Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 18, 1897, Image 10

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    Tausend Silberg.tlden."
SrzSHIg von M a r v, W e i b k t h r ,
Tausend Silbergulden Belohnung
Demieniaen. welcher im Stande in,
von Ugo Guinaldi Mittheilung ' zu
aeben, die leine Verba tuna ermögilqi.
Solckie Vlalate waren an den
StraKenecken der Stadt und auf dem
Lande bei'm Gerichlsgebaude und bei
den WirtbSliäu ern angebracht; in
' schlechtem Sokschnitt sah man auch da
neben das Bildniß des von der Behörde
Verfolgten und konnte sich die Thatsache
nicht leicht verhehlen, m es rn schöner,
intereffanter Mann fei.
Zur Zeit der revolutionären Be
meaunaen im Lombardilchen war es,
wo Ugo Guinaldi eine bedeutsame Rolle
gespielt hatte; man oeyaupreie, er nein
sei es gewesen, welcher das Volk gegen
die Regierung ausgewiegelt, er wurde
als Landesverräther betrachtet und war
als solcher dem Galgen verfallen. Tau
send Silbergulden hatte man auZge
schrieben, um sich seiner zu versichern; er
war, so glaubte man wenigstens, in
einem der letzten Scharmützel zwischen
dem Militär und dm Insurgenten ver
wundet worden; eS hieß, dqg er in der
Nähe von Valvason irgendwo verborgen
sei, und an dem epheuumrankten
fctMnbKnrint ttwfAfS 111 JltT RkslKlINN
wMf.vpv""", 0- -rv"B
der Grafen von San Vito gehörte,
sowie an der Wirlhshauspforte waren
die oben erwähnten Plakate mit feiten
Lettern angeschlagen.
Die Dorfbewohner standen umher
und lasen diese Plakate; besonders jene
hatten es sehr wichtig, die. auf dem
Heimwege vom Markt begriffenen, mit
offenem Munde zu den buntfarbigen
Zetteln empor blickten, welche sie, des
Lesens unkundig, doch nicht so recht ent
ziffern konnten. Sie mußten sich damit
begnügen, den Holzschnitt anzusehen,
bis irgend Jemand sich ihrer erbarmte
und ihnen den Tezt dazu vorlas.
Dann schwirrten natürlich die ver
schiedenften Bemerkungen über den In
halt des öffentlichen Anschlages durch
die Luft; vorherrschend war die Ansicht,
daß die Summe eine recht namhafte sei
und der Mann zu beneiden wäre,
welcher sich dieselbe zu verdienen wüßte.
simirh ISr nnr spin TOilft fniW
Onorina, Deinen Zins zu bezahlen,
wenn Du jenes Burschen habhaft wer
den könntest !" sprach ein altes Markt
weib zu einem ernsten Mädchen, das in
ihrer Nähe stand. ;
.Ja, gut thäte eS mir schon, aber ich
möchte mir das Geld doch nicht verdic
nen, möchte einen Mann nicht zu Tode
hetzen, der muthig seine Ueberzeugung
vertritt; er hat kein Verbrechen began
gen, und ich will lieber arm bleiben,
als einem Mitmenschen zum Galgen
verhelfen!"
Ja, ja, schöne Worte das Du
brauchst auch kein Geld, weil Dein
Vetter Toni Dich heirathet!" lachte
das alte Weib, und die Umstehenden
lachten mit, während daS ernste Müd
chen sich mit thränenfeuchtem Blick ad
wandte.
Langsam schritt Onorina dahin; nach
einer Weile fuhr sie sich mit dem
Taschentuch über die Augen; denn,!
wenn sie nach Hause kam, sollte ja die
Mutter die Thränen nicht seyen. AIS
sie ein Stück WegeS gegangen, öffnete
sie eine weiße Gartenpforte und schritt
über einen bekieften Weg einem zier
lichen Haufe zu. ES stand am Eid
gange deS Dorfes und hatte an der
einen Seite ein paar bescheidene Wirth
schaftsGebäude, welche offenbar dazu
gehörten was aber in der Wirthschast
geleistet werden mußte, das ruhte jetzt
Alles auf Onorina'S jungen Armen;
denn die Tage deS Wohlstandes hatten
aufgehört zu fein, seit der Vater gestor
den, und das arme Mädchen hatte
genug zu thun, wenn es die Kuh füt
terte, den Garten nach besten Kräften
pflegte und die kranke Mutter wartete,
s gut eS eben gehen wollte.
Traurig dachte Onorina über all'
Das nach und fragte sich besorgt, wo sie
das Geld für die nächste halbjährliche
Miethe werde hernehmen sollen; zu
Michaeli sollte dieselbe bezahlt werden.
Plötzlich zuckte sie zusammen, denn eS
war ihr, als habe sie im Buschwerke,
knapp neben sich, vernehmlich seufzen
gehört den Athem anhaltend, horchte
sie ja, da war eS wieder, dasselbe
Geräusch, daS mehr einem Stöhnen,
wie einem Seufzen glich. Onorina
aalt als das muthigste Mädchen im
Dorfe, weil sie im Dunkeln allein nach
dem Kirchhofe ging, aber trotz ihres
Rufes blieb sie mit ängstlicher Scheu
flehen und horchte.
Xie sonne war schon vor einer
Stunde untergegangen, tiefe Stille
herrschte umher: so diel aber stand fest.
daß sie nicht in'S HanS zurückkehren
durfte, bis sie nicht wußte, woher dieses
Seufzen und Stöhnen herüberklinge.
Und so rosste sie denn ihren ganzen
Muth auf. bog die Zweige auseinander
und sah in daS üppige Buschwerk hm
ein. Zu ihrer Erleichterung bemerkte
tu, daß nur in einzelner Mann da
kauere, offenbar ein Verwundet, denn
er trug den einen Arm in der Schlinge;
ein weißes Tuch, an dem sich Blutflecken
zeigten, war um seinen Kopf gewickelt;
mit den Augen eine! gehetzten Wildes
blickte er auf das junge Mädchen, und
dieses zuckte einen Moment ängstlich zu
lammen, dann ab trug das Erbarmen
über die Hülflofigkeit bei Mannes den
Eieg davon und, sich zu ihm nieder
beugend, fragte sie:
.Seid Ihr krank al fehlt Cuch?'.
Der Mann richtete sich mühsam auf
dem Elldogen empor und sprach leise:
.Tritt näher in die Büsche, sonst sieht
man von der Straße aus, daß Du mit
mir sprichst!"
Und was liegt da weiter daran ?"
fraate Onorina achleliuckend.
Der Mann lachte leise, dann sprach er:
Was daran liegt? Man wird mich
hängen DaS ist Alles ; vielleicht tti!
Du'S den Leuten sagen und die tausend
Silbergulden verdienen! mir ist nicht
viel weiter daran gelegen; ich war irre
geleitet, mein Leben ist ein verfehltes !
Nur, um aller Heiligen willen, gieb mir
erst emen Trunk Waffer!"
Die Erwähnung der tausend Silber
gülden ließ daS junge Mädchen sofort
an jenes Plakat denken, aber sie sagte
Nichts, fondern lief in das Haus und
kehrte gleich daraus mit einer Milch
kanne' zurück. Ihre Mutter lag zu Bett
und zwar oben in der Mansardenstube,
und so brauchte sie Niemand Rede und
Antwort zu stehen. Nachdem der Mann
die Milchkanne an die Lippen geführt
und dieselbe fast auf einen Zug geleert
hatte, sprach Onorina ruhig :
Seid Ihr Ugo Guinaldi, der auf
die Soldaten geschossen und die Ka
serne.in San Onofrio in Brand gesteckt
hat!.
Wer sagt Dir Das r
Eine innere Stimme; aber Ihr habt
von mir Nichts zu fürchten, ich werde
Euch nicht anzeigen; wie seid Ihr hier
her gekommen?"
Der Mann schwieg still, ohne seine
Identität zu leugnen oder zuzugestehen.
und Onorina fragte ihn zum zweiten
malt ; jetzt erst antwortete er :
Ich habe mich tm Walde von 'an
Vito versteckt, aber dort bin ich auch nicht
mehr sicher, denn ein paar Kindersahen
mich und zeigten mich an; nun wird
überall gefahndet nach mir. Heute
Nachmittag habe ich mich über die ml
der hierher geschlichen, aber es gebrach
mir an Kraft, weiter zu ckommen ; er
schöpft sank ich hier zusammen und sagte
mir, ich wolle bleiben und warten, ob
der Zufall mir ermöglichte, daß ich ei,
nen Trunk bekomme. Schon wollte ich
nach dem Hause gehen und an die Barm
Herzigkeit der Menschen appelliren, welche
dort wohnen; plötzlich aber erfaßte mich
wieder die Angst, und ich verbarg mich
gier im Bu chwerk."
Ein Glück, daß Ihr es gethan! Ein
Glück daß Ihr nicht angepocht," rief
Onodina, denn Mutter hüte Euch ganz
gewiß ausgeliefert! Sie ist sehr erbittert
gegen die Insurgenten! Ihr aber seid
Iran! und bedürft der Pflege.
Das Mitleid, daS aus ihren Augen
sprach, brachte einen feuchten Schimmer
in die seinen.
Du thust besser daran, Kind, wenn
Du mich meinem Schicksal überlässest
und Dir das Geld verdienst. Ich sah
das Plakat, al! ich über die Felder
flüchtete, an einer Gartenmauer ange
bracht."
DaS Mädchen .schüttelte verneinend
den Kopf. ,
Um den Preis eines Menschenlebens
will ich mir kein Geld verdienen, aber
hier dürft Ihr nicht verweilen. Wird
Euch das Gehen beschwerlich?"
Ugo lächelte melancholisch.
Ein wenig, ja. Ich fühle, daß ich
dem Ende nahe bin. UeberdieS wüßte
ich auch nicht, wohin ich gehen sollte!"
Ich wollte, ich könnte Euch in'S
Haus bringen zu uns aber Mutter
würde den Nachbarn bald AlleS offen
baren!"
,,Jch danke Dir!" sprach der Ver
mundete; eS that ihm so wohl, nachdem
er eine Woche lang eS gemieden hatte,
Menschen zu sehen, und von ihnen ge
hetzt worden war, als sei er ein seltenes
Wild, nun plötzlich den Ausdruck deS
Mitleids und des Erbarmens in einem
Paar menschlicher Augen zu begegnen.
Laß mich ruhig hier liegen, ich werde
mich vielleicht erholen, der Trunk hat
mir sehr wohl gethan, und bei m Mo
gengrauen mache ich mich dann wieder
aus den Weg."
Nein, hier bleiben dürft Ihr nicht!
Ihr habt jetzt schon Fieder. und wenn
Ihr die ganze Nacht da außen liegt, ist
oas Euer heueret Tod.
Ich bin daran gewöhnt." sprach Ugo
ulnaldi mit so wehmüthigem Lächeln,
daß daS Herz deS inngen Mädchens da,
durch auf deS Schmerzlichste berührt
wurde.
Ihr sollt auf dem alten Heuboden
uver dem Stall eine Unterkunft finden,
wenn Ihr dort hinausklettern könnt."
sprach sie plötzlich. Kommt, ich will
euch veduifllch setn!"
Onorina lief noch einmal zu der
Gartenpforte zurück, um sich ,u über,
zeugen, daß Niemand des WegeS daher
komme, dann ihn halb in ihren starken
Armen empor pedend, hals sie dem
Mann das kleine Stück WegeS zurückzu
legen.
Ihr findet genug Stroh oben, um
darauf liegen zu können, wenn ?bt
nur im Stande seid, über die Leiter
hinaus zu klettern, sprach sie, und
eilte dann in da? Haus voran, um
Waffer zum Waschen der Wunden zn
zu holen.
Ugo Guinaldi'S Augen folgten jeder
Bewegung des Mädchens, als ob sie ein
Engel gewesen wäre. AIS daS häßliche
Tuch von feiner Stint entfernt war.
da! trockene Blut von den Schlafen ge
waschen, da konnte Onorina nicht um
hin, ibrem Patienten mit lebhaftem
Interesse in die Augen zu sehen: denn
trotz der abscheulichen Wund.' die ihn
entstellte, war Ugo Guinaldi doch ein
schöner, zugn Mann mit krausem.
schwarzem Haar und kühn gebogenen,
üppigen Augenbrauen.
Aus rein weiblichem Mitleid mit fei
nem hülflosem Zustande hatte Onorina
ihm beigestanden; nun aber, als der
wilde, angstvoll gehetzte Ausdruck seiner
Züge einein Lächeln der Dankbarkeit
Platz gemacht, begriff das Mädchen.
das jetzt, wo sie diesen Mann pflegen
und verbergen könne, ihr das Leben
mit einem Male inhaltsvoller erscheine,
als eS ihr um eine stunde früher bor
gekommen.
Nach einer Weile, nachdem sie ihren
Schützling sorgsam auf dem Stroh ge
bettet, kehrte Onorina zu ihrer Mutter
zurück und entschuldigte sich wegen ihrer
späten Heimkehr; die alte Frau aber
wunderte sich, wie leichtfüßig Onorina
heute ihrer häuslichen Arbeit nach
komme.
Kind, Du siehst ja glücklicher aus,
als es sechs Monate lang der Fall ge
mesen. Gewinnst Du Deinen Vetter
Toni lieber? Er ist ein ehrlicher, guter,
großmüthiger Bursche, verspricht auch,
meine Schulden zu bezahlen, wenn Tu
nur erst verheirathet bist! Jammer
schade, daß er Teinem Herzen nicht
näher zu stehen scheint !"
Wenn der alten Frau daran gelegen
war. daS Klücksemvkinden in dem .fttr.
zen ihrer Tochter auszulöschen, hatte ihr
dies in gar keiner Weife besser gelingen
können, als fo. Bei der ersten Nennung
des Namens ihreS Verlobten war
Onorina wieder ernst und bleich gewor
den der gleiche Ausdruck der Trauer
trat in ihre Augen, welcher dieselben
gekennzeichnet hatte, als sie noch im
Dorfe das Plakat gelesen. Und dieser
Ausdruck wich auch erst am späten
Abend, als ihre Mutter schon schlief
und sie durch den Hof dem Heuboden'
zuschritt, eine Schüssel mit Milch und
Brod in der Hand tragend.
Onorina und Ugo Guinaldi fanden,
daß die Tage sehr rasch vergingen; der
Mann erholte sich zusehend? bei der
Pflege deS Mädchens; mit allerlei
Hausmitteln hatte sie seine Wunden
ersorgt, und dieselben heilten. Nie
mand beachtete die häufigen Gänge
Onorina's nach dem Heuboden, und
ihr Kommen war stets der einzige
Lichtstrahl in Ugo Guinaldi's trübem
Dasein; zuweilen humpelte die kranke
Mutter des Mädchens auf eine oder
zwei Stunden in den Hof hinab und
hinderte so einem Besuch aus dem Lew
doden. Einmal sogar fügte es sich, daß
sie die Tochter mit einer leeren Schüssel
m der Hand über den Hos schreiten sah,
aber das Mädchen hatte rasch eine Er
klärung zur Hand. Gefährlicher ge,
staltete sich die Situation, als Tonio
eine Tages seine Braut besuchte und
ihr in den Stall folgte, ehe sie es be
merkte; von da an war Onorina doppelt
vorsichtig und ging nie nach dem Heu
boden, ohne sich vorher genau umzu
sehen und sich zu überzeugen, ob die
Mutter schlafe. Die Sorge für ihren
Kranken wurde bald das interessanteste
Ereigniß ihres Lebens.
Es gab aber auch noch andere Tinge,
welche daS Mädchen ernstlich bekümmer
ten, so daS Herannahen deS Zinster
minS; feit einem Jahre schon war man
dm Zins schuldig, und wenn man dies
mal nicht bezahlen konnte, hatte der
Hausherr hoch und theuer geschworen,
daß Onorina und ihre Mutter auch
nicht einen Tag länger im Hause ver
weilen sollten. Die arme Onorina
wußte ganz gut,' daß das erforderliche
Geld sich nicht auftreiben lasse, wenn sie
nicht Tonio heirathe, der versprochen
hatte, als Morgengabe für feine Braut
diese Schuld zu bezahlen. Selbst bevor
sie Ugo Guinaldi kennen gelernt, hatte
Onorina eine Heirath mit ihrem rohen
Vetter verabscheut jetzt dünkte es sie
geradezu unmöglich, sich mit diesem Ge
danken vertraut zu machen. Und doch
wußte sie, daß, wenn sie sich nicht
opfere, der Meierhof verkauft und ihre
alte Mutter heimathlos auf die Straße
hinaus geworfen werden würde. Nur
die kindliche Liebe für diese Mutter war
es ja, welche daS Madchen dazu veran
laßt hatte, die Einwilligung zu dieser
Heirath zu geben; sie wußte, daß es daS
Herz der alten Frau, brechen werde,
wenn sie gezwungen werden sollte. daS
Heim zu verlassen, in dem sie von
Jugend auf geweilt.
Je näher der Michaeli Termin
heranrückte, desto mehr zeigte sich in
Onorina'S Zügen tiefe Betrübniß und
Erregung. Ugo Guinaldi, der von
Tag zu Tag kräftiger wurde, bemerkte
dieselbe auch; aber eS währte lange, bis
er daS Mädchen dazu brachte, ihm die
Ursache ihrer Blässe und ihreS verstörten
Aussehens zu errathen. Als sie ihm
endlich all' ihre Sorgen offenbarte,
lauschte er ihren Worten mit unzetheil
km Interesse.
' Tu darfst jenen Mann nicht heira
then !" sprach er bestimmt DaS war
aber auch AlleS! Onorina hatte von
ihm mehr Theilnahme erwartet, sie
fühlte sich ein wenig verletzt, als Ugo
umaldi aber das nächste Mal ihren
Besuch empfing, kehrte er wieder auf
daS Thema zurück, und eS machte den
Eindruck, daß er ernstlich über dasselbe
nachgedacht haben müsse, feit sie zuletzt
dagewesen
Würden sünshundert Silbergulden
genügen, um Eure Schulden zu bejah,
len, und Dich davor reiten. Deinen
Vetter heirathen zu müssen?" fragte er.
DaS Mädchen schlug die Bände lu-
sammen.
Fünfhundert Gulden mein Gott.
damit könnten wir uns ja auch eine!
zweite Kuh kaufen und wären davor
gesichert, nicht so bald wieder in Der
legenheit zu gerathen; wo aber sollte ich
sünthundert Gulden hernehmen?"
Ich habe selbst kein Geld bei mir.
sprach Ugo Guinaldi langsam, aber in
San Onofrio habe ich einen Freund,
der. wenn mich Nicht Alles . tauscht,
Dir daS Geld geben wird, wenn ich
ihm einen Brief schreibe, ihn darum zu
diiten."
" Ihr sagtet aber. Ihr hättet keine
Freunde in der Umgegend!" rief Ono.
rina, die Augen weit aufreißend bei dem
bloßen Gedanken an die Möglichkeit,
daß ihr ein so namhafter Betrag gedo
ten werden könne. Es klang wie ein
Märchen, und athemlos hörte sie zu, wie
Ugo (uinaldi fortfuhr:
Mein Freund würde mir zur Flucht
nicht behülflich sein, aber ich denke, daS
Geld weigert er mir nicht. Kannst Tu
mir Feder, Tinte und Papier verfchaf,
fen. damit ich diesen Brief schreibe?"
Onorina selbst benöthigte niemals
Feder und Tinte, das Schreibmaterial
mußte Alles aus dem Dorfladen herbei
geschafft werden, und Ugo Guinaldi
verwandte einen ganzen Morgen dazu,
um den Brief so, wie er ihm richtig
dünkte, zu schreiben. Am Nachmittag
gab er ihn seiner treuen Pflegerin.
Bringe diesen Brief dem Kavalier
Giovani Galli in San Onofrio und
sage ihm, daß Du auf das Geld warten
wollest."
Den Eavalien Giovani Galli dem
Gerichtsrath? Wird Das aber nicht ge
föhrlich fein, Ugo?"
Der Mann schüttelte den Kopf. ,.
Nein, Kind ; Du brauchst ihm nicht
zu sagen, woher Du diesen Brief hast,
oder erwähnst Du einfach, ein Mann
habe Dir denselben im Walde von Val
vason gegeben."
Onorino nieste und nahm den Brief
in Empfang.
Willst Du mir nicht einen Kuß da
für geben, mein Kind." fragte Ugo,
und Onorina erröthete bis an die Haar
wurzeln.
Ich habe daS Geld 1a noch gar nicht
in Empfang genommen," sprach sie mit
verlegenem Lachen.
Aber ich glaube, dan Tu Testen ge
miß sein kannst, jedenfalls that ich mein
möglichstes! Einen Kuß für meinen gu
ten Willen, Onorina! Wer weiß, ob ich
hier bin, bis Du zurückkehrst!"
Du Erinnerung an die stete Gefahr,
in welcher der Terfehmte schwebte, rührte
sie, und sie bot keinen Widerstand, als
er seinen gesunden Arm um ihre Schul,
ter schlang und sie innig auf den Mund
küßte.
Leb' wohl, mein Kind!"
Leb' wohl, Ugo!" In Onorina'S
Augen standen Thränen, ohne daß sie
gewußt hatte, weshalb, als sie von dem
düsteren Heuboden herabstieg in den
bellen Sonnenschein deS Hofes. Ihrer
Mutter gegenüber fand sie eine Ent
schuldigung sür ihren AuSgang und zog
ihr bestes Sonntagskleid an, als sie sich
auf den Weg machte nach San Ono
frio. Dort angelangt, ging sie geraden
WegeS auf das schöne stattliche HauS
zu. in welchem der Gerichtsrath Galli
lebte. Sie gab den Brief ab und wurde
in ein elegantes Gemach geführt, indem
man ihr Wein und Fleisch präseniirte.
Onorina aber war zu schüchtern, um
etwas zu sich zu nehmen, obgleich der
heiße, staubige Weg sie müde gemacht
und sie lange in dem stillen Zimmer
warten mußte. Gegen Abend erst trat
der Eavaliere Galli, ein dicker Mann
mit rothem Gesicht, in daS Gemach.
Ihre Mittheilungen sind richtig be
funden worden, wollen Sie das Geld
gleich mit sich nehmen ?"
Wenn ich bitten darf !" antwortete
Onorina knicksend, odschien sie nicht
wußte, von welchen Mittheilungen er
sprach..
Der Gerichtsrath legte eine Rolle
Geldstücke vor fte auf den Tisch.
Sie thun besser daran, nachzuzählen,
um sich zu überzeugen, ob die Sache in
Richtigkeit ist!" sprach er, aber das arme
Kind war viel zu nervös und zu be
sorgt, zurückzukehren und dem Manne
zu danken, durch den ihr so unverhoffter
Reichthum wurde, als daß sie sich Zeit
genommen hätte, das Geld zu zählen.
,e steckte eS hastig ein und wandte sich
nach einem erneuten Knicks der Thüre zu.
Geben Sie Acht, daS Geld nicht zu
verlieren!" rief ihr der llavaliere nach
Onorina war eS, als schwebe sie im
Traume dahin. Der arme, verwundete
Flüchtling, den sie gepflegt und genährt,
war ihr plötzlich zum Feenprinz gewor
den, und hastig eilte sie heimwärts, nur
darauf bedacht, ihrem Wohlthater zu
danken.
Als sie endlich das Häuschen er
reichte, in welchem ihre Mutter wohnte,
kletterte sie haftig vor Allem auf den
Heuboden.
Ugo!" sliislerle sie leise ader leine
Antwort erfolgte, und als ihre Augen
sich an die Finsterniß gewöhnten, sah
sie, daß der Boden leer war. Besorgt
kletterte si . wieder hinab, da bemerkte sie
unten auf der letzten Stufe der Leiter
Blutspuren.
Zitternd lief sie in'S HauS und be
gegnete ihrer Mutter auf der Schwelle
der Küchenthüre.
O, Tu haft ein großartiges Ereig
niß versäumt denke Tir nur, Ugo
Guinaldi. der Landesverrätber, war
auf unserem Heuboden versteckt! Kaum
zwei Stunden, nachdem Tu fortgegan
gen. kamen die GerichtSleute und suchten
ihn."
.Und haben sie ihn verhaftet?"
fragte Onorina leise.
Richt lebend er riß einem der Po
lizeisoloaten daS Gewehr aus der Hand
und hat sich selbst erschossen doch, waS
ist Tir. Mädchen ?"
'
Als Onorina am Abend, von einem
plötzlichen Gedanken erfaßt, das Geld
zählte, welches Ugo Guinaldi'S
Freund" ihr gegeben, fand sie, daß ei
nicht fünfhundert, sondern tausend Sil
bergulden seien.
Die
letzten Zttittdett eines
Ver
urtheilte.
Bon H a r o l d ff i d.
Mein Schicksal ist besiegelt," sagte
er, und sllr mich giebt eS keine Hol
,1;
nung mehr, ich mu ad chiieken m
meinem Leben. In wenigen Stunden
ist Alles vorüber, aber seid versichert,
meine Freunde, daß ich niemals ge
glaubt hätte, es könne so weit mit mir
kommen."
Wir haben ja auch nie an Deiner
Unschuld gezmeiselt, sagten Mir, und
Du siebst. eS verläßt Dich Keiner von
uns in dieser schweren Stunde, darum
zeige Dich als ein Mann "
Oh", unterbrach er uns, ich fürchte
mich ja nicht. Ob früher oder später,
einmal muß eS ja doch sein, und auf
das wie" kommt es nicht an ! Nein,
es ist also nicht Furcht, aber ein seit
sameS Gesllhl, eine schauernde Frage,
wie wird eS dort sein,' in dem anderen
Leben?" Und er fiel in dumpfes
BrUten.
Wir thaten alles Mögliche, um unse
ren Freund, der jäh und auf so grau
saine Art uns entrissen weröen sollte.
wieder aufzurichten. Jeden Wunsch
suchten wir ihm förmlich von den Augen
abzulesen.
ttomm", sagten wir. sieh , wir
haben Dir daS Beste gegeben, was wir
Dir bieten können, und wir zeigten auf
die Speisen, die zu ihm hereingebracht
worven waren und die seine Lieblings
speisen waren.
Er schauerte zusammen.
Die Henkersmahlzeit !" flüsterte er.
Dann setzte er sich, seine Muth und
Hoffnungslosigkeit gewaltsam abschüt
telnd, zu uni und aß. Aß, wie einer,
der nicht weiß, was er thut. Maschinen
mäßig säst. Dann schob er die Teller
zurück und holte ein Tina aus der
Tasche, ein Ding sag' ich Euch, . . . doch
warum oll ich S Euch nicht sagen: seine
Pfeise. '
Wehmüthig betrachtete er sie.
Seht Ihr. JungenS." sagte er,
nichts wird mir so schwer. IS der Ab
schied von dieser meiner Freundin, die
mir so oft in schweren Stunden eine
Trösterin gewesen. Meine letzte
Pfeife!" Und eS war. als zitterten
Thränen in seiner Stimme nach. Die
letzten Rauchwolken, die ich ihr entlocke !
Site letzten !"
Mir seieriiqer Wehmuih sieaie er
seine Pfeife in Brand, mit feierlicher
Anvachk zog er den Rauch in ftch ein
und slietz die Wolken langsam von sich.
als könne er ftch nur zögernd davon
trennen. Er wurde bleich und feine
ippen zitierten.
Die letzte Pfeife I" kam es stöhnend
aus seiner Brust, und plötzlich wie
eS kam, ich weiß eS nicht aber plötz,
lich entglitt die Pfeife seinen Lippen -
sie fiel, und in Scherben lag sie auf
oem voen i r aber starrte aus diese
Scherben mit einem Blick, den ich nie
vergessen weroe.
Dann stand er auf. Mit einer Sand
fuhr er sich glättend über die Stirne
und durch das wirre Haar.
Das ist der Anfang vom Ende,"
flüsterte er und streckte uns feine Hände
entgegen, die wir erschüttert ergriffen
und drückten
Am nächsten Morgen trat er den
schweren Gang an. Er war blaß und
gefaßt. Der Priester ging ihm zur
Seite und redete liebevoll auf ihn ein.
Wir folgten. Noch einen beredten Blick
warf er uns zu.... den Abschied für
ewig, dann stieg er die Stufen hinan
die Stufen zum Altare und ließ
sich mit Miß Meredith trauen
Hn schlauer Professor.
Im Magdalenen Gymnasium zu
D. läutete der alte Schul Pedell die
sogenannte grosze Frühstückspause an.
Aus lamminqen lassenzimmern
scholl sofort der übliche Lärm und die
gestrengen Henen Professoren begaben
sich iqieunign in vaz ehrwürdige Leh,
rerzimmer. um, bei anregendem Ge
sprach die mitgebrachten Buitersem
meln verzehrend, sich für die noch vor
ihnen liegenden Unterrichtsstunden u
stärken. Draußen wirbelte der Schnee
in dicken Flocken, drinnen im Zimmer
war es behaglich warm und die in der
Nähe der Feuerung sich benndenden
Platten des alten, eisernen Ofens
waren dank dem reichlich zur Verfügung
stehenden Brennmaterial rothglühend
geworden.
Sinnend stand der klassische Philo
soph, der grundgelehrte Tr. Stiefel,
vor dem Ösen und starrte ihn undeweg
lich an.
.Na Stiefel." sagte der Mathema
tiker und Phzsiklehrer, der gesürchtete
Professor Schnauzer. Tu freust Tich
wohl über die rothglühenden Tinger
da?" I
.Gewiß." sagte Stiefel. eS ift aan,
kolossal. Da Zeug muß ja ganz ent
setziiq vtiB lein.
Nicht halb so schlimm.' entgegnete
Schnauzer, wenn Tu mir eine Mark
giebst, lecke ich daran."
Stiefel sah ihn mit großen Augen an.
.Ich wiederhole Tir. wenn Tu mir
eine Mark giebst, lecke ich daran." ,
Stiefel'S Augen wurden immer
größer, er schaute mit einem gewisse
Grause auf den kühnen Kollegen.
Inzwischen halten die anderen Sol
legen, aufmerksam geworden, eine
KreiS um Beide gebildet.
Wenn Du mir ein Mari giebst,
lecke ich daran," sagte Schnauzer beden
tnngSvoll zum drittenmale.
Im Innern deS äußerst sparsame
Stiesel wogte ein heftiger Kampf. Aber
schließlich siegte doch die Neugierde über
die Sparsamkeit.
.DaS möchte ich doch sehen," sagte
er, langte eine Mark aus der Tasche
und übergab sie Schnauzer.
Schnauzer nahm dieselbe und leckte
an der Mark.
Und mit den Worten: Die soll
mir bei'm Abendschoppen wohl thun,"
steckte er sie vergnügt ein und verließ
mit einem teuflsichen Lächeln das Zim
mer, den ganz bestürzten Stiesel unter
den laut lachenden Kollegen zurücktas.
send.
Der Elephant im Theater.
Auf dem Theater zu Marseille pro
duzirte sich im Jahre 1833 der Elephant
Kiouny, welcher auch in Paris und
Lyon große Sensation gemacht Int.
Dieses Riekentheir war Eigenthum der
Gebrüher Maffey. Wie sie es angefan
gen, ihn für das Theater auszubilden,
haben sie in einem Buche beschrieben.
DaS Stück, worin Kiouny auftrat,
führte den Titel: Kiouny, der der
Elephant und der Page." und eS hatte
nur insofern Werth, als es die wunder
bare Gelehrigkeit des gewaltigen ThiereS
darthat.
Die schwersten und schönsten Leistun
gen Kiouny's waren erstlich die Be
freiung seines Herrn aus dem Thurme,
wobei er ihm eine Feile hinaufreicht und
dem schlafenden Wächter auf sehr listige
Weise die Schlüssel stiehlt; sodann war
der Tanz deS schwerfälligen ThiereS in
dem Hochzeitsreisen, sein Kampf mit
der Schlange und sein Niederfallen unter
dem Gewehrfeuer der Verfolger beson
derS bewunderungswürdig. Die schönste
und rührendste Szene aber war unstrei
tig die deS letzten Aktes, wo seine Herrin
jammernd ihr kleines Kind- suchte, das
sie im Walde verloren. Da erscheint im
Hintergrunde der treue Kiouny. Mit
seinem Rüssel trägt er das Mädchen,
das nach der Mutter ruft. Ein Bach
hemmt des Elephanten Schritt, er reibt
einen Baum aus der Erde, legt ihn als
Brücke über das Wasser, schreitet auf dem
schwachen Steg hinüber und legt das
Kind in die Arme seiner Mutter. Ein
langn, rauschender Beifall folate diesem
Kapitalstück. Das Riesenthier trat einige
Schritte vor und schaute das Publikum
mit seinen klugen Augen an. ES schien
gar wohl eine Ahnung zu haben, daß
der stürmische Applaus der Menge ihm
galt.
Kiouny'S ganze Darstellung war
tresflich; immerhin erschien er zu rechter
Zeit auf der Bühne und trat allein auf
und ab, ohne Führer, blos dem Zuge
feines getreuen Gedächtnisses folgend.
Nur einmal erlaubte sich das tteue
Thier zum Scherz ein wenig zu extempc
risiren. Es näherte sich dem Musik
Direktor, der auf , seinen erhabenen
Standpunkte gravitätisch den Takt
schlug, guckte in sein Notenbuch und
schien nähere Bekanntschaft mit ihm
machen zu wollen. Der Musikdirektor,
über den unerwarteten Besuch ein wenig
verblüfft, versetzte dem neugierigen,
großnafigen Herrn mit dem Fiedelbogen
einen Klaps aus den Rüssel. Zum Glück
nahm der Elephant diese Zurechtweisung
mit guter Art auf und ließ den unhöfli
chen MufikuS ferner ungeschoren.
ule nftcllung.
Der österreichische Staats Kamler
Fürst Kaunitz machte einst eine Reise
durch Baiern und mußte mehrere Stun
den im Wartezimmer einer Poststation
auf frische Pserde warten. Nach kurier
Zeit traten mehrere Handlungsreisende
in das Zimmer und ließen sich an dem
selben Tische, an dem der Minister saß,
nieder. Es entspann sich ein allge
meines Gespräch; ein ieder rübmte sein
Geschäft, bis sich einer der Handlungs
reisenden an kaunitz mit den Worten
manote: snischuldigen Sie, mein
Herr, sür welches HauS reisen Sie
eigentlich?"
Für ein ziemlich großes," erklärte
der Minister lächelnd, .für das HauS
Oesterreich."
v XaMer's tage. '
In einem kühlen Grunde.
Ta steht ein Damenrad.
Mein Liebchen ist verschwunden,
DaS drauf gefahren hat.
Sie hat mir Treu versprochen.
Wir radelten zu Zwei'n;
Sie hat die Treu aebrocken.
Jetzt radle ich allein.
Ich möcht' als Champion reisen
Weit in die Welt hinaus.
Und meine Kunst beweisen.
Doch mach' ich mir nichts draus.
Weit, weit in fernen Landen
Mein Liebchen wohl spaziert.
TaS jüngst auf einem Tandem
Ein Andrer hat entführt.
seb ich ein Tandem kabren.
Dann ist'S um mich geschehn.
ch. einen grotzeren Narren
Hat nie die Welt gefeh'n.
Z lkeater.
Hausbesitzer zu seiner Frau, die leb
haft applaudirt). .Klatsch doch nicht so
auffallend, athi.. .. die Leute meinen
sonst, wir haben Frei-Bille I"