Nebraska Staats-Anzeiger. (Lincoln, Nebraska) 1880-1901, February 11, 1897, Image 12

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    vertauschte Rollen.
JloiifKdlc von Arthur T i i rf.
Dann will ick Dir daS 'nial ortent
lich erzählen," sagte mein Freund HanS
laaffen, als er kürzlich nach langem
Feriisein wieder einmal in Geschäften
011 Buenos AireS herüber" gekommen
mar und ließ stch von mir sein GrogGlaS
srisch füllen;' denn es war bitter kalt
und vor den Fenstern wirbelte ein
schaudervolles Getümmel von Schnee,
Reaen. Wind und Hagel. Und weißt
, Du. Dicker, wenn Du 'mal davon was
in Deine Geschichten bringen willst, die
manchmal für die Zeitungen
chreil'st. dann thu' da? nur. Vielleicht
Mit da den Einen oder die Andere vor
r.llju langwierigen Verlobungen zurück,
renn die taugen nun 'mal nichts, und
jeder hat dabei nicht so'n Glück wie ich.
Also waS ich sagen wollte. . . .
Ich war ja noch ein ziemlich grüner
Kerl, als ich mich damals mit Marie
SenderhunS verlobte. Aber so grün
ar ich doch nicht mehr, daß ich nicht
gewußt hätte, waS eS heißt, einem
Madel fein W?rt geben.
Sie war ja auch so reizend damals !
Eine sichte Holsteinerin, blond, groß,
kräftig und hübsch und so ungemein
verständig mit ihren neunzehn Jahren !
Ich hatte fte in einem Winter kennen
gelernt, wo ich, um den letzten deutschen
Fasching auszunutzen, so recht eifrig auf
alle Feste lief, die in Kiel vom Stapel
gelassen wurden. Du weißt ja, daß
ich damals im Begriff war, nach Argen
tinien auszuwandern, wo ich hoffen
durste, in kürzerer Zeit als hier zu
einem Vermögen zu kommen? mein
braver Onkel, bei dem ich bis dahin ge
lebt, hatte aller Welt erzählt, daß mich
in Buenos Aires die herrlichsten Aus-
sichten erwarteten und daß ich, ein so
lides, kaufmännisches Talent", dort in
aller Kürze meinen Weg machen und
ihm all seine erzieherischen Bemühun
qen um mich reichlich belohnen würde,
Kein Wunder also, daß man mich
häufig einlud und so mancher freund
liche Blick aus schönen und noch mehr
aus schwiegermtttterlichen Augen mich
traf.
Marie und ich waren sehr bald einig
miteinander, zuerst nur im Herzen,
dann auch, mit Wort und Handschlag.
Sobald ich drüben einen behaglichen.
eigenen Herd haben würde, wollte ich sie
nachkommen lassen, ganz gleich, ob vier,
fünf oder noch mehr Jahre darüber hin'
gehen würden.
Was find Monate. waS find Jahre!"
dachten wir in unserem LebenSenthu
flaSmuS.
Nun also, ich reiste ab, die Augen
voll Waffer und daS Herz voll Jammer,
denn ich konnte den verzweifelnden Blick
meiner Marie nicht loswerden, mit
dem sie nach einer letzten, schmerzlichen
Umarmung mich gehen ließ. Immer
klang mir daS Lied von Lenau durch
den Sinn:
Nie soll weiter sich in'S Land
Lieb' von Liebe wagen,
AIS Du blühend in der Hand
Kannst die Rose tragen.
?!un kann man zwar heutzutage
blühend in der Hand' ganz gut eine
Rose im Eilzuge beträchtlich weit tra
gen; aber von Kiel bis Südamerika, , ,
Jedenfalls war mir kreuzelend zu Muthe
auch als die Seekrankheit schon hin
ter mir lag, und ich saß halbe Tage
immerfort in der Kabine, ihr Bild in
der Hand, und ftudirte ihre sanften
Züge.
Würde sie mir treu bleiben? Würde
sie, die Vielumwordene, in der langen
langen Trennungszeit nicht einen Ande
ren finden?
Selbstverständlich entwickelte sich zu
nächst zwischen uns eine eifrige Corre
spondenz. auS der ich alle Gefühle und
auch die meisten häuslichen Erlebnisse
ersuyr, oe Marie raren. Zum Bei
spiel hatte sie gleich in den ersten Tagen
ihn Schwester, ein naseweises Ding von
ib Jagren, m unere beimilche Vev
lobung eingeweiht; die Eltern wußten
icyon voryer vavon.
Der Backfisch war in Entsetzen ge
rathen. Was?" hatte sie mit aufgehobenen
Händen gerufen, so viele Jahre ver
lobt sein? Und immer mit demselben?!
Da? ist ja garnicht auszudenken !"
Aber Marie hatte ihr in stolzer
Würde den Rücken gekehrt und ihr ge
sagt, daß sie eben wahre Liebe und
Treue nicht verstehe, weil sie sie nicht
kenne.
.Und Du etwa?" hatte das vorlaute
Ding gefragt. .Du kennst doch auch
höchsten jetzt die Liebe aus Erfahrung,
aber die Treue noch lange nicht !"
Solche und ähnliche Scharmützel be
richtete mir Marie des Oesteren in
ihren Briefen, nicht ohne jedesmal
fchttjend hinzuzufügen, daß wir beide,
sie und ich, deffer wüßten, woran wir
seieil.
Na, und so ging das weiter. Jahr
für Jahr.
Wenn man sagt, daß die Ehe das
Grab 0 Liebe sei, so ist da natürlich
schändlich Verläumdung, eine Pro
fanarion unserer heiligsten Jnftituti.
iien. Ader daß eine lange Trennung
nicht gnade ein Treibhaus für die Liebe
jft, da steht bombenfest.
Räch und nach, so ganz langsam und
unbewußt, begannen meine Geschäfte
und neue Jntereffen mein Herz mehr
anzufüllen als Marien Bild. Wenn
ich sage neuk Jntereffen, f meine ich
zunächst damit nicht etwa schöne Damm,
sondna das fremde, südliche Leben, die
ungewohnten Menschen, die andere D
seinsweise überhaupt, die nun schon an-
ring, in mein Blut überzugehen.
Allerdings die SüdamerikaneriNl
neu waren ja auch außerordentlich schön
Da war besonders eine Familie cm-
tez die Mutter Deutsche, der Vater
Spanier deren Töchter alles an
Liebreiz vereinten, was überhaupt nur
an Weidergeftalt verschwendet werden
konnte. Be anders die eine Margitta
Zuerst, als ich mit ihnen bekannt
wurde, verkehrte ich in der ungezwungen
nen, vertraulichen Art mit ihnen, die
ein Bräutigam so locht genießt. Man
wußte, ich war verlobt, man konnte
deshalb den jungen Damen keine
Flirtation" vorwerfen, wenn sie mit
mir scherzten, und mau konnte mich in'S
Haus ziehen, ohne gleich zu allerhand
Vermuthungen Anlaß zu geben.
Ich war zu jener Zeit schon vier Jahre
in Buenos, ich prosperirte, hatte bereits
den so hei ersehnten, eigenen Herd,
aber merkwürdig ich empfand gar
nicht die brennende Eile von srllher, Die-
sem Herde meine blonde Hausfrau
vorzuführen: Wer vermag etwas gegen
sein Schicksal!
Das meine ward Margitta.
Ich war damals fünfundzwanzig
Iah alt. und die ivnge Schönheit vev
kehrte mit mir mit einer so süßen Art
der Ungebundenheit, die wunderbar ab,
stach gegen den kühlen Stolz, mit dem
sie andere junge Herren behandelte.
Natürlich ich war ja schon verlobt
Ach, es ging wie in dem Storm'schen
Gedicht: Sie wußte nicht, eS konnte
zünden." Und es zündete, ta es zün
dete so, daß ich ganz verzehrt ward von
dieser verbotenen Nahrung und noch
mehr von dem Kampf zwischen meinem
Herzen und meinem Ehrgefühl, denn
um daS Unglück voll zu machen denke
dich an meine Lage ich hatte zwei Mo-
nate vorher, noch ehe dies Schaden-
feuer thatsächlich in mir zum Ausbruch
kam. an Marie geschrieben, daß ich nun
bereit sei, mein Wort einzulö en.
Zu jener Zeit nämlich kehrte eine in
Buenos Aires ansässige Dame, Frau
Brandt, nach Südamerika zurück, die
vor etwa einem halben Jahr ihren Sohn
ssranz, den jüngeren Partner des alten
Santez, auf einer Tour nach Deutsch-
land begleitet hatte. Frau Brandt war
Bremerin und Marie kannte Verwandle
oon ihr in Bremen. So machte der
Anschluß an die ältere Dame ihr keine
Schwierigkeiten, und sie antwortete mir,
daß sie käme.
Der Brief laugte natürlich erst kurz
vor lyrer eigenen Ankunft an und ver
setzte mich in wahre Höllenqualen.
Denn allmählich ward mir schauderhaft
klar, daß ich ja auf alle Fälle ein
Schurke werden mußte! Entweder ich
heirathete Marie und wurde ihr Gatte
mit der sündigen Liebe zu einer Andern
im Herzen, oder ich brach ihr mein Wort
und freite Margitta.
Daß diese allgemach in ihrem Herzen
ein anderes als nur schwesterliches Ge
fühl für mich entdeckt hatte, war mir
aus taufend kleinen Anzeichen offenbar
geworden und vermehrte meine Qual,
Marien'S Briefe waren übrigens
ebenfalls ganz anders geworden, als
ihre ersten, feurigen Episteln. Sie
deutete hier und da an, daß sie um
meinetwillen einen neuen Bewerber
heimgeschickt habe, und zuvieilen wollte
eS mir scheinen, als klänge ein leiser
Ton deS VorwurfS über ihre lange Ein
famkeit heraus.
Näher und näher kam inzwischen daS
chiff, das die Erwartete brachte.
Aus demselben Dampfer kehrte mit
der Mutter auch Franz Brandt, der
schon quasi als der zukünftige Schwieg
son seines AffocieS und als versproche
ner Bräutigam der schönen Margitta
galt.
Wenn ich an diesen jungen Herrn
dachte, so drehte sich mir daS Herz im
eive. Wenn wenn auch iq im Begriff
war, Margitta aufzugeben, um mein
Wort einzulösen, so schien eS mir doch
unerträglich, daß sie AehnlicheS thun
und einen Anderen heirathen sollte.
Man wird Egoist, wenn man verliebt ist.
DaS Schiff war schon gemeldet, und
ich brachte die letzte, bittersüße Stunde
mit meinem .Schicksal" zu, und zwar
geschah dies in einer gemauerten Laube
im Santez'schen Garten unter Blüthen
bäumen und Rofenbüschen bei paradie
fischem Wettn.
Margitta saß auf einer Bank, die ei
nen Ausblick weit in'S Land hinein bot,
und schaute still vor sich hin. Ihre
schwarzen Brauen waren leicht zusam
mengezogen, und um ihre granatrothen
Lippen grub sich ein fast zorniger AuS
druck, denn ich hatte eben von Marie
und meiner bevorstehenden Vermählung
gesprochen.
Und Sie Margitta?" fragte ich.
Wann gedenken Sie zu heirathen?"
Sie warf mir tinen räthselhaften
Blick zu und bewegte verneinend ihren
Zeigefinger hin und her.
.Wie?" rief ich außer mir, .an ihre
spanische Gestensprache schon gewöhnt.
Sie wollen nicht heirathen ? Und
Franz Brandt, der in einigen Stunden
hier sein wird ?"
.WaS geht mich Franz Brandt an!"
fuhr sie aus. .Sie wiffen sehr wohl,
daß ich ihn nicht liebe."
.Margitta," fragte ich zitternd, ist
das wahr? Sie lieben ihn wirklich
nicht?"
Nein, Herr Claassen, ich liebe ihn
wirtlich nicht und Sie sollten der Letzte
sein, der mich darnach fragt."
Dabei warf sie mir wieder einen
Blick auS ihren schwarzen Augen zu.
die jetzt voll Thränen standen, einen
Blick! Um meine Faffung war eS ge
fchehen.
Ich stürzte ihr zu Füßen, umklam.
merte ihre Kniee und überschüttete sie
mit LiedeSworten, tollen, lange zu
rückgehaltenen Strömen von Worten
Sie aber neigte fich über mich, nahm
meinen Kopf zwischen ihre beiden Hände
und sagte:
.Und warum denn sollten wir un
glücklich sein. Hans?"
Warum? Mein Gott, Margitta,
Du weißt doch, daß in der nächsten
Stunde meine meine Braut hier
eintrifft! Und ich darf doch mein ihr ge,
gebeneS Wort nicht brechen!"
Sie stand auf und schüttelte ihre
schwarzen Locken zurück.
.Nein!" sagte sie Plötzlich mit der
ganzen Grandezza ihres väterlichen
Stammes. Du Geliebter, sollst ihr
Dein Wort nicht brechen, sie soll es
Dir von selbst zurückgeben."
.Margitta. was haft Du vor ? Be
denke doch, das arme Mädchen würde ja
vor Beschämung nie wieder nach Deutsch-
land zurückkehren können! Ich muß,
ich muß sie heirathen."
Dabei rang ich die Hände in Ver
zweiflung.
Beffer zu früh als zu spät soll sie
erkennen, daß ich Ihr Dein Herz ge
nommen habe. Bleibe hier im Gar
ten, ich selbst will gehen, sie zu empsan
gen." Ader das litt ich natürlich nicht. Und
da die Zeit drängte, verließ ich jetzt
meinerseits das HauS mit dem Ver
sprechen an Margitta, Marie zunächst
noch nichts von baldiger Hochzeit der
dergleichen zu sagen.
Mir wirbelte der Kopf. Während
ich zum Hafen fuhr und mir in ohn
mächtiger Wuth vor die Brust schlug,
daß ich noch in der letzten Stunde
schwach geworden war, tönten mir doch
wie himmlische Musik Margitta's Lie
besworte in den Ohren, berauschte ich
mich noch nachträglich an dem Dust
lyrer Usse.
Im Hafen legte eben das kleine
Dampfschiff an, das die Paffagiere des
großen Amerikafahrers an das Land
brachte, und die Fahrgaste harrten am
Geländer der Erlaubniß zum Ausster
gen.
Aeng tlich suchte ich mit den Augen
Marie. Ich sah sie zunächst nicht. Oder
doch? Dort die Dame, die mir den
Rücken zuwendete und in ihr Taschen
tuch weinte, während vor ihr ein Herr
wayryanig ritz Brandt ! ne zu
trösten schien, die war nach Gestalt und
Haarfarbe meine einst so heißgeliebte
Braut. Franz Brandt ermähnte sie
augenscheinlich zur Ruhe und Faffung
(was in aller Welt hatte sie denn jetzt
zu weinen?) und unterstützte seine
Reden, indem er ihr die Locken aus
der Stirn strich.
Ich traute meinen Augen nicht !
Aber doch hatten sie mich nicht at
täuscht, denn resolut schob jetzt Brandt
ihren Arm durch den einen, wandte sich
dann der Brücke zu und zog fte mit fich
fort. Frau Brandt, die ich jetzt erst
bemnkte, folgte den Beiden mit einer
wunderlich beklommenen Miene.
Franz hatte mich bereits gesehen und
steuerte jetzt direkt aus mich zu. Marie
war, wie ich durch ihren Schleier sehen
konnte, so weiß wie ein Stück Papier,
ayer war mein erster Gedanke und
meine erste, höchst unpoetische Frage,
ais ne herangekommen waren:
Ist Fräulein Senderhuus noch see-
krank?"
Und dabei streckte ich nur mechanisch
eme yanb aus, anstatt fte als unge
duidiger Bräutigam stürmisch zu um-
armen.
.Nein." sagte Brandt mit fester
i&timme, aver es ist ihr ein anderes
Unglück pasfirt das heißt, für mich
bedeutet es das höchste Glück und es
ist beffer, Sie erfahren eS gleich, Herr
Claaffen : Ihre Braut ist nicht mehr
ge onuen, Sie zu beiratben."
Ich warf die Arme hoch ,n die Luft
vor Ueberrafchung und dann, ohne
Rücksicht auf das Publikum, fiel ich
Franz Brandt stürmisch um den Hais,
Men ch!" rief ich, .Marie ist das
denn auch wahr?"
Scheu traten die Beiden, die immer
noch Arm in Arm standen, zurück:
augenscheinlich hielten sie mein Beneh
men sUr einen plötzlichen WabnttnnS
ausbruch.
Ich ich verstehe Dich nicht."
murmelte Marie, die nun offenbar
allen Muth zusammennehmen mußte;
ich dachte ich meinte, ach Gott.
HanS, eS ist so lange her, daß wir uns
kannten und inzwischen in vier Iah
ren kann man sich wohl ändern,
und dann lernte ich in Bremen Franz
kennen "
Dunkle Röthe trat ihr in's Antlitz,
mir abn ward der ganze Zusammen
hang blitzschnell klar. Franz und Marie
hatten drüben an fich dasselbe Wunder
und wahrscheinlich auch dieselben Kämpfe
erlebt wie inzwischen Margitta und ich.
Also
.Und auf der Ueberfahrt haben wir
unS gefunden." vollendete Brandt ihren
Satz. Und da sagte ich Marie, eS fei
am Ehrlichsten und Tapfersten, wenn
wir tS Jhnm gleich sagten: Falls Sie
fich abn deshalb mit mir zu schießen
wünschen, Herr Elaassen "
Ich denke ja gar nicht daran!" schrie
ich. Ja, ich schrie in meiner unsag
barm Freude ganz laut: .Marie
Brandt, auch ich habe ein Geftändniß
abzulegen und zwar ganz dasselbe ich
habe eingesehen, daß ich Margitta San
tez lieb habe diel zu lieb, um eine
Andere heirathen zu können! Herr
gott, ist das aber ein Glück, daß fich das
Alles so wunderbar fügt I. . . . Seht.
dort kommt schon Margitta selbst
Wirklich sprang soeben mein hoch
sinnige? Lieb von ihrem Wägelchen; die
Unruhe hatte sie doch zu Haus nicht ge
duldet.
"Changez les dames!" rief in
übersprudelnder Laune Franz Brandt.
Claaffen, das ist bei Gott mehr
Gnade, als wir Beide verdienen, nicht
wahr, Mutter?"
Frau Brandt stand in stummem
Entzücken bei dieser aufgeregten Scene,
die viel beffer in den letzten Akt eines
Luftspiels hineingepaßt hätte, als in
das exotische Getümmel des großen Ha
fenplatzes. Wenig fehlte, so hätte die
würdige Dame segnend ihre Hände über
die beiden Liebespaare ausgestreckt. Sie
that es daslir ein paar Wochen später,
als wir unsere Doppelhochzeit feierten.
Der Reigen des Lebens hat uns auch
späterhin nicht diese Extratour bereuen
lassen, bei der wir die Damen gewechselt
hatten!
DaS aber sage ich Dir, alter Junge,
immer läuft die Sache nicht so
glimpflich ab; und deßhalb rathe Du
allen vernünftigen Leuten, fich nicht
eher zu verloben, als bis fie auch in ab
fehbarer Nähe die Hochzeit vor fich
sehen. DaS ist Deine Pflicht, wenn
Du meine Geschichte erzählst, und
dann hat sie auch gleich eine moralische
Pointe!"
Mein erster kandgang.
Von R, Wcg,
Wie verlockend sah die Stadt aus,
mit ihren hellen Häusern, den zahllosen
Tempeln, den reichoergoldeten Thürmen
und den schwankenden Palmen am
Strand, die ihre feingegliederten dun
kelgrünen Wedel leicht in der Seebrise
hm und herbewegten. Das Herz ging
mir aus beim Anblick all dieser Herr-
lichkeiten, die in ihrem fremdartigen
Reiz mich mächtig anzogen und mein
'Verlangen, sie in der Nähe zu be
trachten, mich in das bunte Gewühl
der fremdartigen Z,!enschenmenge zu
mischen, aufs Höchste steigerten. Dann
hatte mir auch mein Freund Hans so
viel Sonderbares und Interessantes er
zählt, das meine Neugierde weckte. Er
hatte Urlaub bekommen; für einen
Leichtmatrosen war das schon felbftvev
andllch. Ich aber war erst Kaillten
Wächter und machte meine erste Reise
zur See, da darf man nicht den großen
Anspruch erheben, daß Einem der Her-
zensmunsch eines Landurlaubs erfüllt
werde.
Wie sollte ich nun aber, wenn ich erst
wieder zu Hause angelangt sein würde.
von all' den Herrlichkeiten erzählen, wenn
ich sie nicht selbst gesehen? Bon einem
Menschen, der in China gewesen ist, er
wartet man doch, daß er Interessantes
zu berichten weiß ! Dem Hans konnte ich
doch Nicht Alles aus sein Wort glau
den; er flunkerte gern, das wußte ich
Flunkerei war auch die Geschichte mit
dem Maulesel, der in SantoS als Post
böte benutzt werden soll, an die HauS-
thüren mit dem Schweif schlage, worauf
die Bewohner herauskommen und die
Briefe aus dem ihm umgeschnallten
Korbe entnehmen. Wenn ich Dergleichen
zu Haufe erzählen wollte, so würden
mich selbst meine Schwestern auslachen,
und dazu war ich doch nicht zur See ge
gangen, damit solch' dumme Frauen
zimmer sich nachher noch über mich luftig
machen sollten I
Den Vnsuch wollte ich doch wenig-
ftenS wagen, und mir Urlaub erbitten,
Am nächsten Sonntage, nachdem ich den
Frühstückstisch abgeräumt, faßte ich mir
ein Herz und trat zum Kapitän. Die
Hoffnung, meinen Wunsch erfüllt zu
sehen, war nicht gerade sehr groß, und
etwas gepreßt kam eS heraus : Capitän,
darf ich heute Nachmittag an Land
gehen?"
Ob der Alte" nun schlechter Laune
war, oder od ihm die Bitte überhaupt
alS unpassend ers-hien, kurzum, er fer
tigte mich barsch ab mit den Worten
Jungen geh n anS Land, wenn der
Großmast geht."
Die Redensart, die ich an Bord so
oft schon gehört habe, ärgerte mich, und
halb gegen meinen Willen flog mir die
Antwort herauS: Ja, Capitän, dann
will ich wieder anfragen !" ES war ein
Glück, daß ich mich in der Nähe der
Ca ütsthüre befand. Ehe der Schiffs-
Patriarch darüber nachdenken konnte, ob
n die Antwort auf Rechnung einer un-
erhörtkn Vorwitzigkeit odn aus allzu,
große Naivetät schreiben soll, hatte ich
das Deck reicht. -ES war vorstchtiqn.
weiteren Erörterungen übn diese Frage
auS dem Wege zu gehen, denn gegen
die .schlagenden" Argumente meine?
Herrn hätte ich doch nicht anzukämpfen
vermocht.
Aus Deck fand ich meinen Freund
HanS, der fich eben wieder zum Land
gang rüstete.
.Nun darrst lu mit an anvv
.Nein ! Tn Alte sagt, ich solle an
Land, wenn dn Großmast geht da
werde ich wohl noch lange warten ISn
nen. Wn weiß?" ries mir m-nn
Freund lachend zu, während n schon
im Begriff war, ins Boot zu steigen.
Bnlaß Dich aber daraus, ich erzähle
Dir Alles genau."
Mein lkummn war zuerst gro. abn
die All heilende Zeit ließ die Wunde
nach und nach vernarben. Wieder war
eine Zwischenreise zu Ende, und dn
.Graal" log im Hafen von Taka. Es
war im Monat September, und wie
ich den Capitän zu dem Steuermann
sagen hörte, stand der Monsunwcchsel
bevor. Nach den niedrigen Barometer
stände sei nicht nur schlechtes Wetter,
sondern auch leicht ein Taifun zu er
warten.
Ein Taifun, das war noch wenigstens
eme Avwechsttung. wenn auch nicht
gerade eine angenehme. Mein Freund
HanS. dem ich die Neuigkeit erzählte,
lächelte zwar ungläubig. Er war von
der Aussicht auf einen solchen Sturm
nicht gerade erbaut: gab eS doch dabei
Arbeit in Hülle und Fülle.
Gegen Mittag verdichtete sich die Luft.
E begann zu regnen, erst mäßig, dann
aber bald in Strömen. Der Capitän
hatte mit dem Steuermann eine kurze
Unterredung. Dann kam Letzlerer aus
Deck und befahl die Vorkehrungen zur
Sicherung des Schiffes zu treffen. Die
obersten Rasen wurden an Deck genom
men und die Stengen gestrichen, damit
der Wind möglichst wenig Oderfläche
finde, um sich darin zu fangen. Dem
strömenden Regen folgte Wind, erst in
einzelnen kurzen Stößen einfallend,
dann anhaltend mit stets wachsender
Stärke. Der Taifun fetzte mit voller
Kraft ein und brüllte sein schauerliches
Lied. Das Waffer zischte und sprang
wie in einem Hexenkessel zur Höhe und
überschüttete das Schiff mit schäumen,
den Küssen. In dem wilden Auskiihr
der Mlur wurde der Graal" hm- und
hergeschleudert. Die ,Ankerkctten klirr
ten und krachten, wenn das Schiff wie
eine Nußschale in die Höhe geschleudert
ward und dann in die Tiefe hinabschoß.
Der Schiffsrumpf ächzte in seinen
Fugen, die Masten krachten und krächz-
ten, als der Taifun fie wie dünne Bin
fen bog und zu brechen versuchte. Oben
im Takelwerk heulte und pftff, klap-
perte und zitterte eS als ob von unsicht
baren Händen unS der Todtenmarsch
aufgespielt würde. Glücklicherweise
widerstanden die Anker und Kelten dem
ungeheuren Drucke, der aus ihnen
lastete, der Taifun häte sonst hier dem
Graal" und feiner Mannschaft daS
Grablied gesungen.
Am nächsten Morgen hatte sich das
llnwener verzogen; der Himmel sah
zwar noch drohend aus und im Hafen
rauschte noch immer die Brandung, aber
dn Wind mar abgeflaut und auch die
erregten Fluthen wurden allmählich ru
higer. Nun galt eS den Schaden zu
besehen, welchen der Sturm angerichtet,
und der war allerdings nicht gering.
Das Bugspriet hatte sich beim Ein
stampfen in die hohe See gelöst und das
Schiff hatte im Garnen so gelitten, dak
es leck geworden war. Da konnte nur
eine gründliche Reparatur helfen und
die war in Takoa gar nicht zu beschaf
fen. Soweit wie angängig, wurde das
Schiff nothdülftig hergestellt, dann feael
ten wir nach Amoy. um den .Graal"
dort im Dock einer gründlichen AuSbef
ferung zu unterziehen.
Da lagen w,r nun. auf einen Stein-
wurf bom Lande entfernt, bock und
trocken im Dock, und mein Wunsch, nun
einmal im himmlischen Reich den Fuß
an an setzen zu dürsen, hatte durch
die lange Zwischenzeit und die Nähe des
Landes keine Einbuße erlitten. Die
Bitte an den Capitän wollte ich aber
nicht wieder riskiren. Um wenigstens
meinen Wissensdrang etwas zu befrie
digen und da Leben und Treiben dn
Chinesen ungestört beobachten zu können.
pflegte ich mich in meinen Stunden
oben am Mast in die MarS u fetzen.
w ich den prächtigsten Ausblick aus die
Straßen von Amoy hatte.
An einem Sonntage die Reparatur
war schon nahezu beendet, und in den
nächsten Tagen sollte das Schiff wieder
au dem Dock geholt werden saß ich
wieder oben aus meinem BeobachtungS
Posten. Zufällig fiel mein Blick auf
eine große Spalte, die zwischen dem
Topmaft und der Marsstenge versteckt
lag, fodaß ste bisher Niemand gewahr
geworden war. Ein tiefn Riß zeigte
sich, als ich die Sache genauer unter
uchte, der beinahe rund um den Mast
lief und theilweife von der MarS er
deckt wurde. ES konnte kein Zweifel
darüber herrschen, der Mast war bei
dem schweren Schlinger und Stampfen
des Schiffes im Taifun geknickt, und
bisher hatte noch keiner von der Mann
chaft den fatalen Bruch entdeckt.
Schnell eilte ich hmad aus Deck, um
dem Capitän Mittheilung von meiner
Entdeckung zu machen. Die Sache er
wies sich bei genauer Besichtigung als
richtig. Der Mast war gebrochen und
mußte durch einen neuen ersetzt werden.
Nach wenigen Tagen war man dabei.
ihn aus dem Schiff zu Heden und an?
Land zu befördern.
Dn Capitän stand gerade an der
Reeling, als daS schwere Stück Holz
über die Schiffsseile ging. Er war
offenbar gut gelaunt, daß der Schaden
rechtzeitig entdeckt worden war, ehe Un
heil daraus entstand. Nun hielt ich
die Zeit gekommen, mein Anliegen wie
der vorzubringen. .Capitän!" hub ich
an, darf ich nun am Sonntag an Land
gehen? Der Großmast ist nun auch schon
auf dem Weg dorthin." ,
Der Alte sah mich einen Augenblick
verftändnißlos an, dann aber lachte er
laut: Wohl mein Wort will ich hol
ten! Am Sonntag Nachmittag sollst Du
hin und Dir die Stadt ansehen.
So kam ich zu meinem ersten Land
gang.
Zzmüdlend (Ritte,
Frau: .Heut' Nacht hat mir'S träumt,
fei häßlich g'worden !"
Mann: .Dös ist unmöglich ! Ma' la'
nit träumen, daß ma' was wird, was
ma' scho' ist !"
Riicksicht,oll,
Bettler (auf einem belebten Platze
zu einem vorübergehenden Herrn, von
dem er kein Almosen erhalten): Danke
tausendmal."
Herr: Warum bedanken Sie fich, ich
habe Ihnen doch nichts geschenkt?"
Bettler: Ich wollte Sie nur vor den
anderen Herren nicht blamiren."
Schön Sei.
Ich war schon da, ich war schon dort,
Hab' Mancherlei erfahren;
Doch ging ich da am schwersten fort.
Wo Lied und Sang und lustig' Wort
Erbeingeseffen waren. ,
Aus der Zstnktilttssiu,de,
Der Lieutenant hat eine geographi
sche Skizze an die Tafel gezeichnet und,
wie üblich, die Richtung der Fluß
strömung durch einen Pfeil angedeutet.
Aus die den Fluß markirende Linie
deutend, fragteer: Füsilir Lehmann,
was ist das?"
Ein Fluß, Herr Lieutenant I"
Lieutenant: Woran sehen Sie das?"
Füftlir Lehmann: Herr Lieutenant
haben ja einen Hecht reingemalt."
Kleines Mißverständniß,
(Im Eisenbahncoupce,)
Mei gutesteS Herrche, wo fahren
Sie hin?"
Ich fahre nach Dresden !"
Ei ! Da fahren wir zusammen. Ich
fahre och nach Dräsden. Ich hab' Sie
nämlich was im Ooge !"
So ! Zu welchen Augenarzt gehen
Sie dain Dresden?"
Ich will nicht zum Oogenarzt;
ich hab' Sie nämlich e' Geschäft im
Ooqe !"
Swcif'lkaftes tob.
Der Vormund eines Knaben erkun
digte fich darnach, ob dieser auch immer
recht fleißig lerne, worauf die Mutter
erwiderte:
Mein Sohn ist sehr genau in seinen
Schularbeiten, er zeichnet gut, er lieft
schön und schreibt wie geschmiert."
Ausrede.
Frau: Wie nöthig brauche ich nur
ein neues Kleid I Du thust aber, als ob
Du den Mangel gar nicht siehst ! Aber
in unserem Brautstände, da versprachst
Du mir jeden Wunsch zu erfüllen,
den Du mir an den Augen absehen
könntest I"
Mann: Du weißt doch aber, daß ich
kurzsichtig bin!"
Ver paffendste yut.
Geck: Ich möche öh l einen Hut
kaufen aber äh. üb ! der für meinen
Kopf gut paßt !"
Huthündler: Fritz, bitte, geben Sie
doch 'mal 'nen Strohhut 'runter !"
MißoerstZndniß,
(In der Apotheke.) Junger
Herr
Stotterer): HUP bp "
Apotheker (leidenschaftlicher Freund des
Rudersports): .Hurrah!!"
Junger Herr: Ader nein ! Hyp
hyper man gan fau faureS
Kali !"
Aus dem leben.
Wenn Jemand einen Streich begeht
Und ihm ein Schaden draus entsteht.
Sieh' zu, was feine Freunde machen;
Wohl fünfzig werden d'rüber lachen.
Vielleicht auch zehn betrübt erscheinen
Und fünf sogar darüber weinen,
Kaum Einer wird mit klugen Sinn
Für fich d'rauS eine Lehre zieh'.
höchste Zeit,
Schultze: Wat fagste denn dazu,
daß der Tadaksbau in der Provinz
Brandenburg in diesem Jahre wieder
erheblich zujenommen hat?"
Müller: Ick sage, 'S iS die höchste
Zeit, daß in Cuba der Aufstand auf
hört."
öckiichtem.
Madame: Wie kommt eS denn,
daß Glimmer so mäuschenstill in dn
Küche ist. wenn Ihr Bräutigam Sie
besucht?"
Köchin: Ach, Madame, der arme
Mensch ist noch so schüchtern, wenn er
bei mir ist. dann thut er auch nichts als
essen."
Anreden hilft,
Schriftsteller: Ich habe mich ver
lobt, dies ist die Photographie meiner
Braut."
College: WaS? Die Tochter deS
reichen Banquier? Schmidt? Da find
Sie aber vorsichtig in dn Wahl Ihre?
Schwiegervaters gewesen."
Schriftsteller: Sie scheinen sich in
mir vollkommen zu irren; mein Schwie
gervatn hat mich nur mit der größten
Uebenedungskunft zur Annahme einer
kleinen Mitgift bewegen können."
College: Unglaublich ! Warum?"
.Weil ich eine große forderte."
iicurrf j !
Professor (dn spät Abend? heimge
kommen): .Donnerwetter, ich wollte
doch was ! Was war es denn nur
gleich? iNachdem er eine halbe Stunde
nachgedacht): Ach ja, jetzt fällt'? mir
nn: zu Bette gehen wollt ich !"
Die Raffich jliuirne.
.... Man sollte meinen, Auguste.
Sie fühl'ten fich in Ihrer Arbeit und
Pflichterfüllung glücklich!"
.ch. Iviadam . .glücklich allein ,R
die Seele, die liebt"!"