
heran.
Auch er hob sich von den übrigen
Passagieren ab und namentlich der
intelligente Ausdruck seines GeftchtS
und die sicheren Formen seines ganzen
Auftretens zeigten daß er wohl bessere
Tage gesehen hatte.
Fräulein Stein," wandte er sich an
das junge Mädchen, wollen Sie nicht
Schutz vor dem Balten Würde dort hin
ter dem KajütenhSuschen suchen? ES
fitzt sich dort besser als hier, und außer
dem sicherer. Unser Deck gleicht bald
einem Gletscherfelde Sie könnten
leicht eine unliebsame Rutschpartie über
das Deck machen. "
Schweigend folgte Martha Stein
dem vorsichtigen Rathgeber.
Die Beiden hätten sich auf der lan
gen Fahrt auch wohl ohne den Zufall
kennen gelernt, der sie zusammengeführt
hatte. Das Kind eines polnischen Aus
Wanderers, ein wagehalsiger Junge,
war die unterste Treppe zum Zwischen
deck hinabgestürzt und hatte sich den
Kopf blutig geschlagen. Es hatte
schlimmer ausgesehen, als er in Wirk,
lichkeit war, und die Polen hatten ge,
jammert und geschrien, aber nicht zuge
griffen und gedolsen. Da war Georg
Blank dazwischen getreten, hatte den
Jungen auf den Arm genommen und
ihn zu beruhigen gewußt. Und als er
sich nach Hülfe umsah, war ihm ein
Taschentuch gereicht, mit dem er das
Kind verbinden konnte, bis der Schiff,
arztkm.
Martha Stein hatte es ihm gegeben ;
sie halten zujammen den kleinen Patien,
ten noch öfter ausgesucht und sich so
kennen gelernt. Bald hatten sie ihre
Erfahrungen ausgetauscht und wußten
dann, warum sie der alten Welt den
Rücken gewandt. Sie war, seit dem
15. Lebensjahre eine Waise, den Dor
nenweg deutscher Erzieherinnengegan
gen und suchte im fremdem Lande mit
einigen Empfehlungen in der Tasche
ein besseres LooS, als ihr die Heimath
hatte bieten können. Er hatte, was
man so nennt, ein verfehltes Leben hin
ter sich. Mitten aus dem Studium
heraus hatte ihn der, Tod seiner Eltern
gerissen ; er hatte, um Brod sür seine
jüngeren Geschwister und sich selbst zu
schaffen, ein kleines kaufmännisches Ge
schüft übernehmen müssen. Jetzt waren
di Geschwister alt genug, um auf eige
nen Füßen stehen zu können, jetzt warf
er die Last des unfreiwillig üdernom
menen Berufes von- sich, und da die
alte Welt ihm den Weg zu anderen
höheren Zielen mit Vorurtheilen aller
Art versperrte, hatte er ihr Balet ge
sagt.
Er war mit muthiger Entschlossen-
heit gegangen und nichts hatte 'eine
Hoffnung aus eine bessere Zukunft
herabdrllcken können. Martha Stein
hatte ihren Muth schon manchmal recht
klein werden sehen, aber an Blank'k
ruhiger Zuversicht hatte sie ihr eigenes
Selbstvertrauen nnmer wieder ausge
richtet.
Auch jetzt, wie sie da mit ihm hinter
der schützenden Wand saß. fühlte sie sich
sicherer, die trüben Gedanken, die sie
noch eben beherrscht hatten, wichen von
ihr, und sie sagte: .Uebermorgen ist
Weihnachten."
.Weihnachten?" 'versetzte Blank.
halb sragend, ach ja I Run. wir wer
den auch hier unseren Weihnachten ha.
den. Sie soll! sehen, rt ist All
duu vorbereitet. Der Eapitln thut eS
nicht anders und bat mich durch den
Doktor mit in Pertrauen gezogen,
( Sogar einen echten deutsche Weih
nachtSdaum sollen wir haben, und mor
gen wollen wir ihn ausputze. Wollen
Eu unk helfen?"
Gewiß wollte sie eS. und all sie zu
sagte, lag ein so weicher, sinnender Zug
in ihren Mienen, daß er sie lange an
sehen mußte und eS ihm ganz warm
um'! Herz wurde.
ES war so, wie Blank gesagt hatte.
Der Kapitän hatte kurz vor der AuS
fahrt aus dem heimathlichen Hafen
einen stattlichen Weihnachtsbaum an
Bord bringen lassen und beim Heranna
hen deS Festes den Doktor mit den wei
teren Porbereitungen betraut, der sich
wieder mit Blank in Verbindung gesetzt
hatte.
ES hatte sich bald herumgesprochen
an Bord, und als der Doktor dem kran
ken Kinde eines AuSwandereS zum Trost
gesagt hatte, eS solle auch seinen Weih
nachtsbaum haben, da hatte die Mut
ter deS Kindes hoch aufgehorcht, und sie
weiter getragen, die frohe Botichast, daß
sie Alle, die hier in Verzagtheit und
Mutlosigkeit beisammen waren, auch
ihre Weihnachtsfreude haben sollten.
Und über die ernsten Gesichter war ein
Schimmer der Freude gegangen, und
in den gleichgültigen Blicken blitzte eS
auf wie eine Erinnerung an fröhliche
Kinderträume. Die Kinder aber dräng
ten sich an Vater und Mutter mit Fra
gen und Bitten, und mit einer Art Ehr
furcht sah man den Vorbereitungen zu,
die zum Feste im Zwischendeck getroffen
wurden.
Der Tag war nun da. Die See war
ruhig geblieben, ruhig und stetig durch
schnitt das Schiff die Blüthen, auf die
ein kalter Wintertag herabfchaute.
Ein würziger Tannendust durchwehte
den unteren Schiffsraum. Hinter einem
Vorhange aus dichtem Flaggentuch ftand
die deutsche Tanne, geschmückt nach hei
mathlicher Art und bereit, die ersehnten
Freuden zu spenden. Aus einer langen
Tafel lagen die Gaben für die Kinder,
etwa 20 an der Zahl; viel konnte eS ja
nicht fein, was man ihnen zu bieten
hatte: Aepfel und Nüsse und knusperiges
Backmer! aus dem Vorrathe des Odev
ftewards, und sür JedeS ein kleines
Geldgeschenk aus einer Sammlung unter
den Passagieren der ersten Kaiüte
Martha betrachtete mit Blank und
dem Doktor das gemeinsame Werk.
Dann kam auch der Kapitän, der es
sich nicht hatte nehmen lassen, der Feier
beizuwohnen, und über daS wetterharte
Gesicht deS alten Seebären flog ein mil,
der Schein, als er das freundliche Bild
betrachtete, das sich ihm darbot.
Nun läutete die Schiffsglocke vom
Deck herab mit mächtigen Schlägen durch
den stillen Abend und die bunte Gesell
schast deS Zwischendecks sammelte sich
vor dem geheimnißvollen Borhang. ES
entstand ein Raunen und Flüstern.
dann nach einem frommen und schlichten
Ehoral, den die Schiffslapelle so gut
spielte, wie ihre Instrumente es zulie,
ßen, wurde der Vorhang fortgezogen.
und wie im Traume schauten die Kleinen
auf daS echte deutsche Weihnachtsbild
mit dem brennenden Weihnachtsbaum
und den freundlichen Gaben. Und erst
befangen, dann freudestrahlend folgten
sie Martha Stein, als sie an die Kinder
herantrat, um sie an den Gabentisch zu
sühren,
Wie das anmuthige junge Mädchen
die Kinder bei der Hand nahm und' ihnen
mit freundlichen Worten die rothbäckigen
Aepfel und das blitzende Geldstück rnjdie
Händchen gab, das war ein schönes.
rührendes Bild, und in manchem Ge-
ßcht der Aelteren zuckte es wie von ver
haltenen Thränen.
Blank hatte mit eigenartigen Em
psindungen MarthaS Thun zugesehen;
er hatte bei den Vorbereitungen manche
spottluftige Bemerkung gemacht, jetzt
stand er ganz unter dem Bann des
WeihnachtszauberS, jetzt konnte er den
Blick nicht abwenden von der Gestalt deS
jungen Mädchens, das wie eine gütige
Fee hier waltete.
Erst die tiefe Baßstimme deS Kapi
tünS weckte ihn aus seinem tiefen Sin
nen. Ein halbes Dutzend Stewards
hatten den Raum betreten und reichten
nun auf großen Servierbrettern dam
pfenden Weihnachtspunfch herum. Das
wa, des Kapitäns Gabe. Blank griff
zu und stieß mit ihm an, und dann auch
mit Martha.
Auf eine frohe Zukunft!" fagte er
m Herzlichstem Tone.
Sie nickte und ein wehmüthiges Lä
cheln ging über ihre Züge.
Als Blank dann über, die bunte Ge
sellschaft hinblickte, drängte eS ihn. den
Leuten da ein Wort zu sagen, ein Wort
der Ermuthigung, und er schlug an
sein GlaS und redete sie an.
TiefeS Schweigen legte sich über die
Versammlung, das nur unterbrochen
wrde von dem eintönigen, dumpfen
Gekusch der Maschine.
Von der alten Heimath sprach n
ihnen, die sie nun Alle verlassen, um
vielleicht nie wieder dahin zurückzuleh
ren; eine neue Heimath wollten sie sich
in der Fremde gründen. Wohl wechsele
daS Land, sie selbst aber blieben die
Alten. Und wai sie aus der alten Hei
math mitgenommen Hütten, die deutsche
Art, da deutsche Fühlen und Denken,
das würde sie nicht vertauschen und
weggeben wollen. Mancher sei gar recht
in Gall' und Haß aus der alten Welt
geschieden.
Seine Stimme hotte sich erhoben,
und einen warmen klang angenommen,
ali er fortfuhr:
.Laßt solche Empfindungen nicht
Herr über Euch werden, und denkt der
Heimath. wie man eines lieben Todten
gedenk!, der uns VuM und Gute? ge
gebe hat. Hier, der Weihnachtsbaum
mil seinem Zauber, seine Erinnerun
ge glückliche Zeiten. daS ist nn
stück Heimath. wie e freundlicher und
trauter kein Land der Erde wieder bie
ten kann. DaS haltet fest im herzen,
wenn Ihr im fremden Lande daterlandS
loS und allein seid! Laßt unS der alten
Heimath gedenken, und ihr, der Stätte
unserer Kindheit und bisherigen Wirk'
samkeit ein stille GlaS weihen!"
Sie thaten eS alle in tiefer Erregung,
und auch die wenigen fremdländischen
Auswanderer, denen die Worte Blank'S
fremd an'S Ohr klangen, fühlten, daß
eS etwas HoheS und Feierliches sein
müsse, wovon er gesprochen, und sie
drängten sich mit den übrigen heran,
um ihm die Hand zu reichen.
Mit einem glucklichen Ausdrua in oen
feucht schimmernden Augen trat auch
Martha auf ihn zu und dankte ihm in
ihrer innigen Art. Dann schüttelte auch
der Kapitän kräftig Blank'S Rechte.
DaS haben Sie gut gemacht, lunger
Freund!" sagte er. DaS thut Einem
wohl, der Victor hat mir schon von
Ihnen erzählt; Sie gefallen mir und ich
will sehen, was ich für Sie thun kann.
Habe da in Brooklyn einen alten guten
Freund, dem es ähnlich gegangen ist,
wie Ihnen, und der sich heute mit der
Veredelung der Brooklyn Rangen ad
giebt. Wäre gerade nicht mein Ge
schmack, aber es geht ihm gut dabei.
Am Ende kann der Sie gebrauchen.
Jedenfalls spreche ich noch mit Ihnen,
ehe wir an Land gehen."
Das war em Hoffnungsstrahl, der
blitzschnell leuchtend und klärend auf
vaS Bild siel, das sich Blank von seiner
Zukunft gemacht hatte, und mit neuem
Muth ging er ihm nun entgegen.
Eine Stunde später stand er mit
Martha auf dem Deck. Sind Sie nun
zufrieden mit unserem heiligen Abend?"
wandte er sich an sie. Freilich, S
haben immer nur gegeben und nichts
für sich begehrt."
Was sollte ich wohl für mich ver
langen?" antwortete sie.
.Was? ja was sollten Sie wohl ver
langen! Aber Eins haben Sie doch
halten, ohne es zu verlangen, das heißt,
wenn Sie eS nicht ausschlagen, einen
Freund, der Ihnen helfen will, auf den
Sie sich erlassen können, fest und sicher.
Und der steht vor Ihnen! Wollen Sie,
dann schlagen Sie ein!"
Martha reichte ihm beide Hände, die
er so rasch und ungestüm ergriff, als ob
er die anmuthige Mädchengestalt an
seine Brust ziehen wollte.
Am Horizont vor ihnen stieg jetzt ein
heller Lichtschimmer auf.
Blank deutete darauf hin.
Sehen Sie dort! Das ist unsere
neue Heimath! DaS ist daS Licht der
FreiheitSftatue von New Jork!"
Und klopfenden Herzens sahen fie
den Schein wachsen, bis auch die dunk
len Massen deS UferS austauchten.
Noch eine Weile, dann ertönten Kom
mandorufe, die Maschine stoppte und
rasselnd fielen die Anker in die Tiefe
und schnaubend und pustend lag der
Koloß auf der Rhede, um den Tag der
Einfahrt abzuwarten.
Vier Monate später. ' Der Dampfer
liegt wieder im Dock zu Hoboken. Auf
der Kommandobrücke sieht der Kapitän.
Da wird er vom Lande auS angerufen,
er beugt sich vor. grüßt und lacht fröh
lich auf.
.Sieh' da, Herr Blank und da
Fräulein auch! Haben wohl gemein
fchaftlicheit Kurs genommen? Ist recht
so und freut mich!"
Frau Blank, geborene Stein," sagt
Blank, aus leine lunge ffrau deutend.
die glücklich dreinschaut. Am letzten
Sonntag ftnd wir getraut."
Da bitte ich Sie heute Abend zu
Gast bei mir," erwiderte der Kapitän,
oder wollen Sie etwa eine Hochzeits
reise machen?"
Lachend und sich neckend sagt das
jungt Paar zu, dann drängt eS sich
durch das Menschengewimmel und geht
dem Häusermeer von New Jork zu, so
sicher und fest, als ab eS niemals an
deren Boden unter den Füßen gehabt
hätte.
Schmunzelnd sieht der Kapitän den
beiden glücklichen Menschen nach.
ine historische ütiht.
Noch in den vierziger Jahren unseres
Jahrhunderts fiel den Besuchern des
Parks von Versailles eine alte Kräbe
auf, die dadurch besonderes Interesse
erregte, daß sie einstmals im Leben der
unglücklichen Marie Antoinette eine ge
wisse Rolle gespielt hatte. TieS hatte
folgende Bemandtniß.
An einem schönen Oktobertag deS
Jahre 1785 ftand Marie Antoinette
am Fenster ihres BoudoirS. das auf
den Garten on Trianon hinausging.
Tie Königin hielt gerade ein Biskuit in
der Hand, das fie in eine Tafle Milch
tauchte, als plötzlich eine Krähe heran
flog und heftig an das Fenster pickte.
Obwohl der Anblick deS schwarzen
Vogels die Königin zuerst ängstigte, so
gab fie ihm doch ein Stück Biskuit;
dann schloß fie nachdenklich dai Fenster.
An der FrühftückStafel erzählte sie dem
König den Vorfall und verhehlte ihm
auch nicht den peinlichen Eindruck, den
daS Thier auf fie gemacht hatte.- Am
folgenden Tage spielte sich zwischen der
Königin und dem Vogel wieder dieselbe
Scene ab, und das Thier wurde schließ
lich so anbänglich, daß eS der Fürstin
ftetS nach'log. wenn diese dm Pari de
trat, um ihre Schafe ,u besichtigen oder
in dem Teich zu fischen.
Vom Jahre 1789 ab war der Vogel
nschmunden und wurde erst im Jahre
1810 wieder gesehen. Damals hielt sich
die Kaiserin Marie Luise. NkvoleonS
I zweit Gattin, einig, Zeit in Trianon
aus, und bei einer Mahlzeit, welche
man im Park einnahm, bemerkte sie
eine Krähe, weiche e Insel heilig
krächzend, umflog, als wenn sie etwas
zu fressen haben wollte: das war die
Krähe der Königin Marie Antoinelie.
Der Vorfall wurde Napoleon mitge
theilt, der bekanntlich sehr abergläu
bisch war und sofort den Wunsch auS
sprach. Marie Luise möchte daS Schloß
verlassen. Doch im Jahre 1814 kehrte
sie, nach der Entthronung Napoleons,
nach Trianon zurück und empsingchier am
19. April ihren Vater, den Kaiser von
Oesterreich. Sie gingen allein zusarA
men in den Alleen deS Parkes spazieren
und nahmen nach kurzer Zeit auf einer
Bank Platz. Tie Kaiserin gedachte der,
schönen Zeiten, die fie hier erlebt, und
erzählte ihrem Vater on ihren Zu--kunstsplänen,
als plötzlich ein heftiges
Krächzen zu ihren Ohren drang; sie
wandten sich um und sahen eine Krähe
ausfliegen. Marie Luise stieß einen
Schrei deS Entsetzens auS, denn sie
hatte den Unglllcksvogel erkannt.
Marie Luise verließ noch an dem
selben Tage Trianon, doch die histor
sche Krähe ward noch lange Jahre hin
durch im Parke beobachtet.
öpcnick.
Das alte Hohenzollernschloß, seit
1852 zum SchullehrerSeminar iumge
wandelt, birgt eine Reihe historischer
Stätten, nn denen wenig bekannt ist.
Aus dem Jahre 1168, also lange vor
der Begründung Berlin's und Köln's,
dürfen wir die älteste Urkunde datiren,
wclche'unS von dem Dominus Jacza de
Copenic berichtet, dem Verwandten der
Pommernsürsten BoguSlaus und Cazi
maris, der damaligen Herzöge von
Stettin und Temmin. Bon die em
Jacza besitzen mir Münzen und eine Chro
nikennachricht, diese sreiltq erst aus vem
vierzehnten Jahrhundert stammend,
wonach er im Jahre 1157 die Stadt
Brandenburg erobert, fie aber bald dar
nach wieder verloren habe. Aus den
Münzen wissen wir, daß Jacza (Jo
hann) von Köpenick ein Zeitgenosse Al
brecht'S des Bären gewesen. Anno 1510
etwa geschah eS, daß der Ritter von
Otterstedt im Jagdschloffe Köpenick an
die Thür deS fürstlichen Schlafgemachs
die kühnen Worte chried: Joaqimken,
höte oy, Wo wi dy krigen, do hängen
wi dy!" Hier weilte der prachtliebende
Joachim der Zweite mit der Anna Sy-
dow. und hier tard dieler ffürst am ä.
Januar 1571. 1631 - hatte Gustav
Adolph, der Schwedenkönig, in dem
Schlosse zu Köpenick sein Hauptquartier
aufgeschlagen. 165 wurde vom Gro
ßen Kursürsten ein alchymistisches Labo-
ratorium, eine Goldmacherwerkstatt, in
dem verfallenen Gebäude eingerichtet.
in dem etnn Für Joachim den selb er-
legten Hirsch auf reich besetzter Tafel
gehabt hatte. Am 15. Januar 172g
schleppte man den Ssldatenkönig Fried
rich Wilhelm den Ersten blutend nach
Schloß Köpenick. Bei einer Jagdpartie
war er von einem Wildschweine stark
vsrwundet worden und hätte sein Leben
eingebüßt, wenn ihm nicht einer seiner
Jäger noch rechtzeitig deigesprungen
wäre. Am 28. Oktober 173 trat im
Wappensaale" von Schloß Köpenick
das Kriegsgericht zusammen, das über
den Lieutenant statte vom Regiment
Genvarmes, sowie über den desertirten
OberstLieutenant Fritz" Urtheil sprechen
sollte. Dieser Wappensaal ist zwei Trep-
I pen hoch und blickt mit seinen Fenstern
aus oie Spree yinaus. iu4 gelang
Köpenick in den Besitz deS Grafen von
Schmettau, 1811 das Schloß wieder in
den Besitz des Staates und wurde 1831
zum Gefängniß degrarnrt. Das Schul-
Ikkrkr.KkMmnr mnrde im slfir 1 H5'2
aus der Stadt Potsdam hierher erlegt,
Das Zopfabschneivtn.
AuS den Seite Comuni", der letzten
deutlchen Sprachinsel auf italienischem
Gebiete, verirrt sich nur selten einmal
eine Nachricht in die italienischen Blät-
ter. In ihrer schwer zugänglichen
Hochebene nördlich von Vicenza führen
die Cimbern", wie sich die Bewohner
der -sette Eomunk selber nennen, od
wohl ihre Abstammung von jenem alt
germanischen Stamme eine Fabel ist,
daS ruhigste Dasein von der Welt.
Verbrechen gehören unter ihnen zu den
größten Seltenheiten, nur eine barba
rische, seltsame und uralte Sitte setzt
von Zeit zu Zeit einmal die Polizei und
den StaatSanwalt in Bewegung.
Diese Sitte besteht darin, daß ein er
rathener Liebhaber seinem ungetreuen
Schatze die langen Zöpfe abzuschneiden
sucht. Wenn ihm dies gelingt, so gilt
er als ein tüchtiger Bursche, or dem
man trotz seine LiebeSunglllckeS gehö--Tigert
Respekt hat. DaS Mädchen hin
gegen ist arg schimpfirt und hütet, wenn
es irgend angeht, so langt daS HauS,
bis ihr dit Zöpfe wieder gewachsen find.
Ueber einen derartigen Fall wird auS
Venedig geschrieben : Bor einigen Ta
gen nun ist eS in Sleze (dem itulieni-
Ichen fleago) wieder zu loiq einem
Zopfadschneidk gekommen. Dem
Bauersohne Anton Pussele war von sei-
nem Schatze, der zwanzigjährigen Anna
Bachtala (Bachtala ist unser hochdeut-
scheS Wachtel) der Lauspaß gegeben
worden, obwohl die beiden schon öffent-
lich versprochen gewesen. Die hübsche
Anna halte rasch inen anderen Anbeter
gesunden und wollte sich in kurzer Zeit
erbtiratben. Vier 4 würd nichts
daraus. Anton begegnete ihr aus der
Hauptstraße von Siege, bekam das
Mädchen an den Zöpfen zu soffen und
schnitt fie ihr, trotzdem Anna wie eine
Wildlatz diß und kratzt, rein ab,
Nun siichen schon seit ein paar Tagen
Sarabinieri, die man auS Bassano her
beigerufen hat. nach Anton Pussele und
den Zöpfen, haben aber bisher weder
den einen noch die anderen gefunden,
und die Anna sitzt zu Haufe und weint
sich die Augen blind.
Unverbefferlich.
Johann, der Hausknecht das Fakta
tum im Hause Müller und Sie. hatte
,sich im Lause der Jahre durch seine
vielseitige Verwendbarkeit, seine goldene
Treue und seinen unermüdlichen Fleiß
eine Vertrauensstellung erworben, deren
er sich wohl bewußt war und sie auch
dazu benlltzte, sich eine und die andere
harmlose Freiheit herauszunehmen,
Dazu gehörte auch, daß er in Geschäfts-
angelegenheilen nie anders als per
Wir" sprach, waS feine Chefs mit
stillem Lächeln hingehen ließen. EineS
Tages aber kam plötzlich ein Schreiben
auSderNachdarftadt Protzhausen, worin
der Compagnon der dortigen Firma
Huber und Söhne" zunächst seinem
Unmuth Luft machte, daß man ihn bei
seinem letzten Besuche mit so wider Er
warten geringen Aufträgen beehrt habe,
und daran die boshafte Bemerkung
knüpste, wenn er das vorausgesehen
hätte, würde er sich ja allerdings rechtzei
tig um das Wohlwollen des Faktotums
Johann beworben haben, der eine ganz
besondere Machtstellung zu genießen
scheine, da er fortgesetzt nur per Wir"
im Geschäfte rede. Die Chefs der
Firma schmunzelten. Weißt Du,"
meinte der Eine, lesen wollen wir's
dem Johann doch mal lassen, vielleicht
wnkt'S!" Sofort wird das ffaktomm
gerufen und ihm der Brief überreicht.
Na?" fragen die Herren, IS er ihn
gründlich studirt hatte. Was sage Sie
dazu?" Pah," entgegnet Johann
stolz, dem geben Wir gar keine Ant
wort !"
tit Tchrist tt Tultans.
Noch heute besteht das amtliche
Schnstzeichen des türkischen Sultans
aus Schriftzügen, die zusammen die
Form einer ausgestreckten Land haben,
Dieses Zeichen rührt von Sultan
Murad I., dem Sohne Urchans, her.
Er sollte im Jahre 1365 den Vertrag
mit der Republik Ragusa unterzeichnen
Der tapfere Sultan hatte aber nicht
schreiben gelernt. Der daraus erwach-
senen Verlegenheit machte Murad schnell
entschlossen ein Ende. Er ließ ein
flaches Gefäß mit Tinte füllen, drückte
seine Handfläche darauf und dann unter
das Pergament: die Unterschrift war
fertig, wenn sie auch nicht gerade sehr
sauber aussah. Man hielt seitdem an
diesem Schriftzeichen fest, nur daß der
Abdruck der Hand mit Buchstaben zier
lich ausgefüllt wurde.
Milltt und Paftcur.
Ter berühmte, aber äußerst eitle und
hochfahrende Maler Millet hatte einen
Pudel, den er über alles liebte. DaS
Thier wurde eines Tages krank und er
hatte die Kühnheit zu Bafteur zu senden,
da er der Anficht war, daß ein gewöhn-
sicher Thierarzt für diesen kostbaren
Hund nicht genüge. Pasteur war über
diese Unverschämtheit zuerst etwas starr.
dann aber nahm er die Sache on der
humoristischen Seite, verschrieb dem
Hunde ein Rezept und sagte beim Fort-
gehen: Ach Herr Millet, Sie haben
wohl die Freundlichkeit, in den nächsten
Tagen bei mir mit heranzukommen! der
Fußboden in meinem Sprechzimmer
muß gestrichen werden."
Mißverstanden.
Bräutigam: Aennchen, was machst
Tu dar
Braut (eifrigst den Notenständer
durchwühlend : Ich suche Händel I"
Bräutigam: Ach laß das lieber bis
nach unserer Verheirathung !"
, Ein Unglücklicher.
.Ach, heernse, ich bin Sie wirklich
een unglücklicher Mensch !
.Warum denn?"
Weil ich Sie nämlich Kraudwurschd
heeße!"
.Na. deshalb? DaS ist doch nicht daS
Aergfte."
Ja, wiffen Sie, das war sie näm
lich mal mein Leibgerichd un da hab'
ich mich dran überessen und kann Sie
jedzd davon nich reden Heeren !"
Deplaciert Redensart.
Professor Stichling, welcher seinen
Mitmenschen gar zu gern etwas am
Zeuge flickt, hat sich dabei die Redens
art angewöhnt: .Anwesende auZge
schlössen ! Neulich aus einer Ballseft.
lichkeit bringt der Wein den Herrn
Professor in so rosige Stimmung, daß
er sogar ein Tänzchen rislirt: Ach,
ruft er am Schlüsse gegen die umstehen
den Damen ganz enthufiaSmirt auS:
ES giebt doch noch schöne Frauen
Anwesende natürlich ausgeschloffen !"
Lntgegenksmmknd.
Reisender: .Schaff.ier, hält der Zug
auf der nächsten Station so lange, daß
man nne Flasche Bier trinken kann?
Schaffner: .Kaum da werd' ich
Ihnen schon helfen müssen!"
Was a macht bat
WaS hat denn Ihr Sohn Fr,
ik
- i v -f 'vw u(iviMi ui niu loeaen eine
auf den Sie s große yoffnungen setzten, Ohrfeige gegeben als ich mich ihr r.ü
... (,,( ci, ..;i,.ui,.,i'ii,. '
ill vcii iuii juiftiii utiiuii iiifiT
milcht?"
93.: Nu, wa hat er gemacht; drei
mal Konkur hat er gemacht."
Vtx Nnwideistcliliche.
Lieutenant (der von einer Dame
einen Korb bekommen): .Aber, mein
Fräulein. Sie werden doch nicht die
Weltordnung über den Haufen werfen
wollen!"
2lii einem Sicimmbuch,
Wir Sachsen liewen B o e s i e !
Liebt er" se nich, so liebt se .sie".
INanöverstudie.
Bei einer Felddienstübung, welche ein
Landwehrbataillon unternimmt, wer
den die einzelnen Kompagnien unter
Aussicht von aktiven Hauplleuten dnrch
LandmehrpremierS gesührt, welche ibre
Besühigung alsKompagniesührerldarle
gen sollen.
Nachdem der Marsch beendet ist. und
die Vorbereitungen zum anschließenden
Gesecht getroffen werden sollen, wendet
sich der Premier an den ihn begleiten
den Hauptmann mit der ängstlichen
Frage: WaS soll ich nun machen r
Daraus der vaupimann mit überlege
ner Miene: Nun. Herr Premier, neh
men Sie eine Aufstellung und war
ten Sie, bis Sie angeschnauzt werden !"
Macht in Seivohnheit,
A (bei einer Festtafel, wo viele Trink
spräche ausgebracht werden): Merk
würdig, daß unser berühmter Verthei
biger, der Rechisanwalt Lümmle, gar
keinen Toast ausbringt !"
V : Der traut sich hier nicht der
muß ja bei jeder Rede weinen !"
Gesährlichn Entlusiasmus.
Richter : ES ist erwiesen, daß Sie
den Kläger auf den Kopf geschlagen ha
den, und daS dazu noch in einem voll
besetzten Theater ! Haben Sie etwas zu
Ihrer Entschuldigung anzuführen?"
Angeklagter: Das Stück war so
schön, Herr Richter, daß ich enthusiastisch
Beifall klatschen mußte, und da kann's
schon sein, daß mir zufällig der Kopf
meines Vordermanns zwischen die Hände
gekommen ist !"
Schadenfroh,
Wo steckt denn heute unser Freund
Adolar?"
O wenn Sie wüßten, was dem
passirt ist !. . Der ist mit meiner Frau
durchgegangen !"
Im Zweifel,
Vater der Braut : Mit zwanzigtau
send Mark Schulden wagen Sie es, um
die Hand meiner Tochter anzuhalten?"
Bewerber : Wünschen Sie mehr oder
weniger?"
Zmmcr Pädagog.
Herr Schulze hat Sie also als
Schwiegersohn acceptirt?"
Gymnasiallehrer: Ich habe die Auf
nahmeprüfung bestanden."
Modeme Gcmäldc.
Maler (zu seiner Aufwärterin):
Aber, Ursula, ich habe Ihnen doch ge
sagt, Sie sollen mir die Leinwand, auf
der ich immer die Farben Probire, auf
den Boden schaffen, und unterdessen ha
ben Sie mir mein neuestes Gemälde auf
den Boden geschafft !"
Aufwärterin: .U, jegerl! Gnä'
Herr, ist schon möglich, man kann'S
halt gar so schwer von einander unter
scheiden !"
wie das Volk spricht.
Mir kommt ein eigen Grauen an
bei diesem Segen," sagte der Schneider
Zwirn, da schenkte ihm feine Frau
Drillinge.
Lr weiß sich zu helfe. '
Arit ! . 9W Tim innn h(lr(n
Sie Abends nicht mehr so lange knei
pen!"
Patient: DaS werd' ich befolgen,
ich kann ja Nachmittags zwei Stunden
früher ins Wirthshaus gehen !"
Vorsorge, .
Fräulein (mit den Warhrrtiitmntn
für die Geburtstagsfeier beschäftigt):
.Wir können uns also darauf verlassen,
daß Sie diesen Abend kommen."
Student: .Selbstverständlich; ich
habe sür morgen früh schon einen sau
ren Hering bestellt!"
tlindermnnd,
Mutter (beim Buckbändler
weiß nicht, kaufe ich Papa da? Buch in
Kaliko oder in Schweinsleder gedun
den?"
Tie kleine Ella : .staut' ti ifim nck
in 'Schweinsleder Papa, ißt ja
Schweinebraten sehr fern !"
kin I?ieb.
Alte Iunaier ibeim Tin-r , ;..,m
frtrrnl: Vrolit Gin nnw fmni
macht wieder jung !"
verr : '.?ta, a trinken Sie nur recht
fleißig '."
Durlbsckant,
Lebemann : .Seien Sie verfichert.
Herr ommerzienrath. ich würde Ihre
Tochter Zeit mein,? Leben auk den
Händen tragen !" .Ei Kunststück l
Herr Baron, nachdem ich Ihnen aus die
Beine geholfen habe !"
Nette Ansm,
t,, . t.i .. i .
I jriir.
,Ab. aihtn Yint in mi l
da! Mädchen ist och so schrecklich schüch-.
lern!"